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Die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 22.6.2018 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 17.1.2019 wird bis zum Ablauf von einem Monat nach der Bekanntgabe der Entscheidung über den hiergegen anhängigen Einspruch in Höhe eines Grundbesitzwertes von 139.367,00 € ausgesetzt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsgegner.
I.
2Die Antragstellerin ist eine Erbengemeinschaft, deren Mitglieder die Gesamtrechtsnachfolger nach der am 22.06.2018 verstorbenen Frau A sind. Zum Nachlass gehörte unter anderem das mit einer Doppelhaushälfte bebaute Grundstück F-Straße ... in ... E.
3In ihrer Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts vom ....12.2018 bezifferte die Antragstellerin den Sachwert des Grundstücks mit 173.053 €. Dabei ging sie von einem Bodenrichtwert i.H.v. 440 €, einem vorläufigen Sachwert gemäß § 189 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes – BewG – i.H.v. 144.211 € und einem Sachwertfaktor von 1,2 gemäß § 191 Abs. 2 BewG aus. Ausweislich der Erklärung weist das Grundstück eine Größe von 184 m² und das im Jahr 1928 errichtete Gebäude eine Wohnfläche von 127 m² (Brutto-Grundfläche: 248 m²) aus. Die Gebäudeart aus Anl. 24 zum BewG wurde mit 2.11 angegeben. Weiterhin ist eine Garage mit einer Bruttogrundfläche von 15 m² vorhanden (RHK/m²: 287 €).
4Mit Bescheid vom 17.1.2019 stellte der Antragsgegner den Grundbesitzwert auf den 22.6.2018 unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens auf 312.420 € fest. Dabei ging er von einem Vergleichsfaktor gemäß § 183 Abs. 2 BewG von 2460 €/m² der Wohnfläche aus.
5Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch beanstandete die Antragstellerin die Anwendung des Vergleichswertverfahrens anstelle des Sachwertverfahrens und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides. Der Grundstücksmarktbericht 2018 des Gutachterausschusses der Stadt E (im Folgenden: GMB) weise in Bezug auf das zu bewertende Objekt keine geeigneten Vergleichsfaktoren aus. Bei dem von dem Antragsgegner herangezogenen Wert pro Quadratmeter der Wohnfläche handele es sich um den in der Tabelle unter Ziffer 5.1.1.4 ausgewiesenen Mittelwert der Kaufpreisspannen bei wiederverkauften Doppelhaushälften für Grundstücksgrößen zwischen 180-400 m² bei guter Wohnlage und mittlerer Ausstattung. Die in dieser Tabelle erfassten Objekte wiesen indessen undifferenziert Ursprungsbaujahre zwischen 1900 und 2010 auf, ohne dass Vorgaben für altersbedingte Zu- und Abschläge benannt würden. Auch eine Differenzierung nach Stadtteilen erfolge in der Tabelle nicht, obgleich die Kauf- und Verkaufspreise zwischen G und den anderen Stadtteilen sehr stark differierten. Die so errechneten Mittelwerte würden in dem GMB nicht als Vergleichsfaktoren bezeichnet. Es handele sich aber bereits wegen der mangelnden Differenzierung nach Baujahren oder Baujahrsklassen sowie nach Stadtteilen oder Stadtbezirken innerhalb von E auch nicht um geeignete Bezugseinheiten im Sinne des § 183 Abs. 2 BewG. Weiterhin würden sich die Feststellungen nur auf wiederverkaufte und nicht auch auf erstverkaufte Doppelhaushälften beziehen. Der angegriffene Wertfeststellungsbescheid sei daher offensichtlich mit den Regelungen in R B 183 ErbStR nicht vereinbar.
6Mit Schreiben vom 28.1.2019 und 18.2.2019 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die Feststellung des Grundbesitzwertes ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Gesetzgeber die Ermittlung von Vergleichsfaktoren den Gutachterausschüssen aufgegeben habe. Eine fachliche Überprüfung der von diesen als geeignet befundenen Vergleichsfaktoren durch die Finanzbehörde könne daher allenfalls auf offenbare Unrichtigkeiten beschränkt sein. Solche seien indessen vorliegend nicht ersichtlich. Der GMB gebe mit den Kriterien
71. Wiederverkauftes Einfamilienhaus
2. Doppelhaushälfte bzw. nicht freistehendes Haus
3. Grundstücksgröße 180-400 m²
4. Wohnfläche 90-130 m²
5. Baujahr 1900-2010
6. gute Wohnlage
7. mittlere Ausstattung
eine hinreichende Anzahl wertbeeinflussender Merkmale vor, um zu einer hinreichend vergleichenden Bewertung des streitbefangenen Grundbesitzes zu gelangen.
