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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2019 (Streitjahre) hinsichtlich der Höhe der Absetzung für Abnutzung (AfA) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV).
2In den Streitjahren erzielte die Klägerin Einkünfte aus VuV aus den Grundstücken O in D, Grundstücksgröße ca. 467qm, bebaut mit einem Zweifamilienhaus und Garagen, Baujahr 1900, Wohnfläche ca. 87qm, und W in D, Grundstücksgröße ca. 733qm, bebaut mit einem Mehrfamilienhaus und Garagen, Baujahr 1936, Wohnfläche ca. 300qm. Beiden Objekte sind vermietet, hieraus erzielte die Klägerin in den Streitjahren Einkünfte aus VuV.
3Die Klägerin erwarb das Eigentum an den streitgegenständlichen Grundstücken von ihren Eltern aufgrund des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 08.12.2016 zum 31.12.2016. Ausweislich dessen § 3 ergab sich folgende „Kaufpreise“ für beide Objekte: Hinsichtlich des Objekts W vereinbarten die Vertragsparteien einen Verkehrswert bzw. Kaufpreis i.H.v. 519.000€, die Klägerin übernahm die in Abteilung III des Grundbuches eingetragenen Belastungen i.H.v. 133.119,89€, über den verbleibenden Restkaufpreis i.H.v. 385.880,11€ gewährte der Verkäufer (die Eltern der Klägerin) dem Käufer (der Klägerin) eine Schenkung, die dieser annahm. Hinsichtlich des Objekts O vereinbarten die Vertragsparteien einen Verkehrswert bzw. Kaufpreis i.H.v. 143.000€, der Verkäufer (die Mutter der Klägerin) gewährte dem Käufer (der Klägerin) eine Schenkung, die dieser annahm; Grundpfandrechte valutierten nicht mehr. Für weitere Einzelheiten wird auf den notariellen Grundstückskaufvertrag vom 08.12.2016 Bezug genommen.
4Die Erwerbsnebenkosten betrugen 5.098€ (Eintragung in das Grundbuch 2.054€; Notarkosten 3.044€); davon entfielen gerundet 3.996€ auf das Objekt W und 1.102€ auf das Objekt O. Der Bodenwert des Grundstücks W betrug 118.209€, der des Grundstücks O 62.944€.
5Vor der Übertragung der streitgegenständlichen Grundstücke erzielten die Eltern der Klägerin aus diesen Einkünfte aus VuV, wobei hinsichtlich der AfA folgende Werte der Besteuerung zugrunde gelegt wurden: Hinsichtlich des Objekts W begann die AfA am 01.03.1994, die Bemessungsgrundlage betrug 760.231DM bzw. 388.700€, der AfA-Satz 2%, die jährliche AfA 7.774€ und der Restwert der Rechtsvorgänger 211.192€. Hinsichtlich des Objekts O begann die AfA am 31.12.1982, die Bemessungsgrundlage betrug 23.880DM bzw. 12.210€, der AfA-Satz 2,5%, die jährliche AfA 306€ und der Restwert der Rechtsvorgänger 1.515€.
6In der Einkommensteuererklärung 2016 vom 26.03.2018 macht die Klägerin AfA auf Grundlage eines voll entgeltlichen Erwerbs der streitgegenständlichen Grundstücke geltend (W i.H.v. 703€; O i.H.v. 168€).
7Mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom 19.07.2018 berücksichtigte der Beklagte die Einkünfte aus VuV erklärungsgemäß; die Steuerfestsetzung war gemäß § 165 Abs.1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus VuV. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 13.08.2018 Einspruch ein wegen hier nicht streitiger Punkte (Berücksichtigung von Zahlungen an die Versorgungswerke sowie Ermittlung der Reisekosten); daraufhin erließ der Beklagte am 31.08.2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2016; die Steuerfestsetzung war weiterhin gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus VuV.
