Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 21.07.2010 – 16 C 254/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem regionalen Gasversorgungsunternehmen, die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt 1.247,10 € aufgrund unwirksamer Gaspreisanpassungen in der Zeit vom 01.10.2004 bis zum 31.03.2009.
4Die Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss mit dem Kläger am 20./25.10.2003 einen vorformulierten Erdgas-Lieferungsvertrag (Sondervertrag). In § 2 dieses Vertrages ist ein Arbeitspreis von 3,08 ct/kWh (netto) vereinbart. Im Folgenden heißt es: "Der Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarife der Gasgesellschaft eintritt. Änderungen der Preise und Bedingungen werden in der Tagespresse bekanntgegeben und dadurch wirksam." In § 5 ist geregelt, dass das Vertragsverhältnis zum 10.10.2003 beginnt und nach Ablauf von 12 Monaten auf das Ende eines Kalendermonates schriftlich gekündigt werden kann.
5Aufgrund der vorgenannten Preisanpassungsklausel änderte die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum wiederholt ihre Preise. Wegen der einzelnen Preisänderungen wird auf BI. 19 der Gerichtsakte verwiesen. Der Kläger widersprach den Preisänderungen nicht.
6Am 09.11.2005 wurde in der lokalen Presse unter der Überschrift "Protestwelle bei der C-Gas" ein Artikel mit folgendem Inhalt veröffentlicht: "(...) Viele Kunden haben Ihre Einzugsermächtigung zurückgezogen und andere Zahlungsmodalitäten gewählt. Diese Protestwelle führte dazu, so C-Gas-Geschäftsführer B, dass wir zwei zusätzliche Mitarbeiter beschäftigen müssen. Dabei, so macht B deutlich, verlieren die Kunden, die keine Rechtsmittel einlegen, keinen Rechtsanspruch: Wir behandeln alle Kunden gleich. Es wird also keinen Unterschied zwischen den Kunden geben, die uns ihre Vorbehaltszahlung schriftlich mitteilen, noch denjenigen, die nicht geschrieben haben. (…)"
7Der Kläger hat ausgehend von einem Arbeitspreis in Höhe von 3,08 ct/kWh (zu der Berechnung im Einzelnen vgl. Bl. 5 GA) im ersten Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.247,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.04.2009 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
8Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.247,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2009 zu zahlen. Hinsichtlich der weitergehend beantragten Zinsen und den geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten hat es die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Die vertragliche Preisänderungsklausel sei unwirksam. Die Preise seien auch nicht durch widerspruchslose Hinnahme der Jahresabrechnungen konkludent neu vereinbart worden. Ebenso wenig komme eine ergänzende Vertragsauslegung angesichts der für die Beklagte bestehenden Kündigungsmöglichkeit in Betracht. Aus diesem Grund sei der Vertrag auch nicht insgesamt gem. § 306 Abs. 3 BGB unwirksam. Auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB könne sich die Beklagte mangels Kausalzusammenhang zwischen der Bereicherung und den getätigten Aufwendungen nicht berufen. Schließlich sei der Rückzahlungsanspruch des Klägers auch nicht verwirkt. Der Anspruch sei zwar für die vor dem 01.05.2005 liegenden Zeiträume verjährt, der errechnete Rückzahlungsbetrag für die Monate ab 01.05.2005 übersteige jedoch bereits die Klageforderung.
9Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und vertieft dabei insbesondere ihr Vorbringen, wonach aufgrund ergänzender Vertragsauslegung von einem Preisänderungsrecht der Beklagten ausgegangen werden müsse. Unabhängig von der Frage, ob sie Anlass zur Kündigung der bestehenden Verträge gehabt habe, wäre eine Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht nicht möglich gewesen. Überdies seien die geltend gemachten Ansprüche für den Zeitraum bis zum 31.12.2005 verjährt.
10Die Beklagte beantragt,
11das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 21.07.2010 (Az. 16 C 254/09) abzuändern und die Klage abzuweisen;
12hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Gummersbach zurückzuverweisen.
