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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer 2018 über den Abzug von Kinderbetreuungskosten.
3Der einzeln zur Einkommensteuer veranlagte Kläger erzielte im Streitjahr neben Einkünften aus zwei nichtselbständigen Tätigkeiten insbesondere Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit als . Er ist Vater der am XX.XX.XXXX geborenen A (nachfolgend „Tochter“ genannt). Mutter des Kindes ist Frau B (im Streitjahr wohnhaft „...straße, C“; nachfolgend „Kindesmutter“ genannt), mit der der Kläger nicht verheiratet war und von der er seit ... getrennt lebt. Der Kläger und die Kindesmutter sind gemeinsam sorgeberechtigt und bewohnten im Streitjahr zwei Wohnungen im D, die ca. 4 Kilometer entfernt voneinander liegen. Kindergeld wurde an die Kindesmutter ausgezahlt.
4Das Umgangsrecht war im Streitjahr wie folgt geregelt: Von Januar bis Juli 2018 wurde die Tochter von Montag bis Donnerstag jeweils morgens gegen 7:30 Uhr zum Kläger gebracht. Sie frühstückte dort und der Kläger brachte sie anschließend in die Kindertagesstätte (Kita). Der Kläger holte sie außerdem aus der Kita ab, gegen 18:30 Uhr fand die Übergabe an die Kindesmutter statt. Außerdem hatte der Kläger das Umgangsrecht an einem Nachmittag unter der Woche, ferner (mit Übernachtung) von Freitagnachmittag bis Samstagvormittag sowie jede zweite Woche von Freitagnachmittag bis Sonntagabend. Seit August 2018 war die Tochter von Dienstagnachmittag bis Mittwochmorgen beim Kläger, ferner alle zwei Wochen von Freitagabend bis Montagmorgen. In den Wochen dazwischen war sie regelmäßig am Freitagnachmittag beim Kläger.
5Der Kläger bewohnt ein „...straße1, C“ gelegenes m² großes Haus alleine. In dem Haus ist ein 13,4 m² großes Kinderzimmer für die Tochter eingerichtet. Das Zimmer enthält auch Einrichtung, Kinderausstattung, Kinderkleidung, Spielsachen u.ä. Am Türschild stehen die Nachnamen des Klägers und der Tochter (A). Die Tochter war ausweislich einer Auskunft der Meldebehörde, die der Kläger bestätigt hat, im Streitjahr ausschließlich bei der Kindesmutter (Adresse: „...straße, C“) gemeldet.
6Ein im Klageverfahren vorgelegter gerichtlicher Vergleich zum Umgangsrecht lautet auszugsweise wie folgt:
7Die Tochter wurde im Streitjahr zunächst in einer n Kita („Die Kita E“) und später – ab August 2018 – in einer Kita („Kita F“) betreut.
9Ausweislich von im Klageverfahren korrigierten und näher dargelegten Zahlungen erbrachte der Kläger an die Kita F Beiträge (ohne Essensgelder) i.H.v. 450 € im Streitjahr. Ferner überwies er im Streitjahr € an die „Kita E“, im Klageverfahren wurden auch korrigierte, nunmehr auf den Kläger ausgestellte Rechnungen vorgelegt. Ferner überwies der Kläger an die Kindesmutter im Streitjahr € für Kita-Beiträge, welche die Kindesmutter ihrerseits weiterzahlte. Die unmittelbar vom Kläger getragenen Kosten betrugen damit €, die von ihm geltend gemachten gesamten Kinderbetreuungskosten €. Ferner leistete der Kläger Kindesunterhalt als Barunterhalt entsprechend dem Höchstsatz der „Düsseldorfer Tabelle“ von €
10Zum Streitjahr 2018 veranlagte der Beklagte den Kläger zunächst – ohne Berücksichtigung von geltend gemachten Kinderbetreuungskosten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) – mit Bescheid vom 16. Juli 2020 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu einer Einkommensteuer von €. Den fehlenden Abzug der Kinderbetreuungskosten begründete er mit der fehlenden Haushaltszugehörigkeit. Mit Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2020 (Blatt – Bl. – 17 ff. der elektronischen Gerichtsakte – eGA) erhöhte der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen die Einkommensteuer auf €, weiterhin ohne Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er in jenem Bescheid nach § 164 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) auf.
11Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und führte insbesondere an, die Nichtberücksichtigung der Kinderbetreuungskosten sei verfassungswidrig. Das rechtlich erforderliche, aber im Streitfall (nach damaliger Klägerauffassung) tatsächlich fehlende Merkmal der „Haushaltszugehörigkeit“ widerspreche den verfassungsrechtlichen Maßstäben. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2021 (Bl. 12 ff. eGA) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte an, ein Abzug von Kinderbetreuungskosten komme mangels vom Kläger selbst eingeräumter Haushaltszugehörigkeit, die ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal sei, nicht in Betracht.
12Mit der hiergegen erhobenen Klage führt der Kläger sein Abzugsbegehren fort. Zunächst hat er – bei anfänglich von ihm weiter verneinter Haushaltszugehörigkeit des Kindes in seinem Haushalt – die Auffassung vertreten, das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sei verfassungswidrig, weil es den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aus Art. 6 Grundgesetz (GG) hergeleiteten grundgesetzlichen Auftrag, den Betreuungsbedarf eines Kindes steuerlich zu verschonen, nicht sachgerecht umsetze. Das BVerfG stelle auf die Elternschaft und nicht auf weitere Kriterien wie den Wohnsitz oder die Haushaltszugehörigkeit des Kindes ab. Das Erfordernis, dass das Kind im Haushalt des Abzugsberechtigten wohnen müsse, widerspreche auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG), weil Kinder bei Trennung häufig bei einem Elternteil lebten, der andere Elternteil aber oftmals alleine oder überwiegend den Unterhalt (einschließlich der Kinderbetreuungskosten) übernehme. Verfassungsrechtlich seien sämtliche elterlichen Betreuungskosten steuerlich zu privilegieren, der Ausschluss der Abzugsfähigkeit bei einem getrennt lebenden Elternteil entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung. Vertiefend hat er vorgetragen, dass Ausführungen in einem BVerfG-Beschluss vom 30. September 1992 (1 BvR 626/89; zum Kriterium der Haushaltszugehörigkeit bei § 33c EStG a.F.) nicht oder jedenfalls nicht mehr überzeugten. Nach der derzeitigen zivilrechtlichen Rechtslage („Residenzmodell“) erfülle ein Elternteil seine Unterhaltspflicht alleine dadurch, dass er oder sie das Kind in der eigenen Wohnung betreue, verköstige und erziehe. Der nicht betreuende Elternteil sei dagegen barunterhaltspflichtig. Während früher Kinderbetreuungskosten dem „betreuenden Elternteil“ unterhaltsrechtlich als berufsbedingte Aufwendungen (damit dieser wieder erwerbstätig sein könne) zugeordnet worden seien, werde nun unterhaltsrechtlich in den Kosten ein nicht mehr berufsbedingter Mehrbedarf des Kindes gesehen, der grundsätzlich von beiden Eltern entsprechend ihrem Einkommen zu tragen sei. Dies gebiete eine nicht an der Haushaltszugehörigkeit ausgerichtete steuerliche Abzugsmöglichkeit. Der die Aufwendungen tragende Elternteil müsse die Aufwendungen abziehen können.
