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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 6. Juli 2012 (VK-18/2012-L) wird mit der Maßgabe - und insoweit unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer - zurückgewiesen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer nicht notwendig war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 230.000 Euro
G r ü n d e :
2I. Die Antragsgegnerin schreibt für ihren regionalen Omnibusverkehrsdienst die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme eines ITCS / rechnergesteuerten Betriebsleitsystems sowie die Ausrüstung von Omnibussen mit Bordrechnern unter Nutzung einer Daten- und Sprachkommunikation auf der Basis eines Datenkanals im öffentlichen Mobilfunk aus. Sie führt ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb durch.
3Die Antragstellerin bewarb sich um eine Teilnahme, wurde aber nicht zugelassen. Ihr Nachprüfungsantrag wurde von der Vergabekammer verworfen. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt mit den Anträgen,
4den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, die Verwendung des Eignungskriteriums „Gesamtumsatz je Geschäftsjahr von mindestens acht Mio Euro“ zu unterlassen,
5sowie festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer nicht erforderlich war.
6Die Antragsgegnerin beantragt,
7die Beschwerde zurückzuweisen.
8Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer und die Vergabeakte verwiesen.
9II. Die Beschwerde ist im Ergebnis überwiegend unbegründet. Sie hat nur insoweit Erfolg, als der Nachprüfungsantrag nicht bereits unzulässig (so die Vergabekammer), sondern - abgesehen von dem gegen die Erforderlichkeit einer Anwaltszuziehung durch die Antragsgegnerin gerichteten Angriff - unbegründet ist.
101. Die sofortige Beschwerde ist trotz daran von der Antragsgegnerin angebrachter Zweifel fristgerecht eingelegt worden (§ 117 Abs. 1 GWB). Der Beschluss der Vergabekammer ist der Antragstellerin ausweislich der darüber gefertigten Zustellungsurkunde am 12.7.2012 zugestellt worden (Beschwerdeeingang am 26.7.2012). Die vorherige Übermittlung des Beschlusses per Telefax erfolgte lediglich zur Information, nicht jedoch zum Zwecke der Zustellung (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - X ZB 8/09).
112. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB). Sie hat sich erfolglos um eine Teilnahme am Vergabeverfahren beworben. Die Rügeobliegenheit ist von ihr gewahrt worden (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB). Dem liegt zugrunde:
12Die Auftragsvergabe ist im EU-Amtsblatt am 15.6.2012 bekanntgegeben worden. Unter III.2.2) der Bekanntmachung gab die Antragsgegnerin unter anderem an:
13Angaben und Formalitäten …: …
14- Nachweis des Gesamtumsatzes; der Gesamtumsatz je Geschäftsjahr 2009, 2010 und 2011 muss mindestens acht Mio. Euro betragen.
15Diese von der Antragstellerin nicht erfüllte, beanstandete und die Eignung in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht betreffende Mindestanforderung bildet den Hauptgegenstand des Prozesses. Unter dem 25.5.2012 schrieb der Vorstand der Antragstellerin insoweit als E-Mail an die Antragsgegnerin:
16Mittlerweile habe ich mir die Auftragsbekanntmachung noch einmal durchgelesen. Die Forderung von acht Mio. Euro Umsatz ist hochgradig vergaberechtswidrig. Die D Kreisbahnen haben auch schon so ausgeschrieben. Diesbezüglich ist bereits eine Beschwerde bei der EU-Kommission anhängig.
17Nach Rücksprache mit der Kommission hat diese mir geraten, im nächsten Fall ein Nachprüfungsverfahren zu beantragen. …
18Ich werde in einem gesonderten Schreiben die Forderung rügen.
19Dieses E-Mail-Schreiben - und nicht erst die spätere, im Tenor gleichlautende E-Mail der Antragstellerin vom 6.6.2012 - ist bei verständiger Auslegung entgegen der Auffassung der Vergabekammer als Rüge zu verstehen. Die Vergabekammer hat allein auf den Satz in der E-Mail vom 25.5.2012 abgestellt „Ich werde in einem gesonderten Schreiben die Forderung rügen“ und hat diesen unter Ausblenden des übrigen Inhalts dieses Schreibens überbewertet. Demgegenüber hat die Antragstellerin - an Klarheit kaum zu überbieten - die hinsichtlich des Geschäftsumsatzes gestellte Mindestanforderung bereits in der E-Mail vom 25.5.2012 als „hochgradig vergaberechtswidrig“ bezeichnet. Zugleich hat sie einen dagegen zu richtenden Nachprüfungsantrag angekündigt. Dergleichen Formulierungen geben dem Auftraggeber - was Zweck der Rügeobliegenheit ist - ohne Weiteres Gelegenheit und den Anstoß, das Vergabeverfahren auf Rechtsfehler zu überprüfen, einen Rechtsverstoß gegebenenfalls zu erkennen und ihn zu korrigieren (vgl. insoweit auch OLG Frankfurt am Main, VergabeR 2002, 394; OLG München, Beschl. v. 7.8.2007 - Verg 8/07, BeckRS 2007, 16152). An den Inhalt der Rüge sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen, erst recht nicht, wenn sie - wie im Streitfall - von Wirtschaftsteilnehmern ausgesprochen werden, die über keine juristische Ausbildung und/oder über keinen vergaberechtlichen Sachverstand verfügen. Die Bemerkung des Vorstands der Antragstellerin „Ich werde in einem gesonderten Schreiben die Forderung rügen“ konnte bei diesem Befund auch dahin ausgelegt werden, dass der Rüge eine weitere Begründung folgen sollte.