13Der Kläger beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung u.a. unter Vertiefung seiner Rechtsansicht, das der Beklagten zustehende Kündigungsrecht spreche entscheidend gegen eine nicht hinzunehmende einseitige Begünstigung auf Kundenseite.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
17II.
18Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
19Die Entscheidung des Amtsgerichts ist rechtsfehlerfrei und die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, § 513 ZPO.
20Das Amtsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zustehe.
211) Soweit der Kläger in der Zeit vom 01.10.2004 bis zum 31.03.2009 Entgeltzahlungen an die Beklagte erbrachte, die auf einem Arbeitspreis von mehr als 3,08 ct/kWh basierten, erfolgten diese ohne Rechtsgrund.
22a) Das in § 2 des Sondervertrages aus dem Jahr 2003 niedergelegte vertragliche Preisänderungsrecht ist – was die Beklagte nicht in Abrede stellt – gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Klausel hinsichtlich des Umfangs der Preisänderung nicht klar und verständlich ist und sie die Kunden deswegen unangemessen benachteiligt (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06).
23b) Durch die widerspruchslose Hinnahme der Jahresabrechnungen ist es auch nicht zu einer konkludenten Vereinbarung neuer Preise gekommen. Den Ausführungen des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 14.07.2010 (Az. VIII ZR 246/08, insbes. Rn. 57 ff., zitiert nach juris), wonach bei einer einseitigen Preiserhöhung eines Gasversorgungsunternehmens aufgrund einer unwirksamen Preisanpassungsklausel die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden kann, schließt sich die Kammer an. Die Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle von einseitigen Preisanpassungen ist auf den Fall der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel bei Sonderkunden nicht übertagbar. Denn bei einseitigen Preiserhöhungen in einem Tarifkundenvertrag gemäß § 4 AVBGasV ist nicht zweifelhaft, ob das Versorgungsunternehmen den Preis überhaupt anpassen darf. Im Rahmen eines Sonderkundenvertrages kann die vorbehaltlose Zahlung eines erhöhten Preises nach Übersendung einer Jahresabrechnung aus Sicht eines objektiven Empfängers nach §§ 133, 157 BGB dagegen nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Kunde mit der vertraglichen Begründung eines einseitigen Preisänderungsrechts des Versorgers einverstanden erklärt. Ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein wird in solchen Fällen auf Kundenseite regelmäßig fehlen. Demzufolge verbleibt es bei dem Grundsatz, dass bloßem Schweigen auch bei Begleichung einer Rechnung kein darüber hinausgehender Erklärungswert zukommt (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08).
24c) Ein gesetzliches Preisänderungsrecht aus § 4 Abs. 1 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV stand der Beklagten nicht zu, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen "Tarif-" bzw. "Haushaltskunden" handelt.
25d) Durch die Bezugnahme in § 6 Nr. 1 des Sondervertrages auf die Bestimmungen der AVBGasV ist ein entsprechendes Preisänderungsrecht auch nicht in die Verträge wirksam einbezogen worden. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 14.07.2010 ausgeführt, eine Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bzw. für die Grundversorgung bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen formularmäßigen Gassondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stelle keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar. Eine wirksame Einbeziehung ist indes nicht erfolgt, weil in § 2 des Sondervertrages gerade ausdrückliche Regelungen zur Änderung des Gaspreises getroffen wurden. Aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden stellen sich diese als abschließend dar.
26e) Ein Recht der Beklagten zur einseitigen Preisänderung ergibt sich auch nicht nach ergänzender Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB.
27Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam. Sein Inhalt richtet sich gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften, wozu auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung zählen. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 14.07.2010 (Rn. 49 ff.), welche sich die Kammer zu eigen macht, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung jedoch nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt.
28Das ist hier nicht der Fall.
29Gemäß § 5 des Sondervertrages aus dem Jahr 2003 steht der Beklagten das Recht zu, sich nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten zum Ende eines Kalendermonats bzw. mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf eines weiteren Jahres vom Vertrag zu lösen. Wenn die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis. Bereits Ende 2005 hatten etliche Kunden der Beklagten durch Widersprüche deutlich gemacht, dass sie mit den Preiserhöhungen der Beklagten nicht einverstanden sind. Unabhängig davon, dass der Kläger selber den Preiserhöhungen nicht widersprochen hat, bestand für die Beklagte deshalb Anlass, auch eine Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Vertrages in Betracht zu ziehen.
