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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 26.842,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2013 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger erwarb am 16.04.1993/22.04.1993 über die Beklagte Anteile an der G Nr. # (G Fonds #) in Höhe von 50.000,00 DM zuzüglich 5 % Agio. Dabei wurde er nicht darüber aufgeklärt, dass die Beklagte von dem Emittenten eine Provision in Höhe von 10,89 % des Beteiligungsbetrages erhielt.
3Der Fonds wurde im Jahre 2009 liquidiert.
4Am 22.12.2011 beantragte die Klagepartei die Einleitung eines Güteverfahrens bei der staatlich anerkannten Gütestelle G1. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 11.06.2012 mit, dass sie sich an dem Güteverfahren nicht beteiligen werde. Mit Schreiben vom 21.08.2012, den Klägervertretern zugegangen am 23.08.2012, stellte die Gütestelle das Scheitern des Güteverfahrens fest.
5Der Kläger behauptet, er sei vor der Zeichnung der Anlage durch den Mitarbeiter der Beklagten, Herrn M, beraten worden. Dieser habe ihm die Anlage anhand des Prospektes, der ihm jedoch nicht übergeben worden sei, als absolut sichere und gleichzeitig steuersparende Anlage vorgestellt, die auch noch hohe Ausschüttungen erziele.
6Erst durch die Beratung seiner Prozessbevollmächtigten im Jahre 2011 habe er von den Risiken der Anlage, der mangelnden Fungibilität und den der Beklagten zugeflossenen Provisionen erfahren.
7Der Kläger ist der Ansicht, dass durch das eingeleitete Güteverfahren die Verjährung hinsichtlich sämtlicher von ihm gerügter Pflichtverletzungen gehemmt worden sei. Er ist des Weiteren der Ansicht, dass er sich Steuervorteile nicht anzurechnen habe, da auch die bei einer Rückabwicklung erzielte Schadensersatzleistung zu versteuern sei und keine besonders hohen Steuervorteile durch die Anlage erzielt worden seien. Der Kläger behauptet zudem, er habe das investierte Kapital im Falle der Nichtzeichnung alternativ in andere Anlagen gestreut, durch die er einen Zinsgewinn in Höhe von 5,1 % per anno erzielt hätte.
8Der Kläger beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 26.842,82 € nebst jährlichen Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
102. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 26.010,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie behauptet, zwischen ihr und dem Kläger sei kein Beratungsvertrag zustande gekommen. Der Berater M könne sich an eine Beratung des Klägers nicht erinnern. Im Übrigen habe er in den Jahren 1992 und 1993 als Betriebsbeauftragter für Versicherungen und Bausparkassen gearbeitet und in dieser Funktion regelmäßig keinen Kundenverkehr mehr gehabt. Zudem sei der Kläger durch den Prospekt umfassend und zutreffend über sämtliche mit der Klage einhergehenden Risiken aufgeklärt worden. Prospektfehler seien – so die Ansicht der Beklagten – nicht vorhanden.
14Der Kläger, der anlageerfahren gewesen sei, weil er – was unstreitig ist - bereits zuvor in die G Fonds ##, ### und #### investiert hatte, habe im Übrigen um die Risiken der Anlage gewusst. So habe er bei der Zeichnung sämtlicher geschlossener Immobilien-Fonds im Rahmen der Beitrittserklärung schriftlich bestätigt, dass er den jeweiligen Prospekt zur Kenntnis genommen habe. Aufgrund der zuvor gezeichneten Anlage habe der Kläger auch gewusst, dass die Beklagte nicht ausschließlich altruistisch, sondern auch aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen tätig geworden sei. Da der Kläger vor allen Dingen die mit der Anlage zu erzielenden Steuervorteile im Blick gehabt habe, hätte er, so die Behauptung der Beklagten, die Anlage auch gezeichnet, wenn er von den Provisionen gewusst hätte.
15Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und vertritt die Auffassung, dass das eingeleitete Güteverfahren keine hemmende Wirkung entfaltet habe. Der Eintritt der Hemmung hänge davon ab, dass beide Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch bei einer Gütestelle unternommen hätten. Im Übrigen sei der Landesgesetzgeber durch § 15 a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO lediglich ermächtigt, zu bestimmen, dass die Erhebung einer Klage erst zulässig sei, nachdem von einer von der Landesjustizverwaltung eingerichteten anerkannten Gütestelle eine Einigung gesucht worden sei. Dabei dürfe in vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Streitgegenstand 750,00 € nicht überschreiten. Folglich existiere keine gesetzliche Regelung, die den Landesgesetzgeber ermächtige, abweichend von § 15 a EGZPO allein durch Einreichung eines Güteantrages in beliebiger Höhe bei einer staatlich eingerichteten oder anerkannten Gütestelle eine Verjährungshemmung herbeizuführen. Zudem genüge die Antragsschrift der Klägerseite nicht den Verfahrensvorschriften der Gütestelle G1. Aufgrund dessen könne sie ebenfalls keine hemmende Wirkung entfalten.
16Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf den Güteantrag der Klägerseite vom 23.12.2011, Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die zulässige Klage hat in der Sache im Hinblick auf die Hauptforderung Erfolg.
19Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Beteiligungsbetrages nebst Agio aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem abgeschlossenen Beratungsvertrag.
20I.
21Zwischen den Parteien ist ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Der Kläger hat insoweit dargelegt, dass er vor der Zeichnung der streitgegenständlichen Anlage durch Herrn M im Hinblick auf die Vorteile der Anlage beraten worden sei. Dem ist die Beklagte bereits nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat sich insoweit lediglich dahin eingelassen, dass Herr M sich an eine Beratung des Klägers nicht mehr erinnern könne. Der Vortrag, dass sich eine als Zeuge benannte Person nicht mehr an einen bestimmten Hergang erinnern kann, stellt jedoch kein wirksames Bestreiten der von dem Kläger behaupteten Tatsachen dar. Auch der Vortrag der Beklagten, dass Herr M im Jahre 1993 „regelmäßig“ keinen Kundenkontakt mehr gehabt habe, stellt kein substantiiertes Bestreiten des klägerischen Tatsachenvortrages dar. Aus dem Wort "regelmäßig" ist bereits abzuleiten, dass gerade nicht ausgeschlossen ist, dass Herr M (unregelmäßig) weiter Kunden der Sparkasse beraten hat. Dass die Beklagte und kein Dritter den Zeichnungsschein bei der Emittentin eingereicht hat, ergibt sich bereits aus dem Zusatz oben rechts auf dem Zeichnungsschein, der ausdrücklich die Beklagte als Einreicher benennt.
22II.
23Die Beklagte hat die aus dem Anlageberatungsbetrag obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt. Sie hat den Kläger unstreitig nicht über die von ihr bezogenen Provisionen aufgeklärt. Dabei handelte es sich im Hinblick auf das Agio, das ausweislich des Prospektes für die Vertriebskosten der Anlage aufgewandt wurde, auch um eine aufklärungspflichtige Rückvergütung. Insoweit kann dahinstehen, ob dem Kläger der Prospekt (rechtzeitig) übergeben wurde oder nicht (was die Beklagte wiederum selbst nicht substantiiert behauptet hat, zumal das Überreichen des Prospektes am Tage der Zeichnung nicht ausreichend sein dürfte, um eine rechtzeitige Aufklärung durch den Prospekt annehmen zu können). Im Rahmen des Prospektes ist die Beklagte als Empfängerin von Provisionen oder Rückvergütungen nämlich nicht genannt. Eine mündliche Aufklärung durch Herrn M ist unstreitig nicht erfolgt.
