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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts
- Familiengericht - Grevenbroich vom 24.07.2008 unter Zurückweisung des wei- tergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der von den Parteien in dem Verfahren Amtsgericht Grevenbroich – 8 F 11/07 – am 02.07.2007 geschlossene Vergleich wird unter Abweisung der weitergehen-den Klage dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten nacheheli-chen Unterhalt für die Monate August bis Dezember 2008 in Höhe von monat-lich 423,00 €, für die Monate Januar bis Dezember 2009 in Höhe von monatlich 365,00 €, für die Monate Januar bis Juli 2010 in Höhe von monatlich 208,00 € und ab dem 01.08.2010 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz sowie die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
2Die Parteien streiten im Wege einer Abänderungsklage um nachehelichen Unterhalt ab Februar 2008.
3Die Parteien heirateten am 31.05.1999. Nachdem sie sich in 2001 getrennt hatten, wurde die Ehe am 08.02.2005 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe ist die am 16.07.1999 geborene Tochter J. V. O. hervorgegangen. Von Juli 2003 bis Dezember 2005 lebten die Tochter der Parteien und das aus einer vorehelichen Beziehung der Beklagten stammende Kind R. O., geboren am 24.08.1997, in einer Pflegefamilie und seither im Haushalt der Beklagten. Die Beklagte ist mit den beiden Kindern zwischenzeitlich nach H.. verzogen.
4Durch Vergleich vom 02.07.2007 (AG Grevenbroich – 8 F 11/07) verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte ab September 2006 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 440,00 € zu zahlen. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Abänderung dieses Vergleichs dahin, dass er ab Februar 2008 nicht mehr zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet ist.
5Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass trotz geänderter Verhältnisse ein Unterhaltsanspruch der Beklagten in Höhe des titulierten Betrages weiterhin bestehe. Ausgehend von einem Nettoeinkommen des Klägers von monatlich 2.393,00 € verblieben nach Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen (119,65 €) und des im Hinblick auf das Insolvenzverfahren nach § 850 c ZPO pfändbaren Betrages (186,29 €) 2.087,00 €. Von diesem Einkommen seien zunächst der für die Tochter J.. mit 247,00 € titulierte Kindesunterhalt sowie der Kindesunterhalt für die weitere Tochter des Klägers mit 307,00 € in Abzug zu bringen. Dem Kläger verblieben dann 1.533,00 €. Weiterhin ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte jedenfalls kein höheres Einkommen als bereinigt netto 475,00 € aus einer halbschichtigen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Denn auch nach der Neufassung des § 1570 BGB bestehe keine weitergehende Erwerbsobliegenheit im Hinblick auf das Alter des Kindes und hier insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass die Tochter lange Zeit in einer Pflegefamilie gelebt habe und daher in besonderem Maße die persönliche Betreuung durch die Beklagte bedürfe.
6Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
7Er ist der Ansicht, die Beklagte müsse nunmehr trotz der Betreuung der gemeinsamen Tochter J. geboren am 16.07.1999, einer Vollzeittätigkeit nachgehen. J. besuche inzwischen die 2. Klasse der Gesamtschule, so dass ihre Betreuung von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr sichergestellt sei. Der Unterricht sei so gestaltet, dass eine anschließende Nachbetreuung der Tochter zu Hause nicht erforderlich sei. Aus einer ihr möglichen vollschichtigen Tätigkeit könne die Beklagte ein monatliches Einkommen von bereinigt netto 981,00 € erzielen. Soweit sich wegen einer verbleibenden Einkommensdifferenz rechnerisch noch ein Unterhaltsanspruch ergebe, handele es sich um Aufstockungsunterhalt. Ein dahingehender Anspruch bestehe jedoch vier Jahre nach rechtskräftiger Scheidung der nur fünf Jahre dauernden Ehe nicht mehr.
8Der Kläger beantragt,
9unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Grevenbroich vom 24.07.2008 den zwischen den Parteien unter dem 02.07.2007 zum Aktenzeichen 8 F 11/07 Amtsgericht Grevenbroich geschlossenen Vergleich dahin abzuändern, dass der Kläger der Beklagten ab Februar 2008 keinen Unterhalt mehr schuldet.
10Die Beklagte beantragt,
11die Berufung zurückzuweisen.
