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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten, dass sie, ihre vollkonsolidierten Konzerntöchter und alle Gemeinschaftsunternehmen, an denen sie beteiligt ist, mit Ablauf des Jahres 2029 keine mit einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mehr in den Verkehr bringen und dass sie bis zum Jahre 2030 ihre jährlichen, aggregierten CO²-Emissionen gegenüber 2018 um 65 %, hilfsweise gegenüber 2019 um 45 % absenken. Auf diese Weise will er sicherstellen, künftig nicht mehr durch übermäßige CO²-Emissionen der Beklagten in seinem Eigentum, seiner Gesundheit und dem von ihm so bezeichneten Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit verletzt zu werden.
3Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücken in E, S und G. Auf diesem Grundbesitz und auf langfristig hinzu gepachteten Ländereien betreibt er Land- und Forstwirtschaft. Auf seinem landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb in E hält er Mutterkühe und baut Getreide an. Durch den Klimawandel, für den er die Beklagte mitverantwortlich macht, sieht er die Existenz seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bedroht und seine Gesundheit gefährdet.
4Dazu behauptet er, wegen der in den Jahren 2018 bis 2020 und 2022 jeweils aufgetretenen Dürreperioden habe er Missernten beim angebauten Viehfutter und bei den Feldfrüchten erlitten. Die Bodenfeuchte der landwirtschaftlich genutzten Flächen habe abgenommen; auf den hängigen Flächen werde durch Starkregenereignisse Bodenerosion ausgelöst. Sein Viehbestand habe unter Hitze und Dürre gelitten. Seine Waldflächen hätten ebenfalls unter den Dürrephasen mit Extremtemperaturen, Grundwasserschwund und Niederschlagsarmut und einem extremen Borkenkäferbefall zu leiden gehabt. Sein Nadelwald im Sauerland sei deshalb inzwischen komplett abgestorben.
5Die durch den Klimawandel ausgelösten Hitzewellen führten schon jetzt zu einer erhöhten Sterblichkeit vor allem bei älteren Menschen, zu kardiovaskulären, zu psychischen und zu Atemwegserkrankungen. Infolge der Klimaveränderung breiteten sich in Deutschland überdies Insekten (Zecken/Mücken) aus, die Krankheiten übertragen könnten. Vor allem wegen des Klimawandels werde er den landwirtschaftlichen Grundsatz „Übergebe den Hof in besserem Zustand, als du ihn übernommen hast“ nicht gerecht werden können. Zudem befürchte er, dass der Klimawandel künftig unter anderem auch Auswirkungen auf sein familiäres Leben und seine Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung haben werde.
6Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die Beklagte als Obergesellschaft des gesamten L-Konzerns nicht nur für die CO²-Emissionen von ihr selbst, sondern auch für die CO²-Emissionen aller von den vollkonsolidierten Tochtergesellschaften und Gemeinschaftsunternehmen produzierten Fahrzeuge verantwortlich sei, zumal sie – wie er behauptet – durch ihre Konzernpolitik die Steuerung des gesamten CO²-Fußabdrucks aller Konzernteile an sich gezogen und dafür detaillierte und verbindliche Maßgaben erlassen habe. Durch die hierfür gebildeten Steuerkreise „Nachhaltigkeit“, „CO²“ und „Umwelt und Energie“ und durch ihren Vorstand steuere sie die CO²-Emissionen des gesamten Konzerns. Dieser Konzern sei für ein Prozent der jährlichen globalen Treibhausgasemissionen und damit auch für den Klimawandel und die schon jetzt eingetretenen Beeinträchtigungen seines Eigentums mit verantwortlich. Diese Treibhausgasemissionen resultierten aus direkten eigenen Emissionen wie etwa fossiler Verbrennung in Dienstfahrzeugen und den eigenen Kraftwerken (Scope 1), indirekten Emissionen durch Stromnutzung (Scope 2) und allen weiteren indirekten Emissionen wie jenen entlang der Wertschöpfungsketten, der Zulieferer, der Nutzung und des Recyclings der Produkte, aber auch Geschäftsreisen (Scope 3). All diese Emissionen – so die Ansicht des Klägers – seien der Beklagten zuzurechnen.
