Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines behaupteten zu Unrecht bzw. fehlerhaft erstellten Ratings der Beklagten geltend.
3Die Beklagte ist eine deutsche Ratingagentur. Sie bewertete die Fa. x AG (im Folgenden: „Emittentin“) am 18.10.2012 im Rahmen eines sogenannten „solicited rating“ im Auftrag der Emittentin mit der Note „BBB“. Das Rating wurde erstmals unter dem 18.10.2012 veröffentlicht, unter anderem auf der Webseite der Emittentin. Die Emittentin emittierte 7,25% Anleihen mit der ISIN DE000A1RE1Z4 (im Folgenden: „Anleihe“). Hintergrund der Bewertung war die Absicht der Emittentin, ihre Anleihen an der Börse Stuttgart anzubieten.
4Am 16.09.2013 bewertete die Beklagte in einem sog. Folgerating die Bonität der Emittentin erneut mit der Note „BBB“, das u.a. auf der Webseite der Beklagten veröffentlicht wurde.
5Der Kläger erwarb am 23.04.2013 Anleihen der Emittentin über einen Betrag von 7160,87 EUR und am 18.07.2013 Anleihen der Emittentin über einen Betrag von 8347,00 EUR.
6Am 17.06.2014 beantragte die Emittentin die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens. Ab demselben Tage setzte die Beklagte das Rating der Emittentin aus und begründete dies mit dem beantragten Schutzschirmverfahren. Dies teilte die Beklagte auf ihrer Homepage mit. Daraufhin stürzte der Kurs der Anleihen massiv ab. Am 01.10.2014 wurde über das Vermögen der Emittentin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Anleihen verloren danach einen Großteil ihres Werts.
7Der Kläger behauptet, das Rating vom 18.10.2012 und das Nachfolgerating vom 16.09.2013 seien falsch gewesen, wobei die Beklagte bei ihrer Bewertung grob fahrlässig gehandelt habe. Tatsächlich hätte die Bonität der Emittentin bei einem ausreichend sorgfältigem Rating deutlich schlechter bewerten müssen. Er habe das Rating der Beklagten vor seiner Kaufentscheidung gekannt. Allein dieses gute Rating habe ihn zum Kauf und in der Folgezeit zum Halten der Anleihe veranlasst.
8Der Kläger beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.508,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2014, Zug-um-Zug gegen Übertragung der Anleihen (ISIN: DE000A1RE1Z4) im Nominalwert von 15.000,00 EUR zu zahlen;
102. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.570,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 07.12.2014 zu zahlen;
113. festzustellen, dass sich die Beklagte ihm gegenüber in Annahmeverzug befindet.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte ist der Auffassung, eine Haftung ihrerseits scheide aus allen rechtlichen Gesichtspunkten aus.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist unbegründet.
18I.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB, noch aus den Vorschriften über die unerlaubte Handlung gemäß §§ 823ff. BGB noch letztlich aus Art. 35a VO (EG) 1060/2009 in der ab 20.06.2013 geltenden Fassung der VO 462/2013 (im Folgenden: Rating-VO).
201.
21Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 280 BGB i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB.
22Ein solcher Anspruch ist abzulehnen. Zwar wird im Schrifttum vereinzelt eine Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich eines Vertrags zwischen Ratingagentur und Emittent vertreten, um den Anleger nicht schutzlos zu stellen (vgl. Wojcik, Zivilrechtliche Haftung von Ratingagenturen nach Europäischem Recht, NJW 2013, 2385ff.).
23Eine Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist in solchen Fällen jedoch abzulehnen, da der Kreis der potentiell geschützten Dritten für die Ratingagentur nicht ausreichend erkennbar ist. Auch wenn die Ratingagenturen wissen und unter Umständen wollen, dass ihre Ratings von einer Vielzahl von Personen zur Kenntnis genommen werden, so ist die Anzahl potentieller Anspruchsgläubiger stets unbegrenzt und letztlich abhängig von Entscheidungen, die in keiner Weise in den Kontrollbereich der Ratingagentur fallen. Im Übrigen ist bei dem hier vorliegenden Unternehmensrating zu berücksichtigen, dass die Ratingagenturen an der Anlageentscheidung der Anleger kein eigenes wirtschaftliches Interesse haben und darüber hinaus gerade betonen, dass ihre Bewertungen keine Anlageempfehlungen darstellen (vgl. Kontogeorgou, Externes Rating und Anlegerschutz im Spiegel der neuen Verordnung, DStR 2014, 1397, unter 3.2.1 AG Neuss, Urt. v. 28.12.2016, Az. 80 C 3954/15;) .
24Einer Anwendung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter steht zudem der fehlende Einbeziehungswille der Parteien des Ratingvertrags entgegen. Die das bestmögliche Rating anstrebenden Emittenten als Gläubiger des Ratingvertrags sind an einem Schutz der Anleger vor einem geschönten Rating nicht interessiert, die Interessen sind insofern gegenläufig (Kontogeorgou, DStR 2014, 1397, unter 3.2.1).
25Insoweit muss hier zwischen einem Rating, welches sich auf ein Unternehmen und welches sich auf die Finanzinstrumente eines Unternehmens bezieht, unterschieden werden (vgl. AG Neuss, Urt. v. 28.12.2016, Az. 80 C 3954/15).
26Aus denselben Gründen scheitert ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB, 241 Abs. 2 BGB.
272.
28Weiterhin scheiden Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB für den Anleger aus. Denn § 823 Abs. 1 BGB schützt nicht abstrakt das Vermögen und die Erstellung eines fehlerhaften Ratings verletzt keines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter des Anlegers.
293.
