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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beitreibbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
2I.
3Die Klägerin betreibt in K... ein Abfallentsorgungszentrum mit einer Müllverbrennungsanlage (MVA). Die bei der Müllverbrennung gewonnene Energie wurde zum Teil in Form von Strom in das nächstgelegene Stromnetz der ehemaligen Beklagten zu 1, deren Rechtsvorgängerin die "X..." war, eingespeist. Mit der Klage begehrte die Klägerin ursprünglich die Zahlung einer Vergütung von der ehemaligen Beklagten zu 1 und der Beklagten (damals Beklagte zu 2) für die Einspeisung von Strom in das Netz der Beklagten zu 1 nach § 4 Abs. 2 KWKG für den Zeitraum November 2000 bis März 2002 (Zeitraum IV). Nachdem das Landgericht die Klage gegen die ehemalige Beklagte zu 1 abgewiesen und die Beklagte (damals Beklagte zu 2) verurteilt hat, geht die Beklagte mit der Berufung gegen ihre Verurteilung vor.
4Der Einspeisung von Strom lag ein Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 zugrunde, den die Klägerin mit der X... über die Lieferung (Einspeisung) und den Bezug elektrischer Energie geschlossen hatte. Auf den Inhalt des Vertrags (Bl. 47 bis 51 GA I) wird Bezug genommen.
5Seit Mitte des Jahres 1998 verhandelten die Klägerin und die X... über eine Anpassung des Vertrages vom 19./30. Dezember 1994. Die Klägerin wollte die Vergütung für die Stromlieferungen an den Regelungen des KWK-Gesetzes orientiert sehen. Eine Einigkeit konnte darüber nicht erzielt werden. Die X... kündigte daraufhin den Vertrag mit Schreiben vom 27. Januar 1999 (Anlage B 25 =Bl. 506 f. GA III, Bl. 600 f. GA IV) zum 31. Januar 2000.
6Mit Schreiben vom 5. Februar 1999 (Bl. 508 f. GA III=Bl. 602 f.GA IV) vertrat die Klägerin die Auffassung, der Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 sei nur unter Einhaltung der Kündigungsfrist von einem Jahr frühestens zum 3. Januar 2001 kündbar. Die Vertragsparteien verständigten sich in einem Gespräch am 27. April 1999 - ausweislich eines von der Klägerin am 12. Juli 1999 gegengezeichneten Schreibens der X... vom 19. Mai 1999 (Bl. 511 GA III) - darauf, dass der Vertrag zum 30. Juni 2000 "enden" sollte. Ferner verständigten sich die Vertragsparteien mit Schreiben vom 19. Mai 1999 (Anlage B 27/Bl. 605 GA IV) und vom 12. Juli 1999 (Bl. 607 GA III) über bestimmte Vergütungsregelungen für die Vergangenheit und die Zukunft.
7Das KWK-Gesetz trat am 12. Mai 2000 in Kraft (BGBl. I 2000 S. 703) und am 1. April 2002 außer Kraft.
8Mit Schreiben vom 2. Juni 2000 (Anlage B 28, Bl. 513 GA III= Bl. 609 GA IV) und 30. Juni 2000 (Anlage B 29; Bl. 610 GA IV) bestätigte die Klägerin der X..., dass der Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 zum 30. Juni 2000 "enden" werde. Sie erklärte ferner ihre Bereitschaft zur Fortsetzung der Zusammenarbeit unter der Voraussetzung, dass die X... eine Vergütung nach dem KWK-Gesetz (in Höhe von mindestens 9 Pfennig pro kWh Strom) entrichte, weil es sich bei der MVA um eine Anlage im Sinne des KWK-Gesetz handele.
9Dies lehnte die X... mit Schreiben vom 3. Juli (Bl. 515 GA III= Bl. 612 GA IV) und vom 5. Juli 2000 (Bl. 516 GA III= Bl. 613 ff. GA IV) ab. Sie bot für den Zeitraum 1. Juli 2000 bis 30. September 2000 den Abschluss einer Interimsvereinbarung an. Diese sollte folgenden Inhalt haben: Für die eingespeiste Energie aus der jeweils bestimmungsgemäß festgelegte Sollleistung offerierte sie einen Preis von 1,5 Cent/kWh, für die oberhalb der jeweiligen bestimmungsgemäß festgelegten Soll-Leistung einen Betrag von 0,75 Cent pro kWh und zusätzlich für die gesamte gelieferte elektrische Wirkarbeit eine Netzgutschrift von 0,15 Cent pro kWh. Auf die Anlage 2 zum Schreiben vom 5. Juli 2000 (Bl. 521 GA III) wird Bezug genommen.
