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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet
T a t b e s t a n d :
2Bei der Klägerin handelt es sich um ein mittelständisches Familienunternehmen der Textilindustrie. Am Standort T betreibt sie Textilveredelung, d.h. sie färbt und beschichtet Textilien und rüstet diese aus, damit sie anschließend bestimmte Eigenschaften aufweisen. Die Produktion ist energieintensiv. Das Unternehmen benötigt viel Erdgas und Strom. Der Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung beträgt fast 10 %.
3Bei der Beklagten handelt es sich um den Stromversorger der Klägerin. Im Rahmen dieser Entscheidung wird durchgängig von der Beklagten gesprochen, auch soweit es um das ursprüngliche Vertragsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin zunächst gleichen Namens geht. Die Beklagte liefert an die Klägerin jährlich rund 3 Mio. Kilowattstunden. Grundlage der Beziehungen der Parteien ist der Stromlieferungsvertrag vom 23./25.08.2010.
4In der zu diesem Vertrag gehörenden Anlage 2 heißt es u.a.:
56. Die genannten Preise sind Nettopreise zuzüglich der auf den Vertragsgegenstand (wie Erzeugung, Fortleitung, Lieferung oder Entnahme elektrischer Energie) entfallenden Steuern, insbesondere der Stromsteuer sowie der Umsatzsteuer in der jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Höhe, die aus § 14 EEG folgenden Belastungen sowie die vom Netzbetreiber erhobenen Umlagebeträge nach dem KWKG 2007.
6Die Beklagte verlangt mit jeder Stromrechnung die Bezahlung der sogenannten EEG-Umlage. Die geltend gemachten Kosten belaufen sich im Kalenderjahr 2012 auf 3,59 Cent/kWh zuzüglich 19 % Umsatzsteuer.
7Im Rahmen der vorliegenden Klage macht die Klägerin exemplarisch die Rückzahlung der EEG-Umlage für den Monat April 2012 geltend. Für diesen Monat hatte sie unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Rückforderbarkeit die von der Beklagten geforderte EEG-Umlage in Höhe von brutto 9.990,31 € gezahlt. Dieser Betrag entspricht der Klageforderung.
8Gestützt auf ein Gutachten von Prof. Dr. N hält die Klägerin mit näherem Vorbringen, auf das Bezug genommen wird, das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) für verfassungswidrig. Insbesondere sieht sie in der sogenannten EEG-Umlage eine mit der Finanzverfassung nicht in Einklang stehende Sonderabgabe.
9Die Klägerin ist der Ansicht, sobald das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des EEG festgestellt habe, entfalle auch die vertragliche Regelung über die Zahlungsverpflichtung der EEG-Umlage. Jedenfalls aber sei insoweit von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.990,31 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2012 zu zahlen.
12Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Beide halten mit näherem Vorbringen auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Regelungen des EEG für verfassungsgemäß.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist unbegründet.
18Ein Rückforderungsanspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 BGB besteht nicht, da ihre Leistung nicht rechtsgrundlos erfolgt ist. Den rechtlichen Grund für die Forderung der Beklagten und damit die Zahlung der Klägerin bildet der zwischen den Parteien bestehende Stromlieferungsvertrag aus August 2010. Nach diesem Vertrag ist die Klägerin verpflichtet, auch die gesondert auszuweisende EEG-Umlage zu zahlen. Die Umlage ist vertragsgemäß berechnet worden, über ihre Höhe besteht zwischen den Parteien kein Streit. Streitig ist allein die Frage, ob die Regelung des EEG mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Diese Entscheidung steht allein dem Bundesverfassungsgericht zu. Das jetzt erkennende Gericht wäre aber zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 Grundgesetz, § 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz verpflichtet gewesen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt gewesen wäre und es auf dessen Gültigkeit für die Entscheidung angekommen wäre. Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 12. Auflage, Artikel 100 Rdnr. 11 m.w.N.). Denn der Rechtsstreit ist vom jeweiligen Richter so zu fördern, dass eine Verzögerung durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Möglichkeit vermieden wird (vgl. BVerfGE 86, 71, 76 f.). Das Gericht muss also bei Ungültigkeit der Norm zu einem anderen Urteil zu kommen haben, als bei deren Gültigkeit (Jarass/Pieroth a.a.O. m.w.N.). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit ist zu beachten, dass es zum einen um die Erfüllung einer bereits in der Vergangenheit entstandenen Forderung und zum anderen um einen Anspruch auf vertraglicher Grundlage geht. Dies führt dazu, dass eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des EEG nicht unmittelbar den Anspruch der Beklagten zerstören könnte. Denn die Weitergabe der EEG-Umlage an den Stromverbraucher ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Insoweit endet die unmittelbare Reichweite des EEG beim Stromversorgungsunternehmen. Die Weitergabe der Umlage erfolgt dann – wie hier geschehen – durch einen privatrechtlichen Vertrag. Eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des EEG würde also nicht von vornherein zwangsläufig auch das Verhältnis zwischen Stromversorger und Endkunden betreffen. Eine eventuelle Verfassungswidrigkeit würde sich vielmehr erst über vertraglichen Einbeziehungsbestimmungen oder sogar erst über den Gedanken des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auswirken können. Für diese Wirkung auf den Vertrag käme es dann entscheidend an, mit welchen Wirkungen das Bundesverfassungsgericht – wenn es zu einer Entscheidung in dieser Richtung käme – die Verfassungswidrigkeit feststellen würde. Unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten Kohlepfennig-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 633/86 vom 11.10.1994) geht die Kammer davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht sich aller Voraussicht nach auf eine Unvereinbarkeitserklärung beschränken und gleichzeitig die vorübergehende Weitergeltung der Vorschriften des EEG anordnen würde. Denn aus Gründen des Gemeinwohls dürfte eine Nichtigerklärung nicht in Betracht kommen, weil ansonsten die Rechtsgrundlage für die Förderung von erneuerbaren Energien komplett wegfallen würde. Hiervon geht auch das von der Klägerin vorgelegte Rechtsgutachten aus. Diese Überlegung bedeutet aber, dass für – wie hier – in der Vergangenheit liegende Forderungen und darauf bezogene Zahlungen weiterhin der Stromlieferungsvertrag mit seiner Bezugnahme auf das EEG die Rechtsgrundlage bilden würde. Auf die Frage einer eventuellen Verfassungswidrigkeit des EEG kommt es daher nicht an, da die Entscheidung dieser Frage den Rechtsstreit nicht beeinflussen würde.
19Die Kammer verkennt dabei allerdings nicht, dass grundsätzlich einer Entscheidungserheblichkeit nicht entgegensteht, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (BVerfGE 117, 1, 28 m.w.N.). Dies kann nach Auffassung der Kammer aber dann nicht gelten, wenn es in einem Rechtsstreit um das Bestehen vertraglicher Pflichten geht und ein eventuell verfassungswidriges Gesetz lediglich im Wege der Auslegung zu einer Neubestimmung der vertraglichen Pflichten führen würde. So liegt es hier.
20Die Klage war daher abzuweisen. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.