12Sie hat vorgetragen, die ständig veränderten Lebensumstände J.s in den ersten Lebensjahren habe eine Nachmittagsbetreuung durch sie, die Beklagte, während der Grundschulzeit erforderlich gemacht. J. habe innerhalb der ersten 6 ½ Lebensjahre mehrere Trennungen erfahren, zunächst 2001 die Trennung vom Kindesvater anlässlich der Trennung der Parteien, in 2003 die Trennung von der Beklagten anlässlich der Unterbringung in einer Pflegefamilie und sodann im Dezember 2005 die Trennung von der Pflegefamilie anlässlich der Rückführung zu ihr, der Beklagten. J. sei ihr gegenüber nach der Rückkehr in ihren Haushalt zunächst sehr misstrauisch gewesen. Das Kind habe starke Verlustängste gezeigt und geweint, wenn sie, die Beklagte, es im Kindergarten habe lassen wollen. J. sei nur schwer zu beruhigen gewesen, und habe genau darauf geachtet, dass sie wieder pünktlich abgeholt wurde. Bei geringfügigen Verspätungen beim Abholen sei J. sehr unruhig gewesen. Dieses Verhalten habe das Kind noch in der Grundschule gezeigt. Im Februar 2008 sei der Prozess der Sicherheits- und Vertrauensgewinnung zu ihr, der Beklagten, noch nicht abgeschlossen gewesen. J. sei darauf angewiesen gewesen, dass sie pünktlich von ihrer Mutter in der Schule abgeholt wurde und ihre Mutter den Nachmittag mit ihr verbrachte. Mit einem Besuch der Offenen Ganztagsschule wäre J. überfordert gewesen, da diese sich auf eine zusätzliche Betreuungsperson und andere Kinder als in ihrer Klasse in den Nachmittagsstunden nicht habe einlassen können. J. habe sich in dieser Zeit auch verunsichert gezeigt. Auch eine Betreuung durch eine Tagesmutter sei für J. während der Grundschulzeit nicht angebracht gewesen. Die damit verbundene Änderung der vertrauten Umgebung hätte die Gefahr begründet, dass J.dann keine zuverlässige Bindung zu ihrer Mutter, der Beklagten, hätte aufbauen können.
13Ihr Versuch, J. trotz der Bedenken in der Offenen Ganztagsschule anzumelden, sei gescheitert, weil die Stadt Grevenbroich den Abschluss eines Betreuungsvertrags wegen bestehender Zahlungsrückstände an Kindergartenbeiträgen in Höhe von ca. 1.500,00 € verwehrt habe. Sie habe die Rückstände aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht aufbringen können. Ihre wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit könne nicht dazu führen, dass J. in den Nachmittagsstunden unbetreut bleibe. Im Übrigen sei auch der Kläger in der Lage gewesen, die Zahlungsrückstände auszugleichen und so für eine Betreuungsmöglichkeit zu sorgen. Zur Zahlung von Kindergartenbeiträge zusätzlich zum Barunterhalt sei der Beklagte verpflichtet gewesen. Bei einer tatsächlich sichergestellten Betreuung wäre ihr eine Tätigkeit möglich gewesen. Dann hätte sich gezeigt, ob J. eine Betreuung verkraftet hätte. Der Kindesvater sei ab Sommer 2007 nicht bereit gewesen, sich regelmäßig und zuverlässig um J. zu kümmern; regelmäßige Wochenendkontakte habe es nicht gegeben. Kindererziehung, Versorgung und Regelung des Haushalts seien keine zu vernachlässigenden Nebenaufgabe. Wenn der nicht betreuende Elternteil nicht bereit sei, an der Erziehung und Förderung des Kindes mitzuwirken, müsse für den betreuenden Elternteil ein Ausgleich gefunden werden.
14Sie sei bemüht, mit Hilfe der ARGE für den R.-K. N. wieder ins Erwerbsleben zu finden. Daher sei sie im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme aufgrund einer mit der ARGE R.-K. –N. am 25.08.2008 getroffenen Eingliederungsvereinbarung als Pflegehilfskraft tätig gewesen.
15Der Senat hatte die Berufung des Klägers mit Senatsurteil vom 22.12.2008 zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof mit Versäumnisurteil vom 15.06.2011 das Senatsurteil vom 22.12.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückverwiesen.
16II.
17Vorliegend ist noch das bis zum 31.08.2008 geltende Verfahrensrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG).
18Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
19Die zulässige Abänderungsklage des Klägers führt zur Abänderung des Vergleichs vom 02.07.2007 dahingehend, dass der Kläger der Beklagten nachehelichen Unterhalt für die Monate August bis Dezember 2008 in Höhe von monatlich 423,00 €, für die Monate Januar bis Dezember 2009 in Höhe von monatlich 365,00 €, für die Monate Januar bis Juli 2010 in Höhe von monatlich 208,00 € und ab dem 01.08.2010 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.
201. Die Klägerin hat für die Zeit von Februar 2008 bis einschließlich Juli 2010 einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB; ab Juli 2010 besteht ein solcher Anspruch nicht mehr. Daneben hat sie einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB, der jedoch gemäß § 1578b BGB bis zum 31.12.2009 zu befristen ist.
21Nach der am 01.01.2008 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung des § 1570 BGB steht dem betreuenden Elternteil ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes nur noch zu, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.06.2011 unter Hinweis auf vorangegangene Entscheidungen ausgeführt hat, verlangt die Neuregelung regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach dem neuen Unterhaltsrecht ist auch ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2 BGB) möglich. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus trägt der unterhaltsberechtigte Elternteil. Kind- und elternbezogene Gründe, die zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus aus Gründen der Billigkeit führen können, sind deswegen vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und zu beweisen.
22J. besuchte zu Beginn des Unterhaltszeitraums in 02/2008 die 2. Grundschulklasse; im Sommer 2010 wechselte sie auf eine Gesamtschule, in der sie nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Klägers von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr betreut wurde. Von einem entsprechenden Umfang der Fremdbetreuung ist mangels anderweitiger Angaben der Beklagten auch für die Zeit ab dem Umzug nach H. auszugehen.
23Konkrete Umstände, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach dem Ende des Grundschulbesuchs entgegenstehen, hat die Beklagte nicht ansatzweise dargelegt. Bei Besuch einer Gesamtschule mit Betreuungszeiten von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr kann die Beklagte vollschichtig arbeiten. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass J. ab der 5. Klasse nicht nach 16.00 Uhr stundenweise unbetreut bleiben konnte bzw. kann, zumal ihr älterer Halbbruder ebenfalls im Haushalt der Beklagten lebt. Mithin ist ab August 2010 kein Betreuungsunterhalt mehr geschuldet.
24In der Zeit von Februar 2008 bis Juli 2010 ist der Umfang der Erwerbsmöglichkeiten der Beklagten von den konkreten Betreuungsmöglichkeiten in der Offenen Ganztagsschule abhängig. Insoweit geht der Senat aufgrund der unbestritten gebliebenen Angaben der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 03.11.2008 (dort Seite 5) von einer Betreuungsmöglichkeit in der Zeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr aus. In diesem Zeitfenster konnte die Beklagte bei der gebotenen Berücksichtigung anfallender Wegezeiten und ihr zuzugestehender Pausen 6 Stunden arbeitstäglich arbeiten, mithin bei einer 5-Tage-Woche insgesamt 30 Stunden wöchentlich. Die Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit war ihr, da J. während der Grundschulzeit nicht vorübergehend sich selbst überlassen bleiben konnte, dagegen nicht möglich.
25Dass J. die Offene Ganztagsschule nicht besuchen konnte, weil die Stadt G. den mit der Beklagten geschlossenen Betreuungsvertrag wegen aufgelaufener Zahlungsrückstände gekündigt hat, kann die Beklagte dem Kläger nicht entgegenhalten. Konkrete Gründe für die Entstehung von Zahlungsrückständen gegenüber der Stadt Grevenbroich hat die Klägerin nicht dargelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Zahlungsrückstände ohne Verschulden der Beklagten entstanden sind. Selbst bei pünktlicher Zahlung des vergleichsweise titulierten Ehegattenunterhalts hätte die Beklagte nicht über Einkünfte verfügt, die das Existenzminimum und mithin die bezogenen öffentlichen Hilfen überstiegen. Nicht geleistete Unterhaltszahlungen durch den Kläger können unter diesen Umständen nicht ursächlich für die entstandenen Zahlungsrückstände gewesen sein. Essensgeld für J., das nach den Angaben der Beklagten im Senatstermin in Höhe von 480 € in dem aufgelaufenen Rückstand enthalten gewesen sein soll, wäre zudem nicht von dem Kläger zusätzlich zum Barunterhalt für J. zu zahlen gewesen. Einer Verpflichtung des Klägers zum Ausgleich der Zahlungsrückstände steht zudem die Regelung des § 1613 Abs. 1 BGB entgegen.