10Die Klägerin wies das Angebot der X... mit Schreiben vom 12. Juli 2000 (Anlage B 32, Bl. 624 GA IV) zurück. Für den Zeitraum vom 18. Mai 2000 bis zum 30. Juni 2000 (Zeitraum I) bestand sie auf der Zahlung einer Vergütung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in Höhe von mindestens 9 Pf/kWh statt der von der Beklagten tatsächlich gezahlten 7,2 Pf/kWh. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. September 2000 (Zeitraum II) erklärte sie ihr Einverständnis zu der von der X... angebotenen Interimsregelung nach Anlage 1 (Individuelle Preisvereinbarung für den Strombezug der KWA) und 3 (Technische Regelungen), nicht aber zu der Preisvereinbarung für die Lieferung elektrischer Überschussregelung nach Anlage 2 (Bl. 618 GA IV). Sie schlug vor, für den Zeitraum 1. Juli 2000 bis 30. September 2000 bis zu einer juristischen Klärung so zu verfahren, dass der Überschussstrom, der aus der KWK-Anlage in das Netz der X... eingespeist werden sollte, und der Überschussstrom für Lieferungen oberhalb festgelegter Sollleistungen ohne Anerkennung der Richtigkeit der Abrechnung der KWA mit 0,75 Cent pro kWh und einer Netzgutschrift von 0,15 Cent pro kWh vergütet werden sollten. Dem Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Interimsvertrags über den Strombezug nach Anlage 1 und 3 stimmte die X... mit Schreiben vom 7. August 2000 (Anlagenkonvolut K24, Bl. 530 f. GA III) zu. Die Zahlung einer Vergütung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz von mindestens 9 Pf/kWh für den von der Klägerin im Zeitraum vom 18. Mai bis zum 30. Juni 2006 eingespeisten Strom lehnte sie jedoch ab, weil das Unternehmen der Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 KWKG erfülle und kein Stromlieferungsvertrag bestehe, der vor dem 1. Januar 2000 geschlossen worden sei. Sie stimmte aber dem Vorschlag der Klägerin zu, die Vergütung für den eingespeisten Strom gemäß der individuellen Preisvereinbarung für die Lieferung elektrischer Überschussenergie gemäß ihrem Schreiben vom 5. Juli 2000 (Ziffer 2.2 und 2.3) vorläufig zu regeln.
11Die Einspeisung des bei der Müllverbrennung gewonnenen Stroms wurde durch die Klägerin im Anschluss an die einvernehmliche "Beendigung" des Vertrags vom 19./30. Dezember 1994 zum 30. Juni 2000 fortgesetzt. Der eingespeiste Strom wurde von der Beklagten so vergütet, wie es die Klägerin mit Schreiben vom 12. Juli 2000 vorgeschlagen hatte.
12Die Beklagte (bis zum 30. September 2003 firmierend unter Y...) führte im Rahmen der sogenannten Entflechtung von Netzbetrieb und Stromversorgung die früher von der X... wahrgenommene Rolle als Träger der allgemeinen Versorgung gem. § 10 EnWG fort, während die Z... von der X... das Stromversorgungsnetz übernahm.
13Unter dem 6./26. April 2001 unterzeichneten die Klägerin und die Beklagte einen Liefervertrag (Bl. 536 f. GA III), der rückwirkend zum 1. Oktober 2000 in Kraft trat. Die Klägerin erklärte mit Begleitschreiben vom 26. April 2001 (Anlage B 2 Bl. 260 GA II=Bl. 531 GA III) einen Vorbehalt zu Ziffer 1.3 des Vertrags und der Anlage 1 (betreffend die Höhe der Vergütung für eingespeisten Strom) und wies darauf hin, dass "die vereinbarte Vergütung nach den Grundsätzen des § 4 KWKG zu bemessen" sei. Damit war die Beklagte nicht einverstanden.
14Mit Schreiben vom 3. Mai 2001 erklärte die Z... als Rechtsvorgängerin der ehemaligen Beklagten zu 1, dass sie hinsichtlich etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen die Z... nach dem KWKG in der derzeit gültigen Fassung, die nicht aktuell rechtshängig gemacht werden sollen, auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 2005 verzichte (Anlage K 22, Bl 406 GA III).
