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Unter Änderung des zusammengefassten Freistellungsbescheids vom 21. April 2020 betreffend die Kläger zu 2) – 17) und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. April 2021 gegenüber den Klägern zu 2) – 17) wird der Beklagte verpflichtet, einen zusammengefassten Freistellungsbescheid bezüglich weiterer Abzugsteuern i.H.v. insgesamt ... € – und damit in vollständiger Höhe von ... € (Kapitalertragsteuer i.H.v. ... € zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. ... €) – zu erlassen und den entsprechenden Betrag an die Kläger zu 2) – 17) zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2) bis 17) und die Klägerin zu 1) sowie der Beklagte tragen die Gerichtskosten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten der Kläger zu 2) bis 17) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zu 2) bis 17) zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der in den USA ansässigen Klägerin zu 1) – eine sog. S-Corporation – oder ihren Gesellschaftern, den Klägern zu 2) bis 17), im Hinblick auf eine Gewinnausschüttung einer inländischen Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1) ein Anspruch auf vollständige Freistellung und Erstattung der Kapitalertragsteuer zusteht.
3Die Klägerin zu 1) ist eine Kapitalgesellschaft US-amerikanischen Rechts mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Sie hat nach US-Steuerrecht für die Besteuerung als sog. „S-Corporation" optiert und ist daher in den USA nicht körperschaftsteuerpflichtig; ihre Einkünfte werden stattdessen unmittelbar bei den in den USA ansässigen Gesellschaftern besteuert (Subchapter S, §§ 1361 bis 1378 des Internal Revenue Code (IRC)). Gesellschafter der Klägerin zu 1) sind ausschließlich natürliche Personen, die in den USA ansässig sind, sowie nach US-Recht errichtete und in den USA ansässige Trusts, deren Begünstigte wiederum ausschließlich in den USA ansässige natürliche Personen sind. Die Gesellschafter der Klägerin zu 1) sind die Kläger zu 2) bis 17).
4Die Klägerin zu 1) hält seit mehreren Jahren eine 100%-Beteiligung an der A Deutschland Holding GmbH mit Sitz in B (kurz: „GmbH“, eingetragen beim Handelsregister des Amtsgerichts B unter der Registernummer HRB ...). Aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses vom ...November 2013 schüttete die GmbH am ...Dezember 2013 eine Dividende i.H.v. ... € (brutto) an die Klägerin zu 1) aus. Hiervon zählt nach Abzug des Anteils, für den Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto im Sinne des § 27 KStG als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG), ein Betrag i.H.v. ... € zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die GmbH behielt hierauf Kapitalertragsteuer i.H.v. 25% zzgl. Solidaritätszuschlag und damit insgesamt ... € (Kapitalertragsteuer i.H.v. ... € zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. ... €) ein und führte diese an das Finanzamt B ab.
5Mit Schreiben vom 14. März 2014 beantragte die Klägerin zu 1) formlos die vollständige Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag i.H.v. ... € (vgl. Bl. 1 ff. Verwaltungsakte des Beklagten zum Az. US..., kurz VA). Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 reichte sie bezugnehmend auf diesen Antrag u.a. ein ausgefülltes Antragsformular „Antrag auf Erstattung der deutschen Abzugsteuern von Kapitalerträgen" ein, wobei sie als Erstattungsberechtigten „A Corp. (S-Corporation) für ihre Gesellschafter“ eingetragen hatte (vgl. Bl. 6 ff., 17f. VA). Die Gesellschafter ergaben sich aus dem ebenfalls beigefügten Dokument „Form 6166“ für das Tax Year 2013 (vgl. Bl. 8 f. VA).
6Mit Bescheid vom 4. September 2014 setzte der Beklagte den zu erstattenden Betrag gegenüber der Klägerin zu 1) als Erstattungsberechtigte auf ... € (Kapitalertragsteuer i.H.v. ... € sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. ... €) fest (vgl. Bl. 19 ff. VA). Dies entspricht einer Quellensteuerreduktion auf 15 %. Eine weitergehende Erstattung versagte der Beklagte mit der Begründung, dass aufgrund der Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG in der damals geltenden Fassung (EStG a.F.) die Vergünstigung nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) DBA-USA nicht beansprucht werden könne. Die Reststeuer betrage 15%, da auf die Abkommensberechtigung der Gesellschafter der Klägerin zu 1) abgestellt werden müsse.
7Dieser Bescheid berücksichtigte daneben eine weitere Gewinnausschüttung der GmbH an die Klägerin zu 1) vom ...Dezember 2012 i.H.v. ... €, für die eine Erstattung von Kapitalertragsteuer i.H.v. ... € und Solidaritätszuschlag i.H.v. ... € gewährt wurde. Insoweit hat der Beklagte während des Einspruchsverfahrens dem Begehren der Klägerin durch (Teil-)Abhilfebescheid vom 8. Mai 2015 bereits stattgegeben und die zu erstattende Kapitalertragsteuer von ... € antragsgemäß auf ... € erhöht (vgl. Bl. 70 ff. VA). Die steuerliche Behandlung der Gewinnausschüttung 2012 ist daher kein Streitgegenstand.
8Mit Schreiben vom 11. September 2014 legte die Klägerin zu 1) Einspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. September 2014 ein. Kern ihrer Begründung war, dass Art. 10 Abs. 3 DBA-USA einschlägig sei. Der Beklagte vertrat demgegenüber weiterhin die Auffassung, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. der Anwendung des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) bzw. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA entgegenstünde.
9Trotz mehrfacher Nachfrage der Klägerin zu 1) erließ der Beklagte keine Einspruchsentscheidung, zuletzt im Jahr 2018 unter Hinweis darauf, dass die Auslegung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. noch „BMF-intern" diskutiert werde, so dass in der Sache keine Einspruchsentscheidung getroffen werden könne.
10Darüber hinaus teilte der Beklagte mit Schreiben vom 15. Juni 2018 mit, dass der ursprüngliche Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer vom 21. Mai 2014 unter dem Titel „A Corp. (S-Corporation für ihre Gesellschafter)" eingereicht worden sei. Der Bescheid vom 4. September 2014 sei allerdings an die Klägerin zu 1) adressiert, eine Bezugnahme auf die Anteilseigner fehle. Somit müsse der Bescheid aufgehoben und an die Gesellschaft (als Empfänger) für ihre Gesellschafter (erneut) bekanntgegeben werden.
11Mit Schreiben vom 28. Juni 2018 teilte die Klägerin zu 1) dem Beklagten mit, mit einer Aufhebung des Bescheids – für die es im Übrigen an einer verfahrensrechtlichen Grundlage fehle – nicht einverstanden zu sein. Es sei durchaus möglich, den gestellten Antrag als Antrag der Klägerin zu 1) auszulegen, zumal ja auch der Beklagte den streitigen Bescheid auf eben diesen Antrag hin eindeutig gegenüber der Klägerin zu 1) erlassen habe. Die Klägerin zu 1) bat den Beklagten erneut, die Einspruchsentscheidung zeitnah zu fertigen und wies darauf hin, dass sie andernfalls Untätigkeitsklage erheben werde.
12Mit Schreiben vom 20. März 2019 erhob die Klägerin zu 1) Untätigkeitsklage, wobei sich die Zulässigkeit daraus ergebe, dass der Beklagte über den am 11. September 2014 eingelegten und am 22. Januar 2015 abschließend begründeten Einspruch ohne Mittteilung eines zureichenden Grundes nicht in angemessener Frist entschieden habe. Insbesondere sei die Auslegungsbedürftigkeit und die Abstimmung mit dem BMF kein solch hinreichender Grund, da § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. bereits mit Gesetz vom 26. Juni 2013 eingeführt worden und selbst eine angemessene Übergangszeit nach Einführung einer neuen Regelung damit längst verstrichen sei.
13Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 16. Mai 2019 auf die Möglichkeit einer verbösernden Einspruchsentscheidung gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO hingewiesen hatte, vereinbarten die Beteiligten in der Folge, dass der Beklagte, sollte er den Bescheid vom 4. September 2014 aufheben oder die Erstattung auf „0“ € herabsetzen, zeitgleich einen Freistellungsbescheid gegenüber den Gesellschaftern der Klägerin zu 1) über einen Erstattungsbetrag in gleicher Höhe erlässt. Zur Vermeidung mehrerer Zahlungsvorgänge über den nämlichen Betrag sowie einer möglichen Doppelerstattung erklärten die Gesellschafter der Klägerin zu 1), die bereits erfolgte Auszahlung an diese als Erfüllung ihres Erstattungsanspruchs anzusehen (vgl. zu den weiteren Einzelheiten der Vereinbarung vom 12. Dezember 2019 bzw. 3. Februar 2020, Bl. 74 ff. eFG-Akte).
14In der Folge hob der Beklagte am 21. April 2020 unter Hinweis auf die von ihm angekündigte verbösernde Einspruchsentscheidung den Bescheid vom 4. September 2014 gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO auf. Gleichzeitig erließ er gegenüber den Gesellschaftern der Klägerin zu 1) einen zusammengefassten Bescheid über die Freistellung und Erstattung von deutschen Abzugsteuern vom Kapitalertrag (vgl. Bescheid vom 21. April 2020, Bl. 77 ff. FG-Akte). Bereits mit Schreiben vom 15. Juni 2015 hatte die Klägerin zu 1) im Einspruchsverfahren höchstvorsorglich Bestätigungen ihrer Gesellschafter eingereicht, dass der Anspruch auf eine Reduktion der Abzugsteuern auf null durch sie bzw. in ihrem Interesse über die Gesellschaft – die Klägerin zu 1) – geltend gemacht worden sei (vgl. Bl. 87 ff. VA). Den gegen den Bescheid vom 21. April 2020 erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. April 2021 als unbegründet ab. Die hieraufhin erhobene Klage der Gesellschafter der Klägerin zu 1), die das Aktenzeichen 2 K 1068/21 trug, wurde auf Antrag der dortigen Kläger, nunmehr die Kläger zu 2) bis 17), und mit Zustimmung des Beklagten durch Beschluss des erkennenden Senats vom 1. Februar 2022 mit dem Verfahren der Klägerin zu 1) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (vgl. Bl. 181 f. der FG-Akte).
15Die Kläger sind der Auffassung, dass die vollständige Kapitalertragsteuererstattung i.H.v. EUR ... € entweder der Klägerin zu 1) oder den Klägern zu 2) bis 17) zuzusprechen und der bislang vom Beklagten verwehrte Erstattungsbetrag i.H.v. von EUR ... € entweder der Klägerin zu 1) oder ihren Gesellschaftern, den Klägern zu 2) bis 17), auszuzahlen ist.
16Der Anspruch ergebe sich aus § 50d Abs. 1 Sätze 2, 11 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG. Danach könne der Gläubiger von Kapitalerträgen die völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer verlangen, wenn diese Einkünfte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden dürfen. Unabhängig davon könne der Anspruch auch auf Art. 29 Abs. 2 DBA-USA gestützt werden. Danach werde die im Abzugsweg erhobene Steuer auf Antrag erstattet, soweit ihre Erhebung durch das DBA-USA eingeschränkt werde. Art. 29 DBA-USA biete eine eigenständige, von § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG unabhängige Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kapitalertragsteuer (vgl. Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 854). Die formellen Voraussetzungen dieses abkommensrechtlichen Erstattungsverfahrens seien in Abs. 4 (Antragsfrist) und Abs. 3 (Wohnsitzbescheinigung) des Art. 29 DBA-USA geregelt.