16Die offensichtliche Ungeeignetheit des Vergleichsfaktors folge nicht aus der Erstreckung der Baujahrspanne über die Jahre 1900-2010. Denn hierbei sei zu berücksichtigen, dass in die Untersuchungen ausschließlich zwischen 2013 und 2017 erzielte Kaufpreise eingegangen seien. Damit sei dieses wertbeeinflussende Merkmal wesentlich weniger davon beeinflusst, wann die zum Vergleich herangezogenen Gebäude errichtet worden seien, als vielmehr davon, dass sie im zu Vergleichszwecken herangezogenen Zeitraum veräußert wurden. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass der Wert eines Gebäudes weniger durch dessen Baujahr als vielmehr durch seinen Erhaltungszustand im Zeitpunkt der Veräußerung beeinflusst werde.
17Weiterhin ergebe sich die offensichtliche Ungeeignetheit des Vergleichsfaktors auch nicht aus der fehlenden Differenzierung zwischen verschiedenen Stadtteilen oder Stadtbezirken. Zwar könnten Immobilienpreise im Vergleich von unterschiedlichen Stadtteilen im Mittel stark differieren. Andererseits seien im Einzelfall auch in hochpreisigen Stadtteilen schlechter gelegene oder schlechter ausgestattete Immobilien denkbar. Diesen Objekten werde man bei der Wertfindung gerechter, wenn an deren Lage und Ausstattung im Einzelfall und nicht pauschal an die Belegenheit in einem Stadtteil angeknüpft werde. Eine derartige Verfahrensweise sei jedenfalls vom Beurteilungsspielraum des Gutachterausschusses umfasst.
18Da keine ernsthaften Zweifel an der Geeignetheit des Vergleichsfaktors bestünden bzw. dessen offensichtliche Ungeeignetheit nicht ersichtlich sei, komme eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht. Überdies könnte der Umfang einer solchen Vollziehungsaussetzung auch nicht ermittelt werden, da die Antragstellerin weder einen abweichenden niedrigeren Wert benenne noch bereit sei, den ihr gemäß § 198 Satz 1 BewG obliegenden Nachweis eines niedrigeren Wertes anzutreten. Keinesfalls könne im Vergleichswertverfahren auf einen im nachrangigen Sachwertverfahren zu ermittelnden Wert anstelle eines niedrigeren gemeinen Wertes zurückgegriffen werden. Denn dies führe zu einer unstatthaften Vermengung von zwei im Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehenden Bewertungsverfahren.
19Mit ihrem vorliegenden Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung trägt die Antragstellerin ergänzend vor, dass es im Streitfall nicht darum gehe, einen vom Gutachterausschuss festgestellten Vergleichsfaktor einer inhaltlichen Kontrolle zu unterwerfen, so dass es auch nicht darauf ankomme, ob eine solche Kontrolle auf offenbare Unrichtigkeiten beschränkt sei. Vielmehr fehle es bereits an einem von dem zuständigen Gutachterausschuss festgestellten geeigneten Vergleichsfaktor im Sinne der §§ 15 ImmoWertV, 183 BewG. Es handele sich bei den Wertangaben in Tz. 5.1.1 des GMB lediglich um nach verschiedenen Kriterien aufgeschlüsselte Angaben aus einer Kaufpreissammlung mit schematischer Mittelwertbildung. Soweit der Antragsgegner dabei die Angabe von Baujahresspannen für verzichtbar erklären wolle, widerspreche dies den allgemeinen Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Immobilienbewertung. Denn wie sich aus § 23 ImmoWertV ergebe, habe das Gebäudealter maßgebliche Auswirkungen bei der Bewertung von bebauten Grundstücken.
20Die Antragstellerin beantragt,
211. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 22.6.2018 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 17.1.2019 in Höhe eines Grundbesitzwertes von 139.367 € unter Ausschluss einer Sicherheitsleistung auszusetzen,
2. im Unterliegensfall die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
25den Antrag abzuweisen.
26Zur Begründung verweist er auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren.
27II.
28Der Antrag ist begründet.
291. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – kann das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe vorliegen, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe i.S. einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, m.w.N). Soweit es hierfür allein auf die Beurteilung von Tatfragen ankommt, gilt die Verteilung der Feststellungslast im Hauptsacheverfahren entsprechend im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung, wobei das Aussetzungsverfahren von der Besonderheit gekennzeichnet ist, dass einerseits nur präsente Beweismittel verwertet werden können (Urteil des BFH vom 14. Juni 1976 I R 138/74, BFHE 119, 373, BStBl II 1976, 682), andererseits aber auch nicht der volle Beweis der behaupteten Tatsachen erbracht werden muss. Es genügt vielmehr deren Glaubhaftmachung (Beschluss des BFH vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44).
302. Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 22.06.2018 deshalb ernstlichen Zweifeln, weil in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unsicher erscheint, dass die in dem GMB unter Ziffer 5.1.1.4 ausgewiesenen Mittelwerte der Kaufpreisspannen bei wiederverkauften Doppelhaushälften gemäß § 183 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes – BewG – als geeignete Vergleichsfaktoren bei der Feststellung des Grundbesitzwerts nach dem Vergleichswertverfahren herangezogen werden konnten.
31a. Gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 4 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftssteuer von Bedeutung sind. Den Bewertungen des Grundvermögens nach den §§ 179 und 182 bis 196 BewG ist der gemeine Wert (§ 9 BewG) zu Grunde zu legen (§ 177 BewG). Er wird nach § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. Nach § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG sind Ein- und Zweifamilienhäuser grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Wenn kein Vergleichswert vorliegt, ist nach § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG das Sachwertverfahren anzuwenden.
32Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind nach § 183 Abs. 1 BewG Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise. Nach § 183 Abs. 2 BewG können anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden. Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob das Vergleichspreisverfahren gem. § 183 Abs. 1 BewG und das Vergleichsfaktorverfahren nach § 183 Abs. 2 BewG gesetzessystematisch gleichrangig sind und das Finanzamt daher nach seinem Ermessen zwischen diesen Verfahren auswählen kann (so FG Hamburg, Beschluss vom 18.01.2016 – 3 K 176/15 –, juris, Rz. 21 f.) oder aufgrund des in § 183 Abs. 1 Satz 2 BewG geregelten Vorrangs der Bewertung nach Vergleichspreisen das Vergleichsfaktorverfahren nur zur Anwendung kommen kann, wenn nach Mitteilung des Gutachterausschusses keine Vergleichspreise vorliegen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.04.2014, 1 K 107/11, EFG 2014, 1364; Halaczinsky in: Rössler/Troll, BewG 28. EL Mai 2018, § 183 Rz. 7),
33Vergleichsfaktoren sind geeignet, wenn die Grundstücksmerkmale der ihnen zugrunde liegenden Grundstücke hinreichend mit denen des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmen bzw. die Abweichungen in sachgerechter Weise durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des Gutachterausschusses für Grundstückswerte berücksichtigt werden können (§ 15 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 19.5.2010 – ImmoWertV –; Halaczinsky a.a.O., § 183 BewG Rn. 7; R B 183 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 des Amtlichen Erbschaftssteuer-Handbuches 2013 – ErbStH 2013 –). Vergleichskriterien sind dabei in erster Linie die Grundstücksart, unterteilt nach Baualter, Lage, Wohn-/Nutzfläche und die übliche Nutzung (Halaczinsky a.a.O., § 183 BewG Rn. 6; Mannek in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, 144. Lieferung 01.2019, § 183 BewG Rn. 12; R B 183 Abs. 2 Satz 3 ErbStH 2013). Dementsprechend regelte die in der Gesetzesbegründung zu § 183 Abs. 2 BewG (BT-Drucks. 16/11107) in Bezug genommene Vorschrift des § 12 Abs. 1 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken i.d.F. vom 18.8.1997 – WertV 1997–, dass zur Ermittlung von Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke die Kaufpreise gleichartiger Grundstücke heranzuziehen sind, die insbesondere nach Lage und Art und Maß der baulichen Nutzung sowie Größe und Alter der baulichen Anlagen vergleichbar sind. Derartige Vergleichsfaktoren können ggf. aus den jeweiligen Grundstücksmarktberichten der örtlichen Gutachterausschüsse entnommen werden (Mannek a.a.O., § 183 BewG Rn. 38).