30Dabei kann es – anders als die Beklagte meint – aus Sicht der Kammer letztlich keinen Unterschied machen, ob lediglich die "Unbilligkeit" der Preiserhöhungen durch die Kunden der Beklagten oder auch explizit die "Unwirksamkeit" der den Erhöhungen zugrunde liegenden Preisanpassungsklauseln moniert wurde. Eine solche Differenzierung dürfte die an einen durchschnittlichen Kunden zu stellenden Anforderungen überspannen. Die Kammer interpretiert insoweit auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 14.07.2010 (Rn. 51) dahingehend, dass es bereits ausreicht, wenn die Kunden durch Widerspruch deutlich machen, sie seien mit der Preiserhöhung der Beklagten "nicht einverstanden", gleich aus welchem Grund.
31Soweit der Bundesgerichtshof weiter (Rn. 52) offen gelassen hat, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, und durch erheblich gestiegene Gestehungskosten ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Preis begründet wird, besteht vorliegend keine Veranlassung zu einer abschließenden Klärung dieser Frage. Maßgeblich stellt der Bundesgerichtshof nämlich darauf ab, dass in einer solchen Konstellation für länger zurück liegende Zeiträume eine Kündigung durch das Versorgungsunternehmen überhaupt nicht in Betracht gezogen werden musste. Vorliegend hatte jedoch bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels am 09.11.2005 in der örtlichen Presse eine Vielzahl von Kunden widersprochen. Dementsprechend bestand für die Beklagte jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hinreichender Anlass, eine Kündigung aller Verträge in Erwägung zu ziehen.
32Ein Anspruch besteht aber auch nicht für die Zeiten vor Veröffentlichung des Artikels. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgehen würde, dass sie erst zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels Kenntnis von den Widersprüchen gehabt hat und vor diesem Zeitpunkt kein Anlass hatte, eine Kündigung in Betracht zu ziehen, so handelt es sich nach Ansicht der Kammer bei dem Zeitraum, in dem kein Anlass zur Kündigung bestand, nicht um einen längeren Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Denn der Zeitraum zwischen dem 01.05.2005 (nicht verjährter Beginn der Rückforderungsansprüche) und der Veröffentlichung des Artikels beträgt weniger als sechs Monate.
33Zudem führen die in diesem Zeitraum von sechs Monaten entstandenen Gestehungskosten, die Grundlage der Preiserhöhung waren, aus Sicht der Kammer nicht zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen Leistung und Preis. Die Preiserhöhungen betrugen in diesem Zeitraum insgesamt ca. 60,00 €. Das Vertragsgefüge wird insofern nicht völlig einseitig zugunsten des Kunden verschoben.
34Der Beklagten war es auch rechtlich möglich, die Sonderverträge mit ihren Kunden zu kündigen. Selbst wenn die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt Monopolistin auf dem Gasmarkt gewesen sein sollte, so hätte sie durch die Kündigungen der Sonderverträge nicht ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht und gegen § 29 GWB verstoßen. Es stand der Beklagten frei, Sonderverträge mit Kunden abzuschließen. Daher war es ihr auch möglich, diese wieder zu kündigen. Nach dem Ausspruch der Kündigung wären die Kunden nicht schlechter gestellt. Sie hätten als Tarifkunden weiter Gas beziehen können. Im Rahmen des Abschlusses eines Tarifkundenverhältnisses hätte die Beklagte auch keine Entgelte fordern können, die für den Kunden unbillig gewesen wären. Auch Tarifkunden haben die Möglichkeit, weitere Preiserhöhungen der Versorger einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen.