17Vorliegend seien sowohl die Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. als auch die – insoweit identischen – Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 2 DBA-USA erfüllt, da Art. 10 Abs. 3 Buchst. a) bb) DBA-USA eine Besteuerung der von der GmbH an die Klägerin zu 1) gezahlten Dividende ausschließe. Nach Art 10 Abs. 3 Buchst. a) bb) DBA-USA würden Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist (hier: Bundesrepublik Deutschland), nicht besteuert, wenn der Nutzungsberechtigte
18„a) eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Dividendenanspruchs seit einem Zeitraum von 12 Monaten unmittelbar Anteile in Höhe von mindestens 80 vom Hundert der Stimmrechte an der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft hält und […] bb ) die Voraussetzungen des Artikels 28 Absatz 2 Buchstabe f Doppelbuchstaben aa und bb erfüllt, vorausgesetzt, die Gesellschaft erfüllt hinsichtlich der Dividenden die Voraussetzungen des Artikels 28 Absatz 4.“
19Diese Voraussetzungen seien unter Berücksichtigung der Grundsätze, die der BFH zur Behandlung US-amerikanischer S-Corporations insbesondere im sog. „S-Corporation- Urteil“ (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367) aufgestellt habe, erfüllt: Bei der Klägerin zu 1) handele es sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e) DBA-USA um eine juristische Person oder einen Rechtsträger, der für die Besteuerung wie eine juristische Person behandelt werde, und damit wiederum um eine Gesellschaft i.S. des Art. 10 Abs. 3 DBA-USA. Maßgeblich für diese Einordnung sei die deutsche Rechtsordnung als diejenige des Quellenstaates; der Umstand, dass die Klägerin zu 1) ihr steuerliches Wahlrecht in den USA dahingehend ausgeübt habe, als sog. S‑Corporation nicht der Körperschaftsteuer (Corporate Tax) nach Subchapter C, sondern der direkten (anteiligen) Besteuerung ihrer Gesellschafter, der Kläger zu 2) bis 17), (pass-through treatment) unterworfen zu werden, ändere an dieser Einordnung nichts (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 20. August 2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234; vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 – I R 42/15, BFH/NV 2018, 616). Die Klägerin zu 1) gelte auch als in den USA ansässig. Zwar sei sie keine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft i.S. von Art. 4 Abs. 1 DBA-USA. Allerdings werde die tatsächlich fehlende Ansässigkeit durch Art. 1 Abs. 7 DBA-USA mittels Regelungsfiktion substituiert (vgl. die umfassenden Ausführungen im sog. S-Corporation-Urteil des BFH vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Tz. 18 ff m.w.N.). Die Klägerin zu 1) habe die Dividende auch als Nutzungsberechtigte i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA erzielt. Hieran ändere der Umstand, dass die Dividende nach US-Steuerrecht nicht bei ihr, sondern bei ihren Gesellschaftern besteuert werde, nichts. Denn für die Auslegung des abkommensrechtlichen Begriffs des Nutzungsberechtigten sei in diesem Zusammenhang allein das nationale Recht des Quellenstaats, hier also von Deutschland, ausschlaggebend (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 Tz. 22 ff m.w.N.). Etwas Anderes ergebe sich auch nicht etwa aus Art. 1 Abs. 7 DBA-USA. Denn diese Norm bestimme lediglich, dass eine Person des anderen Vertragsstaats die betreffenden Einkünfte oder Gewinne als dort ansässige Person beziehe. Die Bestimmung lege jedoch gerade nicht – darüber hinaus – fest, welcher Person die Einkünfte konkret zuzurechnen seien, und schon gar nicht ordne sie eine sog. Qualifikationsverkettung an, welche den Quellenstaat an die steuerliche Qualifizierung des Rechtsträgers im Ansässigkeitsstaat binden könne (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Tz. 24 m.w.N.).
20Ferner seien die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchst. f) aa) und bb) DBA-USA erfüllt, da die Kläger zu 2) bis 17) als Gesellschafter der Klägerin zu 1) ausschließlich natürliche Personen seien bzw. soweit es sich bei den Klägern um in den USA ansässige Trusts (wobei es auf deren Abkommensberechtigung nicht ankomme, vgl. insoweit Endres u.a., Kommentar zum DBA Deutschland/USA, Art. 28 Rn. 79) handele, deren Begünstigte wiederum ausschließlich in den USA ansässige natürliche Personen seien. Auch die Voraussetzungen des in Art. 28 Abs. 4 DBA-USA geregelten Active-Business-Tests lägen vor. Dies habe der Beklagte zwar im Verfahren 2 K 1068/21 zunächst streitig gestellt. Allerdings habe die Klägerin zu 1) bereits zu Beginn des Einspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 4. September 2014 mit Schreiben vom 7. November 2014 den Sachverhalt näher aufgeklärt und zahlreiche aussagekräftige Unterlagen vorgelegt, woraufhin der Abhilfebescheid vom 8. Mai 2015 hinsichtlich der Dividende 2012 über eine vollständige Freistellung und Erstattung erlassen worden sei. Hieran habe sich auch mit Bezug auf die vorliegend streitige Dividende nichts geändert (vgl. zu den Einzelheiten Schriftsatz vom 22. Dezember 2021 nebst weiterer Anlagen, Bl. 64 ff. FG-Akte 2 K 1068/21).
21Nach alledem habe die Klägerin zu 1) einen Anspruch auf vollständige Erstattung der auf die Dividende einbehaltenen Kapitalertragsteuer gemäß Art. 10 Abs. 3 DBA-USA.
22Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F.. Diese Regelung sei zwar in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich auf die streitgegenständliche Dividende, die am ...2013 gezahlt wurde, anwendbar. Die Regelung sei durch Gesetz vom 26. Juni 2013 (BGBl. I 2013, S. 1809) eingeführt worden und erstmals auf Zahlungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2013 erfolgt seien.
23Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. lägen – gemessen allein am Gesetzeswortlaut – vor. Gläubiger der hier streitigen Gewinnausschüttung sei die Klägerin zu 1) während die hier streitigen Kapitalerträge jedenfalls nach US-Steuerrecht – mithin nach dem Recht des anderen Vertragsstaats – nicht ihr, sondern den Klägern zu 2) bis 17) zugerechnet würden.
24Allerdings entfalte § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F., anders als der Beklagte meine, keine materiell-rechtliche Rechtsfolge, sondern habe lediglich verfahrensrechtliche Auswirkungen und sei im Übrigen im Fall einer amerikanischen S-Corporation, wie der Klägerin zu 1), gar nicht anwendbar.
25§ 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ziehe keine materiell-rechtliche Rechtsfolge nach sich, d.h. die Regelung wirke sich nicht dahingehend aus, dass anstelle der Klägerin zu 1) die Kläger zu 2) bis 17) „Nutzungsberechtigte“ i.S.d. Art. 10 DBA-USA seien und dementsprechend, da es sich bei den Klägern zu 2) bis 17) um natürliche Personen handele (bzw. im Falle der Trusts bei den Begünstigten), nicht Art. 10 Abs. 3 DBA-USA, sondern Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) DBA-USA Anwendung finde (Quellensteuerreduktion auf 15 % statt auf null).
26Anders als der Beklagte meine, folge aus § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nicht zwangsläufig als Reflexwirkung, dass ein „Nutzungsberechtigtenwechsel“ eintrete. Eine Aussage darüber, wer Nutzungsberechtigter sei, könne der Regelung schon dem Wortlaut nach nicht ansatzweise entnommen werden (vgl. auch Gebhardt in Kanzler/Kraft/Bäuml, NWB EStG-Kommentar, 6. Aufl. 2021, § 50d, Rz. 47, 51 ff.). Es sei auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. die Auslegung dieses abkommensrechtlichen Begriffs habe regeln wollen. Hätte der Gesetzgeber gesetzlich anordnen wollen, wie der abkommensrechtliche Begriff des „Nutzungsberechtigten“ im Fall hybrider Gesellschaften zu verstehen sei, hätte er dies wesentlich deutlicher geregelt (und auch regeln können und müssen). Er hätte dies als explizite Rechtsfolge des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. formuliert (z.B. „Als Nutzungsberechtigter im Sinne von Doppelbesteuerungsabkommen ist zu verstehen...) und hätte sicherlich nicht darauf vertraut, dass diese weitreichende Rechtsfolge (wie der Beklagte meine) lediglich „als Reflex“ und „de facto" aus dem angeordneten Übergang abkommensrechtlicher Ansprüche eintrete.
27Bei § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. handele es sich um eine bloß verfahrensrechtliche Vorschrift, die grundsätzlich bestimme, wer den nach abkommensrechtlichen Vorgaben – wie hier nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA – entstandenen Erstattungsanspruch geltend machen dürfe. Dies entspreche der im Schrifttum ganz herrschenden Auffassung (vgl. Gosch in Kirchhof, § 50d Rn. 10b; Kahlenberg, IStR 2016, 834, 836; Kempermann, Hybride Gesellschaften aus der Sicht Deutschlands als Quellenstaat – § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG, Hamburger Hefte zur Internationalen Besteuerung, 203 (2016), 12 ff.; Kopec/Rothe, IStR 2015, 372; Loschelder in Schmidt/EStG, 37. Aufl. 2018, § 50d Rn. 38; Loose/Oskamp, Ubg 2014, 633; Viebrock/Loose/Oskamp, Ubg 2013, 765; Scheuch/Schiefer, Ubg 2016, 270; Wagner in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50d EStG, Rn. 34; für eine materiell-rechtliche Wirkung hingegen soweit ersichtlich nur Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d EStG Rn. 33g EStG und Jochum, IStR 2014, 4). Auch der BFH gehe davon aus, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung habe und ggf. den Erstattungsberechtigten, nicht aber den für Zwecke der materiellen Prüfung relevanten Nutzungsberechtigten i.S.d. Art. 10 DBA-USA abweichend vom DBA bestimme (vgl. Hinweis des BFH auf die Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Erstattungsberechtigten in Tz. 26 des sog. „S-Corporation-Urteils“, BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Tz. 26).
28Für die Einordnung als verfahrensrechtliche Vorschrift sprächen sowohl der Wortlaut, als auch die systematische Stellung und die Gesetzesbegründung:
29Nach dem Gesetzeswortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. handele es sich um eine verfahrensrechtliche Vorschrift, die lediglich bestimme, wer den Anspruch nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. als erstattungsberechtigte Person geltend machen dürfe. Der Gesetzeswortlaut, nach dem „der Anspruch auf die völlige oder teilweise Erstattung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag […] nur der Person zusteht, der die Kapitalerträge oder Vergütungen nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaats […] zugerechnet werden“, setze einen bereits entstandenen Entlastungsanspruch voraus. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich regeln wollen, wer als „Nutzungsberechtigter“ bzw. als Einkünfteerzieler gelte, hätte er ohne weiteres entsprechende Formulierungen wählen können. Auch die systematische Stellung der Regelung spreche für eine rein verfahrensrechtliche Bedeutung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F.. Denn § 50d Abs. 1 EStG a.F. regele das Verfahren für Steuerabzug und Steuererstattung. Für die Ermittlung des Erstattungsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach würden die Sätze 1 bis 10 des § 50d Abs. 1 EStG a.F. keine Bedeutung entfalten; der abkommensrechtliche Erstattungsanspruch werde vielmehr gesetzessystematisch vorausgesetzt. Es sei nicht ersichtlich, warum für § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. etwas Anderes geltend sollte. Möglicherweise entfalte zwar § 50d Abs. 3 EStG a.F. materiell-rechtliche Wirkung. Da jedoch die vorliegend relevante Regelung in Absatz 1 von § 50d EStG a.F. enthalten sei und dieser Absatz ausschließlich verfahrensrechtliche Regelungen vorsehe, was auch bei einem Vergleich der Rechtsfolgen der beiden Absätze deutlich zu Tage trete (Untergang des Anspruchs nach Abs. 3, Übergang eines Anspruchs nach Abs. 1), habe § 50d Abs. 3 EStG a.F. insoweit keine Bedeutung. Schließlich solle nach der Gesetzesbegründung der Anspruch auf Entlastung lediglich „für Zwecke seiner Geltendmachung […] übergehen“ (vgl. BR-Drucks. 302/12 vom 25. Mai 2012, 95). Ein weitergehender Wille des Gesetzgebers, wonach die materiell-rechtliche Existenz eines nach allgemeinen Grundsätzen entstandenen DBA-rechtlichen Erstattungsanspruchs durch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. in Frage gestellt werden solle, sei nicht erkennbar.
30Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. im Falle einer materiell-rechtlichen Interpretation eine abkommensüberschreibende Wirkung („treaty override“) zukäme. Nach § 2 Abs. 1 AO gingen DBA, soweit sie – wie das DBA-USA durch die Ratifizierung – unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden seien, den Steuergesetzen vor. Auch wenn treaty overrides im Grundsatz verfassungsrechtlich wohl zulässig seien (vgl. BVerfG vom 15. Dezember 2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1), sei im Hinblick auf den in § 2 Abs. 1 AO geregelten Vorrang des Abkommensrechts nach wie vor zu verlangen, dass der Gesetzgeber eine abkommensüberschreibende Wirkung nach außen hin kenntlich mache (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Juni 2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129) oder der „Durchbrechungswille“ jedenfalls auf andere Weise unmissverständlich zum Ausdruck komme (vgl. Gosch, ISR 2018, 289, 296 m.w.N.). Fehle es hieran oder verblieben Zweifel, gebiete schon der Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung eine Regelung nach Möglichkeit dahingehend auszulegen, dass sie keinen treaty override darstelle. So verhalte es sich im Fall des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F., da Formulierungen, die eine vom DBA abweichende Regel erkennen lassen würden (z.B. „ungeachtet des Abkommens“ oder „für Zwecke der Anwendung des Abkommens“, vgl. dazu Gosch in: Kirchhof, Kommentar zum EStG, 17. Aufl. 2018, § 50d Rn. 25 m.w.N.), fehlten und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Norm eine abkommensüberschreibende Wirkung zukommen solle. Auch der Grundsatz völkerrechtsfreundlicher Auslegung und die Bedeutung des § 2 Abs. 1 AO sprächen mithin dafür, § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. als verfahrensrechtliche Norm, die einen nach den DBA-Regelungen bestehenden Erstattungsanspruch allein für Zwecke der Geltendmachung einer bestimmten Person als Erstattungsberechtigtem zuweise, zu verstehen – denn nur bei einem solchen Verständnis liege keine Abweichung zum DBA und kein (faktisches) „treaty override“ vor (vgl. Wagner in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50d EStG, Rn. 34).
31Diese bloß verfahrensrechtliche Vorschrift sei, anders als der Beklagte wohl meine, auch nicht geeignet, die vom BFH in seiner Entscheidung vom 26. Juni 2013 (I R 48/12) aufgestellten materiell-rechtlichen Grundsätze, nach der eine sog. S-Corporation selbst Nutzungsberechtigte i.S.d. DBA-USA sei, in Frage zu stellen. Weder im Gesetzestext noch in den Gesetzgebungsmaterialien komme auch nur ansatzweise zum Ausdruck, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. als „Nichtanwendungsgesetz" zur S-Corporation-Rechtsprechung des BFH erlassen worden sei.
32Selbst wenn man davon ausgehe, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nicht bloß verfahrensrechtliche Bedeutung habe, sondern materielle Bedeutung für Grund und Höhe des Erstattungsanspruchs entfalte, führe dies jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu einer Reduktion des Erstattungsanspruchs auf 15 %. Denn in diesem Fall werde § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nach dem Spezialitätsgrundsatz (lex specialis derogat legi generali) durch Art. 1 Abs. 7 DBA-USA verdrängt. Dieser Grundsatz gelte auch im Verhältnis von DBA-Recht zu nationalem Recht (vgl. z.B. zum Verhältnis von § 50d Abs. 3 EStG bzw. dessen Vorgängervorschrift § 50d Abs. 1a EStG a.F. zu Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992: BFH-Urteil vom 19. Dezember 2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619). Auch im Schrifttum gingen diejenigen, die § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. eine materiell-rechtliche Wirkung zuschreiben würden, auf Grundlage ihrer Rechtsauffassung davon aus, dass die Vorschrift nur gelte, wenn das einschlägige DBA selbst keine explizite Regelung zur Kapitalertragsteuererstattung in Fällen hybrider Rechtsträger – wie etwa Art. 1 Abs. 7 DBA-USA – enthalte (vgl. Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d Rn. 33g EStG; ders. in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder, Festschrift Gosch, 2016, 97). Würde man das bei einem materiell-rechtlichen Normverständnis bestehende Konkurrenzverhältnis zwischen § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. und Art. 1 Abs. 7 DBA-USA stattdessen zugunsten des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. auflösen, würde dessen Wirkung als treaty override besonderes deutlich zu Tage treten, weil die in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA normierte Zurechnung der Dividende zur Klägerin durch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. wieder ausgehebelt würde. Einen treaty override habe der Gesetzgeber aber, wie bereits dargelegt, weder gewollt noch hinreichend im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gebracht.
33Bei der Klägerin zu 1) sei schließlich infolge ihrer Eigenschaft als S-Corporation § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. gar nicht anwendbar, so dass ihr das Recht zustehe, den Anspruch als Erstattungsberechtigte nach Art. 29 Abs. 2 DBA-USA bzw. gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. geltend zu machen.
34§ 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. entfalte zwar grundsätzlich eine verfahrensrechtliche Wirkung dergestalt, dass der nach einem DBA entstandene Erstattungsanspruch in Fällen, in denen der (ausländische) Gläubiger der Kapitalerträge ein hybrider Rechtsträger sei, nur von der Person geltend gemacht werden könne, der die Kapitalerträge nach den Steuergesetzen des anderen (ausländischen) Staates zugerechnet würden. Im vorliegenden Fall würde dies bei wortlautgetreuer Anwendung bedeuten, dass der Erstattungsanspruch, der nach dem DBA-USA unstreitig der Klägerin zustehe, durch deren Gesellschafter geltend gemacht werden müsse.
35Dies erscheine indes überaus fraglich, weil nicht ersichtlich sei, warum eine beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft den ihr nach einem DBA zustehenden Erstattungsanspruch nicht selbst geltend machen können dürfe, sondern stattdessen der Anspruch zum Zwecke der Geltendmachung von der Steuerpflichtigen auf ihre Gesellschafter übergehe, die in Deutschland nicht einmal einer beschränkten Steuerpflicht nach § 49 EStG unterlägen und für deren Rechnung die Kapitalertragsteuer daher auch nicht einbehalten worden sei. Eine Vereinfachung würde hierdurch jedenfalls nicht eintreten.
36Zudem habe Art. 1 Abs. 7 DBA-USA Vorrang vor dieser Regelung: Nach dem Willen des Gesetzgebers solle § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nur in den Fällen gelten, in denen ein Rechtsträger (insb. eine Personengesellschaft) aufgrund der Behandlung als steuerlich transparent nicht abkommensberechtigt sei. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. folge die Neuregelung den Grundsätzen des OECD-Musterkommentars (vgl. Nummer 5 zu Artikel 1 OECD-Musterkommentar, BT-Drucksache 302/12, S. 95). Nr. 5 zu Artikel 1 OECD-Musterkommentar laute:
37„Wird eine Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft behandelt oder wird sie wie eine solche besteuert, so ist die Personengesellschaft eine in dem Vertragsstaat ansässige Person, der sie auf Grund der in Artikel 4 Absatz 1 erwähnten Merkmale besteuert, und hat damit Anspruch auf die Abkommensvorteile. Wird jedoch eine Personengesellschaft fiskalisch transparent behandelt, so ist sie nicht steuerpflichtig in diesem Staat im
38Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und kann daher keine in diesem Staat ansässige Person für Zwecke des Abkommens sein. In einem solchen Fall würde die Anwendung des Abkommens auf die Personengesellschaft als solche verweigert werden, wenn nicht eine Sonderbestimmung für Personengesellschaften in das Abkommen aufgenommen worden wäre. Wenn die Anwendung des Abkommens in dieser Weise verweigert wird, sollten die Gesellschafter in Bezug auf ihren Anteil an dem Einkommen der Personengesellschaft Anspruch auf die Vorteile des Abkommens haben, das die Staaten, in denen sie ansässig sind, geschlossen haben, soweit ihnen das Einkommen der Personengesellschaft für die Zwecke der Besteuerung in ihrem Wohnsitzstaat zugerechnet wird (siehe Ziffer 8.4 des Kommentars zu Artikel 4).
39Der Gesetzgeber habe bei Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. also den Fall einer steuerlich als transparent behandelten Personengesellschaft vor Augen gehabt, die keinen Anspruch auf Anwendung des DBA habe. Nur für diesen Fall („wenn die Anwendung des Abkommens in dieser Weise verweigert wird") sollten nach dem OECD-Musterkommentar die hinter dieser Personengesellschaft stehenden Gesellschafter „Anspruch auf die Vorteile aus dem Abkommen haben". § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. folge den Grundsätzen in Nr. 5 zu Art. 1 OECD-Musterkommentar insofern, als er von einem aus Sicht des deutschen Steuerrechts transparenten ausländischen Rechtsträger (insb. einer Personengesellschaft) ausgehe und damit einen DBA-rechtlichen Erstattungsanspruch der Gesellschafter voraussetze. In diesen Fällen übertrage die Neuregelung auf verfahrensrechtlicher Ebene den Erstattungsanspruch der Gesellschafter zum Zwecke der Geltendmachung auf die (hybride) Gesellschaft, die aus Sicht ihres Ansässigkeitsstaats wie eine Kapitalgesellschaft behandelt werde.
40Im Fall einer US-amerikanischen S-Corporation bestehe indes keine vergleichbare Lage: Aufgrund des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA in der Auslegung durch den BFH sei sichergestellt, dass die Klägerin zu 1) selbst abkommensberechtigt sei (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367).
41Unabhängig vom Vorrang des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA sei § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. vorliegend auch deshalb nicht einschlägig, da die Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren sei, dass sie nur in Fällen „einfacher Hybridität" (Behandlung des hybriden Rechtsträgers nach dem Steuerrecht des ausländischen Sitzstaats als intransparent, transparente Besteuerung nach deutschem Steuerrecht) Anwendung finde, nicht aber in Fällen sog. „umgekehrter Hybridität" wie dem vorliegenden (transparente Besteuerung im Ausland, intransparente Besteuerung nach deutschem Steuerrecht), in denen § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. das Erstattungsverfahren nicht vereinfache, sondern verkompliziere.
42Bei divergierendem Gesetzeswortlaut einerseits und Gesetzeszweck andererseits sei der Wortlaut der Vorschrift ihrem Zweck entsprechend einzuschränken (sog. teleologische Reduktion oder Restriktion), sofern sich das Gesetz – gemessen an seinem Zweck – als planwidrig zu weitgehend erweise (vgl. BFH-Urteil vom. 4. Dezember 2001 – III R 47/00, BStBl. II 2002, 195, unter 11.3., m.w.N.). Gegenüber einer vom Wortlaut der Rechtsnorm abweichenden Auslegung sei zwar grundsätzlich Zurückhaltung geboten; sie könne nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1992 – VIII R 79/88, BStBl. II 1992, 786). Diese Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion lägen hier aber vor: Der Wortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. erweise sich insofern als plan- und sinnwidrig zu weitgehend gefasst, als er auch Fälle „umgekehrter Hybridität" wie den vorliegenden erfasse.
43Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 302/12, 95) solle § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. den Fall regeln, dass ein bestehender Erstattungsanspruch im Zusammenhang mit hybriden Gesellschaften ins Leere laufe. Offenkundig habe der Gesetzgeber dabei ausschließlich den Fall vor Augen gehabt, dass Gläubiger der Kapitalerträge eine (ausländische) Gesellschaft sei, die aus Sicht ihres Sitzstaates als Steuersubjekt behandelt werde (intransparente Besteuerung), aus deutscher Sicht aber nicht (vgl. Gebhardt in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, § 50d Rn. 42). Gedacht habe der Gesetzgeber damit insbesondere an die Vielzahl von Fällen, in denen der ausländische Sitzstaat (z.B. Spanien, Ungarn, verschiedene südamerikanische Staaten) eine nach deutschem Verständnis steuerlich transparente Personengesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft – also als Steuersubjekt – behandele. Nur in diesem Fall der „Hybridität" (intransparente Besteuerung im Ausland, transparente Besteuerung im Inland) ergebe es Sinn, dass – so die Gesetzesbegründung – nach § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. „der bestehende Anspruch der Gesellschafter für Zwecke der Geltendmachung auf die hybride Gesellschaft übergeht". Der abkommensrechtliche Erstattungsanspruch der Gesellschafter würde ins Leere laufen, wenn ihn nicht die Gesellschaft geltend machen könne. Denn es bestünde dann das nicht unerhebliches praktische Risiko, dass viele der – ggf. mit Kleinstanteilen beteiligten – Gesellschafter ihren Anspruch überhaupt nicht kennen oder ihn aus anderen Gründen nicht geltend machen würden. Dieses faktische Risiko einer abkommenswidrigen Doppelbesteuerung adressiere die Regelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F., indem sie den Erstattungsanspruch zum Zwecke der Geltendmachung der (für deutsche steuerliche Zwecke eigentlich steuerlich nicht existenten) Gesellschaft zuweise. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. erweise sich in diesen Fällen auch aus Sicht der Finanzverwaltung als sinnvolle verfahrensrechtliche Regelung, da es der Vereinfachung des Verfahrens diene, wenn bei einer aus deutscher Sicht transparenten Gesellschaft nicht eine ggf. große Anzahl Gesellschafter jeweils einzeln einen (anteiligen) Erstattungsantrag stellen müsse.