24Entgegen der Auffassung der Beklagten kann von einer Kenntnis des Klägers von den von der Beklagten gezogenen Rückvergütungen auch nicht aufgrund der Tatsache ausgegangen werden, dass der Kläger bereits zuvor drei geschlossene Immobilien-Fonds von der G-Gruppe gezeichnet hatte. So hat die Beklagte selbst nicht substantiiert vorgetragen, dass im Rahmen der vorhergehenden Zeichnungen eine ausreichende Aufklärung über die von ihr gezogenen Rückvergütungen erfolgt sei. Da gerichtsbekannt auch die Prospekte der übrigen geschlossenen Immobilien-Fonds der G-Gruppe lediglich auf den Vertriebspartner des Emittenten, nicht jedoch auf die jeweils beratenden Banken und Sparkassen namensmäßig eingehen, kann selbst bei der Übergabe von Prospekten bei den vorherigen Anlageberatungen nicht von einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch diese Prospekte im Hinblick auf die Vertriebsrückvergütung ausgegangen werden.
25Für den Kläger streitet vorliegend die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Hätte die Beklagte ihn ordnungsgemäß über die gezogene Vergütung aufgeklärt, hätte der Kläger nach dieser Vermutung die Anlage nicht gezeichnet und damit den mit dem Klageantrag zu 1.) geltend gemachten Betrag in Höhe von 26.842,82 € nicht investiert.
26Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stellt zwar eine widerlegliche Vermutung dar. Vorliegend ist es der Beklagten jedoch nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Die Tatsache, dass die streitgegenständliche Beteiligung auch zum Zwecke der Steuervorteile gezeichnet worden sein mag, widerlegt diese Vermutung jedenfalls nicht. Dass der Kläger auch die Anlage in jedem Fall gezeichnet hätte, weil es ihm gerade auf die Zeichnung dieses Fonds angekommen sei, hat die Beklagte weder dargelegt, noch unter Beweis gestellt. Insbesondere hat die Beklagte nicht den Kläger selbst als Beweismittel für ihre Behauptung, der Kläger hätte in jedem Fall gezeichnet, benannt.
27III.
28Die Beklagte ist dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Verpflichtung steht nicht die Einrede der Verjährung entgegen. Eine kenntnisabhängige Verjährung ist seitens der Beklagten bereits nicht behauptet. Dem Kläger konnte sich anhand der ihm zur Verfügung gestellten schriftlichen Unterlagen nicht erschließen, dass und in welcher Höhe die Beklagte für die Vermittlung der Anlage Provisionen erhielt.
29Auch eine kenntnisunabhängige absolute Verjährung ist nicht eingetreten. Diese wurde durch das vorgerichtlich eingeleitete Güteverfahren wirksam gehemmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hemmt die Einleitung eines Güteverfahrens vor einer anerkannten Gütestelle auch die Verjährung von Ansprüchen, die betragsmäßig über 750,00 € liegen. Insoweit hat der Bundesgesetzgeber durch § 204 ZPO ausdrücklich bestimmt, dass es allein auf das Einreichen eines Güteantrages bei einer anerkannten Gütestelle ankommt. Völlig unabhängig davon ist die Tatsache, dass bestimmte Länder die Zulässigkeit von bestimmten Klageerhebungen von der vorherigen Durchführung eines Güteverfahrens vor eben diesen Güte- und Schlichtungsstellen abhängig gemacht haben.
30Vorliegend kann auch dahinstehen, ob dem Güteantrag eine schriftliche Vollmacht der Prozessbevollmächtigten des Klägers beilag. Ob das Güteverfahren entsprechend den Anforderungen der Gütestelle durchgeführt wurde, obliegt der Prüfung der Gütestelle. Diese hat den Antrag bei Einleitung eines Verfahrens als ausreichend angesehen und ihn der Beklagten weitergeleitet. Sodann hat die Gütestelle das Scheitern des Verfahrens festgestellt. Die Einleitung eines Güteverfahrens sowie das Scheitern dieses Verfahrens sind gemäß § 204 ZPO im Hinblick auf die Frage des Verjährungslaufes relevant.
