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I.
Auf die Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der
4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2011 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Der Schuldner zu 2. wird durch ein Zwangsgeld von 7.000,-- Euro, ersatz-weise 1 Tag Zwanghaft für je 1.000,-- Euro, dazu angehalten, der Gläubigerin entsprechend dem Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Oktober 2010 Rechnung zu legen.
2.
Das Zwangsmittel darf nicht vor Ablauf von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses an den Schuldner zu 2. vollstreckt werden.
II.
Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens einschließlich des Be-schwerdeverfahrens gegen die Schuldnerin zu 1. hat die Gläubigerin zu tragen. Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens gegen den Schuldner zu 2. werden diesem auferlegt.
IV.
Der Gegenstandswert für das Verfahren gegen jeden der Schuldner wird auf 14.000,-- Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
2Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2011, durch welchen das Landgericht den gegen beide Schuldner gerichteten Zwangsmittelantrag der Gläubigerin zurückgewiesen hat, ist gemäß § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist formgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg, soweit sie den Schuldner zu 2. betrifft. Der Schuldner zu 2. ist seiner titulierten Verpflichtung zur Rechnungslegung, zu der er in der Lage ist, bislang nicht nachgekommen. Den gegen die Schuldnerin zu 1. gerichteten Zwangsmittelantrag hat das Landgericht hingegen zu Recht zurückgewiesen.
3I.
4Der gegen die Schuldnerin zu 1. gerichtete Zwangsmittelantrag ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
5Die Schuldner sind durch das in der Beschlussformel zu 1. genannte Urteil des Landgerichts unter anderem dazu verurteilt worden, der Gläubigerin in dem dort näher bezeichneten Umfang Rechnung zu legen. Auf die Aufforderung der Gläubigerin hat die Schuldnerin zu 1. zur Erfüllung ihrer Rechnungslegungsverpflichtung mit Schreiben vom 10. Januar 2011 (Anlage G3) erklärt, keine der in Ziffer I. 1) des Tenors des landgerichtlichen Urteils bezeichneten Handlungen vorgenommen zu haben, insbesondere keine Fernsehempfangsgeräte zu Verkaufszwecken angeboten und geliefert und diesbezüglich auch keine Einnahmen erzielt zu haben, so dass sie auch keine Angaben über Liefermengen, Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und andere Vorbesitzer machen könne. Sie hat damit eine (Null-)Auskunft erteilt und macht geltend, zu weiteren Auskünften nicht in der Lage zu sein. Unter diesen Umständen kommt die Verhängung eines Zwangsmittels gegen die Schuldnerin zu 1. nicht in Betracht
61.
7Auch in einer negativen Erklärung kann eine Erfüllung des Auskunfts- und/oder Rechnungslegungsanspruchs zu sehen sein (BGH, GRUR 1958, 149, 150 – Bleicherde; BGHZ 148, 26 = GRUR 2001, 841 – Entfernung der Herstellungsnummer II). Ist der Gläubiger auf eine Selbstauskunft des Schuldners angewiesen, um Gegenstand und Umfang seines Anspruchs überhaupt präzisieren zu können, bleibt dabei stets das Risiko, dass der Schuldner die Auskunft nicht wahrheitsgemäß erteilt, um sich dem Anspruch ganz oder teilweise zu entziehen. Der Gläubiger kann daher nach §§ 259, 260 BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden ist und die Angelegenheit nicht von geringer Bedeutung ist. Nach verbreiteter Auffassung handelt es sich dabei um eine abschließende Regelung zur Erzwingung der materiellen Wahrheit, das heißt, ist die Auskunft des Schuldners in formaler Hinsicht vollständig und hinreichend substantiiert, ist er damit seiner Auskunftspflicht nachgekommen, was auch unter Hinweis auf deren mögliche Unglaubhaftigkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann (vgl. BGH, GRUR 1958, 149, 150 – Bleicherde; WM 1980, 318, 319; BGHZ 92, 62, 64 f. = GRUR 1984, 728 – Dampffrisierstab II; BVerfG, v. 28.10.2010 – 2 BvR 535/10, juris, m. w. Nachw.).