44Der sinnvolle Anwendungsbereich des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. beschränke sich auf die Anwendung in dem so beschriebenen Fall. Eine darüber hinaus gehende Anwendung auf Fälle sog. „umgekehrter Hybridität" sei vom Gesetzgeber – wie die Gesetzesbegründung zeige – nicht in Betracht gezogen worden und würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Wäre § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. auf den vorliegenden Fall anwendbar, würden an die Stelle eines Erstattungsanspruchs einer Gesellschaft, die nach deutschem steuerlichen Verständnis Steuersubjekt sei, eine ggf. sehr große Anzahl von Erstattungsansprüchen der Gesellschafter treten. Insoweit würde § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. das Risiko, dem die Vorschrift gerade entgegenwirken solle, erst schaffen. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. wirke in Fällen „umgekehrter Hybridität" faktisch als Hindernis bei der Geltendmachung abkommensrechtlicher Entlastungsansprüche.
45Da der Gesetzgeber mit der Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. aber gerade das Gegenteil bezweckt habe und es zudem offenkundig sinnwidrig wäre, wenn eine mit dem Ziel der Vereinfachung eingeführte Regelung das Erstattungsverfahren tatsächlich verkomplizieren würde, seien die Fälle der umgekehrten „Hybridität" wie der vorliegende im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen.
46Dies sei im Übrigen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, um den ansonsten drohenden Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG zu vermeiden. Denn wäre § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. auch in Fällen „umgekehrter Hybridität" anwendbar, wären bestimmte Personen, die in Deutschland nach § 49 EStG der beschränkten Steuerpflicht unterlägen (wie etwa US-amerikanische S-Corporations), daran gehindert, ihren abkommensrechtlichen Erstattungsanspruch wie alle anderen beschränkt Steuerpflichtigen selbst geltend zu machen. Diese verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung wäre aber nur dann gerechtfertigt, wenn sich – wie im vom Gesetzgeber vorgesehenen „eigentlichen" Anwendungsfall des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. – eine verfahrensrechtliche Vereinfachung für den beschränkt Steuerpflichtigen und damit eine erhöhte Chance, den Erstattungsanspruch auch tatsächlich geltend zu machen, ergebe. An dieser Vereinfachungswirkung fehle es aber in der vorliegenden Konstellation. Stattdessen begründe die verfahrensrechtliche Atomisierung des Erstattungsanspruchs das Risiko, dass dieser Anspruch überhaupt nicht geltend gemacht werde.
47Soweit der Beklagte der Auffassung sei, § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. solle auch sicherstellen, dass abkommensrechtliche Ansprüche nur einmal geltend gemacht werden könnten, gehe das gerade im Fall einer S-Corporation fehl: Es stimme zwar, dass nach dem Wortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 11 ESG a.F. „nur" entweder die Gesellschaft oder die Gesellschafter den abkommensrechtlichen Entlastungsanspruch geltend machen dürften. Allerdings bestehe auch ohne § 50d Abs. 1 Satz 11 ESG a.F. kein Zweifel daran, dass immer nur ein Steuerpflichtiger einen bestimmten abkommensrechtlichen Entlastungsanspruch geltend machen könne. Dies ist im Fall der S-Corporation eindeutig die Gesellschaft, da die Gesellschafter selbst in Deutschland überhaupt nicht beschränkt steuerpflichtig seien und eine Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen ohne inländische Steuerpflicht daher bereits dem Grunde nach ausscheide. Fälle einer doppelten Inanspruchnahme abkommensrechtlicher Entlastungsansprüche seien jedenfalls im Fall einer US-amerikanischen S-Corporation auch faktisch nicht zu befürchten, da deren Qualifikation als Kapitalgesellschaft für Zwecke des deutschen Steuerrechts unstreitig sei. Sollte bei anderen Formen hybrider Gesellschaften eine doppelte Steuerentlastung drohen – wofür keine Anhaltspunkte ersichtlich seien und worauf der Gesetzgeber bei Erlass des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. auch nicht erkennbar abgezielt habe – rechtfertige dies jedenfalls nicht die Anwendung der Norm auf den vorliegenden Fall.
48Im Übrigen finde § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. im Anwendungsbereich des DBA-USA schon deshalb keine Anwendung, weil Art. 29 DBA-USA eine eigenständige von § 50d EStG a.F. unabhängige Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kapitalertragsteuer biete und § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. jedenfalls insoweit keine Wirkung entfalten könne (vgl. Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 854). Art. 29 Abs. 1 DBA-USA erlaube dem Quellenstaat ungeachtet der in den Verteilungsartikeln enthaltenen Regelungen die nach nationalem Recht anfallenden Quellensteuern zu erheben. Insoweit entspreche die Norm inhaltlich dem § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F.. Art. 29 Abs. 2 DBA-USA verpflichte die Vertragsstaaten aber – insoweit entspreche die Regelung inhaltlich dem § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. – auf Antrag des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung des DBA zu viel einbehaltene Steuer zu erstatten. Das DBA-USA enthalte keinen Verweis auf die verfahrensrechtlichen Erstattungsvorschriften des innerstaatlichen Rechts. Ein solcher Verweis sei auch nicht erforderlich. Denn anders als andere DBA, die lediglich eine dem Art. 29 Abs. 1 DBA-USA entsprechende Regelung kennen würden, enthalte das DBA-USA in Art. 29 Abs. 2 eine eigenständige, verfahrensrechtliche Grundlage für den Erstattungsanspruch. Diesem Charakter entspreche es, dass die Absätze 3 und 4 des Art. 29 DBA-USA eigene Form- und Fristvorschriften enthielten. Auch der weitergehenden Regelungen der Absätze 5 und 6 des Art. 29 DBA-USA hätte es nicht bedurft, wenn der Anwendungsbereich der Erstattungsregelung des Art. 29 Abs. 2 DBA-USA durch § 50d Abs. 1 S. 2 ff. EStG a.F. ausgeschlossen werden sollte (vgl. dazu auch Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 854). Ein Rückgriff auf § 50d Abs. 1 Satz 2 ff. EStG a.F. sei im Anwendungsbereich des DBA-USA daher nicht erforderlich, weshalb auch für eine Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. kein Raum sei. Der „Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung" i.S.d. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. bezeichne nach Wortlaut und Stellung im Gesetz zudem eindeutig (nur) jenen „Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung", den der Gläubiger nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. geltend mache, nicht aber denjenigen nach Art. 29 Abs. 2 DBA-USA.
49Schließlich lägen sämtliche formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs vor. Da der Anspruch auf Art. 29 Abs. 2 DBA-USA gestützt werden könne, genüge es insofern, dass die Klägerin bereits mit Schreiben vom 14. März 2014 – innerhalb der Vier-Jahres-Frist des Art. 29 Abs. 4 DBA-USA – einen Antrag gestellt und die Wohnsitzbescheinigung nach Art. 29 Abs. 3 DBA-USA eingereicht habe.
50Auch die formellen Anforderungen für einen auf § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG gestützten Antrag lägen vor. Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. gingen über diejenigen des Art. 29 Abs. 2 DBA-USA insofern hinaus, als der Antrag nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu stellen sei. Der ausgefüllte amtliche Vordruck sei dem Beklagten mit Schreiben vom 21. Mai 2014 übermittelt worden.
51Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, dass das Antragsformular für die Klägerin zu 1) und nicht etwa – wie vom Beklagten erstmals vier Jahre nach Antragstellung geäußert – als neuer Antrag für ihre Gesellschafter, d.h. die Kläger zu 2) bis 17) eingereicht worden sei. Weder das Antragsschreiben vom 14. März 2014 noch das Anschreiben vom 21. Mai 2014 enthielten Hinweise darauf, dass die Klägerin zu 1) lediglich als Bevollmächtigte für ihre Gesellschafter gehandelt haben könnte. Das Antragsformular sei ausweislich des Anschreibens „in Ergänzung [...] zu unserem Antrag vom 14. März 2014" eingereicht worden. Dies könne nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont nur dahingehend verstanden werden, dass der bereits formlos – und eindeutig für die Klägerin zu 1) – gestellte Antrag hätte aufrechterhalten werden und durch die Vorlage des Formulars ergänzt werden sollen. So habe der Beklagte das Formular offenbar – zu Recht und ohne weitere Nachfragen – als ergänzendes Dokument im Antragsverfahren der Klägerin zu 1) eingeordnet und dementsprechend den hier u.a. streitigen Freistellungsbescheid gegenüber der Klägerin zu 1) erlassen.
52Etwas Anderes könne sich auch nicht daraus ergeben, dass beim Ausfüllen des Antragsformulars im Formularfeld „Name/Vorname des Erstattungsberechtigten" die Formulierung „A Corp. (S-Corporation) für ihre Gesellschafter" verwendet worden sei. Diese Formulierung sei Ausdruck des Bemühens gewesen, die Besonderheit des Falles, die in der transparenten Besteuerung der Klägerin zu 1) in den USA liege, bereits mit der Antragstellung deutlich zu kommunizieren. Eine rechtliche Bedeutung könne dem Zusatz „für ihre Gesellschafter" aber nicht beigemessen werden: Zum einen sei im Feld „Name des Erstattungsberechtigten", nur die Firma der Klägerin zu 1) eingetragen. Zum anderen enthalte das darunter stehende Formularfeld „Name/Vorname des Bevollmächtigten" keine Eintragung. Und schließlich zeige die Eintragung unter Ziffer IV. des Antragsformulars, dass der Antrag für einen Erstattungsberechtigten gestellt worden sei, der „eine amerikanische Körperschaft" ist: Insofern könne nur die Klägerin zu 1) gemeint sein, und nicht etwa ihre Gesellschafter.
53Sollte vorliegend ungeachtet der Auffassung der Kläger § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. anwendbar sein, sei gleichwohl der Klage stattzugeben. So erfolge gemäß § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. die Erstattung auf Antrag des Gläubigers. Gläubiger der streitgegenständlichen Dividende sei im vorliegenden Fall die Klägerin zu 1). Damit könne nur sie den Erstattungsantrag stellen. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ändere daran nichts, da die Norm zwar regele, wem der Erstattungsanspruch zustehe, aber nicht, wer Gläubiger sei. Selbst wenn § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. also anwendbar sein sollte, müsste immer noch die Klägerin zu 1) den Erstattungsantrag stellen und den abkommensrechtlich bei ihr entstandenen Erstattungsanspruch (Schachtelprivileg, Reduktion der Kapitalertragsteuer auf null) geltend machen. Dieser Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer stünde dann nach § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. aus nichtnachvollziehbaren Gründen plötzlich den Gesellschaftern zu, obwohl die Kapitalertragsteuer zulasten der Klägerin zu 1) als Steuerschuldner einbehalten worden sei. Eben diesen Anspruch habe die Klägerin zu 1) „für ihre Gesellschafter" beantragt und somit im Ergebnis korrekt gehandelt.
54Sollte entgegen dieser Ausführungen der Anspruch von den Gesellschaftern den Klägern zu 2) bis 17) geltend gemacht werden müssen, stehe ihnen der vollständige Freistellungsanspruch zu. Denn § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. komme eine verfahrensrechtliche Wirkung dergestalt zu, dass der nach einem DBA entstandene Erstattungsanspruch in Fällen, in denen der (ausländische) Gläubiger der Kapitalerträge ein hybrider Rechtsträger sei, nur von der Person geltend gemacht werden könne, der die Kapitalerträge nach den Steuergesetzen des anderen (ausländischen) Staates zugerechnet würden. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass der Anspruch auf vollständige Erstattung der Kapitalertragsteuer, wie er der Klägerin zu 1) nach dem DBA-USA zustehe, nach § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. durch deren Gesellschafter geltend zu machen sei.