7Da ihr CO²-Fußabdruck im Jahre 2018 denen des achtgrößten Treibhausgasemittenten Australien überstiegen habe, sie also ein staatengleicher Großemittent sei, sei die Beklagte – so der Standpunkt des Klägers – auch verpflichtet, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass das 1,5°-Ziel des Pariser Übereinkommens eingehalten werde. Dazu behauptet er, die Ziele des Pariser Übereinkommens seien nur zu erreichen, wenn eine Treibhausgasneutralität angestrebt und schon jetzt ein Reduktionspfad beschritten werde, der sicherstelle, dass ein bestimmtes Treibhausgasbudget nicht überschritten werde. Bezogen auf die Beklagte bedeute dies, dass sie ihre bisherige Konzernstrategie ändern und sich stattdessen darauf ausrichten müsse, das nach dem NZE AEC-Szenario der Internationalen Energieagentur ihr zustehende CO²-Budget einzuhalten. Dies wiederum sei nur möglich, wenn sie mit Ablauf des Jahres 2029 keine mit Verbrennungsmotoren ausgestatteten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mehr in den Verkehr bringe und bis dahin nur noch 17 % der von ihr pro Jahr in den Verkehr gebrachten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ausgestattet seien. Die Beklagte müsse schon jetzt in viel stärkerem Maße auf Elektroantriebe setzen und die Umstellung auf Elektromobilität viel früher abschließen, als von ihr bislang geplant. Biokraftstoffe, E-Fuels, Wasserstoff oder Brennstoffzellen seien mangels Verfügbarkeit und/oder Wirtschaftlichkeit keine Alternativen zur Umstellung auf Elektromobilität.
8Sollte die Beklagte ihrer Konzernstrategie dagegen nicht ändern, dann werde sie weiterhin mit dazu beitragen, dass sich der Klimawandel verschärfe, dass etwa Dürreperioden und Hitzewellen häufiger und länger würden. Extremwetterereignisse würden zunehmen ebenso wie sein Risiko, im Alter an klimabedingten Erkrankungen zu leiden.
9
In pp.
wird gemäß § 320 ZPO der Tatbestand des Urteils vom 24.02.2023 auf Antrag der Beklagten dahingehend berichtigt, dass auf Seite 2 in Absatz 2 die Sätze 1 und 2 durch folgenden Satz ersetzt werden:
Der Kläger betreibt auf Grundstücken in E, S und G, die nach seiner Darstellung in seinem Eigentum stehen oder langfristig hinzu gepachtet wurden, Land- und Forstwirtschaft.
Der Antrag auf Berichtigung des Klägers wird hingegen zurückgewiesen, da eine Unrichtigkeit des Tatbestandes nicht vorliegt.
Die auf Seite 2 in Absatz 1 gewählte Formulierung hat nicht den Anspruch, das Begehren der Klägers vollständig wiederzugeben; sie dient nur dazu, durch eine knappe Darstellung im Sinne des § 313 Abs. 2 ZPO den Streitstoff in gedrängter Form darzustellen. Das gesamte Begehren des Klägers ist im Übrigen aus den vollständig wiedergegebenen Klageanträgen abzulesen.
Dem Kläger ist auf Seite 10 des Urteils auch nicht fälschlich unterstellt worden, dass er wasserstoffbetriebene Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen für eine Alternative hält. Vielmehr ist dort zutreffend ausgeführt, dass er eingeräumt hat, dass es diese Antriebstechniken gibt. Auf die Verwendung einer bestimmten Formulierung besteht im Übrigen kein Anspruch.
Nachdem er seine Anträge zweimal neu formuliert hat, beantragt der Kläger nunmehr,
11I.
12die Beklagte zu verurteilen,
131.
14bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen,
15a)
16selbst sowie durch vollkonsolidierten Tochterunternehmen mit einem Verbrennungsmotor ausgestattete Personenkraftwagen (Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen einschließlich Fahrzeugführer geeignet und bestimmt sind) sowie leichte Nutzfahrzeuge (Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zum Transport von Personen oder Gütern bestimmt sind mit einem maximalen zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t) nach Ablauf des Jahres 2029 entgeltlich oder unentgeltlich erstmals in den Verkehr zu bringen,
17b)
18die unter a) genannten Fahrzeuge, die sie selbst herstellt oder die sie durch voll- konsolidierte Tochterunternehmen herstellen lässt, nach Ablauf des Jahres 2029 entgeltlich oder unentgeltlich in den Verkehr bringen zu lassen,
192.
20durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen – hinsichtlich der erfassten Fahrzeugklassen nach Maßgabe des Antrages zu 1) –,
21a)
22dass die aus dem Betrieb von Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie Pkw-Dienstleistungen entstehenden jährlichen, aggregierten CO²-Immissionen (Scope 1, 2 und 3), die von ihr selbst sowie von ihren vollkonsolidierten Tochterunternehmen verursacht werden, im Jahre 2030 um mindestens 65 % gegenüber 2018 gesenkt und mindestens unter diesem Niveau beibehalten werden,
23b)
24dass konzernweit, d.h. über alle mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie Pkw-Dienstleistungen befassten voll- konsolidierten Tochterunternehmen hinweg, maximal 17 % der in den Jahren 2022 bis zum Ablauf des Jahres 2029 insgesamt in den Verkehr gebrachten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sind,
253.
26durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Beklagte – hinsichtlich der erfassten Fahrzeugklassen nach Maßgabe des Antrages zu 1) –,
27a)
28in den mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie auf diese Fahrzeuge bezogene Dienstleistungen befassten Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures, nicht vollkonsolidierte Beteiligungen) ihren rechtlichen und tatsächlichen Einfluss fortlaufend so ausübt, dass die jährlichen, aggregierten CO²-Immissionen (Scope 1,2 und 3) bis zum Jahre 2030 um 65 % gegenüber 2018 gesenkt werden und mindestens unter diesem Niveau beibehalten werden,
29b)
30in den Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures, nicht vollkonsolidierte Beteiligungen), die mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie auf diese Fahrzeuge bezogene Dienstleistungen befasst sind, ihren rechtlichen und tatsächlichen Einfluss zur Erreichung des im Antrag zu 2. b) genannten maximalen in den Verkehr gebrachten Anteils von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bis zum genannten Zeitpunkt fortlaufend ausübt,
31c)
32in den Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures nicht vollkonsolidierte Beteiligungen), die mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie auf diese Fahrzeuge bezogene Dienstleistungen befasst sind, ihren rechtlichen und tatsächlichen Einfluss so ausübt, dass ein erstmaliges Inverkehrbringen oder Inverkehrbringenlassen von mit einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Pkw und leichten Nutzfahrzeugen spätestens nach Ablauf des Jahres 2029 unterlassen wird;
33II.
34hilfsweise, für den Fall, dass sich der Hauptantrag zu I. vollständig als unzulässig und/oder unbegründet erweist,
35die Beklagte zu verurteilen,
36durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen,
371.
38dass die aus dem Betrieb von Entwicklung und Produktion und Vertrieb von Pkw (definiert wie im Hauptantrag I.1.a) und leichten Nutzfahrzeugen (definiert wie im Hauptantrag I.1.a.) sowie auf diese Fahrzeuge bezogene Dienstleistungen entstehenden jährlichen aggregierten CO²-Immissionen (Scope 1,2 und 3), die von ihr selbst sowie von ihren vollkonsolidierten Tochterunternehmen verursacht werden, so reduziert werden, dass diese gemessen am globalen Marktanteil der Beklagten mathematisch anteilig dazu beitragen, dass die globalen CO²-Immissionen im Jahre 2030 um mindestens 45 % gegenüber 2019 gesenkt sind, und bis 2050 Treibhausgasneutralität erreicht wird;
392.
40– hinsichtlich der erfassten Fahrzeugklassen nach Maßgabe des Antrages soeben 1. –,
41dass diese in den mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie auf diese Fahrzeuge bezogene Dienstleistungen befassten Gemeinschaftsunternehmen (joint ventures, nicht vollkonsolidierte Beteiligungen) ihren rechtlichen und tatsächlichen Einfluss fortlaufend so ausübt, dass gemessen am globalen Marktanteil der Beklagten, diese Gemeinschaftsunternehmen mathematisch in Bezug auf diesen Marktanteil anteilig dazu beitragen, dass die globalen CO²-Immissionen wie im Antrag soeben 1. begrenzt werden;
42III.