20Die Rüge vom 25.5.2012 ist unwiderlegt unverzüglich angebracht worden. Es kann nicht festgestellt werden, die Antragstellerin habe die gestellte Mindestanforderung bereits in einem Zeitpunkt als vergaberechtswidrig bewertet, bei dessen Zugrundlegen die Rüge vom 25.5.2012 nicht mehr als unverzüglich zu erachten wäre. Der Nachteil der Nichterweislichkeit geht zulasten der Antragsgegnerin (vgl. BGH VergabeR 2005, 328). Auf die Streitfrage, ob nach den Urteilen des EuGH vom 28.1.2010 (C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch auf das Merkmal der Unverzüglichkeit der Rüge abgestellt werden darf, kommt es für die Entscheidung nicht an. Auch wenn dies zu verneinen ist: Von der Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB als solcher, und zwar vor Anbringung eines Nachprüfungsantrags, befreit im Übrigen auch eine eventuelle EU-Rechtswidrigkeit des Merkmals der Unverzüglichkeit nicht.
213. Der Nachprüfungsantrag ist in der Hauptsache unbegründet.
22a) Die Auftragsvergabe unterliegt der SektVO (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.11.2012 - VII-Verg 11/12, BeckRS 2012, 23575). Ob es sich um einen Liefer-, einen Dienstleistungsauftrag oder um eine Kombination beider Auftragstypen handelt, kann dahingestellt bleiben, weil diese jeweils denselben Rechtsregeln unterworfen sind.
23b) Die Antragstellerin greift die Festlegung des Gesamtumsatzes eines Bewerbers von acht Mio Euro in den letzten drei Geschäftsjahren - dies im Sinn einer in der Vergabebekanntmachung angegebenen Mindestanforderung an die finanzielle und wirtschaftliche Eignung von Bewerbern - erfolglos an.
24An die Eignung von Bewerbern oder Bietern gestellte Mindestanforderungen müssen gemäß Art. 44 Abs. 2 UA 2 Richtlinie 2004/18/EG mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein. Zwar fehlt eine entsprechende Regelung in der im Streitfall anzuwendenden Richtlinie 2004/17/EG sowie in der SektVO. In den Erwägungsgründen zur Richtlinie 2004/17 (dort unter Rn. 50) und in § 20 Abs. 1 SektVO ist lediglich bestimmt, dass Eignungsmerkmale vom Auftraggeber entsprechend objektiver Kriterien festzulegen sind. Doch handelt es sich bei dem Erfordernis, wonach Eignungskriterien mit dem Auftragsgegenstand zusammenzuhängen und ihm angemessen zu sein haben, um ein allgemeines vergaberechtliches Gebot, das - ausgehend von der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) - dem Zweck des EU-Vergaberechts, das öffentliche Beschaffungswesen auf dem Binnenmarkt für den Wettbewerb zu öffnen, zu einer möglichst wirksamen Durchsetzung verhelfen soll und deswegen auch im Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie 2004/17 und der SektVO vom öffentlichen Auftraggeber zu beachten ist.
25Die von der Antragsgegnerin vorgegebene Mindestanforderung eines Gesamtumsatzes von mindestens acht Mio Euro in den letzten drei Geschäftsjahren von Bewerbern hängt mit dem Auftragsgegenstand zusammen und ist ihm angemessen (vgl. zur Zulässigkeit einer Festlegung von Mindestumsätzen auch OLG München, Beschl. v. 15.3.2012 - Verg 2/12, VergabeR 2012, 740, 746). Das ergibt sich aus Folgendem:
26- Der Auftragswert ist mit ca. 3,78 Mio Euro (netto) ermittelt worden.