15Im Juli 2001 erhob die Klägerin beim Landgericht Essen Klage (12 O 317/01) gegen die Beklagten auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der gezahlten und der in § 4 KWKG bestimmten Vergütung. Im Einzelnen verlangte sie
16Diese Klage wurde vom Landgericht Essen in erster Instanz abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 19. Dezember 2003 (11 U 41/02; Anlage B 23= Bl. 464 ff GA II) zurück. Auf die Revision der Klägerin (vgl. Revisionsbegründung Bl. 478 GA III) hob der Bundesgerichtshof das klageabweisende Urteil bezüglich des Betrags von 72.890,17 Euro (= 142.560,79 DM als Vergütung für den Zeitraum I vom 18. Mai bis 30. Juni 2000) mit Urteil vom 15. Juni 2005 (VIII ZR 74/04) auf und verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht Hamm zurück. Die Revision wies der Bundesgerichtshof für die Zeiträume II und III mit der Begründung zurück, der Strom sei nicht auf der Grundlage eines vor dem 1. Januar 2000 geschlossenen Liefervertrags bezogen worden. Der Liefervertrag vom 19./30. Dezember 1994 sei einvernehmlich zum 30. Juni 2000 beendet worden. Der Strombezug sei anschließend zwar fortgesetzt worden. Es sei jedoch nicht festgestellt, dass dies auf der Grundlage einer vor dem 1. Januar 2000 getroffenen Absprache geschehen sei.
20Mit Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. August 2006 wurden die Beklagten zur Zahlung des vorgenannten Betrags in Höhe von 72.890,17 Euro an die Klägerin verurteilt.
21Mit der am 29. Dezember 2003 beim Landgericht eingereichten Klage, den Beklagten am 22. Januar 2004 und am 26. Januar 2004 zugestellt, begehrte die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 2.549.173,00 Euro zwischen einer Vergütung nach dem KWKG und der tatsächlich gezahlten Vergütung für die im Zeitraum November 2000 bis März 2002 (nachfolgend: Zeitraum IV) eingespeiste Strommenge von 8.362.955 kWh. Hilfsweise verlangte sie den Abschluss eines Einspeisevertrags nach dem KWKG und weiter hilfsweise begehrte sie im Wege der Stufenklage Auskunft über die durch den eingespeisten Strom vermiedenen Energie- und Netzkosten.
22Mit der Klageschrift hat die Klägerin beantragt, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Zur Begründung ihres Antrags führte die Klägerin in der Klageschrift aus:
23Nach dem rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Verfahrens sollen Vergleichsverhandlungen über die mit der Klage geführten Ansprüche geführt werden. Deshalb beantragt die Klägerin, wie eingangs angekündigt, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Die Beklagten haben auf außergerichtliche Anfrage mitgeteilt, dass sie einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens wohlwollend prüfen werden.
24Die Beklagten erklärten im Schriftsatz vom 5. Februar 2004, dass das Ruhen des Verfahrens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 11 U 41/02 des OLG Hamm zweckmäßig erscheine. Mit Beschluss vom 6. Februar 2004 (Bl. 149 GA I) ordnete das Landgericht auf übereinstimmenden Antrag der Prozessbevollmächtigten der Parteien das Ruhen des Verfahrens an.
25Unter dem 22./23.Dezember 2005 (Anlage K 23 Bl. 408 GA III) unterzeichneten die Klägerin, die ehemalige Beklagte zu 1 (bis zum 15. Oktober 2003 firmierend unter Z...) und die Beklagte (firmierend unter Y...) eine Vereinbarung, in der die Beklagten darauf verzichteten, vor dem 1. Januar 2007 die Einrede der Verjährung gegenüber jedweden Ansprüchen aus dem Sachverhalt betreffend die Einspeisung der von der Klägerin erzeugten elektrischen Energie in das Netz der Z... und des Bezugs von elektrischer Energie durch die Y... in dem Zeitraum von Juli 2000 bis März 2002 zu erheben, soweit die Ansprüche im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht schon verjährt seien. Wegen des Inhalts der Vereinbarung wird auf Blatt 408 der Gerichtsakten verwiesen.
26Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2006, bei Gericht eingegangen am 18. Dezember 2006, wurde auf Antrag der Klägerin der erstinstanzliche Rechtsstreit fortgesetzt.