8Auch in den Einkommensteuererklärungen 2017 vom 28.12.2020, 2018 vom 29.12.2020; und 2019 vom 31.12.2020 machte die Klägerin bei den Einkünften aus VuV AfA auf Grundlage eines voll entgeltlichen Erwerbs geltend (W i.H.v. 9.126€; O i.H.v. 2.018€). Für weitere Einzelheiten der Berechnung der AfA wird auf die von der Klägerin erstellte Ermittlung der Abschreibungen Grundstück W und O Bezug genommen.
9Im Zusammenhang mit den Einkommensteuerveranlagungen 2017 bis 2019 entstand zwischen den Beteiligten Streit über die Höhe der AfA bei den Einkünften aus VuV. Der Beklagte ging von einem unentgeltlichen (O) bzw. teilentgeltlichen (W) Erwerb der Grundstücke aus und stellte in diesem Zusammenhang auf § 42 AO ab.
10Am 09.03.2022 erließ der Beklagte (erstmals) Einkommensteuerbescheide 2017 bis 2019 und, gestützt auf § 165 Abs. 2 AO, einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2016; dabei ging er hinsichtlich der AfA bei den Einkünften aus VuV von einem unentgeltlichen (O) bzw. teilentgeltlichen (W) Erwerb der streitgegenständlichen Grundstücke aus und wendete hinsichtlich des unentgeltlichen Teil § 11d Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) an (für 2016: W i.H.v. 655€; O i.H.v. 26€; für 2017 bis 2019: W i.H.v. 7.851€; O i.H.v. 306). Für weitere Einzelheiten der Berechnung der AfA wird auf die Anlage zu den Steuerbescheiden 2016 bis 2019 Bezug genommen.
11Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 09.04.2022 Einspruch ein im Hinblick auf die Ermittlung der AfA. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Erwerb der streitgegenständlichen Grundstücke sei voll entgeltlich erfolgt. Ein isolierter Rückgriff auf die ursprünglichen Anschaffungskosten für Zwecke der Ermittlung der AfA stelle eine ungerechtfertigte Benachteiligung dar. Die Grundstücke seien zu den aktuellen Verkehrswerten erworben worden. Anschließend sei ihr von den Verkäufern der Kaufpreis im Rahmen einer Schenkung erlassen worden. Es liege kein Fall des § 42 AO vor, da keine missbräuchliche Gestaltung gegeben sei. Ursächlich für diese Gestaltung der Transaktion seien wirtschaftliche Gründe gewesen.
12Mit Schreiben vom 04.05.2022 vertrat der Beklagte die Auffassung, die von der Klägerin und deren Eltern gewählte Gestaltung der Grundstücksübertragung könne nach § 42 AO nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Es liege eine missbräuchliche Gestaltung vor. Das Objekt O sei in Gänze unentgeltlich erworben worden. § 11d EStDV sei anzuwenden. Die jährliche AfA betrag 306€. Das Objekt W sei teilentgeltlich erworben worden. Der entgeltliche Anteil betrage, ausgehend von einem Verkehrswert des Grundstücks i.H.v. 519.000€ und Anschaffungskosten i.H.v. insgesamt 137.115,89€ (133.119,89€ übernommene Belastungen nach dem notariellen Vertrag; 3.996€ Anschaffungsnebenkosten) 25,65%. Die nach § 11d EStDV von der Klägerin fortgeführte, auf den unentgeltlichen Erwerb entfallende jährliche AfA betrage 5.779,97€; die auf den entgeltlichen Erwerb entfallende jährliche AfA betrage 2.117,70€; mithin betrage die jährliche AfA insgesamt 7.898€.
13Am 20.06.2022 erließ der Beklagte, gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, geänderte Einkommensteuerbescheide 2017 bis 2019 und berücksichtigte bei den Einkünften aus VuV des Objekts W nunmehr AfA i.H.v. 7.898€, anstatt bisher i.H.v. 7.851€.
14Mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2022 wies der Beklagte den Einspruch unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 04.05.2022 als unbegründet zurück.
15Die Klägerin hat am 25.07.2022 Klage erhoben.
16Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, die AfA sei auf Grundlage der Verkehrswerte zum 31.12.2016 zu ermitteln. Die streitgegenständlichen Grundstücke seien mit Grundstückskaufvertrag vom 08.12.2016 zu den Verkehrswerten erworben worden. Daran anschließend hätten die Verkäufer ihr eine Schenkung gewährt; im Rahmen eines verkürzten Zahlungsweges hätten die Verkäufer ihr den Kaufpreis erlassen. Durch den Erwerb der Grundstücke liege eine eindeutige wirtschaftliche Belastung und damit ein entgeltlicher Erwerb vor. Hiervon losgelöst sei ihr in einem zweiten Schritt die Kaufpreisforderung erlassen worden. Zum einen sei die Kaufpreisforderung ein anderer Gegenstand als die Grundstücke und zum anderen sei der Erlass der Kaufpreisforderung ein anderes, vom Erwerb gelöstes Rechtsgeschäft. Diese seien nicht gemeinsam zu betrachten. Somit sei § 11 d EStDV nicht anzuwenden, da ein entgeltlicher Erwerb vorliege. Ein entgeltlicher Erwerb erfordere nicht die Zahlung des Kaufpreises. Es sei falsch, die Frage des entgeltlichen Erwerbs an den Zahlungsströmen festzumachen. Die Voraussetzungen des § 42 AO lägen nicht vor. Es läge keine unangemessene, sondern eine klare und transparente Gestaltung vor. Zudem seien außersteuerliche Gründe gegeben in Form eines langfristigen Investments durch Grundbesitz, der Unterstützung gesellschaftlicher Ziele in D und einer durch teilweise Schenkung geringeren finanziellen Belastung.
17Die Klägerin beantragt,
18den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 19.07.2018 in Form der Änderungsbescheide vom 31.08.2018 und 09.03.2022 sowie die Einkommensteuerbescheide 2017 bis 2019 vom 09.03.2022 in Form der Änderungsbescheide vom 20.06.2022 allesamt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.06.2022 nach Maßgabe der Klagebegründung zu ändern.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung im Wesentlichen der Auffassung, die AfA sei zutreffend ermittelt worden.
22Am 04.11.2022 hat ein Erörterungstermin und am 24.03.2023 eine mündliche Verhandlung stattgefunden, auf deren Protokolle Bezug genommen wird.
Die Klage hat keinen Erfolg. Hinsichtlich des Objekts W für die Jahre 2017 bis 2019 sind die Einkommensteuerbescheide 2016 vom 19.07.2018 in Form der Änderungsbescheide vom 31.08.2018 und vom 09.03.2022 sowie die Einkommensteuerbescheide 2017 bis 2019 vom 09.03.2022 in Form der Änderungsbescheide vom 20.06.2022 allesamt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.06.2022 rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung, FGO); insoweit hat der Beklagte die AfA zutreffend ermittelt. Hinsichtlich des Objekts W für das Jahr 2016 und hinsichtlich des Objekts O für die Jahren 2016 bis 2019 ist die Ermittlung der AfA durch den Beklagten zwar unzutreffend und würde zu einer abweichend festzusetzenden Einkommensteuer führen, jedoch steht der Änderung der Einkommensteuerbescheide insoweit die Kleinbetragsverordnung (KBV) entgegen.
24I. Der Beklagte hat die jährliche AfA für das Objekts W i.H.v. 7.898€ zutreffend ermittelt.
251. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG in der Fassung der Streitjahre ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen). Bei Gebäuden, wie im Streitfall, sind abweichend von § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) und b) EStG als AfA die folgenden Beträge bis zur vollen Absetzung abzuziehen: bei Gebäuden, soweit sie die Voraussetzungen der Nummer 1 nicht erfüllen, d.h., wie im Streitfall nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, nach dem 31.12.1924 fertiggestellt worden sind jährlich 2% (Buchstabe a) bzw. vor dem 01.01.1925 fertiggestellt worden sind jährlich 2,5 Prozent (Buchstabe b).