8Um den berechtigten Interessen des Gläubigers Rechnung zu tragen, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar gewisse Anforderungen an die Auskunft zu stellen. Danach genügt eine zum Zwecke der Auskunft gegebene Erklärung zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht, wenn sie nicht ernst gemeint, von vornherein unglaubhaft oder unvollständig ist (BGHZ 125, 322, 326 f. = GRUR 1994, 630 – Cartier-Armreif; BGHZ 148, 26, 36 = GRUR 2001, 841 – Entfernung der Herstellungsnummer II). Gegen diese Rechtsprechung bestehen, wie das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 28. Oktober 2010 (2 BvR 535/10, juris) ausgeführt hat, im Prinzip auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Anwendung dieser Rechtsprechung sind – wie das Bundesverfassungsgericht in der angesprochenen Entscheidung betont hat – allerdings die im konkreten Fall betroffenen grundrechtlichen Belange zu berücksichtigen. Insbesondere verlangt danach der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Prüfung, ob die verlangte weitergehende Rechnungslegung bzw. (bestimmte) Auskunft für die Zwecke des Gläubigers überhaupt erforderlich ist und ob anstelle der Zwangsgeldanordnung nicht die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2, 261 BGB als milderes Mittel in Betracht kommt.
9Dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde (vgl. Deichfuß, jurisPR-WettbR 12/2000 Anm. 3): Der dortige Beklagte zu 1. war Gesellschafter und Mitgeschäftsführer der dortigen Klägerin. Er schied bei der Klägerin aus und gründete die Beklagte zu 2. als Konkurrenzunternehmen zur Klägerin. Diese machte im Rechtsstreit geltend, der Erfolg der Beklagten zu 2. lasse sich nur so erklären, dass der Beklagte zu 1. Bei seinem Ausscheiden Kunden- und Firmendaten mitgenommen habe, und nahm ihn auf Auskunft, Versicherung an Eides Statt und Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten stellten den erhobenen Vorwurf des Datendiebstahls in Abrede. Das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagten im Berufungsverfahren durch Teilurteil zur Auskunft und stellte ihre Schadensersatzpflicht fest. Es war nach dem Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte zu 1. Kundenlisten der Klägerin unberechtigt an sich genommen hatte. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der Beklagte zu 1. erteilte Auskunft dahin, dass er alle die Klägerin betreffenden Unterlagen bereits bei seinem Ausscheiden übergeben und keine weiteren Originale oder Kopien mehr in seinem Besitz habe. Das Landgericht setzte gegen ihn daraufhin ein Zwangsgeld fest. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde gegen den Zwangsmittelbeschluss mit der Begründung zurück, die erteilte Auskunft sei offensichtlich unvollständig. Aufgrund des Erkenntnisverfahrens stehe fest, dass der Beklagte zu 1. die Kundendatei bei seinem Ausscheiden entwendet habe, gleichwohl äußere er sich dazu in seiner Auskunft nicht. Der hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerde des Beklagten zu 1. hat das Bundesverfassungsgericht stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im Grundsatz eine in formaler Hinsicht vollständige und hinreichend substantiierte Auskunft zur Erfüllung der Auskunftspflicht genüge. Der Gläubiger, der diese Auskunft anzweifele, sei auf die Möglichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verwiesen. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte, wonach eine Auskunftspflicht nicht erfüllt sei, wenn die Auskunft von vornherein nicht ernst gemeint, unvollständig oder unglaubhaft sei, sei verfassungsrechtlich im Prinzip nicht zu beanstanden. Im konkreten Fall sei das Oberlandesgericht jedoch daran gehindert gewesen, unter Berufung auf diese Rechtsprechung die Zwangsgeldfestsetzung zu bestätigen. Der Beklagte zu 1. könne nicht gezwungen werden, eine möglicherweise falsche Auskunft zu erteilen. Das gelte außerdem deshalb, weil er damit im Streitfall sogar genötigt würde, die Begehung einer Straftat einzuräumen. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG schütze ihn vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung. Das Oberlandesgericht habe nicht hinreichend erörtert, ob in der konkreten Situation nicht eine Verpflichtung zur Versicherung an Eides Statt ausgereicht hätte, zumal der Vorteil, den die Klägerin aus der erstrebten Auskunft erlangen könnte, ohnehin gering sei.