27Die Klägerin hat erstinstanzlich ausgeführt: Sie habe gegenüber der ehemaligen Beklagten zu 1 Einspeiseleistungen nach dem dritten Förderweg des KWKG in der Fassung vom 15. Mai 2000 erbracht. Die ehemalige Beklagte zu 1 als Eigentümerin des nächstgelegenen Netzes sei verpflichtet, diese nach dem KWKG zu vergüten und zwar ungeachtet des mit der Beklagten oder deren Rechtsvorgängerin geschlossenen Liefervertrages gemäß § 3 Abs. 1 KWKG. Aber auch die Beklagte sei nach § 4 Abs. 2 KWKG zur Zahlung der gesetzlichen Mindestvergütung verpflichtet.
28Sie hat ferner behauptet, im Oktober 2001 eine Strommenge von 8.362.955 kWh eingespeist zu haben.
29Die Klägerin hat beantragt,
30die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie für den von November 2000 bis März 2002 in das Netz der ehemaligen Beklagten zu 1 eingespeisten Strom 2.552.547,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von jährlich 8 % über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;
31hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, mit ihr einen Einspeisevertrag über den von ihr in das Netz der ehemaligen Beklagten zu 1 eingespeisten Strom abzuschließen und darin einer Vergütung von 4,6 ct./kwH für November und Dezember 2000, von 4,35 ct./kWh für Januar 2001 bis Dezember 2001 und von 4,10 ct./kWh für Januar 2002 bis März 2002 zuzustimmen;
32weiter hilfsweise im Wege der Stufenklage,
33die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, Auskunft über die Energie- und Netzkosten zu erteilen, die durch den von ihr von November 2001 bis März 2002 eingespeisten Strom vermieden worden sind.
34Die ehemaligen Beklagten zu 1 und zu 2 haben beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie haben einen Vergütungsanspruch nach dem sogenannten dritten Förderweg mangels eines übergangslos fortgesetzten Liefervertrags für nicht gegeben gehalten.
37Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagte mit Urteil vom 17. April 2008 nach Beweisaufnahme (Bl. 660 GA) in Höhe eines Betrages von 2.549.173,00 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Die Klage gegen die ehemalige Beklagte zu 1 hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
38Die Klägerin habe einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe des tenorierten Betrages gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, 4 KWKG. Die Voraussetzungen nach dem sogenannten dritten Förderweg seien erfüllt. Auch die Voraussetzung, dass der Strom im streitgegenständlichen Zeitraum von November 2000 bis März 2002 auf der Grundlage eines vor dem 1. Januar 2000 geschlossenen Liefervertrages eingespeist worden sei, sei erfüllt. Der im Jahr 1994 geschlossene Liefervertrag der Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 sei nach seiner einvernehmlichen Beendigung zum 30. Juni 2000 durch eine zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. September 2000 vereinbarte Interimsregelung und durch den zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Rückwirkung zum 1. Oktober 2000 geschlossenen Liefervertrag vom 6./26.4.2001 übergangslos fortgesetzt worden.
39Die Verjährung der Ansprüche sei durch den Verjährungsverzicht vom 22. Dezember 2005 gehemmt worden. Für den Monat Oktober 2001 könne nur die von der Beklagten zugestandene Strommenge von 8.285.325 kwh zu Grunde gelegt werden. Die Klage sei deshalb in Höhe eines Betrages von 3.374,00 Euro unbegründet.
40Die Klage sei gegenüber der Beklagten zu 1 unbegründet. Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1 als Netzbetreiber gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KWKG scheide nach § 3 Abs. 1 KWKG aus, weil Anspruchsverpflichteter bei Bestehen eines Liefervertrages nur der Vertragspartner und nicht der nächstgelegene Netzbetreiber sei.
41Auf den Inhalt des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen.
42Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die im Wesentlichen vorträgt: Der Vertrag über Lieferung und Bezug von elektrischer Energie aus dem Jahre 1994 sei nicht durch den Vertrag vom 6./26. April 2001 übergangslos fortgesetzt worden, sondern es sei nach der Kündigung des Einspeise- und Liefervertrags von 1994 durch die X... mit dem Vertrag vom April 2001 ein neuer Vertrag mit neuem Inhalt (rückwirkend zum 1. Oktober 2000) geschlossen worden. Die Ansprüche seien im Übrigen schon bei Abschluss der Verzichtsvereinbarung vom 22. Dezember 2005 verjährt gewesen.
43Die Beklagte beantragt,
44das Urteil des Landgerichts vom 17. April 2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.