26Bemessungsgrundlage für die AfA sind kraft ausdrücklicher Regelung in § 7 Abs. 1, 4 EStG die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes. Anschaffungskosten sind grds. zweckgerichtete Aufwendungen (vgl. § 255 Abs. 1 Handelsgesetzbuch, HGB), die getätigt werden, um im Wege des abgeleiteten Erwerbs die Verfügungsmacht am Wirtschaftsgut, im Streitfall den Grundstücken bzw. abschreibungsfähigen Gebäuden, zu erhalten und, soweit sie als Einzelkosten der Anschaffung zugeordnet werden können (BFH, Urteil vom 14.02.1996 X R 127/92, juris). Der aus dem Handelsrecht in das Steuerrecht übernommene einheitliche Anschaffungskostenbegriff i.S.v. § 255 Abs. 1 HGB gilt gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte, wie im Streitfall bei den Einkünften aus VuV, (BFH, Urteil vom 19.12.2000 IX R 100/97, juris). Zu den Anschaffungskosten gehören neben dem Anschaffungspreis auch alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts stehen, soweit diese Aufwendungen dem einzelnen Wirtschaftsgut zugeordnet werden können (BFH, Urteil vom 13.09.1994 IX R 104/90, juris). Aufwendungen setzen eine tatsächliche finanzielle bzw. wirtschaftliche Belastung voraus, d. h. den Abfluss von Geld (BFH, Urteil vom 16.07.2015 III R 33/14, juris). Falls ein Steuerpflichtigen keine tatsächlichen Aufwendungen gehabt hat, darf er auch keine AfA geltend machen (BFH, Urteil vom 19.12.2007 IX R 50/06, juris). Unentgeltliche Vorgänge stellen keine Anschaffungskosten dar. Anschaffungskosten liegen nicht vor, wenn der Veräußerer auf die Entrichtung des Entgelts verzichtet hat, eine Geldzahlung wieder an den Berechtigten zurückfließt oder bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages zwischen Angehörigen zugleich die (Rück-)Schenkung des Kaufpreises vereinbart ist (BFH, Urteil vom 22.10.2013 X R 14/11, juris).
27Gemäß § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV (zur Rechtsentwicklung und Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift BFH, Urteil vom 05.06.1973 VIII R 118/70, juris) bemessen sich bei den nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern, wie im Streitfall, die der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, die AfA nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers, im Streitfall den Eltern der Klägerin, und nach dem Prozentsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre.
28Beim teilentgeltlichen Erwerb sind zwei AfA-Bemessungsgrundlagen zu ermitteln, aus denen sich zwei AfA-Reihen ergeben können. Bezogen auf den unentgeltlichen Teil sind die vorgenannten Grundsätze anzuwenden und die AfA anteilig daraus zu bestimmen. Bezogen auf den entgeltlichen Teil hat der Erwerber eigene Anschaffungskosten, deren AfA sich nach den allgemeinen Regeln des § 7 EStG bestimmen.
292. Bei Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben auf den Streitfall ergibt sich Folgendes:
30a. Objekt W
31aa. Das Objekt W ist von der Klägerin im Dezember 2016 teil-entgeltlich angeschafft worden.
32Für den Erwerb des Objekts W hat die Klägerin einen Betrag i.H.v. gerundet 137.116€ aufgewendet. Die Klägerin hat das Eigentum an diesem Objekt aufgrund des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 08.12.2016 zwischen ihr und ihren Eltern zum 31.12.2016 erworben. Ausweislich dessen § 3 haben die Vertragsparteien hinsichtlich des Objekts W einen Verkehrswert bzw. Kaufpreis i.H.v. 519.000€, vereinbart unter dinglicher Übernahme, d.h. finanzieller Belastung, der in Abteilung III des Grundbuches eingetragenen Belastungen i.H.v. 133.119,89€ durch die Klägerin; über den verbleibenden Restkaufpreis i.H.v. 385.880,11€ hat der Verkäufer (die Eltern der Klägerin) dem Käufer (der Klägerin) eine Schenkung gewährt, die diese angenommen hat. Die übernommenen, auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten, im Streitfall i.H.v. gerundet 133.120€, gehören auch zu den Anschaffungskosten (BFH, Beschluss vom 05.07.1990 GrS 6/89, juris). Durch diese Übernahme ist die Klägerin finanziell und wirtschaftlich belastet.