31Zudem bezog sich der Güteantrag der Klägerseite auch auf die Rüge der unterlassenen Aufklärung über Rückvergütungen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Verjährung im Hinblick auf weitere, im Güteantrag nicht ausdrücklich genannte Beratungspflicht-Verletzungen durch den Antrag gehemmt wurde. Für die hier relevante Pflichtverletzung ist eine Verjährungshemmung durch ausdrückliche Bezeichnung der Pflichtverletzung jedenfalls eingetreten.
32IV.
33Der Kläger hat aufgrund dessen Anspruch auf Ersatz seines Schadens (negatives Interesse). Hierzu zählt der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Zechnungsbetrag nebst Agio.
34Der Kläger hat sich die gezogenen Steuervorteile nicht schadensmindernd anrechnen zu lassen. Vorliegend wurden ausweislich des Prospektes diese Steuervorteile als Werbungskosten bei negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung generiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des Bundesgerichtshofes sind Erstattungsbeträge, die Werbungskosten ersetzen, im Jahre ihres Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden sind (§ 11 Absatz 1 Satz 1 Einkommenssteuergesetz). Hier stellt damit die Schadensersatzleistung eine Einkunft aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz dar. Auch die Anschaffungskosten einer Immobilie der Sache nach Werbungskosten, die nur nicht im Zeitpunkt ihres Abflusses angesetzt werden können, sondern ratierlich als Absetzungen für Abnutzung. Falls sie als solche steuerlich berücksichtigt worden sind, der Anleger also entsprechende Steuervorteile erlangt hat, ist die Schadensersatzleistung der Einkunftsart, bei der diese Werbungskosten geltend gemacht worden sind, hier also bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, zu versteuern.
35Die Beklagte ist der Behauptung des Klägers, dass es sich bei den von ihm gerierten steuervorteilen solche als absetzungsfähige Werbungskosten handelte, nicht entgegen getreten.
36Insoweit kommt eine Anrechnung von Steuervorteilen nur dann in Betracht, wenn davon auszugehen wäre, dass ein ungewöhnlich hoher Steuervorteil bei dem Kläger trotz Versteuerung der Schadensersatzleistung verbliebe. Hierfür sind bereits keine Umstände beklagtenseits dargetan.
37Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
38V.
39Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Ersatz eines entgangenen Zinsgewinns. Soweit der Kläger behauptet, er habe im Falle der Nichtanlage das Geld alternativ diversifiziert angelegt und einen Zinssatz in Höhe von 5,1 % per anno über die Gesamt-Laufzeit erzielt, ist dieses Vorbringen bereits unsubstantiiert. Entgegen der Auffassung der Klägerseite entbindet ihn auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht, vorliegend substantiiert darzulegen, in welche alternative Anlageformen er bei Nichtzeichnung der Anlage investiert hätte. Hierzu hat der Kläger keinerlei Angaben gemacht. Im Hinblick darauf, dass er bereits mehrfach geschlossene Immobilien-Fonds gezeichnet hatte, die regelmäßig besonders steuerlich attraktiv waren, hätte es ihm vorliegend oblegen, darzulegen, inwieweit er anderweitig in ebenfalls steuerbegünstigte Anlagen investiert hätte oder warum im hiesigen Fall gerade nicht. Wenn es ihm ausschließlich auf Sicherheit angekommen wäre, hätte es ihm weiter oblegen, die in diesem Rahmen möglichen Anlageformen, für die er sich alternativ entschieden hätte, darzulegen. Eine generelle Vermutung, dass der Kläger alternativ beispielsweise in Bundesanleihen oder ähnliches investiert hätte, existiert nicht.
40VI.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
42Da sich der entgangene Gewinn im Rahmen des Streitwertes nicht auswirkt, ist das diesbezügliche Unterliegen kostenneutral und hat bei der Kostenentscheidung außer Betracht zu bleiben.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
44Streitwert: 26.842,82 €.
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