27- Der ausgeschriebene Auftrag ist umfangreich und komplex. Der genaue Umfang der Leistungen geht nicht schon aus der Vergabebekanntmachung hervor, sondern erst aus der Leistungsbeschreibung.
28- Bei der Auftragswertermittlung waren sämtliche Leistungen, die Gegenstand des Auftrags sein sollten, zu berücksichtigen, nicht allein - worauf die Antragstellerin hinaus will - die Lieferung eines rechnergesteuerten Betriebsleitsystems. Eine Losvergabe hat die Antragsgegnerin geprüft und aus den im Vergabevermerk vom 21.5.2012 festgehaltenen, unstreitigen und vertretbaren Gründen verworfen. Ungeachtet dessen hätte eine losweise Vergabe zu keiner Ermäßigung des Auftragswerts geführt (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 2 SektVO).
29- Bei der Installation und Integration der Leistung darf es zu keinen Systemstörungen oder -ausfällen kommen. Der Busverkehrsdienst darf nicht beeinträchtigt werden.
30- Die Ausführungszeit ist - wie außer Streit steht - mit rund 15 Monaten relativ knapp bemessen.
31- Die gestellte Mindestanforderung hängt mit Art und Gegenstand des Auftrags zusammen.
32- Die wirtschaftliche und finanzielle Eignung sowie die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Bewerbern sind von der Antragsgegnerin als hochrangig eingestuft worden. Aufgrund der Modalitäten des Auftrags durften hohe Anforderungen an die Eignung gestellt werden. Dies ist nicht unangemessen.
33- Die Forderung eines mehrjährigen Unternehmensumsatzes von mindestens acht Mio Euro ist ebenso wenig unverhältnismäßig. Sie entspricht im Streitfall in etwa dem Doppelten des ermittelten Auftragswerts und ist im Teilnahmewettbewerb von mehreren Bewerbern tatsächlich erfüllt worden.
34- Ein über mehrere Jahre hinweg getätigter Geschäftsumsatz ist nicht nur ein Beweisanzeichen für die finanzielle und wirtschaftliche Eignung eines Bewerbers, sondern indiziert zugleich einen nachhaltigen Unternehmensbestand und die Zuverlässigkeit, den ausgeschriebenen Auftrag ordnungsgemäß zu erfüllen.
35Die von der Beschwerde geltend gemachte Erfahrungstatsache, dass auch umsatzstarke Unternehmen schlecht leisten oder insolvent werden können, ist kein taugliches Argument gegen die Angemessenheit der festgelegten Mindestanforderung. Eine kontinuierlich hohe Geschäftsumsätze aufweisende Markttätigkeit eines Unternehmens kann eine bessere Gewähr für eine einwandfreie Ausführung des Auftrags bieten. Dass die Antragstellerin dadurch von der Auftragsvergabe ferngehalten wird, erlaubt keinen Schluss auf eine Diskriminierung. Der Auftraggeber muss Ausschreibungen nicht so zuschneiden, dass sich jedes auf dem betreffenden Markt tätige Unternehmen daran beteiligen kann.
36Die Behauptung der Antragstellerin, das Gesamtauftragsvolumen des Leistungsgegenstands belaufe sich in Deutschland auf acht bis zehn Mio Euro im Jahr, ist nicht nachvollziehbar. Sie belegt nicht, dass die dem Geschäftsumsatz geltende Mindestanforderung unangemessen ist. Dem Senat sind aus jüngster Vergangenheit aufgrund von Nachprüfungsverfahren mehrere gleichgelagerte Ausschreibungen von städtischen bis regionalen Verkehrsdienstleistern bekannt, bei denen der Auftragswert allein den von der Antragstellerin genannten Jahresumsatz erreicht oder überschritten hat.
37c) Der der gestellten Mindestanforderung zugrunde liegende Auftragswert von 3,78 Mio Euro (netto) - mit möglicher Auswirkung auf die Angemessenheit der die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betreffenden Mindestanforderung - wird von der Antragstellerin ohne Erfolg angegriffen. Mit dieser Beanstandung ist sie allerdings nicht nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2, 3 GWB präkludiert. Der maßgebende Sachverhalt, nämlich die Auftragswertermittlung der Antragsgegnerin, ist der Antragstellerin im Wege der Erteilung von Akteneinsicht erst am 2.11.2012 bekannt geworden.