33Zudem sind der Klägerin für den Erwerb des Objekts W Erwerbsnebenkosten (Eintragung in das Grundbuch; Notarkosten) i.H.v. 3.996€ entstanden.
34Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens einer Entgeltlichkeit bzw. dem Vorliegen von Anschaffungskosten auf eine tatsächliche finanzielle Belastung abzustellen; selbst bei getrennter Betrachtung der in dem notariellen Vertrag vereinbarten Rechtsgeschäfte in Form eines Kaufvertrages und einer Schenkung liegt keine höhere Belastung der Klägerin, insbesondere nicht i.H.v. 522.996€ (519.000€ + 3.996€) vor, da diese keine eigenen Mittel aufgewendet hat, um das vorgenannte Objekt zu erwerben. Die Klägerin hat in dieser Höhe keine wirtschaftliche oder finanzielle Belastung erfahren, sondern lediglich in Form der übernommenen dinglichen Belastungen und den Erwerbsnebenkosten.
35Unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des Grundstücks i.H.v. 519.000€ und der unmittelbaren Aufwendungen der Klägerin i.H.v. 133.120€ hat der entgeltliche Anteil 25,65% betragen.
36Auf die Anwendung des § 42 AO kommt es im Streitfall nicht an. Der von den Beteiligten in diesem Zusammenhang thematisierte Problemkreis um die (Un-)Entgeltlichkeit der Übertragung ist bereits im Rahmen des § 7 Abs. 1, 4 EStG zu behandeln.
37bb. Die jährliche AfA für das Objekt W hat für die Streitjahre 7.898€ betragen, die der Beklagte auch in den Einkommensteuerfestsetzungen 2017 bis 2019 zutreffend berücksichtigt hat. Diese AfA ermittelt sich, zusammengesetzt aus einer nach § 11d EStDV fortgeführten AfA i.H.v. 5.780€ und einer eigenen AfA nach § 7 Abs. 1, 4 EStG i.H.v. 2.118€, wie folgt:
38AfA nach § 11d EStDV |
||
Bemessungsgrundlage Rechtsvorgänger |
388.700€ |
|
AfA-Satz |
2% |
|
Unentgeltlich erworbener Anteil |
74,35% |
|
Anteilig (unentgeltlich) übernommene Bemessungsgrundlage |
288.998€ |
|
Anteilig (unentgeltlich) übernommene jährliche AfA |
5.780€ |
Bei der Ermittlung AfA für das Gebäude des Objekts W nach § 7 Abs. 1, 4 EStG ist zu berücksichtigen, dass Anschaffungsnebenkosten i.H.v. 3.996€ zu berücksichtigen sind. Im Rahmen eines teilentgeltlichen Erwerbs, wie im Streitfall, sind die aufgewendeten Anschaffungsnebenkosten in voller Höhe den Anschaffungskosten des Gebäude zuzurechnen; eine Aufteilung auf den unentgeltlichen und entgeltlichen Anteil ist unzulässig (BFH, Urteil vom 10.10.1991 XI R 1/86, juris). Zudem hat der Bodenwert des Grundstücks W 118.209€ betragen.
40AfA nach § 7 Abs. 1, 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) EStG |
||
Anschaffungskosten |
133.120€ |
|
Anschaffungsnebenkosten |
3.996€ |
|
Anschaffungskosten GESAMT |
137.116€ |
|
abzgl. anteiliger entgeltlicher Bodenwert (25,65% von 118.209€) |
30.321€ |
|
abzgl. auf den Bodenwert entfallende Anschaffungsnebenkosten (30.321/133.120€*3.396€) |
910€ |
|
Anteiliger Gebäudewert = AfA-Bemessungsgrundlage |
105.885€ |
|
AfA-Satz |
2% |
|
jährliche AfA |
2.118€ |
cc. Der Umstand, dass der Beklagte bei der Einkommensteuerfestsetzung 2016 hinsichtlich der Einkünfte aus VuV des Objekts W eine anteilige (1/12) AfA i.H.v. 655€ berücksichtigt hat, anstatt 659€ (7.898€/12 Monate) führt nicht zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung. Dem steht § 156 AO i.V.m. § 1 Abs. 2 KBV entgegen. Bei Berücksichtigung der vorstehenden AfA würde die Einkommensteuer 2016 um 2€ niedriger ausfallen.