34Sofern der Gutachterausschuss nur Durchschnittskaufpreise (Kaufpreismittel) aus einer Vielzahl von Kauffällen einer Grundstücksart ohne Berücksichtigung unterschiedlicher wertbeeinflussender Grundstücksmerkmale abgeleitet hat, sind diese hingegen als Vergleichspreise nicht geeignet (R B 183 Abs. 2 Satz 6 ErbStH 2013; Mannek a.a.O., § 183 BewG Rn. 19). Liegen erhebliche Abweichungen zwischen den wertbeeinflussenden Merkmalen der Vergleichsgrundstücke bzw. der Grundstücke, für die Vergleichsfaktoren bebauter Grundstücke abgeleitet worden sind, und dem Zustand des zu bewertenden Grundstücks vor, so sind diese durch Zu- oder Abschläge bzw. Umrechnungskoeffizienten nach den Vorgaben des Gutachterausschusses zu berücksichtigen (Mannek, a.a.O, § 183 BewG Rn. 40; Halaczinsky a.a.O., § 183 BewG Rn. 7; H B 183 Abs. 4 ErbStH 2013). Liefert der örtliche Gutachterausschuss keine Anpassungsfaktoren für die gebotene Berücksichtigung von Abweichungen, kann dies der Anwendbarkeit des Vergleichswertverfahrens entgegenstehen (Mannek, a.a.O, § 183 BewG Rn. 41).
35b. Eine finanzgerichtliche Überprüfung der Mitteilungen von Vergleichsfaktoren ist nach verbreiteter Auffassung auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 07.07.2015 3 K 244/14, ErbStB 2015, 323 m.w.N. Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.09.2015 1 K 147/12, EFG 2016, 185; Halaczinsky a.a.O., § 183 BewG Rn. 7). Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber die Ermittlung von Vergleichspreisen und -faktoren explizit den Gutachterausschüssen aufgegeben habe, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung zukomme. Eine fachliche Überprüfung durch - mit geringerer Sachkunde ausgestattete - Gerichte widerspräche dem. Dementsprechend habe der BFH im Bedarfswertverfahren nach §§ 138 ff. BewG auch entschieden, dass die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und den Finanzämtern mitgeteilten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind (vgl. BFH-Urteile vom 11.05.2005 II R 21/02, BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686; vom 26.04.2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793 und vom 16.12.2009 II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085).
36Diese eingeschränkte finanzgerichtliche Überprüfbarkeit kann hingegen nicht für die Frage gelten, ob die in einem GMB ausgewiesenen Preise, etwa Mittelwerte für Flächeneinheiten, überhaupt als geeignete Vergleichsfaktoren qualifiziert werden können, weil die zugrunde liegende Datenmenge ausreicht, hinreichend differenzierte Bewertungsmerkmale zugrunde liegen und erforderlichenfalls Anpassungsfaktoren zur Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen ausgewiesen worden sind (FG Hamburg, Beschlüsse vom 07.07.2015 und 18.01.2016, a.a.O., m.w.N.). Denn insoweit stellt sich die vorrangige Frage, ob die Grundstücksmerkmale der diesen Mittelwerten zugrunde liegenden Grundstücke hinreichend mit denen des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmen bzw. die Abweichungen in sachgerechter Weise durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des Gutachterausschusses für Grundstückswerte berücksichtigt werden können. Die Beantwortung dieser vorrangigen Frage kann ungeachtet der besonderen Sach- und Fachkenntnis der Gutachterausschüsse jedenfalls dann nicht durch deren tatsächliche Feststellungen vorgegeben sein, wenn weder eine auf ein konkretes Grundstück bezogene Mitteilung des Gutachterausschusses vorliegt noch die in einem GMB enthaltenen Wertableitungen ausdrücklich als „Vergleichspreis“ oder „Vergleichsfaktor“ bezeichnet worden sind.
37c. Nach diesen Vorgaben erachtet es der beschließende Senat als ernstlich zweifelhaft, ob der der Bewertung der streitbefangenen wirtschaftlichen Einheit zu Grunde gelegte Kaufpreismittelwert pro m² der Wohnfläche i.H.v. 2460 € ungeachtet der Beschränkung der Lagekriterien auf die Unterscheidung zwischen mittlerer und guter Wohnlage und des fehlenden Ausweises differenzierter Baujahresspannen den Anforderungen an einen geeigneten Vergleichsfaktor im Sinne des § 183 Abs. 2 BewG genügt.