35f) Aus den vorgenannten Gründen ist der Vertrag auch nicht nach § 306 Abs. 3 BGB unwirksam. Die Frage nach einer unzumutbaren Härte durch das Festhalten an dem Vertrag für die Beklagte kann aus Sicht der Kammer im Verhältnis zur Problematik der ergänzenden Vertragsauslegung nur einheitlich beantwortet werden, will man das zuvor gefundene Ergebnis nicht konterkarieren.
362) Auf Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB kann sich die Beklagte nicht berufen. Soweit sie meint, im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB seien alle Aufwendungen abzugsfähig, die sie in den Jahren 2006 bis 2008 im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Preisänderungen getroffen habe, um den Kläger mit Erdgas zu beliefern, weil sie bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel den Vertrag entsprechend gekündigt hätte, verfängt dies nicht. Die Kammer teilt insoweit ebenfalls die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08, Rn. 80, zitiert nach juris; ebenso OLG Köln, Urt. v. 29.01.2010 – 19 U 143/09, Rn. 72 ff., zitiert nach juris), wonach es bereits an einem Ursachenzusammenhang zwischen dem Empfang der rechtsgrundlosen Leistung und einem Vermögensverlust bei der Beklagten fehlt. Die Beklagte hätte den behaupteten Vermögensverlust nämlich auch dann erlitten, wenn die Kunden nur die vertraglich geschuldeten und nicht die erhöhten Entgelte gezahlt hätten. Die Bezugspreise sind bereits erhöht worden, bevor eine Preisanpassung durch die Beklagte erfolgt ist und die Kunden die gestellten Jahresabrechnungen beglichen haben, wobei die Beklagte verpflichtet war, an die Kunden zu den vereinbarten Preisen zu liefern.
37Auch wenn man davon ausgeht, dass sich eine Bereicherung mindern kann, wenn und soweit der gutgläubig Bereicherte im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs Aufwendungen tätigt, die mit dem Bereicherungsvorgang in adäquatem Zusammenhang stehen (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.1996 – III ZR 245/94; Lorenz, in: Staudinger, BGB, 2007, § 818 Rn. 38), ergibt sich vorliegend nichts anderes. Das von der Beklagten angeführte Vertrauen in die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel erscheint der Kammer nicht schutzwürdig. In Anbetracht der bereits im Jahr 2005 erhobenen Widersprüche ihrer Kunden sowie der sich anschließenden Gerichtsverfahren konnte die Beklagte nicht von der Rechtsbeständigkeit der von ihr verwendeten Klausel ausgehen (vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 74).
383) Die Ansprüche sind auch nicht für den Zeitraum bis zum 31.12.2005 verjährt, sondern – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – lediglich für den Zeitraum vor dem 01.05.2005. Der Beginn der Verjährung tritt mit dem Schluss des Jahres ein, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangte oder infolge grober Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB). Der Anspruch war mit Bekanntgabe der Rechnung an den Kläger entstanden, da erst zu diesem Zeitpunkt sämtliche überzahlten Beträge in das Vermögen der Beklagten gelangt sind. Insofern sind lediglich die Ansprüche verjährt, die bereits im Jahr 2005 abgerechnet worden sind, hier demnach die Ansprüche, die auf dem Verbrauch bis zum 30.04.2005 beruhen.
394) Der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs steht schließlich weder der Einwand der Verwirkung noch ein sonstiger Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegen. Für eine Verwirkung fehlt es jedenfalls am sog. Umstandsmoment. Die Beklagte durfte der Ende 2005 erhobenen vielfachen Widersprüche ihrer Kunden – wie bereits ausgeführt – nicht darauf vertrauen, dass keine Rückzahlungsansprüche erhoben werden würden. Dies gilt aus Sicht der Kammer umso mehr, als die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch ihren Geschäftsführer in der lokalen Presse selbst angekündigt hat, Kunden unabhängig von der Einlegung eines Widerspruchs gleich zu behandeln.
40Eine Zurückverweisung an das Amtsgericht nach § 538 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.
41III.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
43IV.
44Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist zudem i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die im Bereich der ergänzenden Vertragsauslegung und Entreicherung aufgeworfenen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bislang nicht erschöpfend geklärt.
45Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.247,10 €.