42Nach § 156 AO kann das Bundesministerium der Finanzen zur Vereinfachung der Verwaltung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Steuern oder steuerliche Nebenleistungen nicht festgesetzt werden, wenn der Betrag, der festzusetzen ist, einen durch diese Rechtsverordnung zu bestimmenden Betrag voraussichtlich nicht übersteigt; der zu bestimmende Betrag darf 10€ nicht überschreiten. Nach der in Ausfüllung dieser Verordnungsbefugnis erlassenen KBV werden Festsetzungen der Einkommensteuer, wie im Streitfall, nur geändert, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung bei einer Änderung oder Berichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen mindestens 10€ beträgt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KBV). Steuerfestsetzungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KBV sind, unabhängig von ihrer Unanfechtbarkeit, auch rechtswidrige Steuerfestsetzungen. Die Ermächtigung nach § 156 AO stellt kein zusätzliches Rechtmäßigkeitserfordernis für eine Steuerfestsetzung auf, sondern toleriert materiell unrichtige Steuerfestsetzungen mit Blick auf den geringen Umfang der Unrichtigkeit, um Verwaltungsaufwand zu sparen (vgl. BR-Drucks 192/00, S. 106). § 1 KBV ist auch im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zu beachten (BFH, Beschluss vom 03.06.2013 V B 4/13, juris; Urteil vom 16.02.2011 X R 21/10, juris); auch das Finanzgericht ist an die Beschränkungen nach § 1 Abs. 2 KBV gebunden, wenn das Finanzamt auf Grundlage dieser Bestimmung die Änderung einer Steuerfestsetzung abgelehnt hat. Ist danach § 1 Abs. 2 KBV auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachten, gilt dies auch dann, wenn sich die Frage nach einer Anwendung dieser Vorschrift erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren stellt (BFH, Beschluss vom 03.06.2013 V B 4/13, juris; FG Münster, Urteil vom 19.10.2017, 6 K 1358/16 E, juris).
43b. Objekt O
44aa. Das Objekt O ist von der Klägerin im Dezember 2016 teil-entgeltlich angeschafft worden; die Klägerin hatte ausschließlich Anschaffungsnebenkosten; einen Kaufpreis für das Objekt hat die Klägerin nicht tatsächlich aufgewendet.
45Für den Erwerb des Objekts O hat die Klägerin einen Betrag i.H.v. gerundet 1.102€ aufgewendet Aus dem notariellen Grundstückskaufvertrages vom 08.12.2016 zwischen ihr und ihren Eltern folgt keine finanzielle bzw. wirtschaftliche Belastung der Klägerin. Die Klägerin hat das Eigentum an diesem Objekt aufgrund dieses Vertrages zum 31.12.2016 erworben. Ausweislich dessen § 3 haben die Vertragsparteien zwar hinsichtlich des Objekts O einen Verkehrswert bzw. Kaufpreis i.H.v. 143.000€ vereinbart, jedoch hat der Verkäufer (die Mutter der Klägerin) dem Käufer (der Klägerin) eine Schenkung in dieser Höhe gewährt; Grundpfandrechte haben nicht mehr valutierten.