43ferner hilfsweise für den Fall, dass sich der Hauptantrag I. sowie der Hilfsantrag zu II. jeweils vollständig als unzulässig und/oder unbegründet erweisen,
44die Beklagte zu verurteilen,
45wie im Antrag oben II. mit der Abweichung, dass der Anteil des Reduktionsbeitrages der Beklagten, der vollkonsolidierten Tochterunternehmen sowie der Gemeinschaftsunternehmen durch freies Ermessen des Gerichtes gemäß § 287 ZPO bestimmt wird;
46IV.
47ferner hilfsweise für den Fall, dass sich der Hauptantrag zu I. sowie die Hilfsanträge zu II. und III. jeweils vollständig als unzulässig und/oder unbegründet erweisen,
48die Beklagte zu verurteilen,
49es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Treibhausgase (Scope 1, 2 und 3) zu verursachen, die auf den Grundstücken des Klägers in […] allein- oder mitursächlich sind für auf die bezeichneten Grundstücke einwirkenden lokalen durchschnittlichen Temperaturanstieg, Bodenfeuchtemangel, Absinken des Grundwasserstandes, Extremniederschlagsereignisse, veränderte Niederschlagsmuster, Bodenerosion, Hitzeextreme, Hitzewellen, Dürreperioden, Ungezieferbefall an Pflanzen, frostarme Winter, feuchtigkeitsmangelbedingt gehemmte Photosyntheseleistung von Pflanzen, gehemmtes Pflanzenwachstum, feuchtigkeitsmangelbedingtes Absterben von Pflanzen – insbesondere Grünland- pflanzen, Getreidepflanzen und Bäume –, Sturmschäden an Bäumen und/oder Zerstörung eines Waldökosystems,
50und/oder allein- oder mitursächlich sind für Hitzestress des auf den bezeichneten Flächen bewirtschafteten Viehbestandes,
51und/oder allein- oder mitursächlich sind für die Erhöhung des Risikos für den Kläger der hitzebedingten Sterblichkeit und/oder zu erkranken an kardiovaskulären Krankheiten, Atemwegserkrankungen, verminderte Leistungsfähigkeit, Lyme-Borreliose, Zwecken-Encephalitis und/oder Nierenkoliken,
52und/oder den mit Treibhausgasausstoß verbundenen Freiheitsgebrauch des Klägers einschränken,
53soweit diese Emissionen anteilig über einem CO²-Budget liegen, das die Einhaltung der Erderwärmungsgrenze von 1,5°C mit 50 % Wahrscheinlichkeit nach dem Stand der Wissenschaft sicherstellt.
54Die Beklagte beantragt,
55die Klage abzuweisen.
56Sie ist der Auffassung, dass sie nicht – wie der Kläger dies tue – mit dem L-Konzern gleichgesetzt werden könne. Auch sei es nicht zulässig, ihr die CO²-Immissionen Dritter zuzurechnen, also die Scope 2- und Scope 3-Emissionen. Die Beklagte steht ferner auf dem Standpunkt, dass der Kläger von ihr als einzelnem Emittenten nicht beanspruchen könne, ein bestimmtes CO²-Budget einzuhalten, zumal sie sich an alle gesetzlichen Vorgaben, etwa die Flottengrenzwertverordnung, halte. Das Pariser Übereinkommen umzusetzen, sei im Übrigen Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Zivilgerichte. Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 lasse sich nicht ableiten, dass Private auf konkrete und individuelle CO²-Budgets verpflichtet werden könnten. Überdies bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem vom Kläger ihr zugeschriebenen CO²-Ausstoß und den von ihm geltend gemachten Beeinträchtigungen seines Eigentums.
57Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
58Entscheidungsgründe
591.
60Die Klage ist unbegründet.
61a)
62Der Kläger kann von der Beklagten weder gestützt auf § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB noch gestützt auf § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen, dass sie, ihre vollkonsolidierten Tochterunternehmen und/oder die Gemeinschaftsunternehmen, an denen sie beteiligt ist, mit Ablauf des Jahres 2029 keine mit einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mehr in den Verkehr bringen, dass im Zeitraum von 2022 bis 2029 nur noch maximal 17 % der von ihnen in den Verkehr gebrachten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sind, dass sie ihre jährlichen, aggregierten CO²-Immissionen im Jahre 2030 gegenüber 2018 um mindestens 65 % absenken, hilfsweise um mindestens 45 % gegenüber 2019 oder um einen vom Gericht bestimmten Reduktionsbeitrag.
63Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB zielt auf die Beseitigung einer gegenwärtigen und der aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Abwehr einer künftigen Beeinträchtigung ab; beide Ansprüche sind hingegen nicht auf eine bestimmte Handlung gerichtet. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. die Urteile vom 20.10.1976 – V ZR 36/75 –, vom 17.12.1982 – V ZR 55/82 –, vom 12.12.2003 – V ZR 98/03 –, vom 27.11.2020 – V ZR 121/19 – und vom 14.06.2022 – V ZR 172/20 –, juris) muss es grundsätzlich dem Schuldner überlassen bleiben, wie er eine schon eingetretene Beeinträchtigung beseitigt oder eine ernsthaft drohende Beeinträchtigung verhindert. Dies hat seinen Grund darin, dass die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigung seiner Rechte es erfordert. Abgesehen davon trägt der Störer gegebenenfalls das Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn die von ihm gewählte Maßnahme die Störung nicht beseitigt bzw. verhindert. Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass allein eine konkrete Maßnahme die Beeinträchtigung beseitigen bzw. verhindern kann, oder andere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht in Betracht kommen.
64An diesen Maßstäben gemessen kommt eine Verurteilung der Beklagten zu den vom Kläger mit seinem Hauptantrag zu I. oder seinen Hilfsanträgen zu II. und III. verlangten konkreten Maßnahmen schon deshalb nicht in Betracht, weil es gerade nicht feststeht, dass die von ihm behaupteten Beeinträchtigungen seines Eigentums und/oder die von ihm besorgten weiteren Beeinträchtigungen seines Eigentums, seiner Gesundheit und/oder des von ihm so bezeichneten Rechts auf treibhausgasbezogene Freiheit nur mit den von ihm geforderten Maßnahmen beseitigt bzw. verhindert werden könnten. Der Kläger räumt selbst ein, dass es neben den batteriebetriebenen Elektromotoren noch weitere Alternativen zu den diesel- und benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren gibt, so etwa den wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotor oder Brennstoffzellen. Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten nicht vorgeschrieben werden, bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen nur auf eine ganz bestimmte Antriebstechnologie zu setzen, zumal hier auch andere ernsthaft in Betracht kommen. Dass bis zum Ablauf des Jahres 2029 Biokraftstoffe, E-Fuels, Wasserstoff und/oder Brennstoffzellen zumindest nicht in solchen Mengen zur Verfügung stehen, dass die zusätzlich zu den batteriebetriebenen Elektromotoren in nennenswertem Maße dazu beitragen könnten, diesel- und benzinbetriebene Verbrennungsmotoren zu ersetzen, steht zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs fest. Gleiches gilt für die Frage, ob und inwieweit die genannten alternativen Antriebstechnologien wirtschaftlich sein werden. Ebenso wie dies bei den batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen schon geschehen ist, ist auch bei den anderen alternativen Antriebstechnologien denkbar, dass es künftig staatlicherseits Kaufanreize geben kann mit der Folge, dass auch mit diesen alternativen Antriebstechnologien ausgestattete Fahrzeuge wirtschaftlich sein können, oder staatliche Förderungen für die Produzenten von Biokraftstoffen, E-Fuels oder Wasserstoff.
65b)
66Der Kläger kann von der Beklagten schließlich auch nicht gestützt auf § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen, es zu unterlassen, Treibhausgase zu verursachen, soweit diese anteilig über einem CO²-Budget liegen, dass die Einhaltung der Erderwärmungsgrenze von 1,5°C mit 50 % Wahrscheinlichkeit nach dem Stand der Wissenschaft sicherstellt. Dieser vom Kläger mit seinem Hilfsantrag zu IV. geltend gemachte vorbeugende Unterlassungsanspruch zielt darauf ab, künftige Beeinträchtigungen seines Eigentums, seiner Gesundheit und des von ihm so bezeichneten Rechts auf treibhausgasbezogene Freiheit abzuwehren, die ihm nach seiner Darstellung für den Fall drohen sollen, dass die Beklagte das ihr nach dem NZE-AEC-Szenario der Internationalen Energieagentur zustehende CO²-Budget nicht einhält und dadurch mit dazu beiträgt, dass das 1,5°-Ziel des Pariser Übereinkommens nicht erreicht wird. Mit seinem Antrag will der Kläger mithin Beeinträchtigungen verhindern, die ihm für den Fall des Nichteinhaltens des 1,5°-Zieles des Pariser Übereinkommens drohen sollen. Der Kläger hat indes einen entsprechenden Anspruch gegen die Beklagte aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schlüssig dargetan.