13Ebenso sei – so der Kläger – die Beschränkung der Abzugsfähigkeit auf zwei Drittel der Aufwendungen sowie einen Höchstbetrag von 4.000 € je Kind verfassungswidrig. Die Begrenzung führe zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von erwerbstätigen Eltern mit Fremdbetreuungskosten gegenüber Erwerbstätigen ohne Kinder. Der bisher abweichenden Rechtsprechung sei nicht zuzustimmen. Die der Beschränkung zugrundeliegenden Typisierungsbefugnisse des Gesetzgebers fänden ihre Grenze dort, wo es für eine Schlechterstellung von bestimmten Gruppen an einer sachlichen Rechtfertigung mangele. Im örtlichen Bereich des Klägers sei – anders als teilweise in anderen Bundesländern – keine Kostenfreiheit von Kitagebühren geregelt worden. Die üblichen Kita-Schließzeiten zwischen 15 und 17 Uhr ließen zudem anspruchsvolle berufliche Aufgaben mit Aufstiegschancen nicht hinreichend zu. Hierfür sei Zusatzbetreuung erforderlich, die häufig nur Kitas böten. Jene Kosten lägen deutlich oberhalb der Elternbeiträge für eine staatlich geförderte Kita. Der beschränkte Sonderausgabenabzug führe dann zu einer teilweisen Nichtabziehbarkeit, eine Rechtfertigung hierfür sei nicht erkennbar. Insbesondere sei die Abzugsbeschränkung nicht realitätsgerecht und widerspreche dem grundlegenden Wandel der gesellschaftlichen Anschauung und der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Eltern sowie kinderlosen Personen. Die Abzugsbeschränkung widerspreche auch den gesetzgeberischen Zielen, Berufschancen für beide Elternteile zu fördern, insbesondere um ein früheres „tradiertesRollenverständnis“ zu überwinden. Eine berufliche Vollzeittätigkeit beider Elternteile bedürfe einer umfänglichen Fremdbetreuung der Kinder, die hierfür erforderlichen Kosten müssten dann vollständig abziehbar sein. Wegen der weiteren verfassungsrechtlichen Argumentation wird auf die Klagebegründung vom 9. Februar 2021 (Bl. 6 ff. eGA) sowie den Schriftsatz vom 30. April 2021 (Bl. 70 ff. eGA) verwiesen.
14Während des Klageverfahrens sind unter dem 11. März 2021 (Bl. 38 ff. eGA) und 13. April 2021 (Bl. 57 ff. eGA) aus anderen Gründen Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 2018 ergangen, die gem. § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.
15Der Berichterstatter hat neben einer in mehreren Schreiben betriebenen Sachaufklärung (insbesondere zur Wohn- und Haushaltssituation des Kindes und der Eltern, den Zahlungsflüssen und der Rechnungsstellung) auf eine mögliche Befragung und Beiladung der Kindesmutter hingewiesen. Der Kläger führt hierzu an, dass die Kindesmutter Auskünfte verweigere, dies aber nicht entscheidungserheblich sei; insbesondere sei unerheblich, ob eine steuerliche Geltendmachung bei der Mutter erfolgt sei. Der Beklagte hält eine Beiladung für nicht geboten (und hat eine solche auch nicht nach § 174 Abs. 4, 5 AO beantragt), da dem Kläger insgesamt mangels Haushaltszugehörigkeit und mangels teilweise direkter Zahlung an den Erbringer der Betreuungsleistung kein Abzug gewährt werden könne. Die Kindesmutter könne teilweise mangels eigener Zahlungen (Direktzahlungen des Klägers an die Kita) und teilweise mangels eigener wirtschaftlicher Belastung (Ausgleichszahlungen des Klägers an von der Kindesmutter verauslagte Kosten) keinen Sonderausgabenabzug erhalten.
16Im weiteren Verfahren ist der Kläger nunmehr zu der Rechtsauffassung gelangt, die Tochter sei zu beiden Haushalten und damit auch zu seinem Haushalt zugehörig. Die Wohnungen lägen in der Nähe (gleiche Postleitzahl), die Kita sei von beiden Wohnungen ähnlich weit entfernt. Das (wenngleich verfassungswidrige) Kriterium der Haushaltszugehörigkeit sei damit im Streitfall erfüllt. Es verbleibe aber die von ihm gerügte beschränkte Abziehbarkeit als verfassungsrechtliches Problem. Ferner ist der Kläger der Auffassung, dass auch eine mittelbare Zahlung von Beiträgen (hier: teilweise Zahlung an die Kindesmutter, die ihrerseits an die Betreuungseinrichtung überwiesen hat) abziehbar sein müsse. Die gesetzliche Regelung führe hier zu einer unzulässigen Erschwernis bzw. zur Unmöglichkeit, die Kitakosten in dieser nicht unüblichen Konstellation geltend zu machen.