46Im Zusammenhang mit diesem Erwerb hat die Klägerin Anschaffungsnebenkosten i.H.v. 1.102€ (Eintragung in das Grundbuch; Notarkosten) gehabt. Diese Anschaffungsnebenkosten i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB sind (auch alleine) im Wege der AfA abziehbar, wenn sie der Überführung der bebauten Grundstücke von der fremden in die eigene Verfügungsmacht und damit der alleinigen Verwirklichung des Tatbestands der Einkunftserzielung dienen (BFH, Urteil vom 09.07.2013 IX R 43/11, juris), wie im Streitfall für die Übertragung des für die Erzielung von Einkünften aus VuV genutzten Objekts O von den Eltern der Klägerin auf diese.
47Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens einer Entgeltlichkeit bzw. dem Vorliegen von Anschaffungskosten auf eine tatsächliche finanzielle Belastung abzustellen; selbst bei getrennter Betrachtung der in dem notariellen Vertrag vereinbarten Rechtsgeschäfte in Form eines Kaufvertrages und einer Schenkung liegt keine höhere Belastung der Klägerin, insbesondere nicht i.H.v. 143.000€ vor, da diese keine eigenen Mittel aufgewendet hat, um das vorgenannte Objekt zu erwerben. Die Kläger hat in dieser Höhe keine wirtschaftliche oder finanzielle Belastung erfahren.
48Auf die Anwendung des § 42 AO kommt es nach den vorstehenden Ausführungen im Streitfall nicht an.
49bb. Die jährliche AfA für das Objekt O hat für die Streitjahre 322€ betragen. Diese AfA ermittelt sich, zusammengesetzt aus einer nach § 11d EStDV fortgeführten AfA i.H.v. 306€ und einer eigenen AfA nach § 7 Abs. 1, 4 EStG i.H.v. 16€, wie folgt:
50AfA nach § 11d EStDV |
||
Bemessungsgrundlage Rechtsvorgänger |
12.120€ |
|
AfA-Satz |
2,5% |
|
AfA |
306€ |
|
(unentgeltlich) übernommene jährliche AfA |
306€ |
Bei der Ermittlung AfA für das Gebäude des Objekts O nach § 7 Abs. 1, 4 EStG ist zu berücksichtigen, dass Anschaffungsnebenkosten i.H.v. 1.102€ zu berücksichtigen sind. Im Rahmen eines teilentgeltlichen Erwerbs, wie im Streitfall, sind die aufgewendeten Anschaffungsnebenkosten in voller Höhe den Anschaffungskosten des Gebäudes zuzurechnen; eine Aufteilung auf den unentgeltlichen und entgeltlichen Anteil ist unzulässig (BFH, Urteil vom 10.10.1991 XI R 1/86, juris). Zudem hat der Bodenwert des Grundstücks O 62.944€ betragen; dies entspricht einem Anteil von 44% des gesamten Verkehrswertes des Objekts O i.H.v. 143.000€.
52AfA nach § 7 Abs. 1, 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) EStG |
||
Anschaffungskosten |
0€ |
|
Anschaffungsnebenkosten |
1.102€ |
|
Anschaffungskosten GESAMT |
1.102€ |
|
abzgl. anteiliger Bodenwert (44% von 1.102€) |
486€ |
|
AfA-Satz |
2,5% |
|
jährliche AfA |
16€ |
cc. Der Umstand, dass der Beklagte hinsichtlich der Einkünfte aus VuV des Objekts O bei den Einkommensteuerfestsetzungen 2017 bis 2019 eine jährliche AfA i.H.v. 306€ bzw. für 2016 eine anteilige (1/12) AfA i.H.v. 26€ berücksichtigt hat, anstatt 322€ (2017 bis 2019) bzw. 28€ (16€/12 Monate; 2016) führt nicht zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen. Dem steht § 156 AO i.V.m. § 1 Abs. 2 KBV, die nach den vorstehenden Ausführungen im Streitfall anwendbar sind, entgegen. Bei Berücksichtigung der vorstehenden AfA würde die Einkommensteuer 3€ (2016), 7€ (2017), 6€ (2018) und 6€ (2019) niedriger ausfallen, wobei hinsichtlich des Jahres 2016 bereits die für das Objekt W höhere AfA bereits berücksichtigt worden ist.
54II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
55III. Die Revision war nicht zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.