45Die Klägerin beantragt,
46die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
47Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
48Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen mit Ausnahme der nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 14. Juli 2007 sowie vom 9. Oktober 2009 und der Beklagten vom 21. September 2009.
49II.
50Die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
51Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der vertraglich vereinbarten Vergütung und der in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmten Vergütung für den im Zeitraum November 2000 bis März 2002 unstreitig gelieferten Strom in Höhe von Euro 2.549.173,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. Januar 2004 zu.
52Dieser Anspruch ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG als der allein in Betracht kommenden Anspruchgrundlage, da der betreffende Strom von der Beklagten auf der Grundlage eines vor dem 1. Januar 2000 abgeschlossenen Liefervertrages bezogen wurde. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG bleiben bereits "bestehende" vertragliche Abnahmeverpflichtungen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3 unberührt. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG setzt voraus, daß der Strom "auf der Grundlage eines vor dem 1. Januar 2000 geschlossenen Liefervertrages" bezogen wird. Demgemäß ist ein Vertrag erforderlich, der vor dem genannten Stichtag geschlossen worden ist und zum Zeitpunkt des Strombezugs fortbesteht. Eine nachträgliche Änderung der Höhe der Vergütung ist dabei unschädlich; sie entspricht vielmehr § 4 Abs. 2 KWKG, wonach die Vergütung für Strom nach § 2 Abs. 1 Satz 3 KWKG – ausgehend von der auch insoweit grundsätzlich geltenden Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG – auf der Grundlage von Lieferverträgen geregelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2004, VIII ZR 236/02, WM 2004, 2256 unter II 5; ferner Urteile vom 14. Juli 2004, VIII ZR 356/03, RdE 2004, 300 u. VIII ZR 345/03, VersorgW 2004, 276, unter II 3 e bzw. unter II 5).
56Zwar ist der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2005 (VIII ZR 74/04, NVwZ-RR 2006, 109-113) auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamm im Urteil vom 19. Dezember 2003 (Anlage Seite 3 und Seite 12) davon ausgegangen, der Liefervertrag vom 19./30. Dezember 1994 sei von den Parteien einvernehmlich zum 30. Juni 2000 "beendet" und in der Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. September 2000 nicht durch einen neuen Vertrag mit im Wesentlichen unveränderten Inhalt ersetzt worden. Die ab dem 1. Juli 2000 bis zum 30. September 2000 erfolgende Stromeinspeisung sei in einem "vertragslosen" Zustand fortgesetzt worden. Mit Urteil vom 6. Juli 2005 (VIII ZR 152/04, Tz. 15, NVwZ –RR 2004, 115-116) hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem anderen Rechtsstreit andererseits ausgeführt, dass ein vor dem Stichtag 1. Januar 2000 geschlossener Liefervertrag auch dann noch besteht, wenn er nach diesem Stichtag übergangslos durch einen neuen Vertrag mit im wesentlichen unverändertem Inhalt ersetzt und damit über den 31. Dezember 1999 hinaus fortgesetzt wird. Ob ein vor dem 1. Januar 2000 geschlossener Vertrag danach fortgesetzt oder ob ein solcher Vertrag übergangslos durch einen neuen Vertrag mit im wesentlichen unverändertem Inhalt ersetzt werde, stelle - anders als die Beendigung des Liefervertrages mit anschließender Fortsetzung des Strombezugs im vertragslosen Zustand (dazu Senatsurteil vom 15. Juni 2005, aaO) - keinen sachlichen Unterschied dar und rechtfertige daher auch keine unterschiedliche Beurteilung. Der Sinn der Stichtagsregelung, den gemäß § 1 KWKG bezweckten Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung in der allgemeinen Versorgung auf den Bestand vor dem 1. Januar 2000 zu begrenzen (BGH, Urteil vom 10. März 2004 - VIII ZR 213/02, WM 2004, 2264, unter B III 1), stehe dem nicht entgegen, da hierdurch die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung nicht über den Bestand am 1. Januar 2000 hinaus ausgeweitet werde. Letzteres war indes auch hier nicht der Fall.
57Der Liefervertrag vom 19./30. Dezember 1994 besteht fort, da er nach dem Stichtag überganglos durch neue Verträge mit im wesentlichen unveränderten Inhalt ersetzt und damit im Ergebnis über den 31. Dezember 1999 fortgesetzt wurde. In den Monaten Juli bis September 2000 ist der Strombezug nicht in einem vertragslosen Zustand fortgesetzt worden. Der Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 wurde durch den Interimsvertrag vom 12. Juli/7. August 2000 und den Vertrag vom 6./26. April 2001 im Wesentlichen unverändert und übergangslos fortgesetzt.