102.
11Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze kann auch im Streitfall dem gegen die Schuldnerin zu 1. gerichteten Zwangsmittelantrag nicht mit der Begründung entsprochen werden, dass die von der Schuldnerin zu 1. abgegebene Erklärung unglaubhaft oder unvollständig sei, weil nach dem Erkenntnisverfahren feststehe, dass die Schuldnerin zu 1. die in Rede stehenden Fernsehsignalempfangsgeräte angeboten und an Abnehmer geliefert habe und die Schuldnerin zu 1. nicht mehr mit der bereits im Erkenntnisverfahren vorgebrachten Behauptung gehört werden könne, nicht sie, sondern die I. G., welche Inhaberin der Marke "e." sei, habe die betreffenden Geräte angeboten und vertrieben.
12Auch bedarf es im vorliegenden Vollstreckungsverfahren keiner weiteren tatrichterlichen Aufklärung, ob die Schuldnerin zu 1. – was das Landgericht im Erkenntnisverfahren aus der Nennung der Schuldnerin zu 1. auf der Internetseite e..de sowie dem Hinweis in dem den angegriffenen Geräten beigefügten Benutzerhandbuch gefolgert hat – die patentverletzenden Geräte tatsächlich angeboten und an Abnehmer geliefert hat und sie selbst infolgedessen zur Rechnungslegung in der Lage ist. Weitere Feststellungen zum Sachverhalt sind entbehrlich. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem angesprochenen Fall die Zwangsgeldfestsetzung des Prozessgerichts aufgehoben, obwohl dieses die tatsächliche Feststellung getroffen hatte, dass die Auskunft unvollständig erteilt worden sei. Auch dort ging es um eine Auskunft, von der der Schuldner bereits im Erkenntnisverfahren, dann wiederholt im Vollstreckungsverfahren vorgetragen hatte, zu ihrer Erteilung nicht in der Lage zu sein. In entsprechender Weise wendet die Schuldnerin zu 1. im vorliegenden Verfahren Unmöglichkeit ein, indem sie vorträgt, zur Rechnungslegung nicht in der Lage zu sein, weil sie die fraglichen Geräte nicht angeboten und vertrieben habe, dies vielmehr die I. G. gewesen sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem von ihm entschiedenen Fall keine eigenen tatsächlichen Feststellungen zu der geltend gemachten Unmöglichkeit getroffen, sondern einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG mit der folgenden Erwägung bejaht:
13"Es ist aber zu berücksichtigen, dass es prinzipiell stets im Bereich des Möglichen liegt, dass prozessuale und materielle Wahrheit nicht übereinstimmen ...".
14Bezieht man danach die Möglichkeit einer "prinzipiell stets" möglichen Unrichtigkeit einer im Erkenntnisverfahren gewonnenen Erkenntnis mit ein, sind – wie der hiesige 20. Zivilsenat (InstGE 13, 113 – Zugangsdaten für Internetseite) im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden hat – die tatsächlichen Feststellungen im Zwangsmittelverfahren des § 888 ZPO, jedenfalls soweit es die Erteilung einer Auskunft betrifft, weitgehend ohne Belang. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr vor diesem Hintergrund weitere Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit in derartigen Fällen angestellt, die nicht selten dazu führen dürften, dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht mehr in Betracht kommen wird, weil "prinzipiell stets" zu berücksichtigen ist, dass der Schuldner zur Erteilung einer ihm nicht möglichen Auskunft gezwungen wird. Nur für die Konstellationen, in denen die Erzwingung der Auskunftserteilung im Wege des § 888 ZPO ausnahmsweise als verhältnismäßig anzusehen wäre, spielt weiter die tatsächliche Feststellung einer unzureichend erteilten Auskunft eine Rolle (OLG Düsseldorf [20. ZS], InstGE 13, 113, 114 f. – Zugangsdaten für Internetseite).
15Im vorliegenden Fall ist die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin zu 1. – legt man die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde – unverhältnismäßig. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Möglichkeit, gemäß den §§ 259, 260 BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu verlangen, als ein gegenüber dem Zwangsgeld milderes Mittel an, um den Schuldner zur Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen zu veranlassen. Dieser Weg steht der Gläubigerin auch im vorliegenden Fall offen.
16Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn ist hier – den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgend – ebenfalls zu verneinen. Auch im vorliegenden Fall behauptet die Schuldnerin zu 1., zur Auskunftserteilung nicht in der Lage zu sein, weil nicht sie, sondern die I. G. die in Rede stehenden Geräte angeboten und vertrieben habe. Trifft dies zu, wäre der mit einem Zwangsgeld verbundene Eingriff erheblich. Die Schuldnerin zu 1. müsste sich gegebenenfalls Angaben ausdenken. Demgegenüber ist der effektive Gewinn an Rechtsschutz auf Seiten der Gläubigerin eher gering. Denn die Gläubigerin kann – wie noch ausgeführt wird – ihren titulierten Rechnungslegungsanspruch gegenüber dem Schuldner zu 2. durchsetzen, so dass sie nicht zwingend auf Angaben auch der Schuldnerin zu 1. angewiesen ist.
173.
18Der gegen die Schuldnerin zu 1. gerichtete Zwangsmittelantrag ist auch nicht im Hinblick auf die Schuldnerin zu 1. treffende Erkundigungspflichten begründet.
19Wenngleich Auskunft und Rechnungslegung prinzipiell Wissenserklärung sind und der Schuldner deshalb grundsätzlich nur dasjenige mitzuteilen hat, was er unter Heranziehung seiner Geschäftspapiere etc. weiß, bestehen – darüber hinaus –in gewissem Umfang Erkundigungspflichten (dazu Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rdnr. 1869). Können Auskünfte z. B. nur nach Einblick in die Geschäftsunterlagen gegeben werden und stehen dem Schuldner diese nicht (mehr) zur Verfügung, so ist der Schuldner verpflichtet, die ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um sich die benötigten Kenntnisse zu verschaffen. (Kühnen, a.a.O., Rdnr. 1869). Ähnliche Fragen stellen sich, wenn die für eine Rechnungslegung erforderlichen Geschäftsdaten nicht beim Schuldner, sondern bei einem Drittunternehmen (z. B. aus demselben Konzern) vorliegen (Kühnen, a.a.O., Rdnr. 1870). Hier kann der Vollstreckungsschuldner im Falle einer arbeitsteiligen Organisation gehalten sein, das betreffende Drittunternehmen notfalls sogar gerichtlich auf Erteilung derjenigen Auskünfte in Anspruch zu nehmen, die es dem Schuldner erlauben, seiner Rechnungslegungspflicht gegenüber dem Gläubiger ordnungsgemäß nachzukommen (Senat, InstGE 9, 179 – Druckerpatrone, bestätigt durch BGH, GRUR 2009, 794 – Auskunft über Tintenpatronen). Eine gesteigerte Informationsbeschaffungspflicht des Vollstreckungsschuldners ist hierbei anzunehmen, wenn er es unter Verzicht auf eine eigene verfügbare Dokumentation hingenommen hat, dass die Einzelheiten seiner Geschäftstätigkeit ausschließlich bei dem in Anspruch zu nehmenden Drittunternehmen dauerhaft archiviert werden, ohne dass der Schuldner Zugriff auf diese Daten hat (Senat, InstGE 9, 179 – Druckerpatrone).
20Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Weder geht es vorliegend – unter Zugrundelegung der Angaben der Schuldner – um der Schuldnerin zu 1. nicht mehr zur Verfügung stehende Unterlagen über eigene Geschäfte, in welche sie Einblick nehmen müsste, noch ist feststellbar, dass die Schuldnerin zu 1. organisatorisch mit der I. G. verbunden ist bzw. arbeitsteilig mit dieser zusammengewirkt hat. Der Umstand, dass der Schuldner zu 2. zugleich Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist, reicht für eine dahingehende Annahme noch nicht aus.
21Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts steht zwar fest, dass die Schuldner zum einen für das Anbieten der in Rede stehenden Fernsehsignalempfangsgeräte auf der Internetseite edision.de haften, soweit dort die Schuldnerin zu 1. als Kontakt benannt wurde, und sie zum anderen auch für die Lieferung dieser Geräte an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland haften, soweit diese Erzeugnisse mit einem Benutzerhandbuch ausgeliefert wurden, das den vom Landgericht als Hinweis auf die Schuldnerin zu 1. eingestuften Hinweis enthielt. Vor diesem Hintergrund ist daran zu denken, ob die Schuldnerin zu 1. sich nicht jedenfalls bei der nach ihren Angaben verantwortlichen I. G., welche auf sie – die Schuldnerin zu 1. – als Verantwortliche sprechende Hinweise verwandt hat, erkundigen muss, von wann bis wann die betreffenden Geräte auf dieser Internetseite unter Angabe der Schuldnerin zu 1. im Impressum beworben wurden sowie wann, in welcher Menge und an wen die betreffenden Geräte mit dem den betreffenden Hinweis enthaltenden Benutzerhandbuch ausgeliefert wurden. Für eine solche Erkundigungspflicht besteht allerdings keine rechtliche Grundlage. Sie liefe auf eine Verpflichtung des Auskunftsschuldners hinaus, ihm – nach seinem Vortrag – unbekannte Umstände erst zu ermitteln. Eine solche Verpflichtung besteht jedoch grundsätzlich nicht. Dass der Schuldner zu 2. hier gleichzeitig Geschäftsführer der nach den Angaben der Schuldner verantwortlichen I. G. ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wissen das der Schuldner zu 2. aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der I. G. erlangt hat, kann grundsätzlich nur dieser, nicht aber der Schuldnerin zu 1. als anderer juristischen Person zugerechnet werden.
224. Der gegen die Schuldnerin zu 1. gerichtete Zwangsmittelantrag ist damit unbegründet.
23II.
24Der gegen den Schuldner zu 2. gerichtete Zwangsmittelantrag hat hingegen Erfolg. Er ist zulässig und begründet. Der Schuldner zu 2. ist deshalb gemäß § 888 ZPO durch ein Zwangsgeld zur Rechnungslegung anzuhalten.
251. Der Schuldner zu 2. ist durch das in der Beschlussformel zu 1. genannte Urteil des Landgerichts – selbständig neben der Schuldnerin zu 1. - ebenfalls dazu verurteilt worden, der Gläubigerin in dem dort näher bezeichneten Umfang Rechnung zu legen. Das Urteil des Landgerichts ist rechtskräftig, so dass die Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil ohne weiteres gegeben sind. Gleichwohl und trotz Aufforderung durch die Gläubigerin mit Schreiben vom 10. Januar 2011 (Anlage G 1) ist der Schuldner zu 2. seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht nachgekommen. Durch die mit Schreiben vom 10. Januar 2011 (Anlage G3) abgegebene, durch die eidesstattliche Versicherung vom 2. März 2011 (Anlage B 1) bekräftigte Erklärung, wonach die Schuldnerin zu 1. keine der in Ziffer I. 1) des Tenors des landgerichtlichen Urteils bezeichneten Handlungen vorgenommen habe, nämlich keine Fernsehempfangsgeräte zu Verkaufszwecken angeboten und geliefert habe, ist der titulierte Rechnungslegungsanspruch nicht erfüllt. Diese Erklärung ist unzureichend, weil sie sich allein auf die Schuldnerin zu 1. bezieht. Anders als die Schuldnerin zu 1. kann sich der Schuldner zu 2. auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er zur Rechnungslegung nicht in der Lage sei.
262. Nach dem Tenor zu I. 2) des landgerichtlichen Urteils hat der Schuldner zu 2. der Gläubigerin unter Angabe der dort näher bezeichneten Einzeldaten darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang er seit dem 13. Juli 2001 die im Tenor zu I. 1. näher beschriebenen Fernsehsignalempfangsgeräte nicht zur Benutzung des europäischen Patents 0 753 234 berechtigten Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und/oder an solche geliefert hat. Der Rechnungslegungsausspruch sieht – ebenso wie der Unterlassungstenor, auf welchen er rückbezogen ist – keine Einschränkungen vor, dass die Rechnungslegungsverpflichtung nur von der Schuldnerin zu 1. begangene Handlungen betrifft.