26Die Beklagte hat nicht ausreichend vorgetragen, dass J. in der Zeit von Februar 2008 bis Juli 2010 aus kindbezogenen Gründen die Offene Ganztagsschule nicht besuchen konnte, sondern vielmehr nach Schulschluss nachmittags der persönlichen Betreuung durch die Beklagte bedurfte. Ihr Vorbringen, auch das im Schriftsatz vom 19.09.2011 enthaltene, lässt die Angabe konkreter Umstände vermissen, die einen entsprechenden Schluss zulassen. Aus kindbezogenen Gründen ist dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, soweit die Betreuung des Kindes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend gesichert ist und auch nicht in kindgerechten Einrichtungen sichergestellt werden könnte und wenn das Kind im Hinblick auf sein Alter auch noch nicht sich selbst überlassen bleiben kann (BGH, FamRZ 2009, 770 ff., Tz. 30). Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit findet erst dort ihre Grenzen, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht der Fall ist (BGH, a.a.O., Tz. 26). J. lebte zu Beginn des Unterhaltszeitraums im Februar 2008 im Anschluss an die im Dezember 2005 erfolgte Rückkehr aus der Pflegefamilie wieder seit mehr als zwei Jahren im Haushalt der Beklagten. Sie besuchte bereits die 2. Grundschulklasse. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es J. wegen der erlebten Bindungsabbrüche in der Vergangenheit zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war, sich auf eine weitere Fremdbetreuung in der Offenen Ganztagsschule einzulassen, sind nicht erkennbar. Dem widerspricht schon die bereits zu Beginn des Schulbesuchs in 2006 erfolgte Anmeldung für eine Betreuung in der Offenen Ganztagsschule und der Abschluss eines entsprechenden Betreuungsvertrags mit der Stadt G., der von der Stadt G. wegen der Zahlungsrückstände später wieder gekündigt wurde. Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Beklagten, man hätte im Falle einer Begleichung der Zahlungsrückstände durch den Kläger ausprobieren können, wie J. auf die dann mögliche Fremdbetreuung reagiert hätte. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund J., wie die Beklagte vorgetragen hat, eine Zuverlässigkeit der Kindesmutter im Falle eines Besuchs der Offenen Ganztagsschule nicht hätte vermittelt werden können. Die Beklagte hätte J. bei einer täglichen Arbeitzeit von 6 Stunden auch dort jeweils pünktlich abholen können. Zeitliche Angaben dazu, bis wann J. genau auf ein pünktliches Abholen durch die Kindesmutter geachtet haben soll, fehlen zudem. Die Angabe "in der Grundschulzeit" lässt nicht erkennen, dass dies auch noch ab Februar 2008 der Fall war. Auf welche Weise sich J. "in dieser Zeit" verunsichert gezeigt haben soll, ist ebenfalls nicht mitgeteilt. Für die Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zur Frage möglicher Gefahren für das Kindeswohl durch eine Fremdbetreuung besteht unter diesen Umständen mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen keine Veranlassung. Diese würde vielmehr auf eine unzulässige Sachverhaltsausforschung hinauslaufen. Die weiteren allgemeinen Angriffe der Beklagten gegen die Regelung des § 1570 BGB in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung vermögen die fehlende konkrete Darlegung nicht zu ersetzen.
27Elternbezogene Gründe, die der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 30 Stunden/Woche entgegenstehen, hat die Beklagte nicht vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
28Der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist bei neben der Kinderbetreuung möglicher Teilzeittätigkeit auf die Differenz zwischen dem Einkommen aus der möglichen teilschichtigen Tätigkeit und dem bei vollschichtiger Tätigkeit erzielbaren Einkommen begrenzt. Auf den Ausgleich der Differenz des so errechneten Betrags zum Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist darüber hinaus der Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB gerichtet.
29Bestand und Höhe des Unterhaltsanspruchs der Beklagten aufgrund der vorgenannten Regelungen ist mithin von den beiderseits anzurechnenden Einkünften abhängig.