58a) Die zwischen Energieversorgungsunternehmen (Stromerzeugern) und Energieversorgungsunternehmen geschlossenen Verträge über die Einspeisung von erneuerbaren Energien sind Kaufverträge im Sinne des § 433 BGB. Ein wesentliches Erfordernis für das Zustandekommen des Kaufvertrages ist, dass die Vertragspartner sich über den Kaufpreis einig sind. Ausweislich des zwischen der Klägerin und der ehemaligen Beklagten zu 1 geführten Schriftwechsels vom 12. Juli 2008 und vom 7. August 2008 konnten sich die Vertragsparteien zwar nicht über die zu zahlende Vergütung für die gelieferte Energie einigen. Entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB kann aber auch ohne Einigung über den Kaufpreis nach dem Willen der Vertragsparteien wenigstens im Übrigen ein Vertrag zustandekommen (vgl. Kartellsenat des BGH, Urt. v. 2.4.1964, BGHZ 41, 271-282, Tz. 8). Die dabei verbleibende Lücke im Vertrag muss, wenn auch später keine Einigung über diesen Punkt zustandekommt, nach den gesetzlichen Bestimmungen ausgefüllt werden, also entweder nach § 315 BGB oder aber - wie im Streitfall - nach § 4 Abs. 1 KWKG. Es entspricht der Lebenswirklichkeit und nach dem hier vorliegenden Sachverhalt ersichtlich auch dem Willen und den Vorstellungen des Parteien dieses Rechtsstreits, dass Unternehmen oder Personen, die kraft gesetzlicher Verpflichtungen - wie hier in § 3 KWKG - einem Anschluss- und Kontrahierungszwang unterliegen und zwangsläufig als Lieferer und Abnehmer einer Ware zueinander in dauernde Beziehungen treten müssen, ihre Beziehungen als (kauf-)vertragliche Abreden ausgestalten und nicht in einem vertragslosen Zustand handeln wollen.
59Zwar haben die Vertragsparteien im Schreiben vom 12. Juli 1999 davon gesprochen, dass der Ursprungsvertrag vom 19./30. Dezember 1994 zum 30. Juni 2006 "enden" solle. Von einer Beendigung der Lieferbeziehungen zwischen den Parteien konnte aber nicht die Rede sein. Vielmehr gingen beide Parteien davon aus, dass sich an der Einspeisung von Energie in das Netz der X... durch die Klägerin auf Dauer nichts ändern sollte. Das Netz der X... war das nächstgelegene Netz, welches aus Sicht der Klägerin praktisch allein für den Anschluss ihrer Anlage zum Zwecke des Bezugs und der Einspeisung von Strom in Frage kam. Jedenfalls ist insoweit hinsichtlich des Bestehens anderer Anschlussmöglichkeiten nichts vorgetragen. Wirtschaftlich sinnvolle Ausweichmöglichkeiten auf die Netze anderer Netzbetreiber bestanden offenbar nicht. Beide Parteien gingen jedoch im Juli 2000 übereinstimmend davon aus, dass die X... weiterhin den bei der Müllverbrennung erzeugten Strom abnehmen sollte. Nur die Vergütungsvereinbarung im Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 sollte nach dem Willen der Vertragsparteien nicht länger die Berechnungsbasis für die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung für die eingespeiste Energie bilden. Dies betont ausdrücklich auch die Klägerin in ihrem Schreiben vom 2. Juni 2000. Dass die Zusammenarbeit über den 30. Juni 2000 hinaus fortgeführt werden sollte, sah auch die X... so. Dies folgt schon daraus, dass sie im Schreiben vom 5. Juli 2000 erklärt hat, schon ein Angebot für die Zusammenarbeit mit der Klägerin ab dem 1. Oktober 2000 vorzubereiten. Die Vertragsparteien haben sich auch auf eine "vorläufige" Vergütungsregelung geeinigt, wie die Schreiben der Klägerin vom 12. Juli 2000 und das Schreiben der X... vom 7. August 2000 zeigen; diese sollte unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung stehen. Den Ausführungen des Landgerichts auf Seite 9 - 10 des Urteils pflichtet der Senat bei.