17Der Kläger beantragt,
18die Einkommensteuerfestsetzung 2018, zuletzt geändert durch Bescheid vom 13. April 2021, dahingehend zu ändern, dass Kinderbetreuungskosten i.H.v. € in voller Höhe (d.h. ohne Quotelung und ohne Abzugsbegrenzung) steuermindernd berücksichtigt werden,
19hilfsweise das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen,
20äußerst hilfsweise die Revision zuzulassen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er ist der Auffassung, das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Verweis auf BVerfG-Beschluss vom 30. September 1992, 1 BvR 626/89) und auch die betragsmäßige Beschränkung der Abziehbarkeit der Aufwendungen sei geklärt (Verweis auf BVerfG-Beschlüsse vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00; vom 20. Oktober 2010, 2 BvR 2064/08; vom 7. Mai 2014, 2 BvR 2454/12). Auch nach der näheren klägerischen Schilderung zur Aufenthalts- und Wohnsituation der Tochter vertritt der Beklagte die Ansicht, dass sich hieraus bei einer Gesamtwürdigung keine Haushaltszugehörigkeit ergebe. In entsprechender Anwendung von § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Satz 10 EStG sei eine „Aufnahme in den Haushalt des Steuerpflichtigen“ erforderlich. Regelmäßig sei ein Kind nur einem Haushalt zugehörig. Die melderechtliche Situation und die Kindergeldzahlung ausschließlich an die Kindesmutter sprächen indiziell für eine alleinige Haushaltszugehörigkeit des Kindes bei der Kindesmutter. Eine in der Rechtsprechung vereinzelt angenommene doppelte Haushaltszugehörigkeit sei im Streitfall nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen, da nicht ersichtlich sei, dass sich der Lebensmittelpunkt des Kindes gleichmäßig auf die Haushalte beider Elternteile verteile. Ferner könnten – selbst bei Annahme einer Haushaltszugehörigkeit – Aufwendungen nur in Höhe der vom Kläger unmittelbar entrichteten Beiträge ( €) anerkannt werden, anschließend greife die – nach Beklagtenansicht verfassungsrechtlich hinzunehmende – Quotelung (auf 2/3 der Aufwendungen) sowie Begrenzung (Höchstbetrag 4.000 €) des steuerlichen Abzugs.
24Der Berichterstatter hat auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren III R 9/22 hingewiesen und angefragt, ob die Beteiligten mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden sind. Der Kläger hat sich gegen ein Ruhen des Verfahrens ausgesprochen, einerseits weil er sich über die Thematik der „Haushaltszugehörigkeit“ hinaus auch mit verfassungsrechtlicher Argumentation gegen den begrenzten Sonderausgabenabzug („zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind“) wendet, andererseits weil er sich „argumentativ gerne in das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof einbringen möchte“.
25Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der Kindesmutter. Diese hat in ihrer schriftlichen Aussage vom 28. Dezember 2022 (Bl. 203 eGA) die Angaben des Klägers zum Betreuungsumfang bestätigt und teilweise konkretisiert. Bezüglich der Wohnsituation beim Kläger hat sie angegeben, das Haus bzw. die obere Etage mit dem eingerichteten Zimmer nicht betreten zu haben. Sie gehe aber davon aus, dass sämtliche Dinge zur Versorgung vorhanden (gewesen) seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Aussage Bezug genommen.
26Die mündliche Verhandlung hat am 19. Januar 2023 stattgefunden, wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
27Entscheidungsgründe
28I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat einen Abzug von Kinderbetreuungskosten zu Recht abgelehnt, da die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (hierzu nachfolgend 1.). Das Verfahren ist auch nicht auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen (hierzu nachfolgend 2.).
291. Ein Abzug von Kinderbetreuungskosten scheidet im Streitfall mangels Haushaltszugehörigkeit vollumfänglich aus.
30a. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG (in der im Veranlagungszeitrum 2018 geltenden Fassung) sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Absatz 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, Sonderausgaben, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden. Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG).
31Die Regelung verlangt als kindesbezogene Abzugsvoraussetzungen, dass ein Kind i.S.d. § 32 EStG vorliegt, bestimmte Altersgrenzen eingehalten werden und das Kind dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehörig ist. Durch die Abzugsquote (2/3) und den Abzugshöchstbetrag sind nur Aufwendungen bis 6.000 € (bis zu einer Höhe von maximal 4.000 €) steuerlich berücksichtigungsfähig (vgl. Krüger in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 10 Rn. 76).