55Soweit der Beklagte schließlich im Verfahren 2 K 1068/21 argumentiert habe, der Gesetzgeber habe durch die Überführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. in den neuen, aber wortgleichen § 50d Abs. 11a EStG durch das AbzStEntModG mit Wirkung zum 9. Juni 2021 den materiell-rechtlichen Charakter der Regelung verdeutlicht, sei nicht ersichtlich, inwiefern dies eine Auswirkung auf den vorliegenden Fall haben sollte. Denn § 50d Abs. 11a EStG n.F. sei erstmals anwendbar für den Veranlagungszeitraum 2021, vgl. § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des AbzStEntModG. Die Kläger begehrten jedoch die Erstattung von im Veranlagungszeitraum 2013 einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer. Im Streitjahr habe sich die Regelung jedenfalls im § 50d Abs. 1 EStG a.F. befunden, was wohl auch nach Auffassung des Beklagten für den verfahrensrechtlichen Charakter der Regelung sprechen dürfe. Selbst wenn man § 50d Absatz 11a EStG n.F. anwenden wolle, würde sich daraus aber kein Unterschied gegenüber der Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ergeben. Denn der unveränderte Wortlaut der Regelung spreche (weiterhin) für eine bloß formelle Wirkung. Schließlich sei auch entgegen der im dortigen Verfahren geäußerten Auffassung des Beklagten keine missbräuchliche Gestaltung gegeben, zumal es sich bei der Klägerin zu 1) keinesfalls um eine Durchleitungsgesellschaft handele. Auch die Voraussetzungen gemäß § 50d Abs. 3 EStG a.F. lägen zweifellos nicht vor (vgl. 64 ff. FG Akte 2 K 1068/21).
56Die Kläger zu 2) bis 17) beantragen,
57den Beklagten unter Änderung der Freistellungsbescheide vom 21.04.2020 zu verpflichten, den Klägern für die im Jahr 2013 ausgeschüttete Dividende der A Deutschland GmbH eine weitere Kapitalertragsteuererstattung i.H.v. insgesamt ... € und damit in vollständiger Höhe von insgesamt ... € (Kapitalertragsteuer i.H.v. ... € zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. ... €) zu gewähren,
58hilfsweise, die Revision zuzulassen.
59Die Klägerin zu 1) beantragt,
60den Beklagten unter Aufhebung des Aufhebungsbescheides vom 21.04.2020 zu verpflichten, der Klägerin zu 1) für die im Jahr 2013 ausgeschüttete Dividende der A Deutschland GmbH eine weitere Kapitalertragsteuererstattung i.H.v. ... € und damit in vollständiger Höhe von insgesamt ... € (Kapitalertragsteuer i.H.v. ... € zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. ... €) zu gewähren,
61hilfsweise, die Revision zuzulassen.
62Der Beklagte beantragt,
63die Klage abzuweisen,
64hilfsweise, die Revision zuzulassen.
65Zur Begründung weist er zunächst auf die Systematik und Sinn und Zweck abkommensrechtlicher Regelungen hin. So sei ein DBA ein bilateral geltender Vertrag zwischen Staaten, worin sich die vertragsschließenden Parteien darüber einigten, welche Regelungen zur „Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern“ angezeigt seien. Wesentliche Ansatzpunkte seien in diesem Zusammenhang die Festlegung der abkommensberechtigten Personengruppen und die Aufteilung des grenzüberschreitenden Besteuerungssubstrates.
66Die von den Klägern angestrebte Begünstigung durch das sog. Schachtelprivileg nach Art. 10 Abs. 3 DBA/USA 2006/2008 solle, analog zur Mutter/Tochter-Richtlinie im EU‑Raum, eine mehrfache Körperschaftsteuerbelastung von Konzerndividenden auf Gesellschaftsebene vermeiden. Zu einer solchen Mehrfachbelastung auf der Gesellschaftsebene komme es jedoch nicht, wenn auf Empfängerebene der Dividenden eine Gesellschaft sei, die nach dem Recht ihres Sitzstaates als steuerlich transparent behandelt werde und zu deren Gesellschaftern natürliche Personen zählten. Denn in Fällen, in denen die Gesellschaft in ihrem Sitzstaat entweder selbst nicht besteuert werde oder in denen die Besteuerung diejenige ihrer einkommensteuerpflichtigen Gesellschafter abdecke, bewirke ihre Einschaltung keine doppelte körperschaftssteuerliche Belastung des Unternehmensgewinns (vgl. allgemein Tischbirek, in Vogel/Lehner, DBA, 6. Auflage (2015), Art. 10 Rn. 54). Vielmehr kämen natürliche Personen in den Genuss einer Vergünstigung, die aus guten Gründen nur körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen vorbehalten sei.
67Die Gewährung des Schachtelprivilegs ziehe eine von den Vertragsstaaten anderweitig vorgesehene Verteilung der Besteuerungszugriffe nach sich, was eine Sinnwidrigkeit des am Regelungstext orientierten Verständnisses zur Folge hätte. Mit Ratifizierung des neu gefassten DBA/USA 2006/2008 hätten die Vertragsparteien die bis dahin in Art. 4 DBA/USA 1989 a.F. geregelte sog. „mittelbare Abkommensberechtigung“ gestrichen. Gleichwohl sollte durch die Einführung des Art. 1 Abs. 7 DBA/USA 2006/2008 sichergestellt bleiben, dass Anteilseigner von Personengesellschaften und ggf. anderer steuerlich „transparenter“ Gesellschaftsformen notwendig abkommensberechtigt bleiben, um deren ansonsten denkbare Doppelbesteuerung zu vermeiden.
68Der BFH habe in einer Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt die Auffassung vertreten, dass die gewählte Formulierung des Art. 1 Abs. 7 DBA/USA 2006/2008 das Fortbestehen der „mittelbaren“ Anspruchsbefugnis nicht ausschließe (vgl. BFH, Urteil vom 26. Juni 2013, Az.: I R 48/12, zitiert nach Juris). Art. 1 Abs. 7 DBA/USA 2006/2008 fingiere nach Auffassung des BFH neben der Zuordnung von Einkünften transparenter Gebilde auch deren Ansässigkeit für Abkommenszwecke. Dieses Begriffsverständnis zu Gunsten der Abkommensberechtigung einer steuerlich hybriden S‑Corporation sei jedoch ein Verständnis gegen den Regelungswillen der Abkommensstaaten. Ein solches Verständnis vertrage sich nicht mit den allgemeinen Grundsätzen für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, weil es sich nicht mit den abkommensrechtlichen Regelungszwecken vereinbaren ließe (vgl. dazu Vogel in Vogel/Lehner, a.a.O., Grundlagen des Abkommensrechts, Rn. 105 ff.; abgrenzend für einen entsprechend weitgefassten Abkommenswortlaut vgl. Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --WÜRV--, BGBl II 1985, 927, in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985, BGBl II 1985, 926, am 20. August 1987, BGBl II 1987, 757, BFH, Urteil vom 4. Juni 2008, I R 62/06, zitiert nach Juris, Rn. 12).
69Durch die Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. werde diese Möglichkeit beseitigt. Mit dieser Regelung habe der deutsche Gesetzgeber den Regelungswillen der DBA-Vertragspartner hinsichtlich der Erstattungsberechtigung verdeutlicht. Diese Regelung lege ergänzend zu den Abkommensbestimmungen den Erstattungsberechtigten bei Bezug von Einkünften durch eine hybride Gesellschaft fest. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. folge den Grundsätzen der OECD, dass der Quellenstaat die Entlastung von Kapitalertrag- und Abzugsteuern der Person gewähre, der die Einkünfte nach dem Steuerrecht des anderen Staates zugerechnet würden (vgl. BR-Drucksache 302/12, Seite 95). Auf diese Weise implementiere der deutsche Gesetzgeber das sog. abkommensorientierte Verständnis der OECD (vgl. Art. 1 Nr. 5 OECD-MK).
70Mit Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. habe die Bundesrepublik Deutschland das ihr zustehende Recht wahrgenommen, das Verfahren der Antragstellung zu regeln. Danach stehe ein Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer nur noch der Person zu, der die betroffenen Einkünfte nach dem Steuerrecht des Empfängerstaates, hier also der USA, steuerlich zuzurechnen seien. Daraus folge, dass die Antragstellung für das Zuflussjahr 2013 im eigenen Namen der Klägerin zu 1) nicht mehr möglich sei. Um eine Erstattung für das Jahr 2013 zu erlangen, müssten die in den USA ansässigen Gesellschafter jeweils einen Erstattungsantrag im eigenen Namen stellen; alternativ sei die Antragstellung der Klägerin zu 1) „für ihre Gesellschafter“ möglich. Vorliegend habe das Antragsformular die „A Corp. (S-Corporation) für ihre Gesellschafter“ als Erstattungsberechtigte benannt. Der ursprüngliche Erstattungsbescheid vom 4. September 2014 sei jedoch fälschlicherweise an die Klägerin zu 1) ergangen und sei daher aufgehoben worden. Dem Anspruch der Gesellschafter habe er, der Beklagte, mit seinem Bescheid vom 21. April 2020 genügt.
71Soweit von Seiten der Kläger eine bloß verfahrensrechtliche Wirkung vertreten werde, sei dem entgegen zu halten, dass sich die materiell-rechtliche Wirkung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. eindeutig aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung ergebe. Im Übrigen hätten auch die anderen Regelungen in § 50d EStG a.F. betreffend die Wechselwirkungen des Steuerabzugsverfahrens mit dem Abkommensrecht (z.B. Abs. 1 Satz 1, Abs. 3) keine „bloß verfahrensrechtliche“, sondern zwangsläufig auch eine materiell-rechtliche Wirkung. Mit der Versagung einer abkommensrechtlichen Quellensteuerentlastung nach § 50d Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 EStG a.F. werde in einigen bestimmten Sachverhalten zugleich über die Steuerpflicht an sich nach § 8b KStG steuerfreier Dividenden entschieden. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. sei jedenfalls die gesetzgeberische Reaktion auf die Ausbreitung hybrider Rechtsformgebilde, die in unterschiedlich gemischten Ausprägungen Eigenschaften von Kapital- und Personengesellschaften in sich trügen. Die Norm solle dabei auch sicherstellen, dass abkommensrechtliche Ansprüche nur einmal geltend gemacht werden könnten. Deshalb würden diese Ansprüche mit Hilfe der Regelung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. im Fall der hybriden Personengesellschaft von den Gesellschaftern auf die Gesellschaft oder bei hybriden Kapitalgesellschaften (z.B. S-Corporation) vice versa von der Gesellschaft auf die Gesellschafter übergeleitet. Als zwangsläufige Folge (Reflexwirkung) dessen trete bei der hybriden Personengesellschaft de facto ein „Nutzungsberechtigtenwechsel“ vom Mitunternehmer auf die Personengesellschaft ein. Dies bedeute, dass nur die Personengesellschaft die Entlastungsansprüche auf der Basis des Abkommens mit demjenigen Staat, der sie als ansässige Person betrachte, geltend machen könne. Entlastungsansprüche der Gesellschafter auf der Basis von DBA mit ihren jeweiligen Ansässigkeitsstaaten würden infolge dessen derogiert. Dieser Wechsel bedeute allerdings nicht, dass die hybride Personengesellschaft für Zwecke des Art. 10 DBA-USA nun auch als „Gesellschaft“ anzusehen sei, da § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. die anwenderstaatsorientierte Behandlung und Einordnung von Personengesellschaften im Abkommensrecht nicht aufgebe oder überschreibe.
72Spiegelbildlich erfolge im Fall einer hybriden Kapitalgesellschaft de facto ein Wechsel des Nutzungsberechtigten von der Gesellschaft auf den Anteilseigner. Wäre dies nicht der Fall, würde im Fall der S-Corporation die Regelung dem Gesellschafter den Anspruch vollständig versagen, da er zwar formal Anspruchsberechtigter, aber nicht Nutzungsberechtigter wäre, was auch nicht dem Sinn und Zweck entspreche. Dem Sinn und Zweck würde es aber auch widersprechen, reziprok analog dem Gedanken des BFH-Urteils vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, den bloßen abkommensrechtlichen Anspruch der S-Corporation (Schachtelprivileg) einfach auf die persönlich hiervon nicht begünstigten Gesellschafter überzuleiten, welche selber die Anforderungen des Schachtelprivilegs nicht erfüllten.