30Auch der Anspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung scheidet aus, da die Voraussetzungen nicht dargelegt und bewiesen sind.
314.
32Ansprüche aus Verletzung eines Schutzgesetzes in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB kommen zwar – sowohl für Anleger als auch Emittenten – grundsätzlich in Frage, dieser Anspruch teilt aber das gleiche Schicksal, wie der unmittelbare Anspruch aus Art. 35a Rating-VO.
33Hat eine Ratingagentur vorsätzlich oder grob fahrlässig eine der in Anhang III Rating-VO aufgeführten Zuwiderhandlungen begangen und hat sich diese auf ein Rating ausgewirkt, so kann ein Anleger oder Emittent von dieser Ratingagentur nach Art. 35a Abs. 1 Rating-VO für den ihm aufgrund dieser Zuwiderhandlungen entstandenen Schaden Ersatz verlangen. Ein Anleger kann nach diesem Artikel Schadenersatz verlangen, wenn er nachweist, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein Finanzinstrument, auf das sich dieses Rating bezieht, zu investieren, dieses Instrument weiter zu halten oder zu veräußern, in vertretbarer Weise im Einklang mit Artikel 5a Absatz 1 Rating-VO oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat. Ein Emittent kann nach diesem Artikel Schadenersatz verlangen, wenn er nachweist, dass das Rating sich auf ihn oder seine Finanzinstrumente bezieht und die Zuwiderhandlung nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Emittent die Ratingagentur direkt oder aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen irreführend oder falsch informiert hat.
34Auch ein solcher Anspruch ist nicht gegeben. Ratingagenturen haften sowohl gegenüber Emittenten als auch gegenüber Anlegern nach der Vorschrift nur, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig bestimmte Zuwiderhandlungen begehen und diese sich auf das abgegebene Rating auswirken; hier wirft die Klägerseite des Beklagten u.a. Verstöße gegen Nr. 51, der Anl. III zur VO vor. Darüber hinaus muss das Rating bei Haftungsansprüchen von Anlegern für die Entscheidung desselben ursächlich gewesen sein, das angeratene Papier zu erwerben, zu halten oder zu veräußern. Die Vorschrift ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Unstreitig hat die Beklagte vorliegend ein Unternehmensrating erstellt. Zu Recht führt die Beklagte aus, dass Art. 35a Rating-VO zwischen Ansprüchen des Anlegers und des Emittenten unterscheidet. So kann ein Anleger dann Schadensersatz verlangen, wenn er nachweist, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein Finanzinstitut, auf das sich dieses Rating bezieht, zu investieren, dieses Institut weiter zu halten oder zu veräußern, in vertretbarer Weise in Einklang mit Art. 5a Abs. 1 Rating-VO oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat, Art. 35a Abs. 1 S. 2 Rating-VO. Ein Unternehmen selbst ist kein Finanzinstrument. Dies ergibt sich insbesondere aus der Differenzierung zu den Ansprüchen eines Emittenten. Ein Emittent kann nach Art. 35a Abs. 1 S. 3 Rating-VO sowohl Schadensersatz verlangen, wenn sich das Rating auf seine Finanzinstrumente, als auch wenn es sich auf ihn selbst bezieht. Der Anleger kann hingegen nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift, der einer Auslegung wie von der Klägerseite gewünscht nicht zugänglich ist, nur Schadensersatz verlangen, wenn er nachweist, dass er sich bei seiner Entscheidung bzgl. eines Finanzinstruments (gem. Art. 3 Abs. 1 lit. k) die in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente genannten Instrumente), auf das sich das Rating beziehen muss, in vertretbarer Weise […] auf dieses Rating verlassen hat. Letzteres ist unstreitig aber nicht der Fall, da sich die streitgegenständlichen Ratings auf das Unternehmen der Emittentin bezogen. Aus dieser Unterscheidung zwischen den Anspruchsvoraussetzungen für einen Anleger und einen Emittenten, die die Rating-VO ausdrücklich trifft, folgt, dass ein Anspruch aus Art. 35a Rating-VO nicht gegeben ist. Nichts anderes ergibt sich aus der klägerischen Ansicht, auch die Bewertung des Unternehmens spiele für die Anlageentscheidung für ein Finanzinstrument eine Rolle. Denn die Rating-VO hat diesbezüglich eine klare Differenzierung getroffen. Für eine dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift widersprechende Auslegung, die ein ungleich höheres Haftungsrisiko für die Ratingagentur nach sich zöge, ist somit kein Raum.
355.
36Ein Hinweis war insofern nicht gemäß § 139 Abs. 2 ZPO zu erteilen und eine Schriftsatzfrist war den Klägern nicht zu gewähren, da die Erörterung der Sach- und Rechtslage, in welcher die Kammer ihre Rechtsauffassung den Parteien eröffnet hat, keine rechtlichen Aspekte aufgebracht hat, die nicht bereits schriftsätzlich vorgebracht wären. Auch auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 13.02.2017 musste den Klägern kein Schriftsatz gemäß § 283 ZPO nachgelassen werden, da diese keinen neuen Tatsachenvortrag enthält, auf den die Kammer das vorliegende Urteil stützt (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 283 ZPO, Rn. 2a).
376.
38In Ermangelung einer Hauptforderung entfallen auch die Nebenforderungen auf Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten. Ebenso wenig kann ein Annahmeverzug festgestellt werden, da ein Anspruch dem Grunde nach ausscheidet und die Beklagte somit keine Obliegenheit zur Entgegennahme der Anleihen traf.
39II.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
41III.
42Der Streitwert wird auf 15.508,39 EUR festgesetzt.
43Rechtsbehelfsbelehrung:
44Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.