27Zutreffend ist zwar, dass der Schuldner zu 2. aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1. von der Gläubigerin in Anspruch genommen und vom Landgericht aufgrund dieser Stellung verurteilt worden ist. Seine Verurteilung beruht darauf, dass er als gesetzlicher Vertreter der Schuldnerin zu 1. für die nach dem Urteil des Landgerichts von dieser begangene (mittelbare) Patentverletzungen einzustehen hat. Etwaige patentverletzende Handlungen der – ebenfalls von dem Schuldner zu 2. als Geschäftsführer vertretenen – I. G. sind nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gewesen. Der Schuldner zu 2. ist jedoch in eigener Person verurteilt worden. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Geschäftsführer einer GmbH aufgrund seiner satzungsgemäßen Funktion in der Regel selbst Täter und nicht nur Gehilfe ist (OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 182, 183 – Miss 17; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 743). Seine Haftung beruht maßgeblich darauf, dass er als Organ des die Verletzungsprodukte vertreibenden Unternehmens die Aufgabe hat, deren geschäftliches Handeln zu bestimmen, insbesondere darüber zu entscheiden, welches Produkt in welcher Form in das Vertriebssortiment aufgenommen wird. Wegen dieser Verantwortlichkeit ist der Geschäftsführer typischerweise Täter derjenigen Schutzrechtsverletzung, die mit dem Vertrieb eines bestimmten Produkts durch das von ihm vertretene Unternehmen begangen wird (Kühnen, a.a.O., Rdnr. 748). Dass das Landgericht vorliegend von etwas anderem ausgegangen ist, ist seinem Urteil nicht zu entnehmen. Ist der Geschäftsführer aber selbst Täter, hat er im Falle seiner Verurteilung zu Rechnungslegung grundsätzlich auch über alle seine die Verletzungsform betreffenden Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Das sind in erster Linie die durch die GmbH begangenen Benutzungshandlungen, können aber auch weitere Benutzungshandlungen sein, für die er als Täter in anderer Weise verantwortlich ist.
28Dass dem so ist, ergibt sich vor allem aus folgender Überlegung: Ist der Geschäftsführer einer GmbH im Hinblick auf eine Patentverletzung, die mit dem Vertrieb einer bestimmten Ausführungsform durch die von ihm vertretene GmbH begangen worden ist, zur Unterlassung des Vertriebs dieser Ausführungsform verurteilt worden, würde er zweifellos dem Unterlassungsgebot zuwider handelt, wenn er nunmehr dazu überginge, die Verletzungsform als Einzelkaufmann zu vertreiben. Nichts anderes kann gelten, wenn er die Verletzungsform durch eine neu gegründete oder bereits existierende andere GmbH vertreiben lassen würde, deren Geschäftsführer er ebenfalls ist. Hierin liegt gerade der eigentliche Sinn und Zweck der persönlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers neben der GmbH. Erfasst der Unterlassungsausspruch aber auch solche Benutzungshandlungen, muss konsequenterweise auch der Rechnungslegungsausspruch sämtliche die Verletzungsform betreffenden Benutzungshandlungen erfassen, die der selbst verurteilte Geschäftsführer als Täter begangen hat.