73Um einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen zu begegnen, bedinge § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. den notwendigen Wechsel des Nutzungsberechtigten auch mit materiell-rechtlicher Wirkung.
74Ferner seien Wortlaut und Sinn und Zweck des Gesetzes eindeutig, wonach es sich bei § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. um einen Treaty-override handele und dementsprechend das BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 (I R 48/12) in seiner Wirkung de facto suspendiert werde. Insofern komme dem § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. dieselbe Wirkung wie § 50d Abs. 3 EStG a.F. zu, bei dem auch die überwiegende Auffassung im Fachschrifttum, der sich der Beklagte anschließe, von einem Treaty-override ausgehe.
75§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. regele unzweifelhaft, dass die Einbehaltung und Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet der Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens zu erfolgen habe. Als zwangsläufige Folge dieses Treaty-overrides bestimmten sich die Erstattungsvoraussetzungen wiederum nach den Bestimmungen des § 50d EStG a.F.. Zwar bleibe der Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. hiervon „unberührt“. Dies aber nur insoweit, wie dies durch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. und § 50d Abs. 3 EStG a.F. nicht eingeschränkt werde. Insoweit komme beiden Vorschriften gleichermaßen eine die DBA-Regelungen derogierende Wirkung zu.
76Den Klägern sei zwar zuzugestehen, dass die Gesetzesbegründung vorwiegend Ausführungen zur hybriden Personengesellschaft enthalte. Allerdings habe der Gesetzgeber die hybride Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen. Der hier streitgegenständliche Fall werde vom Wortlaut vielmehr erfasst und § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. sei entsprechend seiner Zielrichtung auch auf die hybride Kapitalgesellschaft anzuwenden.
77Schließlich sei noch einmal zu bekräftigen, dass die Regelung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. verhindern solle, dass mit Hilfe einer Zwischenschaltung von rechtlichen Mischgebilden, wie der Klägerin zu 1), ungerechtfertigte Abkommensvorteile erlangt würden. Solche Sachverhalte würden nach dem Gesetzeswortlaut dadurch identifiziert, dass der Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen eine Person sei, der die Kapitalerträge oder Vergütungen nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaates nicht zugerechnet würden. Dabei regele die Vorschrift – abweichend von der anwenderstaatsorientierten Betrachtungsweise – eine sogenannte Qualifikationsverkettung dahingehend, dass sich der Grund und die Höhe des Entlastungsanspruchs nach den Verhältnissen des Zurechnungssubjekts im anderen Vertragsstaat richten sollten. Diese „abkommensorientierte“ Betrachtungsweise in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. bedinge dann zwangsläufig, dass in diesem Kontext die Begriffe „Gläubiger“ (§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.) und „Nutzungsberechtigung“ auf das Zurechnungssubjekt wechseln würden. Anders als es die Gesetzesbegründung missverständlich suggeriere, gehe hier kein „bestehender“ Anspruch über, sondern es „entstehe“ der Entlastungsanspruch nach den Verhältnissen des Zurechnungssubjekts (materiell-rechtliche Wirkung). Anders als die Kläger meinten und die Gesetzesbegründung ebenfalls missverständlich suggeriere, gehe es bei § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. auch nicht um ein „Leerlaufen“ von Entlastungsansprüchen. Vielmehr diene die Regelung ganz klar auch der Verhinderung der doppelten Geltendmachung von Entlastungsansprüchen. Dies sei in der Fachliteratur allgemein anerkannt; selbst von Autoren, die dem § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nur eine verfahrensrechtliche Wirkung zubilligen wollten (vgl. z.B. Kahlenberg, IStR 2016, 834).
78Die Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. seien erfüllt. Denn in den USA würden die betroffenen Dividendenerträge nicht bei der Klägerin zu 1) der Körperschaftsteuer, sondern bei ihren Gesellschaftern, d.h. den Klägern zu 2) bis 17) der Einkommensteuer unterworfen. Mithin versuchten die Gesellschafter der Klägerin zu 1), allesamt natürliche Personen, durch Vorschaltung der Klägerin für sich zu Unrecht das, nur für juristische Personen und nur für bestimmte Sachverhaltskonstellationen vorgesehene, sogenannte „Schachtelprivileg“ des Art. 10 Abs. 3 DBA/USA zu sichern. Denn bei Bezug deutscher Dividenden durch in den USA ansässige natürliche Personen verbleibe der Bundesrepublik Deutschland ein Besteuerungsrecht in Höhe von 15 % (Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) DBA/USA).
79Die Qualifikationsverkettung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. werde zwar nicht auch im Sinne eines Wechsels des Einkünfte-Beziehers für Zwecke des § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG oder § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG parallel nachvollzogen. Dies resultiere daraus, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ausschließlich Einkünfte betreffe, die der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs unterliegen würden, so dass die Anwendung dieser Regelungen im Kontext des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. von keiner Relevanz sei.
80Mit diesem Ergebnis würde auch der Forderung von OECD und EuGH Rechnung getragen, missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. Als typische Beschaffenheit einer missbräuchlichen Gestaltung führe der EuGH nämlich die sogenannte „Durchleitungsgesellschaft“ an, deren Charakterisierung auf die Klägerin passe (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2019, C-115/16 u.a. (Luxembourg 1 u.a.), zitiert nach Juris, Rz. 88 ff.). Durchleitungsgesellschaften könnten danach nicht als Nutzungsberechtigte angesehen werden. Schon die steuerliche Behandlung der Klägerin zu 1) in den USA mache offenbar, dass sie in ihrer Eigenschaft als S-Corporation nach den o.g. Kriterien eine reine Durchleitungsgesellschaft sei.
81Mit den Bescheiden vom 21. April 2020 habe er, der Beklagte, demnach die streitigen Dividendenzuflüsse der Gesellschafter der Klägerin zu 1), der Kläger zu 2) bis 17) als wahren Nutzungsberechtigten im gesetzlichen Umfang von der deutschen Abzugsbesteuerung freigestellt.
82Entscheidungsgründe
83I. Die Klage der Kläger zu 2) bis 17) ist zulässig und begründet; derjenigen der Klägerin zu 1) ist der Erfolg zu versagen.
Der Freistellungsbescheid vom 21. April 2020 gegenüber den Klägern zu 2) bis 17) sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14. April 2021 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger zu 2) bis 17) in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Sie haben einen Anspruch auf die von ihnen begehrte zusätzliche Erstattung von Kapitalertragsteuer i.H.v. ... €, da sie verfahrensrechtlich gemäß § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. befugt sind, den originär bei der Klägerin zu 1) entstandenen Erstattungsanspruch geltend zu machen.
86Der gegenüber der Klägerin zu 1) ergangene Aufhebungsbescheid vom 21. April 2020 ist demgegenüber rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Infolge des Übergangs des Anspruchs auf die Kläger zu 2) bis 17) gemäß § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ist ihr eine entsprechende Erstattung verwehrt.
87II. Können Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, so sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F., später verlagert in § 50c Abs. 1 EStG i.d.F. des AbzStEntModG --EStG n.F.--). Unberührt bleibt der Anspruch des Gläubigers der Kapitalerträge oder Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer (§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F., siehe nunmehr § 50c Abs. 3 EStG n.F.). Die Erstattung erfolgt nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. (siehe nunmehr § 50c Abs. 3 EStG n.F.) auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge. Ist der Gläubiger der Kapitalerträge eine Person, der die Kapitalerträge nach diesem Gesetz oder nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaats nicht zugerechnet werden, steht gemäß § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. (später wortlautidentisch verlagert in § 50d Abs. 11a EStG i.d.F. des AbzStEntModG --EStG n.F.--) der Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag auf Grund eines DBA nur der Person zu, der die Kapitalerträge nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaats als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person zugerechnet werden.
88Entsprechend der Regelungen in § 50d Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG a.F. erlaubt Art. 29 Abs. 1 des im Streitjahr anwendbaren Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (BGBl. II 1991, 355) i.d.F. des Protokolls vom 1. Juni 2006 zur Änderung des am 29. August 1989 unterzeichneten Abkommens (BGBl. II 2006, 1186) - DBA-USA - dem Quellenstaat, seine Abzugsteuern (Quellensteuern) entsprechend seinem innerstaatlichen Recht ohne Rücksicht auf die Vorschriften des Abkommens zu erheben. Gleichzeitig wird der Quellenstaat gemäß Art. 29 Abs. 2 DBA-USA verpflichtet, die im Abzugsweg einbehaltene Steuer auf Antrag zu erstatten, soweit ihre Erhebung durch das Abkommen eingeschränkt wird.
89Verfahrensrechtliche Grundlage der Steuererstattung ist der Freistellungsbescheid i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO, in dem über die Höhe des unbesteuert bleibenden Teils der Vergütung – und damit zugleich des Erstattungsanspruchs – entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2000, I R 34/99, BStBl. II 2001, 291). Dieser Freistellungsbescheid ist zu erteilen, wenn die bezeichneten Einkünfte nach einem DBA oder § 43b EStG nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden.
90III. Ungeachtet eines möglicherweise fehlenden Antrags gemäß Art. 29 Abs. 2 DBA‑USA bzw. § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. sind zu Gunsten der Klägerin zu 1) die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs gemäß Art. 29 Abs. 2 DBA-USA und § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG dem Grunde nach gegeben. Daran ändert die Regelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nichts, da dieser Vorschrift – entgegen der Auffassung des Beklagten – keine materiell-rechtliche, sondern (nur) eine verfahrensrechtliche Wirkung zukommt.
911. Ein den Maßgaben des Art. 29 DBA-USA und § 50d Abs. 1 bis 3 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG unterliegender Erstattungsanspruch setzt zunächst voraus, dass steuerpflichtige Einkünfte vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2021, I R 27/19, BFH/NV 2022, 708). Die nicht in Deutschland ansässige Klägerin zu 1) erzielt aus der Ausschüttung ihrer Tochtergesellschaft, der GmbH, im Streitjahr unstreitig beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Dies führt zu Einkünften, die grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (bei Körperschaften i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG) der Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag unterliegen. Die Kapitalertragsteuer ist vom inländischen Ausschüttenden bei der zuständigen Finanzbehörde anzumelden und abzuführen (§ 44 Abs. 1 EStG).
922. Die Klägerin zu 1) erfüllt die sich aus Art. 29 Abs. 2 DBA-USA und § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG sowie Art. 10 Abs. 3 DBA-USA ergebenden Voraussetzungen für eine vollständige Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags. Insbesondere gelangt zu ihren Gunsten trotz ihrer Qualifikation als sog. hybride Gesellschaft in Form einer S-Corporation entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dieser US-amerikanischen Gesellschaftsform Art. 10 Abs. 3 DBA-USA zur Anwendung (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 zu Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) DBA-USA).
93a) Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) DBA-USA können Dividenden auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staats besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn die Dividenden von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person als Nutzungsberechtigtem bezogen werden, 5 v.H. des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, der unmittelbar über mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gehören. In allen anderen Fällen ist nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) DBA-USA das Besteuerungsrecht dieses Staats (Quellenstaat) auf 15 v.H. des Bruttobetrags der Dividende begrenzt.
94Gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. a) bb) DBA-USA werden ungeachtet von Art. 10 Abs. 2 DBA-USA Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, gänzlich nicht besteuert, wenn der Nutzungsberechtigte eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Dividendenanspruchs seit einem Zeitraum von 12 Monaten unmittelbar Anteile in Höhe von mindestens 80 vom Hundert der Stimmrechte an der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft hält und die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchst. f) aa) und bb) DBA-USA erfüllt, vorausgesetzt, die Gesellschaft erfüllt hinsichtlich der Dividenden die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 4 DBA-USA.
95b) Die Klägerin zu 1) ist zwar keine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft i.S. von Art. 4 Abs. 1 DBA-USA. Denn sie ist nach dem Recht dieses Staates dort weder aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Ortes der Gründung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA). Als „S-Corporation" erfüllt die Klägerin zu 1) diese Ansässigkeitsmerkmale in den USA nicht, weil sie unstreitig nach US-amerikanischem Recht nicht selbst der amerikanischen Ertragsbesteuerung unterliegt. Der Besteuerung unterliegen dort vielmehr ihre Gesellschafter, die Kläger zu 2) bis 17).
96c) Die tatsächlich fehlende Ansässigkeit wird allerdings durch Art. 1 Abs. 7 DBA-USA mittels Regelungsfiktion substituiert (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 m.w.N.).