60b) Der Einspeise-Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 wurde – mit Ausnahme der ursprünglichen Vergütungsvereinbarung – übergangslos und durch im Wesentlichen identische vertragliche Vereinbarungen, nämlich durch den Interimsvertrag vom 8./12. Juli 2000 und den Vertrag vom 6./26. April 2001 unverändert ersetzt. Die Anforderungen der Übergangslosigkeit und der im Wesentlichen identischen Vereinbarungen sind durch die Verträge erfüllt. Die Interimsvereinbarung vom 8./12. Juli 2000 sollte rückwirkend ab dem 1. Juli 2000 in Kraft treten (vgl. Schreiben der Beklagten vom 5. Juli 2000) und bis zum 30. September 2000 Geltung entfalten. Zwar ist im Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis zum 26. April 2001 die Stromlieferung erfolgt, ohne dass ein wirksamer Vertrag bestand. Jedoch haben die Klägerin und die Beklagte unter dem 6./26. April 2001 einen Einspeise- und Abnahmevertrag geschlossen, der rückwirkend Geltung zum 1. Oktober entfalten sollte. Der Vertrag vom 19./30. Dezember 2000 ist auch im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden. Die Änderungen zum Reservestrom, Blindstrom und Blindarbeitspreis betrafen den Strombezugsvertrag. Lediglich die Möglichkeit der Klägerin zur Belieferung dritter auf dem Gelände der MVA ansässiger Unternehmen mit Strom nach Ziffer 1.4 des Vertrags vom 6./26. April 2001 war nach dem Einspeisevertrag vom 19./30.Dezember 1994 (vgl. dort Ziffer 1.3) ausgeschlossen. Die Lückenhaftigkeit des Interimsvertrags beim vereinbarten Preis steht der Annahme einer im Wesentlichen unveränderten Fortsetzung des Altvertrages vom 19./30. Dezember 1994 schon deshalb nicht entgegen, weil nach dem Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 15. Juni 2005 (VIII ZR 74/04) eine fehlende oder vorläufige Preisabrede ohnedies durch die Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG zu ergänzen oder zu ersetzen gewesen wäre. Der Umstand, dass die Beklagte an die Stelle der X... trat, war ebenfalls kein Umstand, der der übergangslosen und im Wesentlichen unveränderten Fortsetzung des Vertrages vom 19./30. Dezember 2000 entgegenstand, weil die Beklagte Teilrechtsnachfolgerin der X... ist, soweit es die Versorgung der Bevölkerung mit Strom betrifft.
61Ausgehend von einer eingespeisten Strommenge in Höhe von nur 8.285.325 kWh im Oktober 2001 ergibt sich der vom Landgericht tenorierte Differenzbetrag in Höhe von 2.549.173,00 Euro zugunsten der Klägerin.
62Allerdings ist die durch die Einreichung der der Beklagten am 26. Januar 2004 zugestellten Klage am 29. Dezember 2003 (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO) eingetretene Hemmung der Verjährung beendet worden, weil das streitgegenständliche Verfahren durch Nichtbetreiben in Stillstand geriet. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. Februar 2004 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 1 BGB endet die mit der Klageerhebung eingetretene Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Eintritt des Stillstands des Verfahrens. Der Stillstand des Verfahrens ist am 6. Februar 2004 eingetreten, da das Landgericht auf den übereinstimmenden Antrag beider Parteien durch Beschluss das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat (§ 251 ZPO). Das Ende der Hemmung der Verjährung durch die Klageerhebung trat am 6. August 2004 ein (§ 118 Abs. 2 BGB).
64Nach § 203 Satz 1 BGB ist allerdings die Verjährung über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände gehemmt, solange Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben und zwar so lange, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Zu dieser Vorschrift hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es für eine Beendigung der Hemmung ausreiche, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen "einschlafen" lasse (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.2008, IX ZR 158/07, MDR 2009, 275). Von einem "Einschlafenlassen" der Verhandlungen durch den Gläubiger und damit einer Beendigung der Hemmung ist der Bundesgerichtshof in einem Fall ausgegangen, bei dem nach dem letzten Gespräch mit dem Schuldner ein Jahr vergangen war. Im Streitfall wäre die durch die bis Anfang Februar 2004 geführten Verhandlungen über das Ruhen des Verfahrens eingetretene Verjährungshemmung Anfang Februar 2005 beendet gewesen, wenn die Verhandlungen nicht weiterbetreiben worden wären, also infolge von Passivität der Klägerin "eingeschlafen" wären. Von einem Einschlafenlassen der Verhandlungen durch die Klägerin kann jedoch im Streitfall nicht die Rede sein, weil die Parteien den rechtskräftigen Abschluss des Parallelverfahrens abwarten wollten (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 5.2.2004, Seite 2, Bl. 148). Sie haben eine Verhandlungspause bis zur rechtskräftigen Entscheidung bewusst eintreten lassen, um in Kenntnis der Entscheidung des Bundesgerichtshofs später weiter zu verhandeln (vgl. BGH NJW 1986,1337-1339).
