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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über den Ansatz von unentgeltlichen Wertabgaben aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage in den Streitjahren 2014 bis 2016.
3In seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2013 vom 24.03.2018 machte der Kläger die Vorsteuer aus der Anschaffung einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) in Höhe von 2.978,97 € (100%) geltend. Die Photovoltaikanlage befindet sich auf dem Dach des im Alleineigentum des Klägers stehenden Wohnhauses (Zweifamilienhaus) L-Strasse in C. Die Anlage hat eine Leistung von 9,69 kWp, Vertragspartner des Klägers ist die Y GmbH. Seit einem Krankenhausaufenthalt des Klägers im September 2013 wurde das Zweifamilienhaus in den Streitjahren 2014-2016 nicht mehr vom Kläger, sondern nur noch von der vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau sowie der Tochter des Klägers bewohnt.
4In den Umsatzsteuerbescheiden 2014 bis 2016 jeweils vom 30.05.2018 setzte der Beklagte unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG wie folgt fest:
52014: netto 543,25 €
62015: netto 698,43 €
72016: netto 443,30 €
8Gegen die Umsatzsteuerbescheide 2014 bis 2016 legte der Kläger Einsprüche ein. Er trug vor, dass der Ansatz eines Eigenverbrauchs in den Streitjahren nicht gerechtfertigt sei, da der Verbrauch nicht durch ihn, sondern durch Dritte erfolgt sei.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2019 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Mit der Geltendmachung der gesamten Vorsteuer aus der Anschaffung der PV-Anlage habe der Kläger diese zu 100% dem Unternehmensvermögen zugeordnet, zum Ausgleich sei der Eigenverbrauch als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Eigenverbrauch bedeute nicht, dass der Kläger den Strom selbst verbraucht haben müsse, sondern maßgeblich sei die unentgeltliche Nutzung durch seine Noch-Ehefrau und seine Tochter. Da der Kläger Eigentümer der Anlage sei, sei der Eigenverbrauch steuerrechtlich ihm zuzurechnen, auch wenn er sich nicht in dem Haus aufgehalten habe. Da der Kläger selbst Adressat der Rechnungen über die Anschaffung der PV-Anlage sowie der Gutschriften der Y GmbH sei, bestünden keine Zweifel daran, dass er selbst Vertragspartner der Y GmbH sei.
10Mit seiner am 23.08.2019 beim Finanzgericht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren gerichtlich weiter. Er trägt vor, er habe nach einem Herzinfarkt im September 2013 und anschließender Reha nicht mehr in dem Haus L-Strasse in C gewohnt. Nachdem er im Januar 2014 gegenüber seiner Ehefrau die Scheidungsabsicht erklärt habe, sei ihm der Zutritt zu seinem Haus durch Austausch der Schlösser verwehrt worden. Zum Beweis beruft er sich auf das Urteil des Amtsgerichts D vom 15.02.2017, Aktenzeichen xxx (Bl. 35 ff. der Gerichtsakte). Er habe dann auf Anraten seines Rechtsbeistandes seine Verträge zum Bezug vom Strom, Gas und Frischwasser bei den entsprechenden Versorgungsunternehmen S und H gekündigt, die Kündigungen seien bestätig worden. Das Ablesen der Strom-, Gas- und Wasserzählerstände habe er Anfang Mai 2014 nur in polizeilicher Begleitung vornehmen können. Der von der Photovoltaik-Anlage erzeugte, aber nicht in das allgemeine Stromnetz eingespeiste Strom sei auf jeden Fall nicht bei ihm angekommen und verbraucht worden, so dass kein Eigenverbrauch vorliege. Eigenverbrauch erfordere zum einen eine aktive Betätigung des Unternehmers und zum anderen den Übergang eines Vermögenswertes vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen des Unternehmers. Beide Merkmale lägen nicht vor. Eine aktive Betätigung liege nicht vor, es habe de facto nicht einmal die Möglichkeit einer Änderung des Zustandes bestanden. Auch eine Übertragung in das Privatvermögen des Klägers habe nicht stattgefunden. Auch bei einem Diebstahl unterstelle das Finanzamt keinen Eigenverbrauch. Eine vergleichbare Situation liege im Streitfall vor, denn seiner Ehefrau sei die Tatsache des Eigenverbrauches bekannt gewesen, gleichwohl habe sie durch eine widerrechtliche Besetzung des ganzen Hauses bewusst Vorteile aus der Photovoltaikanlage gezogen, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. Es fehle im Streitfall am Entnahmewillen. Der Verbrauch sei vielmehr gegen seinen Willen erfolgt, er sei weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage gewesen, den Verbrauch zu verhindern. Selbst wenn er seiner Ehefrau eine entsprechende Rechnung für den Stromverbrauch schreiben würde, sehe er keine Chance auf Durchsetzung der entsprechenden Forderung. Insoweit liege ein Fall des § 17 UStG vor.
11Der Kläger beantragt,
12die Steuerzahllast wie folgt zu mindern:
13für 2014 um 543,25 € x 19% = 103,22 €
14für 2015 um 698,43 € x 19% = 132,70 €
15für 2016 um 443,30 € x 19% = 84,23 €
16Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
19Mit Beschluss vom 30.09.2019 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Bl. 13 der Gerichtsakte).
20In der Sache hat am 04.11.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage hat keinen Erfolg.
23Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2014 bis 2016 jeweils vom 30.05.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2019 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
24Der Beklagte hat dem Grunde und der Höhe nach zu Recht die streitigen Umsätze in Form der unentgeltlichen Wertabgaben festgesetzt.
251. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
26a) Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird gem. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Unionsrechtlich beruht die Vorschrift auf Art. 16 Abs. 1 MwStSystRL wonach einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
27Die Entnahme ist eine tatsächliche vom Willen des Unternehmers gesteuerte, nicht auf eine Gegenleistung abzielende Leistung des Unternehmers zu unternehmensfremden Zwecken (BFH, Urt. vom 03.11.1983 – V R 4/73, BStBl. II 1984, 169; BFH, Urt. vom 18.01.2012 – XI R 13/10, BFH/NV 2012, 1012; Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 329). Eine Verwendung für unternehmensfremde Zwecke kann dabei auch in der unentgeltlichen Überlassung an Dritte bestehen (Ruffer, in: Leingärtner, 36. Erg.-Lfg. 2019, Kap. 65 Rdn. 92).
28Im Streitfall ist ohne Gegenleistung eine Leistung für unternehmensfremde Zwecke erbracht worden, denn der Eigenverbrauch erfolgte unentgeltlich und für private Zwecke nämlich für die Nutzung im privaten Haushalt der Ehefrau und der Tochter. Der Kläger hat für die erbrachten Leistungen kein Entgelt in Rechnung gestellt bzw. verlangt. Die Leistung war auch vom Willen des Klägers gesteuert, denn der Kläger hat die PV-Anlage in seinem Haus eingebaut bzw. einbauen lassen und in Betrieb genommen, und damit den Eigenverbrauch ermöglicht.
29Zwar begründet der Diebstahl oder Untergang von Ware oder sonstigen dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen mangels willentlicher Wertabgabe keine Entnahme (Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 331; Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rdn. 1495).
30Im Streitfall ist die PV-Anlage als der dem Unternehmensvermögen zugeordnete Gegenstand jedoch weder gestohlen worden noch untergegangen. Auch die Abgabe des Stroms, und damit die nichtunternehmerische Nutzung der PV-Anlage, ist willentlich erfolgt. Der Kläger hat die für den Eigenverbrauch ausgerüstete und eingestellte PV-Anlage im Jahr 2013 ursprünglich willentlich in Betrieb genommen. Soweit der Kläger vorträgt, dass die weitere/spätere Nutzung in den Streitjahren 2014 und 2016 gegen seinen Willen erfolgt sei, so ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Der Kläger hätte insbesondere die Anlage vom Eigenverbrauch auf eine vollständige Einspeisung des gewonnenen Stroms in das Netz umstellen lassen können. Dies hätte er notfalls mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen können und müssen.
31Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung insoweit lediglich dargelegt, dass ihm diese Möglichkeit zur vollständigen Einspeisung des Stroms in das Netz nicht bekannt gewesen sei.
32Bereits die Duldung der unentgeltlichen Nutzung eines dem Unternehmensvermögen zuzurechnenden Gegenstandes durch Dritte zu unternehmensfremden Zwecken reicht jedoch nach Auffassung des Einzelrichters aus, um von einer willensgesteuerten Handlung auszugehen.
33b) Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass ein Fall des § 17 UStG vorliege, weil er keine Chance auf Einbringlichkeit der etwaigen Forderung gegenüber seiner Ehefrau sehe, so folgt der Einzelrichter dem nicht.
34Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass er mit seiner Ehefrau ein Entgelt für die Lieferung des Stroms vereinbart hat. Auch hat er keine Rechnung gestellt. Vor diesem Hintergrund geht der Einzelrichter –wie unter Ziff. 1 a) dargelegt – von einer unentgeltlichen Leistung aus.
35Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn sich ein solcher Anspruch des Klägers auf Entgeltzahlung für die Stromlieferung aus ungerechtfertigter Bereicherung ergäbe, so läge – statt einer unentgeltlichen Wertabgabe gem. § 3 Abs. 1a UStG – eine steuerbare Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG in gleicher Höhe vor.
36Der Kläger hat jedoch nicht nachgewiesen, dass das Entgelt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich geworden ist.
37Forderungen sind uneinbringlich, wenn sie der Schuldner (Leistungsempfänger) nicht erfüllt und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Gläubiger (leistender Unternehmer) die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (BFH, Beschluss vom 04.06.2007 - V B 76/06, BFH/NV 2007, 2151; Korn, in: Bunjes, UStG, § 17 Rdn. 61).
38Der Kläger hat jedoch bislang weder eine Rechnung an seine Ehefrau gestellt geschweige denn versucht, die Zahlung (notfalls gerichtlich) durchzusetzen. Der bloße Umstand, dass die Ehefrau derzeit für ihre Geschäftsführertätigkeit in der Bäckerei ihres Vaters lediglich einen Arbeitslohn in Höhe von 1.150,24 € ausgezahlt erhält, reicht insoweit nicht als Nachweis für die Uneinbringlichkeit der Forderung aus.
392. Auch der Höhe nach hat der Beklagte die unentgeltlichen Wertabgaben rechtmäßig festgesetzt.
40Betreiber von Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung bis 10 kW sind nach dem EEG nicht verpflichtet, die insgesamt erzeugte Strommenge nachzuweisen. Aus Vereinfachungsgründen kann die erzeugte Strommenge in diesen Fällen nach Auffassung des BMF, die der Einzelrichter für sachgerecht hält, unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Volllaststundenzahl von 1.000 kWh/kWp (jährlich erzeugte Kilowattstunden pro Kilowatt installierter Leistung) geschätzt werden. Hiervon ist der eingespeiste Strom abzuziehen und die Differenz ist gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG mit dem fiktiven Einkaufspreis zu multiplizieren (BMF, Schreiben vom 19.09.2014, BStBl. I 2014, 1287 Ziff. II.4.).
41Der Beklagte hat die vorgenannten Grundsätze im Streitfall angewendet. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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