97Gemäß Art. 1 Abs. 7 DBA-USA gelten Einkünfte oder Gewinne, welche von einer oder über eine Person erzielt werden, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist, als von einer in einem Staat ansässigen Person erzielt, soweit sie im Sinne der Steuergesetze dieses Staats als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person gelten.
98Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind bei einer S-Corporation wie der Klägerin zu 1) erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 m.w.N.). Die Dividendenzahlungen der inländischen Tochtergesellschaft werden von einer sog. S‑Corporation erzielt, die nach dem Recht der USA jedenfalls mit diesen Zahlungen dort nicht steuerpflichtig ist. Die Einkünfte oder Gewinne werden allerdings fiktiv als solche angesehen, welche insoweit von einer in den USA ansässigen Person erzielt werden, als sie im Ergebnis in den USA ansässigen Personen als Einkünfte oder Gewinne zugerechnet werden. Letztere in den USA ansässige Personen sind die Gesellschafter der Klägerin zu 1).
99Durch diese Fiktion der abkommensrechtlichen Zuordnung der Einkünfte oder Gewinne wird gewährleistet, dass diese Personen mit den betreffenden Einkünften oder Gewinnen in den Abkommensschutz einbezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367).
100Gleichzeitig bewirkt Art. 1 Abs. 7 DBA-USA nach dem unmissverständlichen Wortlaut, dass die Einkünfte oder Gewinne als „von einer in den USA ansässigen Person" erzielt anzusehen sind. Auch das Zurechnungssubjekt und dessen Ansässigkeit werden also abweichend von den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 DBA-USA von der Fiktion erfasst (sog. einkünftebezogene Ansässigkeitsfiktion, vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 mit ausführlicher Begründung sowie Hinweis auf die „Technical explanations" der US-amerikanischen Steuerverwaltung zu Art. 1 DBA‑USA).
101d) Die Klägerin zu 1) hat die in Rede stehenden Dividenden auch als nutzungsberechtigte Gesellschaft i.S. von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a) DBA-USA erzielt. Der Umstand, dass die Dividende nach US-Steuerrecht nicht bei der Klägerin zu 1), sondern bei ihren Gesellschaftern besteuert wird, ändert hieran nichts. Denn für die Auslegung des abkommensrechtlichen Begriffs des Nutzungsberechtigten ist in diesem Zusammenhang allein das nationale Recht des Quellenstaats, hier also von Deutschland, ausschlaggebend.
102Der Begriff des Nutzungsberechtigten wird im Abkommen selbst nicht definiert. Er ist gleichwohl ein abkommensrechtlicher Begriff, für dessen Auslegung in Einklang mit Art. 3 Abs. 2 DBA-USA nur dann auf das nationale Recht des jeweiligen Anwenderstaats zurückzugreifen ist, wenn der Zusammenhang des Abkommens nichts anderes erfordert.
103Da ein solch vorrangiger Abkommenszusammenhang vorliegend fehlt und sich nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat auch insoweit folgt, insbesondere nicht aus Art. 1 Abs. 7 DBA-USA ergibt, ist für die Bestimmung der nutzungsberechtigten Gesellschaft allein das nationale Recht des Quellenstaats, hier also von Deutschland, maßgebend (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 m.w.N., sowie vom 20. August 2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234 m.w.N.).
104Dabei untermauern sowohl Sinn und Zweck von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA als auch die systematische Stellung die Unabhängigkeit dieser Regelung im Hinblick auf die Bestimmung der nutzungsberechtigten Gesellschaft gemäß Art. 10 Abs. 3 DBA-USA. Denn hieraus ergibt sich, dass der Einkünftebezieher und eine insoweit zu gewährende Abkommensberechtigung im Fokus stehen. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA legt – darüber hinaus – gerade nicht fest, welcher Person die Einkünfte konkret zuzurechnen sind, und schon gar nicht ordnet sie eine sog. Qualifikationsverkettung an, welche den Quellenstaat an die steuerliche Qualifizierung des Rechtsträgers im Ansässigkeitsstaat binden könnte. Für einen derartig weitgehenden Regelungsgehalt gibt insbesondere der Wortlaut dieser Abkommensregelung nichts her (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 m.w.N.).
105e) Schließlich erfüllt die Klägerin zu 1) die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchst. f) aa) und bb) DBA-USA und es wird den Anforderungen des Active-Business-Tests gemäß Art. 28 Abs. 4 DBA-USA genüge getan. Insbesondere Letzteres wurde vom Beklagten im Klageverfahren der Gesellschafter (2 K 1068/21) zwar kurzzeitig in Frage gestellt, obwohl der Beklagte – wie in den Jahren zuvor – im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der zuvor ausgeschütteten Dividenden von einem bestandenen Test ausgegangen war und die vollständige Erstattung auf der Grundlage von § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art 10 Abs. 3 DBA-USA gewährt hatte (vgl. Freistellungsbescheid vom 8. Mai 2015). Mittlerweile ist das Vorliegen der Voraussetzungen nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten, die in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt wurde, zutreffender Weise nicht mehr streitig.
1063. Am Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Art 29 Abs. 2 DBA-USA und § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG zugunsten der Klägerin zu 1) ändert die Regelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. nichts. Denn diese Vorschrift ist zwar grundsätzlich anwendbar, zeigt jedoch, anders als der Beklagte meint, keine materiell-rechtliche, sondern (nur) verfahrensrechtliche Wirkung, so dass der grundsätzlich bei der Klägerin zu 1) entstandene Erstattungsanspruch von dieser nicht geltend gemacht werden kann.
107a) § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ist in zeitlicher Hinsicht auf die streitgegenständliche Dividende, die am ...2013 gezahlt wurde, anwendbar. Die Regelung wurde durch Gesetz vom 26. Juni 2013 (Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften – AmtshilfeRLUmsG –, BGBl. I 2013, 1809) eingeführt und ist erstmals auf Zahlungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2013 erfolgt sind (vgl. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
108Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. sind nach dem Wortlaut erfüllt. Gläubiger der hier streitigen Kapitalerträge ist die Klägerin zu 1), während diese Kapitalerträge jedenfalls nach US-Steuerrecht – mithin nach dem Recht des anderen Vertragsstaats – nicht ihr, sondern den Klägern zu 2) bis 17) zugerechnet werden.
109b) Als Folge sieht § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. vor, dass der Anspruch auf Erstattung nur der Person zusteht, der die Kapitalerträge nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaats – hier den USA – als Einkünfte einer ansässigen Person zugerechnet werden.
110Nach Auffassung des erkennenden Senats folgt hieraus die Bestimmung desjenigen, der den abkommensrechtlich entstandenen Anspruch tatsächlich geltend machen kann. Diese als verfahrensrechtlich bezeichnete Wirkung wird im Schrifttum ebenfalls überwiegend vertreten (vgl. nur: Wagner in Brandis/Heuermann, § 50d EStG, Rn. 179 ff. zu § 50d Abs. 11a EStG a.F.; Gosch in Kirchhof/Seer, 21. Aufl. 2022, § 50d Rn. 51d zu § 50d Abs. 11a EStG n.F.; Loschelder in Schmidt/EStG, 41. Aufl. 2022, § 50d Rn. 69 zu § 50d Abs. 11a EStG n.F.; Kopec/Rothe, IStR 2015, 372; Kahlenberg, IStR 2016, 834, 836; Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735; a.A.: Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d EStG Rn. 288 ff. zu § 50d Abs. 11a EStG n.F., Jochum, IStR 2014, 4). Eine Reflexwirkung dergestalt, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. materiell-rechtlich einen „Nutzungsberechtigtenwechsel“ auf Abkommensebene im Sinne einer abkommensorientierten Sichtweise bewirkt, ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht festzustellen. Die Finanzverwaltung tendiert im BMF-Schreiben vom 26. September 2014 demgegenüber zu einer materiellen Wirkung der Vorschrift (vgl. BMF-Schreiben vom 26. September 2014, Tz. 2.1.2., Bsp. 1, BStBl. I 2014, 1258) und vertritt diese im vorliegenden Verfahren sowohl ausdrücklich als auch nachdrücklich. Der BFH hat in seinem sog. „S-Corporation-Urteil“ vom 26. Juni 2013 einen Hinweis auf die Einführung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Erstattungsberechtigung unter dem eigenen Gliederungspunkt 3 erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Tz. 26). Dass er deshalb dieser Norm zwingend verfahrensrechtliche Bedeutung zumessen wollte, wie die Kläger meinen, lässt sich indes allein hieraus nicht verbindlich ableiten.
111Für die Einordnung als verfahrensrechtliche Vorschrift sprechen hingegen sowohl der Gesetzeswortlaut, die systematische Stellung als auch die Gesetzesbegründung:
112Nach dem Gesetzeswortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Vorschrift, die lediglich bestimmt, wer den Anspruch nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. als erstattungsberechtigte Person geltend machen darf. Denn die Formulierung, dass „der Anspruch auf die völlige oder teilweise Erstattung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag […] nur der Person zusteht, der die Kapitalerträge [ ] nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaats […] zugerechnet werden“, setzt einen bereits entstandenen Anspruch voraus. Ausführungen dazu, wer als „Nutzungsberechtigter“ bzw. als Einkünfteerzieler gelten soll, sind dem Wortlaut hingegen nicht zu entnehmen.
113Auch die systematische Stellung der Regelung spricht für eine rein verfahrens-rechtliche Bedeutung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F.. Denn in Absatz 1 wird das Verfahren für den Steuerabzug und die Steuererstattung geregelt. Für den Erstattungsanspruch selbst entfalten hingegen die Regelungen in § 50d Abs. 1 Sätze 1 bis 10 EStG a.F. weder dem Grunde noch der Höhe nach Bedeutung. Der abkommensrechtliche Erstattungsanspruch wird vielmehr gesetzessystematisch vorausgesetzt. Dass für § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. etwas Anderes geltend sollte, ist nicht ersichtlich. § 50d Abs. 3 EStG a.F. entfaltet zwar materiell-rechtliche Wirkung, da hiernach der grundsätzlich entstandene Anspruch untergeht. Diese Regelung ist jedoch in einem anderen, späteren Absatz enthalten, so dass hiermit die verfahrens-rechtliche Wirkung der Regelung im ersten Absatz der Norm unterstrichen wird.
114Der Gesetzesbegründung ist schließlich ebenfalls eine ausschließlich verfahrens-rechtliche Ausrichtung zu entnehmen, da hiernach „der nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG bestehende Anspruch […] auf Entlastung“ „für Zwecke seiner Geltendmachung“ übergeht (vgl. BT-Drucks. 17/13033 vom 10. April 2013, 72). Ein weitergehender Wille des Gesetzgebers, wonach die materiell-rechtliche Existenz eines nach allgemeinen Grundsätzen entstandenen abkommensrechtlichen Erstattungsanspruchs durch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. in Frage gestellt bzw. modifiziert werden soll, ist demgegenüber nicht erkennbar.
115Letztlich ist auch, entgegen der Auffassung des Beklagten, weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. eine abkommensüberschreibende Wirkung (sog. „treaty override“) zukommen soll (vgl.: Wagner in Brandis/Heuermann, § 50d EStG, Rn. 179). Formulierungen, die eine vom Abkommen abweichende Regel erkennen lassen (z.B. „ungeachtet des Abkommens“ oder „für Zwecke der Anwendung des Abkommens“, vgl. dazu Gosch in: Kirchhof, 17. Aufl. 2018, § 50d EStG Rn. 25 m.w.N.), fehlen jedenfalls. Ebenso wenig sind dem Wortlaut selbst sowie den Gesetzgebungsmaterialien Hinweise zu entnehmen, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. als sog. „Nichtanwendungsgesetz" zur Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 26. Juni 2013 (I R 48/12) gedacht ist. Dies erscheint zudem vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des BFH am selben Tag, dem 26. Juni 2013, getroffen wurde, an dem die Ausfertigung des AmtshilfeRLUmsG (vgl. BGBl. I 2013, 1809) erfolgt ist, mit dem die Regelung ins Gesetz eingefügt wurde, als unwahrscheinlich.