302. Einkommen der Beklagten
31a) In der Zeit von Februar 2008 bis Juli 2010 hätte die Beklagte aus einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden, das sind 130 Stunden monatlich (= 30*52/12) bei einem Stundensatz von 7,50 €, der für ungelernte Tätigkeiten mit entsprechendem Beschäftigungsumfang anzusetzen ist, monatlich 975,00 € brutto erzielen können. Lohnsteuern wären in dieser Zeit (bei Steuerklasse 2) nicht angefallen. Nach Abzug der jeweils anfallenden Sozialabgaben, der 5%-Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen und geschätzter Kosten von monatlich 35,00 € für die Betreuung J.s in der Offenen Ganztagsschule hätte die Beklagte folgendes bereinigte Einkommen monatlich erzielt: von Februar bis Dezember 2008: rund 700,00 €; von Januar bis Dezember 2009: rund 704,00 €; von Januar bis Juli 2010: rund 703,00 €.
32b) Bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit im Umfang von 173 Stunden monatlich hätte die ungelernte Beklagte bei einem Stundenlohn von 7,50 € nach Abzug von Lohnsteuer (Steuerklasse 2), Kirchensteuer, anfallenden Sozialabgaben, der 5%-Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen sowie geschätzter Kosten von monatlich 35,00 € bis Juli 2010 für die Betreuung J.s in der Offenen Ganztagsschule folgendes bereinigte Einkommen monatlich erzielt: von Februar bis Dezember 2008: rund 899,00 €, von Januar bis Dezember 2009: rund 907,00 €, von Januar bis Juli 2010: rund 911,00 €, von August bis Dezember 2010: rund 946,00 €, ab Januar 2011: rund 942,00 €.
333. Einkommen des Klägers
34a) Nach den vorliegenden Entgeltabrechnungen für 12/2008, 12/2009 und 12/2010 betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Klägers in 2008: 2.545,24 € in 2009: 2.350,05 € in 2010: 2.665,60 €. In 2011 wird es bei Fortschreibung der Jahressummen aus 2010 und Berücksichtigung der in 2011 anfallenden Steuern und Sozialabgaben monatlich durchschnittlich 2.550,51 € betragen.
35Nach Abzug der 5%-Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen, der vom Beklagten unstreitig geleisteten Unterhaltsbeträge für J. von monatlich 247,00 € und für die weitere Tochter C. in Höhe von monatlich 292,34 € sowie bis einschließlich März 2010 entsprechend der Vergleichsgrundlagen des bei dem errechneten Nettoeinkommen nach der Tabelle zur Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2005 bei drei Unterhaltsberechtigten pfändbaren Betrags von monatlich 192,29 € in 2008, 138,29 € in 2009 und 228,29 € von Januar bis März 2010 verbleibt mithin ein bereinigtes Einkommen des Klägers von monatlich rund 1.686,00 € in 2008, rund 1.555,00 € in 2009, rund 1.765,00 € von Januar bis März 2010, rund 1.993,00 € von April bis Dezember 2010 und von rund 2.011,00 € ab Januar 2011.
36Die Abtretung an den im Insolvenzverfahren bestellten Treuhänder endete im März 2010, so dass von Zahlungen an den Treuhänder bzw. von Pfändungen im Insolvenzverfahren ab April 2010 nicht mehr ausgegangen werden kann. Insbesondere lassen sich den vorliegenden Verdienstabrechnungen ab April 2010 keine Pfändungen bzw. Einbehaltungen wegen der vom Insolvenzverfahren erfassten Verbindlichkeiten entnehmen. Pfändungen wegen rückständigen Unterhalts der Beklagten sind für die Unterhaltsbemessung unerheblich.
374. Unterhaltsberechnung
38a) Aufgrund der nach den vorstehenden Ausführungen anzurechnenden Einkünfte der Parteien errechnet sich folgende monatliche Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen:
39von Februar bis Dezember 2008: 3/7 x (1.686,00 € - 700,00 €) = 422,57 €, das sind rund 423,00 €; von Januar bis Dezember 2009: 3/7 x (1.555,00 € - 704,00 €) = 364,71 €, das sind rund 365,00 €; von Januar bis März 2010: 3/7 x (1.765,00 € - 703,00 €) = 455,15 €, das sind rund 455,00 €; von April bis Juli 2010: 3/7 x (1.993,00 € - 703,00 €) = 552,86 €, das sind rund 553,00 €; von August bis Dezember 2010: 3/7 x (1.993,00 € - 946,00 €) = 448,71 €; das sind rund 449,00 €; ab Januar 2011: 3/7 x (2.011,00 € - 942,00 €) = 458,14 €, das sind rund 458,00 €.