29Dafür spricht auch, dass ein wegen wortsinngemäßer Patentverletzung ergangenes Unterlassungs- und Rechnungslegungsurteil abgewandelte Ausführungsformen erfassen kann, die nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren (vgl. z. B. Senat, InstGE 6, 43 – Münzschloss II). Zwar fällt eine abgewandelte Ausführungsform nicht schon dann und nicht schon deshalb unter ein Unterlassungsurteil, weil auch die abgewandelte Ausführungsform unter den Wortsinn des Patentanspruchs (und damit unter den entsprechend abgefassten Tenor des Verbotsurteils) subsumiert werden kann. Materiell rechtliche Erwägungen zur Auslegung des Patents und zur Bestimmung von dessen Schutzbereich, die über die im Erkenntnisverfahren bereits getroffenen Feststellungen hinausgehen, verbieten sich deshalb. Sind sie erforderlich, um die abgewandelte Ausführungsform zu erfassen, ist für ein Ordnungsmittelverfahren kein Raum. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Abwandlung entweder völlig außerhalb der Merkmale des Patentanspruchs vorgenommen worden ist oder wenn im Rahmen des Erkenntnisverfahrens in der Sache bereits über die abgewandelte Ausführungsform mitentschieden worden ist, weil diejenigen Erwägungen zur Patentverletzung, die in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform angestellt worden sind, in gleicher Weise auch auf die abgewandelte Ausführungsform zutreffen (vgl. Kühnen, a.a.O., Rdnr. 1803 m. w. Nachw.). Entsprechend den Regeln, die für das Ordnungsmittelverfahren gelten, erstreckt sich auch die Rechnungslegungspflicht auf derartige Abwandlungen; insoweit gelten prinzipiell dieselben Überlegungen, wie für ein Ordnungsmittelverfahren (vgl. Senat, InstGE 6, 123 – Elektronische Anzeigevorrichtung; Beschl. v. 05.05.2010 – I-2 W 20/10; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 1861 u. 1862). Die insoweit geltenden Regeln lassen sich ohne weiteres auf die Reichweite eines gegen den Geschäftsführer einer GmbH ergangenen Patentverletzungsurteils, durch welches dieser unter anderem zur Rechnungslegung verurteilt worden ist, übertragen. Hat der Geschäftsführer selbst weitere die Verletzungsform betreffende Benutzungshandlungen begangen, hat er auch über diese Rechnung zu legen, wenn seine Verantwortlichkeit außer Zweifel steht und hierüber keine Erwägungen angestellt werden müssen, die über die vom Gericht im Erkenntnisverfahren angestellten Erwägungen hinausgehen.
30So liegen die Dinge hier. Nach den Angaben der Schuldner sind die in Rede stehenden Geräte, wegen derer die Schuldner vom Landgericht verurteilt worden sind, von der I. G. angeboten und vertrieben worden. Der Schuldner zu 2. ist unstreitig auch Geschäftsführer dieser GmbH. Aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der I. G. hatte er ebenfalls für die Beachtung absoluter Rechte Sorge zu tragen und das Handeln dieser GmbH im Geschäftsverkehr zu bestimmen. Insoweit gilt nichts anderes als in Bezug auf seine Stellung als Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1., auf welche das Landgericht abgestellt hat. Da der Schuldner zu 2. alleiniger Geschäftsführer der I. G. ist, steht seine Verantwortlichkeit für deren Angebots- und Vertriebshandlungen außer Zweifel.
31Unter diesen Umständen hat der Schuldner zu 2. der Gläubigerin in dem im Urteil des Landgerichts näher bezeichneten Umfang über das Anbieten und die Lieferung der in Rede stehenden Fernsehgeräte auch dann Rechnung zu legen, wenn diese Geräte nicht durch die Schuldnerin zu 1, sondern durch die von ihm ebenfalls vertretene I. G. vertrieben worden sind.
323. Die Schuldner zu 2. ist damit unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 888 ZPO durch ein Zwangsgeld zur Rechnungslegung anzuhalten. Die festgesetzte Höhe des Zwangsgeldes erscheint erforderlich, aber auch ausreichend, um zu gewährleisten, dass der Zweck des Zwangsmittels erreicht wird.
33Innerhalb der zu I. 2. bestimmten Frist, vor deren Ablauf das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden darf, hat der Schuldner zu 2. Gelegenheit, die versäumte Handlung nachzuholen. Durch den Vorbehalt, welcher möglich und zumindest im Rahmen des ersten Zwangsmittelverfahrens auch gebräuchlichen ist, hat der Senat dem Schuldner zu 2. eine letzte Frist zur Vervollständigung ihrer Rechnungslegung eingeräumt. Der Vorbehalt führt nicht zu einer gemäß § 888 Abs. 2 ZPO unzulässigen Androhung von Zwangsmitteln (BGH, GRUR 2009, 794, 796 – Auskunft über Tintenpatronen).
34II.
35Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Schuldnerin zu 1. auf § 97 ZPO und in Bezug auf den Schuldner zu 2. auf § 91 Abs. 1 ZPO.
36Dr. T. K. F. S.