Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Berufung des Klägers gegen das am 04.07.2012 verkündete Urteil der12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
4Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgaben verfolgt er u.a. Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und macht Ansprüche auf Unterlassung gemäß §§ 1 und 2 UKlaG geltend. Der Kläger ist in die beim Bundesjustizamt geführte Liste gemäß § 4 UKlaG eingetragen.
5Die Beklagte bietet Reiseleistungen an und schließt mit Verbrauchern Pauschalreiseverträge ab.
6Zur Bestätigung eines mit einem Verbraucher geschlossenen Reisevertrages bediente sich die Beklagte des als „Anlage Antrag“ vom Kläger vorgelegten Formulars. Darin hieß es u.a. sowohl zum Hinflug als auch zum Rückflug: „Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!“. In der Fußzeile des Formulars oberhalb der Kontoverbindungen fand sich folgende Bemerkung: „Die aktuellen Flugzeiten entnehmen Sie Ihren Flugtickets.“. Diese Bemerkung verwendete die Beklagte auch dann, wenn in der Bestätigung Flugzeiten mitgeteilt wurden.
7Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich mit Schreiben vom 17.03.2011(Anlage K 2) erfolglos zur Unterlassung und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
8Der Kläger hat beantragt,
9I.
10die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
111.an Verbraucher Bestätigungen über den Abschluss eines Reisevertrages zu übermitteln, ohne die voraussichtliche Zeit der Abreise (hier voraussichtliche Abflugzeit) und der Rückkehr (hier voraussichtliche Zeit der Landung des Rückfluges) anzugeben, wie geschehen in der als Anlage Antrag beigefügten Erklärung,
12und/oder
132.in Formulare über die Bestätigung des Abschlusses eines Reisevertrages, die an Verbraucher übermittelt werden, folgende vorgedruckte Passagen aufzunehmen:
14„Die aktuellen Flugzeiten entnehmen Sie Ihren Flugtickets“
15hilfsweise zu 2.
16die Beklagte bei Meidung der genannten Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, nachfolgende oder eine mit dieser inhaltsgleiche Bestimmung in Pauschalreiseverträgen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen ab dem 01. April 1977, zu berufen:
17„Die aktuellen Flugzeiten entnehmen Sie Ihren Flugtickets“.
18II.
19Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200 Euro nebst Zinsen in Höhe von5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Das Landgericht hat die Beklagte gemäß Klageantrag zu I.2. und II. verurteilt und im Übrigen (Klageantrag zu I.1.) die Klage abgewiesen.
23Zur Begründung der Abweisung des Klageantrages zu I. 1. hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 2 UKlaG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB–InfoV zu, es zu unterlassen, Bestätigungen über den Abschluss eines Reisevertrages, in denen die voraussichtliche Zeit der Abreise und der Rückkehr nicht angegeben sind, an Verbraucher zu übermitteln. Die Beklagte habe nicht gegen Vorschriften der §§ 4 ff. BGB-InfoV verstoßen. § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV lege fest, dass „Tag, voraussichtliche Zeit und Ort der Abreise und Rückkehr“ in der Reisebestätigung enthalten sein müssten, sofern dies „nach der Art der Reise von Bedeutung“ sei. Der Kläger trage die Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände. Das Tatbestandsmerkmal „nach der Art der Reise von Bedeutung“ sei ein objektiv zu ermittelndes Kriterium. Im Rahmen der die Beklagte treffenden sekundären Darlegungslast habe sie vorgetragen, dass ihr zum Zeitpunkt der Buchung die Flugzeiten noch nicht bekannt gewesen seien. Der Vertragsschluss sei also mit dem Inhalt erfolgt, dass lediglich das Hin- und Rückreisedatum festgelegt worden seien, nicht irgendwelche Reisezeiten. Das habe der Kläger nicht widerlegen können. Die BGB-InfoV diene nicht dazu, den zwingenden Inhalt von Pauschalreiseverträgen zu bestimmen und dadurch den Abschluss von Verträgen, die dem nicht genügen (können), zu untersagen. Sie habe allein den Zweck, zuverlässige Informationen des Reisenden sicherzustellen.
24Gegen die teilweise Klageabweisung wendet sich der Kläger mit der Berufung.