32Haushaltszugehörigkeit bedeutet, dass das Kind bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Steuerpflichtigen dessen Wohnung teilt oder sich mit Einwilligung des Steuerpflichtigen vorübergehend außerhalb der Wohnung aufhält. Bei getrennt lebenden Eltern wird das Kind in der Regel zum Haushalt des Elternteils gehören, dem das Sorgerecht zusteht und der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Besuche des Kindes bei dem zum Barunterhalt verpflichteten Elternteil begründen keine auf Dauer angelegte Haushaltszugehörigkeit. Auch wenn das Sorgerecht den Eltern gemeinsam zusteht, ist das Kind im Regelfall dem Haushalt zuzuordnen, in dem es sich überwiegend aufhält und wo sich der Mittelpunkt seines Lebens befindet. In Ausnahmefällen kann jedoch auch eine gleichzeitige Zugehörigkeit zu den Haushalten beider Elternteile bestehen, wenn das Kind tatsächlich zeitweise beim Vater und zeitweise bei der Mutter lebt und nach den tatsächlichen Umständen des einzelnen Falles als in beide Haushalte eingegliedert anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 4. März 1989, IX R 45/88, BStBl II 1989, 776; vom 14. April 1999, X R 11/97, BStBl II 1999, 594; siehe ebenso BFH-Urteil vom 28. April 2010, III R 79/08, BStBl II 2011, 30 – zum gleichen Kriterium der Haushaltszugehörigkeit beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende; ebenso BFH-Beschluss (§ 126a FGO) vom 14. Dezember 2004, VIII R 106/03, BStBl II 2008, 768 – zum Kriterium der „Haushaltsaufnahme“ für die Kindergeldberechtigung).
33b. Ausgehend von diesen Kriterien kommt der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildeten Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), zu dem Ergebnis, dass das Kind im Streitjahr nicht zum Haushalt des Klägers zugehörig war. Das Kind war, was auch der Kläger nicht bestreitet, zum Haushalt der Kindesmutter zugehörig. Hierfür sprechen neben dem zeitlichen Betreuungsumfang insbesondere (indiziell) die melderechtliche Situation und die Auszahlung des Kindergeldes.
34Eine nur ausnahmsweise zu bejahende „doppelte Haushaltszugehörigkeit“ kann der Senat im Streitfall nicht mit der nötigen Überzeugung feststellen. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass er insbesondere mit dem eingerichteten Kinderzimmer und seiner Einbindung in die wöchentlichen Betreuungsabläufe (bspw. dem täglichen Frühstück sowie Bringen und Abholen aus der Kita) sein Umgangsrecht ausübte. Anhand der im Tatbestand geschilderten zeitlichen Abläufe und der gerichtlichen Umgangsvereinbarung ist aber erkennbar, dass das Kind überwiegend, insbesondere auch nachts, von der Kindesmutter betreut wurde. Der zeitliche Betreuungsanteil der Mutter betrug deutlich über 50 %. Bei einem im Streitjahr zwei- bis dreijährigen Kind stellt dies nach dem Dafürhalten des Senats die maßgebliche, für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit relevante, Betreuungstätigkeit dar. Der Lebensmittelpunkt und die Haushaltseingliederung des Kindes lagen dadurch im Haushalt der Kindesmutter. Eine (annähernd) paritätische Betreuung und Haushaltseingliederung des Kindes, die nach Überzeugung des Senats für eine doppelte Haushaltszugehörigkeit erforderlich ist, scheidet dadurch aus. Ferner fixiert der Vergleich nur das Recht, aber nicht die Pflicht zur Betreuung zu den festgelegten Zeiten. Die Aufenthalte beim Kläger hatten nach Würdigung des Senats eher den Charakter zeitlich begrenzter Besuche.
352. Der erkennende Senat hält eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG für nicht geboten.
36Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) hat ein Gericht, das ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, das Verfahren auszusetzen und unmittelbar die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BFH besteht diese Vorlagepflicht jedoch nur dann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserhebliche Gesetzesvorschrift überzeugt ist; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift vermögen das Gericht dagegen nicht von der Pflicht zur Anwendung des Gesetzes zu entbinden (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. März 1952, 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51, BVerfGE 1, 184, 188 f.; BVerfG-Beschluss vom 6. April 1989, 2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, 65; BFH-Urteil vom 22. Juli 1997, VI R 121/90, BStBl II 1997, 692).