38In der Sache ist der Auftragswert von der Antragsgegnerin jedoch vertretbar ermittelt worden. Die Behauptung der Antragstellerin, der Auftragswert sei künstlich hochgerechnet worden, realistisch seien maximal 1,5 Mio Euro, ist ohne Substanz. Der Entscheidung ist als außer Streit stehend zugrunde zu legen:
39Die in der Kostenermittlung der Antragsgegnerin (Kostenübersicht vom 9.5.2012) vorgenommenen Kostenansätze sind von einem spezialisierten Ingenieurbüro aufgrund seiner Marktkenntnis ermittelt worden. Die Antragsgegnerin hat sich die Kostenermittlung ausweislich des Vergabevermerks vom 21.5.2012 zu Eigen gemacht. Die Angaben der Kostenermittlung sind in den Finanzierungsantrag übernommen worden. Der Zuwendungsgeber hat diese unbeanstandet gelassen. Die inzwischen vorgelegten Angebote bewegen sich in der Größenordnung der den Bietern nicht bekannt gegebenen Auftragswertermittlung. Zumal die Antragstellerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nichts an der Kostenermittlung der Antragsgegnerin substantiiert bestritten hat, rechtfertigen die genannten Indizien die eingangs getroffene Feststellung.
40d) Die von keinem Rechtsanwalt eingereichte Eingabe der Antragstellerin vom 17.12.2012 veranlasst keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Das Vorbringen kann in Ermangelung der in § 120 Abs. 1 Satz 1 GWB vorgeschriebenen anwaltlichen Vertretung prozessual nicht berücksichtigt werden. Davon abgesehen hatte die Antragstellerin bereits aufgrund der am 2.11.2012 erteilten Akteneinsicht sowie des Senatstermins vom 7.11.2012, in dem Fragen des Auftragswerts ausführlich erörtert worden sind, Veranlassung und bis zum zunächst für den 5.12.2012 bestimmten Verkündungstermin auch mehr als einen Monat lang hinlängliche Gelegenheit, sich mit der Wertermittlung der Antragsgegnerin zu befassen und Gegenvorstellungen dagegen anzubringen. Die Frist zur Stellungnahme ist danach durch Beschluss des Gerichts vom 3.12.2012 noch einmal um mehr als eine Woche bis zum 12.12.2012 verlängert worden. Die Schrift vom 17.12.2012 ist außerhalb dieser Frist eingegangen. In der Sache selbst versteht sich diese Schrift im Wesentlichen nur zu Falschbehauptungen oder Rechtsmeinungen, die der Senat im Vorstehenden bereits beschieden hat und die an der Sachentscheidung nichts ändern. Der Schriftsatz der Antragstellerin vom 18.12.2012 rechtfertigt ebenso wenig eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
414. Soweit sie den Ausspruch des angefochtenen Beschlusses, wonach die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer erforderlich gewesen sei (mit der daraus gegebenen Kostentragungsfolge) beanstandet, hat die Beschwerde Erfolg.
42Zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber hat der Senat am 28.1.2011 - VII-Verg 60/10 entschieden:
43Ob die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.1.2011 - VII-Verg 42/10; Beschl. v. 26.9.2003 - VII Verg 31/03; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.6.2006 - 1 Verg 4 u. 5/06; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008 - Verg 6/08; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010 - 11 Verg 3/2010). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen für einen öffentlichen Auftraggeber keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten.
44Soweit im Streitfall die Wertungsentscheidung des Antragsgegners von der Antragstellerin angegriffen worden war, handelt es sich bei den in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen um auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen, zu deren sachgerechter und angemessener Bearbeitung der Antragsgegner keines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf.
45Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist eine anwaltliche Vertretung für die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer nicht notwendig gewesen. Die Streitigkeit betraf auftragsbezogene Rechtsfragen, nämlich die Auftragswertermittlung und die Festlegung von Mindestanforderungen an die Eignung von Bewerbern. Diesbezüglichen Auseinandersetzungen hatte sich die Antragsgegnerin - zumal sie von einem sachverständigen Ingenieurbüro beraten war - selbst und ohne anwaltlichen Beistand zu stellen. Der Umstand, dass sie keinen Bediensteten mit einer Befähigung zum Richteramt beschäftigt (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 2 GWB), ist unerheblich. Auch die Antragstellerin hat sich vor der Vergabekammer von keinem Rechtsanwalt vertreten lassen.
46Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 120 Abs. 2 GWB. Wegen des geringfügigen Beschwerdeerfolgs ist entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 73 Nr. 2 GWB und § 120 Abs. 2 GWB nicht gerechtfertigt, der Antragsgegnerin einen Teil der Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
47Der Streitwertfestsetzung nach § 50 Abs. 2 GKG ist - weil die Antragstellerin kein Angebot abgegeben hat - die Auftragswertermittlung der Antragsgegnerin zugrunde zu legen.
48Dicks Brackmann Barbian