40b) Auf den Betreuungsunterhalt entfallen hiervon: von Februar bis Dezember 2008: 899,00 € - 700,00 € = 199,00 €; von Januar bis Dezember 2009: 907,00 € - 704,00 € = 203,00 €; von Januar bis Juli 2010: 911,00 € - 703,00 € = 208,00 €.
41c) Auf Aufstockungsunterhalt entfällt die Differenz zwischen den unter a) und b) ermittelten Beträgen, mithin: von Februar bis Dezember 2008: 224,00 €; von Januar bis Dezember 2009: 162,00 €; von Januar bis März 2010: 247,00 €; von April bis Juli 2010: 345,00 €; von August bis Dezember 2010: 449,00 €; ab Januar 2011: 458,00 €.
425. Abweichend von der vorstehenden Berechnung hat der Beklagte bis einschließlich Juli 2008 noch den vergleichsweise titulierten Unterhalt von 440,00 € zu zahlen. Nach § 36 Nr. 1 EGZPO sind, wenn über den Unterhaltsanspruch vor dem 01.01.2008 ein vollstreckbarer Titel errichtet wurde, Umstände, die vor diesem Tag entstanden und durch die Unterhaltsrechtsreform erheblich geworden sind, nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. Die Beklagte war bis Juli 2008 nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Altersphasenmodell nicht zu einer mehr als halbschichtigen Tätigkeit verpflichtet. Nachdem der Kläger erstmals im Januar 2008 unter Hinweis auf das geänderte Recht einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt gefordert hat, ist ihr für eine Anpassung an die durch die Unterhaltsrechtsreform erhöhte Erwerbsobliegenheit eine Übergangszeit von rund 6 Monaten zuzubilligen. Bei halbschichtiger Tätigkeit wäre der titulierte Betrag weiterhin geschuldet, wie der Senat in seinem Urteil von 22.12.2008 ausgeführt hat.
436.
44Der unter 4. errechnete Aufstockungsunterhalt ist nach § 1578 b BGB auf die Zeit bis Dezember 2009 zu befristen. Auf die Befristungsmöglichkeit hat der Kläger bereits in der Klageschrift hingewiesen. Die Beklagte hat dies nicht zum Anlass genommen, ehebedingte Nachteile konkret darzulegen. Die am 11.02.1976 geborene Beklagte war bei Eheschließung und Geburt der gemeinsamen Tochter 23 Jahre alt. Sie verfügte bis dahin nicht über eine Ausbildung und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen 2 Jahre alten Sohn aus einer früheren Beziehung. Unter diesen Umständen sind ehebedingte Erwerbsnachteile der Beklagten ab Februar 2008 nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ohne die Ehe ab Februar 2008 aus einer vollschichtigen Tätigkeit höheres Einkommen erzielen würde, als der Senat der Berechnung des Aufstockungsunterhalts zugrunde legt. Insbesondere lässt die bisherige Erwerbsbiografie der Beklagten nicht erkennen, dass diese ohne die Ehe ab Februar 2008 eine Tätigkeit ausüben würde, bei der sie höheres als das ihr zugerechnete Einkommen erzielen würde.
45Die Rollenverteilung in der Ehe, die Dauer der Ehe von Mai 2009 bis Anfang 2003, die beengten wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien und die Dauer der Unterhaltsbelastung des Klägers lassen eine über Dezember 2009 hinausgehende Zahlung von Aufstockungsunterhalt als unbillig erscheinen. Auf die Situation J.s wirkt sich eine Befristung nicht aus. Das Existenzminimum der Beklagten ist aus dem ihr zuzurechnenden Einkommen und dem bis Juli 2010 zu zahlenden Betreuungsunterhalt gedeckt.
46Dass der abzuändernde Titel vor dem 01.01.2008 errichtet wurde, steht der Befristung nicht entgegen (§ 36 Nr. 1 EGZPO). Eine Anpassung an die Situation nach neuem Unterhaltsrecht zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten ist nicht unbillig. Andererseits ist der Beklagten zur Anpassung an die Lebensverhältnisse, die ihr ein Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit ermöglicht, eine Übergangszeit von zwei Jahren ab Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform und dem Abänderungsbegehren des Klägers zuzubilligen.
47III.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
49Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.
50Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.720,00 €