25Der Kläger macht geltend, nach der Art der Reise sei eine Information über die Abflug- und Rückkehrzeiten nicht entbehrlich gewesen. Der Begriff „für die Art der Reise von Bedeutung“ sei objektiv unter Berücksichtigung der Reiseart aus der Sicht eines Durchschnittsreisenden auszulegen. Die Mitteilung der Reisezeiten, wenigstens konkretisiert auf vormittags oder nachmittags, sei für den Durchschnittsreisenden von Bedeutung. Ein Fall, wie die sogenannten „Fortuna-Reisen“, für die der Gesetzgeber laut Bundestagsdrucksache die Ausnahme geschaffen habe, liege nicht vor. Die Beklagte sei auch, soweit man der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast des Landgerichtes folge, ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, da sie hätte beschreiben müssen, wieso im Verhältnis zwischen ihr und dem Verbraucher die Angabe der Reisezeiten nicht von Bedeutung gewesen sei. Sie habe jedoch nur Umstände vorgetragen, die im Verhältnis zwischen ihr und ihrem Luftfrachtführer von Belang seien, die aber den Reisenden nicht tangierten.
26Der Kläger beantragt,
27die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 04.07.2012 – 12 O 223/11 – weiterhin zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
28an Verbraucher Bestätigungen über den Abschluss eines Reisevertrages zu übermitteln, ohne die voraussichtliche Zeit der Abreise (hier voraussichtliche Abflugzeit) und der Rückkehr (hier voraussichtliche Zeit der Landung des Rückfluges) anzugeben, wie geschehen in der als Anlage Antrag beigefügten Erklärung.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Sie führt aus, der Kläger lasse außer Acht, dass die beanstandete Formulierung nur im Falle solcher Buchungsvorgänge genutzt werde, in denen ihr selbst und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen zum Zeitpunkt der Buchung lediglich der Verkehrstag sowie Start- und Zielflughafen bekannt seien. Derartige Konstellationen könnten allenfalls bei sehr frühzeitigen Buchungen auftreten. Zweck der Regelung der §§ 4 und 8 BGB-InfoV sei es nicht, ein Verbot zu erzeugen, Verträge abzuschließen, bei denen, bezogen auf das Leistungselement Luftbeförderung, die genauen Beförderungszeiten an einem bestimmten Verkehrstag bei Vertragsschluss noch nicht bekannt seien. Zweck sei es allein, die zuverlässige Information des Reisenden über bestimmte Inhalte sicherzustellen. Es bestehe die Möglichkeit, einzelne Leistungsmerkmale einer Reise offen zu lassen und dem Veranstalter zulässigerweise ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zuzubilligen. Sie habe schon in erster Instanz unwidersprochen dargelegt, dass bereits im Buchungsablauf, und zwar vor Abgabe der auf den Abschluss des Reisevertrags gerichteten Willenserklärung, für den Kunden erkennbar war, dass die Flugzeiten nicht bekannt seien. Das könne der Kläger nicht mit Nichtwissen bestreiten.
32Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
33II.
34Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
35Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 2 UKlaG i.V.m. § 651 a Abs. 3 BGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV zu, dass diese es unterlässt, Reisebestätigungen an Verbraucher zu übermitteln, in denen die voraussichtliche Zeit der Abreise und der Rückkehr nicht angegeben sind.
361.Es ist schon zweifelhaft, ob die für ein Unterlassungsbegehren erforderliche Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr besteht, soweit die Beklagte die Mitteilung auch solcher Reisezeiten unterlässt, die ihr selbst bekannt sind. Die Beklagte bestreitet, die Angabe der Zeiten auch dann zu unterlassen, wenn sie ihr von den Fluglinien mitgeteilt worden sind. Die für die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs beweispflichtige Klägerin tritt für ein solches von ihr behauptetes Vorgehen der Beklagten keinen Beweis an.
37Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Fall vorliegt, dass bei dem Verbraucher vor Abschluss des Reisevertrages (bei Abgabe seines Antrags auf Abschluss eines Reisevertrages) der Eindruck erweckt wird, die ungefähren Flugzeiten (vormittags/nachmittags/nachts) stünden fest, etwa weil sie in einem Online-Buchungsportal erscheinen, und die Reisebestätigung sodann die beanstandete Formulierung enthält. Die Beklagte trägt vor, dass in den Fällen, in denen eine Angabe unterbleibt, der Reisende vor Abgabe seiner Willenserklärung weiß, dass die Flugzeiten nicht bekannt sind. Der Kläger bestreitet das lediglich mit Nichtwissen, was nicht ausreicht. Das Landgericht hat den Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass ihn als den klagenden Verband die Darlegungs- und Beweislast für einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 2 UKlaG trifft (BGH NJW 91, 36; OLG Brandenburg, Urt. vom 10.01.2006, 7 U 52/05 – juris; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 1 UKlaG, Rn 5), so dass er, wenn die Beklagte einen Reisevertrag mit einem Verbraucher abgeschlossen hat, auf den die §§ 4 ff. BGB-InfoV Anwendung finden, auch deren Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und beweisen muss.