38Dagegen spricht zunächst, dass ausweislich der weiteren in Tz. 5.1.1 des GMB ausgewiesenen Kaufpreisspannen für erst- und wiederverkaufte Reihenhäuser und erstverkaufte Doppelhaushälften ein deutlicher Preisaufschlag für Objekte in G/H gegenüber den übrigen Stadtteilen von E, u.a. also auch gegenüber der streitbefangenen Lage in I, erkennbar ist. So differiert der Durchschnittspreis je Quadratmeter Wohnfläche für erstverkaufte Doppelhaushälften zwischen den Lagen I und G/H in dem zuletzt ausgewerteten Jahr 2014 um 900 € (3100 €/4000 €). Dies entspricht einem Kaufpreisaufschlag von 29 %. Bei den erstverkauften Reihenendhäusern ergibt sich zwischen den allein ausgewiesenen Verkäufen des Jahres 2014 in I (2800 €/m²) und des Jahres 2015 in G/H (3450 €/m²) ein Preisabstand von 650 €/m² (23 %). Schließlich differieren auch die Kaufpreise für wiederverkaufte Reihenhäuser mit einer Wohnfläche von 126-135 m² zwischen G und den übrigen Stadtteilen um 100.000 € (Reihenmittelhäuser) bzw. 32.000 € (Reihenendhäuser). Dies entspricht Preisaufschlägen von 34 % bzw. 10 %. Diese im Schnitt bei 24 % liegenden Preisunterschiede zwischen G/H und den übrigen Stadtteilen von E lassen es zweifelhaft erscheinen, ob mit der Bildung eines Mittelwertes aus der Auswertung von 9 Verkaufsfällen in den Kategorien wiederverkaufte Doppelhaushälfte, Grundstücksgröße 180-400 m², gute Wohnlage, mittlere Ausstattung und 90-130 m² Wohnfläche das Ziel einer hinreichenden Übereinstimmung der Grundstücksmerkmale der diesem Mittelwert zugrunde liegenden Grundstücke mit denen des zu bewertenden Grundstücks erreicht werden kann.
39Weiterhin spricht gegen die Eignung des von dem Antragsgegner herangezogenen Mittelwertes als Vergleichsfaktor, dass der GMB im Bereich der wiederverkauften Doppelhaushälften keine Differenzierung der erzielten Kaufpreise nach Baujahresspannen ausweist, sondern die gemittelten Verkaufspreise aus Verkäufen bebauter Grundstücke der Baujahre 1900-2010 abgeleitet worden sind. Das Baujahr und die unter anderem hiervon abhängige Restnutzungsdauer sind nach §§ 4 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 5 und 6 ImmoWertV wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale. Demgemäß ist das Alter der baulichen Anlage nach übereinstimmender Auffassung der oben unter Tz. 2.a. zitierten Kommentarliteratur und der Finanzverwaltung ein maßgebliches Vergleichskriterium für die Beurteilung der Eignung von Vergleichsfaktoren im Sinne des § 183 Abs. 2 BewG. Dieser Bedeutung des Baualters für die Wertfindung wird bei der typisierten Bewertung nach dem Sachwertverfahren gemäß § 190 Abs. 4 BewG dadurch Rechnung getragen, dass vom Gebäuderegelherstellungswert eine nach dem Verhältnis des Alters des Gebäudes am Bewertungsstichtag zur wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer berechnete Alterswertminderung abgezogen wird, die bis zu 70 % des Regelherstellungswerts betragen kann. Wollte man, wie der Antragsgegner meint, das Gebäudealter nicht als maßgebliches Kriterium bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens ansehen, so würde dies in der Tendenz die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich bei Gebäuden älteren Baujahres, wie dem im Jahr 1928 errichteten Objekt der Antragstellerin, erhebliche Wertunterschiede bei der Anwendung des Vergleichs- und des Sachwertverfahrens ergeben. Soweit der Antragsgegner demgegenüber darauf verweist, dass der Wert eines Gebäudes weniger durch dessen Baujahr als vielmehr durch seinen Erhaltungszustand im Zeitpunkt der Veräußerung beeinflusst werde, trifft es zwar zu, dass ein guter Erhaltungszustand regelmäßig die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes und damit dessen Wert erhöhen wird (vgl. dazu für das Sachwertverfahren § 190 Abs. 4 Satz 3 BewG). Indessen wird der Erhaltungszustand der verkauften Objekte in dem hier streitbefangenen GMB nicht als wertbeeinflussendes Merkmal herangezogen, was dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass hierzu dem Gutachterausschuss – im Gegensatz zum Baujahr – keine statistisch auswertungsfähigen Feststellungen vorliegen. Ohne derartige Feststellungen kann indessen nicht unterstellt werden, dass in allen in Betracht kommenden Verkaufsfällen das wertbeeinflussende Kriterium eines älteren Baujahres durch die Qualität des Erhaltungszustandes überlagert worden wäre.