67Nach seiner eigenen Darstellung hat der Klimawandel schon jetzt, also schon vor Überschreiten des 1,5°-Zieles dazu geführt, dass sein Nadelwald im Sauerland komplett abgestorben ist, dass es auf seinen land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu Dürrephasen mit Extremtemperaturen, und zum Grundwasserschwund und Niederschlagsarmut kam. Schon jetzt erlitt er nach eigenen Angaben wegen der aufgetretenen Dürreperioden Missernten und bei Starkregenereignissen auf hängigen Flächen Bodenerosion. Zudem litt sein Viehbestand unter Dürre und Hitze. Nach seinem Vortrag führen die schon jetzt auftretenden Hitzewellen vor allem bei älteren Menschen zu einer erhöhten Sterblichkeit, zu kardiovaskulären, zu psychischen und zu Atemwegserkrankungen. Überdies führt der Klimawandel nach seinem Vorbringen schon jetzt dazu, dass Krankheiten übertragende Insekten (Mücken/Zecken) sich weiter ausbreiten. Diese vom Kläger beschriebenen Eigentumsbeeinträchtigungen und drohenden Gesundheitsgefahren stellen damit schon den „neuen Normalzustand“ einer um weniger als 1,5°C erwärmten Welt dar, und treffen alle älteren Menschen und Land- und Forstwirte im Sauer- und Lipperland gleichermaßen. Welche wesentlichen Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB gerade ihn in einer um mehr als 1,5°C erwärmten Welt treffen sollen, dazu hat der Kläger indes keinen konkreten Vortrag gehalten. Sein Hinweis, in einer um mehr als 1,5°C erwärmten Welt werde es noch häufiger zu Dürreperioden und Hitzewellen kommen, genügt insoweit nicht, lässt er doch nicht erkennen, inwieweit dann gerade der Kläger davon besonders betroffen wäre im Vergleich zu allen anderen älteren Menschen und Land- und Forstwirten im Sauer und Lipperland (vgl. dazu Schirmer, NJW 2023, S. 113 (S. 117 f.).
68Der Kläger kann sich schließlich auch nicht mit darauf berufen, dass im Falle einer Überschreitung des 1,5°-Zieles ihm eine Beeinträchtigung seines von ihm so bezeichneten Rechts auf treibhausgasbezogene Freiheit drohe. Sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sind nur solche, die eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtspositionen begründen, die dem Inhaber die Nutzung dieser Rechtsposition gewährt und andere davon ausschließt (vgl. Grüneberg-Sprau, BGB, 82. Aufl., § 823 Rdnr. 11). Ein solches Recht mit Ausschließlichkeitscharakter ist das von ihm so bezeichnete Recht auf treibhausgasbezogene Freiheit selbst nach Darstellung des Klägers nicht. Seinem Schriftsatz vom 29.06.2022 umschreibt er es nämlich als „Freiheitsgebrauch, der spezifisch mit dem Gebrauch einer individuell absoluten Menge von Treibhausgasen“ verknüpft sei und macht der Beklagten zum Vorwurf, durch übermäßige CO²-Emissionen sein, des Klägers, CO²-Budget mit aufzubrauchen. In seiner Klageschrift führt er dagegen aus, dass das Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit nicht gegen jeden geltend gemacht werden könne. Damit gesteht er selbst zu, dass das Recht auf treibhausgasbezogene Freiheit kein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist. Auch in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 (1 BvR 2656/18, 1 BVR 78/20,1 BvR 96/20,1 BvR 288/20) findet die Argumentation des Klägers keine Stütze. Das Bundesverfassungsgericht hat darin kein neues Grundrecht anerkannt und erst Recht kein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Vielmehr hat es sich darin damit begnügt, dem Gesetzgeber Handlungsanweisungen zu erteilen im Hinblick auf das Klimaschutzgesetz.
692.
70Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
71Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.