37Im Streitfall ist der erkennende Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG (in der im Streitjahr 2018 geltenden Fassung) überzeugt.
38Das Kriterium der Haushaltszugehörigkeit, das in mehreren steuerlichen Regelungen enthalten ist, wurde bislang von der Rechtsprechung als verfassungskonform angesehen (siehe näher Gerichtsbescheid des Thüringer Finanzgerichts vom 1. Februar 2022, 3 K 210/21, EFG 2022, 1190, Rn. 47 ff. der abgedruckten Entscheidungsgründe mit diversen Rechtsprechungsnachweisen; Revision anhängig unter BFH III R 9/22). Die letzte verfassungsgerichtliche Entscheidung ist zu einer Vorgängerregelung – § 32c EStG a.F. – ergangen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1992, 1 BvR 626/89, HFR 1993, 129). Das BVerfG hat das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit dort nicht beanstandet. Es führte aus, dass es sich um eine Zuordnungsregelung handele, die darauf abstelle, wann typischerweise Kinder von alleinstehenden Eltern diesen erhöhte Betreuungskosten abverlangen würden. Nur wenn ein Kind zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehöre, stelle sich grundsätzlich die Frage, ob der Steuerpflichtige die sich aus seiner elterlichen Stellung ergebenden Pflichten der Betreuung selbst erfülle oder ob er sich zur Erfüllung dieser familienrechtlichen Pflicht einer anderen Person bediene.
39Auch unter Berücksichtigung der gesetzessystematisch geänderten Zuordnung der Kinderbetreuungskosten zu den Sonderausgaben (bspw. anstelle eines früheren Abzugs „wie Werbungskosten/Betriebsausgaben“, vgl. die Vorgängerregelung in § 9c EStG a.F. bis zum Veranlagungszeitraum 2011) ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der aktuellen Regelung überzeugt. Der Steuergesetzgeber besitzt nach ständiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung insbesondere bei Regelungen, die der Vereinfachung dienen, einen weiten Gestaltungsspielraum. Dies hat der BFH (vgl. Urteil vom 5. Juli 2012, III R 80/09, BStBl II 2012, 816; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. Nichtannahmebeschluss vom 7. Mai 2014, 2 BvR 2454/12, Juris) auch in einer Entscheidung zu Vorgängerregelungen in §§ 4f, 9 Abs. 5 EStG sowie § 10 Abs. 1 Nr. 5, 8 EStG betont. Vor diesem Hintergrund erscheint es unter Beachtung der verfassungsrechtlichen maßgeblichen Vorgaben vertretbar, dass der Gesetzgeber typisierend auf die (grundsätzlich nur bei einem Elternteil gegebene) Haushaltszugehörigkeit abstellt. Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Thüringer FG (vom 1. Februar 2022, 3 K 210/21, EFG 2022, 1190; Revision anhängig BFH III R 9/22) verwiesen.
40Soweit der Kläger auf „zivilrechtliche Rechtsprechung“ abstellt und hierbei wohl insbesondere einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. Oktober 2017 (XII ZB 55/17, NJW 2017, 3786) im Blick hat, vermag der Senat dessen steuerliche Relevanz im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab für die „Haushaltszugehörigkeit“ nicht zu erkennen. Der BGH hat in den durch die Berufstätigkeit eines Elternteils bedingten Betreuungskosten keinen „Mehrbedarf des Kindes“, sondern Aufwendungen der „allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist“, gesehen. Die entsprechenden Betreuungskosten können laut BGH „mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden“ (Rn. 18 der in Juris abgedruckten Entscheidungsgründe). Dem Senat erschließt sich nicht, inwiefern diese zivilrechtliche Betrachtung dem Kriterium der Haushaltszugehörigkeit verfassungsrechtlich entgegenstehen soll.
41Auf die Frage, ob die Beschränkung der Höhe nach verfassungsgemäß ist, kommt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht an.
42II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
43III. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren beim BFH unter dem Aktenzeichen III R 9/22 zugelassen.