40Schließlich werden die Anforderungen an einen geeigneten Vergleichsfaktor im Sinne des § 183 Abs. 2 BewG im Streitfall auch nicht dadurch erfüllt, dass in dem GMB Anpassungsfaktoren zur Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen wegen der Lage oder des Alters eines zu bewertenden Gebäudes ausgewiesen worden wären.
41Da bereits ernstliche Zweifel an der Eignung des von dem Antragsgegner herangezogenen Kaufpreismittelwerts pro m² der Wohnfläche als Vergleichsfaktor im Sinne des § 183 Abs. 2 BewG bestehen, kann im Streitfall dahinstehen, ob aufgrund des in § 183 Abs. 1 Satz 2 BewG geregelten Vorrangs der Bewertung nach Vergleichspreisen das Vergleichsfaktorverfahren nur zur Anwendung kommen kann, wenn nach Mitteilung des Gutachterausschusses keine Vergleichspreise vorliegen.
423. Dem Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der Vollziehung des Feststellungsbescheides in Höhe der von ihr berechneten Wertdifferenz zur Anwendung des Sachwertverfahrens (312.420 € - 173.053 € = 139.367 €) ist unabhängig davon in vollem Umfang stattzugeben, dass sich bei Anwendung des Sachwertverfahrens bei Multiplikation des vorläufigen Sachwerts i.H.v. 144.211 € mit der zutreffenden Wertzahl nach § 191 Abs. 1 BewG von 1,38 (Tz. 5.1.3 des GMB) ein Grundstückswert von 199.011 € ergibt. Denn die sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung ergebende Ungewissheit, ob der Gutachterausschuss geeignete Vergleichsgrundstücke oder Vergleichsfaktoren benennen könnte, schließt es aus, der Vollziehungsaussetzung die nachrangige Bewertungsmethode des Sachwertverfahrens zu Grunde zu legen. Wie das Niedersächsische FG zutreffend ausgeführt hat, hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf verfahrensfehlerfreie Ermittlung des Grundbesitzwerts im typisierten Verfahren, um auf dieser Grundlage entscheiden zu können, ob er den ihm obliegenden Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts mittels eines kostenträchtigen Gutachtens führen will. Wird dieser Anspruch verletzt, ist der Bescheid über die Feststellung des Grundstückswerts jedenfalls dann aufzuheben, wenn wegen des gesetzlich angeordneten Vorrangs des Vergleichswertverfahrens (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 189 BewG) die Voraussetzungen für die Anwendung des Sachwertverfahrens nicht festgestellt werden können (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 11. 4. 2014 1 K 107/11, a.a.O.; so auch Lutter in Anmerkung zum Urteil des Niedersächsischen FG vom 14.12.2017 1 K 210/14, EFG 2018, 819). Soweit das Niedersächsische FG im Urteil vom 14.12.2017 1 K 210/14, a.a.O., demgegenüber entschieden hat, dass auch bei Anwendung einer unzutreffenden Bewertungsmethode der deshalb rechtswidrige Feststellungsbescheid nicht zu einer Rechtsverletzung im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO führen soll, wenn die bei zutreffender Bewertung festzustellenden Grundbesitzwerte die tatsächlich festgestellten Grundbesitzwerte übersteigen und der Verfahrensfehler des FA nur zu einem für den Steuerpflichtigen günstigen niedrigeren Grundstückswert geführt haben kann, liegt ein solche Konstellation im Streitfall erkennbar nicht vor. Ob überdies – wie der Antragsgegner meint – auch eine Teilaufhebung des auf der Ermittlung nach dem Vergleichswertverfahren beruhenden streitbefangenen Bescheides bis zur Höhe eines sich bei der Ermittlung des Grundstückswerts nach dem Sachwertverfahren ergebenden niedrigeren Betrages zu einer unstatthaften Vermengung von zwei im Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehenden Bewertungsverfahren (vgl. dazu Mannek, a.a.O, § 182 BewG Rn. 5; ders. in: von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 1. Aufl. 2017, § 182 BewG Rn. 13) führen würde und auch dies einer auf die Höhe der Differenz zwischen Vergleichs- und Sachwert beschränkten Vollziehungsaussetzung entgegenstünde, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
434. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.