116Dass infolge dieses Verständnisses von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. im Ergebnis das abkommensrechtliche Schachtelprivileg durch Reduzierung der Quellensteuer auf null in einer Konstellation gewährt wird, in der in Folge der im US-Steuerrecht vorgesehenen Optionsmöglichkeit die Beteiligungsgesellschaft, hier die Klägerin zu 1), gar nicht der US-amerikanischen Körperschaftsteuer unterliegt, ist, anders als nach Auffassung des Beklagten, hinzunehmen. Dieses Ergebnis folgt aus Art. 1 Abs. 7 DBA-USA entsprechend der Auslegung durch den BFH im Urteil vom 26. Juni 2013 (I R 48/12, BStBl. II 2014, 367) sowie aus der konkreten Gesetzesfassung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F., der der erkennende Senat eben (nur) verfahrensrechtliche Wirkung beimisst. Anderes lässt sich auch nicht aus der Neufassung in § 50d Abs. 11a EStG n.F. herleiten. Ungeachtet dessen, dass die Neufassung im Streitfall zeitlich gar nicht zur Anwendung käme, hat der Gesetzgeber im Zuge der Neustrukturierung des Freistellungs- und Erstattungsverfahrens in § 50d EStG n.F. und § 50c EStG n.F. durch das AbzStEntModG den Wortlaut von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. unverändert übernommen. Eine materiell-rechtliche Wirkung dergestalt, dass § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. anstelle der anwenderstaatlichen Betrachtungsweise zu einer abkommensrechtlichen Betrachtungsweise führt, infolge derer die Kläger zu 2) bis 17) als Nutzungsberechtigte i.S.v. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA anzusehen sind, vermag der erkennende Senat auch nicht im Hinblick auf die Gewährung des Schachtelprivilegs in der vorliegenden Konstellation anzunehmen.
117c) Die sich aus der Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. in Fällen hybrider Gesellschaften wie einer US-amerikanischen S-Corporation ergebende Folge, dass der bei der Gesellschaft – hier der Klägerin zu 1) – abkommensrechtlich entstandene Anspruch durch ihre Gesellschafter verfahrensrechtlich geltend zu machen ist, ist zwar als missglückt anzusehen. Auch ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung – primär – das Leerlaufen von Erstattungsansprüchen infolge von Qualifikationskonflikten bei hybriden Gesellschaftsformen verhindern wollte, eine Gefahr, die in Fällen von S-Corporations insbesondere bei Zugrundelegung der anwenderstaatsorientierten Betrachtungsweise entsprechend der BFH-Rechtsprechung im Urteil vom 26. Juni 2013 (I R 48/12, BStBl. II 2014, 367) gar nicht droht. Ausdrücklich ist der Gesetzesbegründung auch nur die umgekehrte Konstellation zu entnehmen, in der durch den Übergang des Anspruchs der Gesellschafter auf die hybride Gesellschaft das sog. „Leerlaufen“ verhindert wird. In der Gesetzbegründung wird zudem ausdrücklich auf die Grundsätze in Nr. 5 zu Art. 1 OECD-MA verwiesen, die ebenfalls den Fall einer steuerlich als transparent behandelten Personengesellschaft betreffen.
118Gleichwohl ist nach Auffassung des erkennenden Senats die Regelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. weder teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie in Fällen US‑amerikanischer S-Corporations nicht zur Anwendung gelangt, noch wird ihre Anwendbarkeit durch Art. 1 Abs. 7 DBA-USA verdrängt.
119Zutreffend wird von Seiten der Kläger zwar darauf hingewiesen, dass bei divergierendem Gesetzeswortlaut einerseits und Gesetzeszweck andererseits der Wortlaut der Vorschrift ihrem Zweck entsprechend einzuschränken ist (sog. teleologische Reduktion), sofern sich das Gesetz – gemessen an seinem Zweck – als planwidrig zu weitgehend erweist (vgl. BFH-Urteil vom. 4. Dezember 2001 – III R 47/00, BStBl. II 2002, 195). Allerdings ist gegenüber einer vom Wortlaut der Rechtsnorm abweichenden Auslegung, auch darauf weisen die Kläger zu Recht hin, Zurückhaltung geboten; sie kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1992 – VIII R 79/88, BStBl. II 1992, 786; BFH-Urteil vom 21. Oktober 2010 – IV R 23/08, BFH/NV 2011, 476). Speziell für eine US-amerikanische S-Corporation und ihre Gesellschafter ist die Regelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. zwar als missglückt anzusehen; als sinnwidrig ist das Ergebnis indes nicht zu qualifizieren. Auch fehlen zwingende Anhaltspunkte, wonach das Ergebnis vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein kann. Schließlich erfasst der Wortlaut eindeutig auch die Konstellation der Klägerin zu 1) und ihrer Gesellschafter, der Kläger zu 2) bis 17).
120Anders, als die Kläger meinen und es teilweise in der Literatur vertreten wird (vgl. Lampert in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 50d EStG Rz. 443.3 zu § 50d Abs. 11a EStG n.F. unter Verweis auf den Telos der Norm; Frotscher in Frotscher, § 50d EStG, Rz. 278 zu § 50d Abs. 11a EStG n.F.), führt Art. 1 Abs. 7 DBA-USA auch nicht zum Ausschluss von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F.
121Beide Regelungen haben zwar einen sich überschneidenden Anwendungsbereich und dienen der Auflösung internationaler Qualifikationskonflikte bei hybriden Gesellschaftsformen. Allerdings sind sie nebeneinander bzw. subsumtionstechnisch hintereinander anwendbar. Denn nach Auffassung des erkennenden Senats kommt, wie bereits dargestellt, § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. verfahrensrechtliche Wirkung dergestalt zu, dass ein abkommensrechtlich bereits vorhandener Anspruch (vorliegend mittels Anwendung von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA) von einer anderen Person als Erstattungsberechtigter gemäß § 50d Abs. 1 EStG a.F. geltend zu machen ist. Der Anwendungsausschluss von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. wird demgegenüber zumeist im Zusammenhang mit einer materiell-rechtlichen Wirkung dieser vertreten (vgl. Frotscher in Frotscher, § 50d EStG, Rz. 288 ff. zu § 50d Abs. 11a EStG n.F.). Zudem folgt weder aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA noch aus sonstigen Abkommensvorschriften und auch nicht aus § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. selbst, dass diese unilaterale Vorschrift im Fall abkommensrechtlicher „Spezialvorschriften“ ausgeschlossen sein soll.
122IV. Infolge der verfahrensrechtlichen Wirkung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. ist der sich aus Art. 29 Abs. 2 DBA-USA und § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. Art. 10. Abs. 3 DBA-USA ergebende Erstattungsanspruch von den Klägern zu 2) bis 17) geltend zu machen.
123Zugunsten der Kläger zu 2) bis 17) liegt ein entsprechender Antrag vor. Zutreffend hat der Beklagte den am 22. Mai 2014 bei ihm eingegangenen Antrag, der ausdrücklich die Klägerin zu 1) für ihre Gesellschafter als Erstattungsberechtigte ausweist, als solchen ausgelegt. Ähnlich einer Prozessstandschaft im finanzgerichtlichen Verfahren sieht der erkennende Senat die Antragstellung einer Gesellschaft „für ihre Gesellschafter“ als wirksam an, zumal die Kläger zu 2) bis 17) zeitnah bestätigt haben, dass der Anspruch (der Klägerin zu 1) auf eine Reduktion der Abzugsteuern auf null durch sie bzw. in ihrem Interesse über die Klägerin zu 1) geltend gemacht worden ist (vgl. Schreiben vom 15. Juni 2015 sowie die beigefügten Bestätigungen sämtlicher Gesellschafter, Bl. 85 ff. VA). Dass die Klägerin zu 1) sowohl im ersten formlosen Antragsschreiben vom 14. März 2014 (vgl. Bl. 1 f. VA) als auch im Übersendungsschreiben vom 21. Mai 2014 (vgl. Bl. 6 f. VA) hierauf nicht explizit hingewiesen hat, ist unschädlich. Denn der Zusatz der Antragstellung „für ihre Gesellschafter“ ist auf dem förmlichen Antrag sowohl unter Punkt I „Erstattungsberechtigter“ als auch in der Überschrift der 2. Seite des Antrags zu finden, dem die maßgebliche Bedeutung zukommt. Dass Punkt IV. des Antrags für die Gewährung des Schachtelprivilegs als Erstattungsberechtigte eine amerikanische Körperschaft vorsieht, ist in diesem Zusammenhang unschädlich. Infolge der erst kurz zuvor eingefügten Regelung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. gab es noch keinen anderen Antragsvordruck. Zudem war die Anwendung dieser Norm mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, da sie von Beginn an in ihrer Wirkung umstritten war. Schließlich gibt Punkt IV des Antrags auch darüber Auskunft, dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg (vorliegend Art. 10 Abs. 3 DBA-USA) dem Grunde nach in Anspruch genommen werden soll. Im Übrigen bezieht sich das Übersendungsschreiben vom 14. März 2014 auch auf ein bereits für Vorjahre anhängiges Erstattungsverfahren unter der Registriernummer US ..., für das mangels Geltung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. eine entsprechende Antragstellung nicht angezeigt war.
124Den Klägern zu 2) bis 17), bei denen es sich um sämtliche Gesellschafter der Klägerin zu 1) handelt, steht infolge der (nur) verfahrensrechtlichen Wirkung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. der Erstattungsanspruch in voller Höhe, d.h. bis zu einer Reduzierung der Quellensteuer auf 0 % zu. Auf Grund der fehlenden materiell-rechtlichen Wirkung sind nicht anstelle der Klägerin zu 1) die Kläger zu 2) bis 17) „Nutzungsberechtigte“ i.S.d. Art. 10 DBA-USA, so dass, obwohl es sich bei den Klägern zu 2) bis 17) um natürliche Personen handelt (bzw. im Falle der Trusts bei den Begünstigten), nicht Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) DBA-USA Anwendung findet (Quellensteuerreduktion auf 15 %), sondern Art. 10 Abs. 3 DBA-USA.
125Über die bereits mit Bescheid vom 21. April 2020 festgesetzte Erstattung hinaus ist daher ein weiterer Betrag i.H.v. ... € festzusetzen und zu erstatten.
126V. Der als Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO zulässig erhobenen Klage der Klägerin zu 1) ist im Ergebnis der Erfolg zu versagen. Unabhängig von einem möglicherweise fehlenden eigenen Antrag steht der Klägerin zu 1) jedenfalls kein Anspruch auf Kapitalertragsteuererstattung zu. Der Geltendmachung des bei ihr gemäß Art. 29 Abs. 2 DBA-USA und § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. 31 Abs. 1 Satz 1 KStG entstandenen Anspruchs steht § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. entgegen. Infolge der verfahrensrechtlichen Wirkung dieser Norm ist der Erstattungsanspruch auf ihre Gesellschafter, die Kläger zu 2) bis 17), übergegangen.
127Art. 29 Abs. 2 DBA-USA sieht zwar, ergänzt durch die Antragsfrist gemäß Art. 29 Abs. 3 DBA-USA und eine Regelung zum Nachweis der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß Art. 29 Abs. 4 DBA-USA, ebenso wie § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. die Möglichkeit eines Erstattungsantrags vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) führt dieser Artikel nicht zu einem eigenständigen, von § 50d Abs. 1 EStG a.F. getrennt zu sehenden Antragsverfahren (a.A. auch Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735). Vielmehr sind Art. 29 Abs. 2 und § 50d Abs. 1 EStG im Zusammenhang zu sehen, da das jeweilige innerstaatliche Recht die Einzelheiten des Antragsverfahrens regelt bzw. sich das Antragsverfahren nach innerstaatlichem Recht bestimmt (vgl. Eckstein in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, 1. Aufl. 2009, Art 29. Rz. 12; vgl. Eimermann in Wassermeyer, DBA USA, Art. 29, Rz. 24). Die Aufnahme einer Regelung ins DBA beruht im Übrigen auf derselben BFH-Rechtsprechung, die auch zur Installierung des Erstattungsverfahrens gemäß § 50d EStG geführt hat; durch Art 29 DBA-USA werden die verfahrensrechtlichen Regelungen in § 50d EStG a.F. völkerrechtlich abgesichert (vgl. Eimermann in Wassermeyer, DBA USA, Art. 29, Rz. 4).
128VI. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 135, 136 FGO.
129VII. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
130VIII. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 FGO zuzulassen.