382.Die Beklagte hat mit der beanstandeten Formulierung in der Reisebestätigung nicht gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV verstoßen.
39a)Die nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 BGB-InfoV mitzuteilenden Zeiten sind nur dann „voraussichtliche“, wenn sie nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Reisebestätigung zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angegeben werden können. Das ist, solange sie weder der Beklagten noch der Fluggesellschaft bekannt sind, nicht der Fall. Die Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV, dass der Reiseveranstalter rechtzeitig vor Beginn der Reise über Abfahrt- und Ankunftszeiten zu unterrichten hat, setzt voraus, dass Fallkonstellationen existieren, in denen die Zeiten noch nicht in der Reisebestätigung enthalten sein müssen.
40b)Die Angabe der voraussichtlichen Abflug- und Ankunftszeiten ist in der zu beurteilenden Fallkonstellation nach der „Art der Reise“ nicht von Bedeutung. Der Umfang der einzelnen Reiseangaben der Auflistung in § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 BGB-InfoV hat sich an der jeweiligen Bedeutung für die konkret gebuchte Reise zu orientieren. Der Begriff ist objektiv unter Berücksichtigung der jeweiligen Reiseart und aus der Sicht des Durchschnittskunden auszulegen. Zwar verstieße das Unterlassen der Mitteilung zumindest der voraussichtlichen Tageszeit der Flüge gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV, wenn es sich um eine durch keine weiteren besonderen Merkmale gekennzeichnete Pauschalreise handelte (Flug, Transfer, Unterbringung, Verpflegung), weil ein berechtigtes Informationsbedürfnis des Reisenden dahin besteht, mit Erhalt der Reisebestätigung organisatorische An- und Rückreisemaßnahmen zum Flughafen zu planen. Die ggfls. kurzfristige Mitteilung der genauen Zeiten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV ist dann nicht ausreichend (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl. § 22 Rn 671; Staudinger/Staudinger, BGBInfoV, § 6 Rn. 8; MüKo/Tonner, BGB-InfoV, § 6 Rn. 10). Vorliegend ist jedoch davon auszugehen, dass es sich um eine Reise handelt, bei der, wie bei sog. Fortuna-Reisen (Zielort und genaues Hotel bleiben bei der Buchung offen), der Reisende/Verbraucher mit dem Reiseunternehmen einen Vertrag schließt, bei dem das Merkmal „voraussichtliche Reisezeit“ bewusst offen gelassen wird, d.h. dem Reisenden bekannt ist, dass die Flugzeiten nicht fest liegen. Dann liegt eine „Art der Reise“ vor, die die ansonsten erforderliche Information entbehrlich macht.
41Wenn die Literatur darauf verweist, der Reiseveranstalter könne eine solche Vertragsgestaltung nur über die (vorherige) Vereinbarung eines Leistungsänderungsvorbehalts nach § 651a BGB herstellen (MünchKomm/Tonner (a.a.O.) und Führich (a.a.O.)), verkennt sie, dass auch dieser voraussetzte, dass in der Reisebestätigung zumindest ungefähre Angaben gemacht werden können. Überdies könnte ein Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Flugzeiten gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoßen (OLG Celle, Urteil vom 07. Februar 2013 – 11 U 82/12 –, juris; OLG Düsseldorf, 6. Zivilsenat, Urteil vom 02.05.2013 – I-6 U 123/12 – juris, jeweils nicht rechtskräftig). Die Vereinbarung einer Reise, bei der für beide Parteien von Anfang an fest steht, dass die Flugzeiten nicht bekannt sind, gestattet keine nachträgliche einseitige Leistungsänderung, sondern gewährt ein Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei nach § 315 BGB.
42c)Legte man § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV so aus, dass jede Reisebestätigung die Reisezeiten angeben muss, wäre ein Vertragsschluss, der zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem auch dem Reiseunternehmen die Flugzeiten noch nicht bekannt sind, nicht möglich. Durch die Bestimmungen der BGB-InfoV würde dann der zulässige Inhalt von Reiseverträgen festgelegt. Dies soll nach den Motiven der EU-Reiserichtlinie (Richtlinie des Rates vom 13.06.1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG)) und den Ausführungen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 12/5354, S. 17) gerade nicht der Fall sein. Die Ermächtigung in Art. 238 EGBGB zum Erlass der BGB-InfoV reicht hierzu auch nicht aus.
433.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
44Die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
45Die Revision wird zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Voraussetzungen und der Umfang der in § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV normierten Informationspflichten sind für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt.
46Streitwert für die Berufungsinstanz: 7.500 €