69Die Beendigung der Hemmung der Verjährung trat auch nach dem 15. Juni 2005, dem Tag der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof nicht ein, da die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Teil zu einer Zurückverweisung des parallelen Rechtsstreits an das Oberlandesgericht Hamm und damit noch nicht zu einem rechtskräftigen Abschluss des Parallelverfahrens in Gänze geführt hat. In dieser Situation wäre es Sache der Beklagten gewesen, einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu stellen, um so die Beendigung der Verjährungshemmung herbeizuführen. Sie hat aber darauf verzichtet und die Verhandlungen über die Ansprüche mit der Klägerin sogar im Dezember 2005 fortgeführt. Eine Fortführung der Verhandlungen liegt darin, dass die Beklagte mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 erklärt hat, sie verzichte auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 1. Januar 2007, soweit die Verjährung bislang nicht eingetreten sei. Zwar kann ein Schuldner gemäß § 202 BGB durch einseitige Erklärung auf die Erhebung der Einrede ganz oder zeitlich befristet verzichten und zwar sogar schon vor dem Eintritt der Verjährung. Durch den Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung wird indes der Ablauf der Verjährungsfrist nicht hinausgeschoben (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2009, II ZR 32/09, NJW 2009, 1598, Tz. 22). Folge des Verzichts ist nur, dass das Leistungsverweigerungsrecht für den vereinbarten Zeitraum ausgeschlossen ist. Indes ist der Begriff der Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB nicht auf Vergleichsverhandlungen beschränkt (vgl. BGH NJW 2004, 1654, 1655 unter 2.). Es genügen Erklärungen des Schuldners, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein. Eine solche Erklärung ist auch in der Abgabe einer Verzichtserklärung über die Erhebung der Einrede der Verjährung zu sehen. Hier waren die Parteien dadurch in Verhandlungen über den Anspruch eingetreten, dass die Beklagte mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung gegenüber der Klägerin verzichtete, so dass die Klägerin bzw. ihr Bevollmächtigter unabhängig von dem im Schreiben vom 22. Dezember 2005 erklärten Verzicht zu der Annahme gelangen konnte, die Beklagten würden die Ansprüche prüfen und darüber verhandeln und nicht nur den Ausgang des Parallelverfahrens beim Bundesgerichtshof abwarten wollen. Dann ist zu diesem Zeitpunkt (22. Dezember 2005) eine erneute Hemmung der Verjährung nach § 209 BGB durch die Wiederaufnahme von Verhandlungen eingetreten, deren Beendigung durch ein "Einschlafen" der Verhandlungen nach Ablauf eines Jahres erst am 22. Dezember 2006 eingetreten wäre. Nach § 203 Satz 2 BGB wäre die Verjährung der Ansprüche aus den Jahren 2000 und 2001 frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eingetreten. Am 18. Dezember 2006 hat die Klägerin aber die Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens beantragt, womit die Hemmung der Verjährungsfrist erneut begann (§ 204 Abs. 2 Satz 3 BGB).
70Geht man von einer Beendigung der Verjährungshemmung durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2005 aus, weil jedenfalls eine rechtskräftige Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich des Zeitraums 1. Juli 2000 bis 30. September 2000 (Zeitraum II) vorlag, der für die streitgegenständlichen Ansprüche von Interesse war, so erhält man kein anderes Ergebnis. Am 15. Juni 2005 waren 12 (2000) bzw. 24 (2001) Monate der dreijährigen Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen. Der Ablauf der restlichen Verjährungsfristen wäre dann durch die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Beklagten über den Verzicht auf die Einrede der Verjährung im Dezember 2005 gehemmt worden.
71Dicks | Dieck-Bogatzke | Frister |
Bemerkung: Revision BGH VIII ZR 15/10 - Urteil v. 06.10.10: aufgehoben und zurückverwiesen;