Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28. November 2022 gegen den Beschluss der 12. Zivilammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. November 2022 - Az.: 12 O 322/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin begehrt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu untersagen,
41.Einweg-E-Zigaretten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, deren tatsächlicher Nikotingehalt von dem auf der Außenverpackung angegebenen Nikotingehalt abweicht, wenn dies geschieht, wie bei den in Anlage AS 6 abgebildeten und von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Produkten „X. C. 20 mg/ml“, „X. W. 20 mg/ml“ und „X. L. 20 mg/ml“, die entgegen des jeweils auf den Außenverpackungen angegebenen Nikotingehalts in Höhe von jeweils 20 mg/ml nur einen tatsächlichen Nikotingehalt in Höhe von 18,6 mg/ml, 19,20 mg/ml und 17,67 mg/ml aufweisen;
52.das nachfolgend abgebildete Gefahrenpiktogramm für E-Liquids mit einem Nikotingehalt von weniger als 1,667 % (W/W) Gewichtsprozent zu verwenden, wenn dies geschieht, wie bei den in Anlage AS 6 abgebildeten und von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Produkten „X. C. 20 mg/ml“ mit einem tatsächlichen Nikotingehalt in Höhe von 1,63 % (W/W) Gewichtsprozent und „X. L. 20 mg/ml“ mit einem tatsächlichen Nikotingehalt in Höhe von 1,54 % (W/W) Gewichtsprozent
6 73.Einweg-E-Zigaretten in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, die nicht kindersicher sind, weil die Nikotinfreisetzung barrierefrei allein durch Saugen am Mundstück aktiviert werden kann, wenn dies geschieht wie bei den nachfolgend und in Anlage AS 6 abgebildeten und von der Antragsgegnerin in Verkehr gebrachten Produkten „X. C. 20 mg/ml“, „X. W. 20 mg/ml“ und „X. L. 20 mg/ml“-
8 9Mit Beschluss vom 11. November 2022 hat Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, das einstweilige Verfügungsverfahren sei bereits unzulässig, weil es ungeeignet sei, die den Anträgen zu Ziffer 1) und 2) zugrundeliegenden Streitgegenstände in diesem Verfahren zu klären. Die Anträge zu Ziffer 2) und 3) seien darüber hinaus auch unbegründet.
10Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren zuletzt gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiterverfolgt. Sie trägt vor, entgegen dem Landgericht handele es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt, dem die im Verfügungsverfahren gegebenen Beweismittel ohne Weiteres gerecht würden; es bedürfe zu dessen Aufklärung keines Sachverständigengutachtens. Das Landgericht habe verkannt, dass allein aufgrund des Vortrages der Antragsgegnerin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass die tatsächlichen Nikotingehalte der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten von dem auf der Verpackung angegebenen Nikotingehalt in Höhe von 20mg/ml abweichen. Die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsache, dass die im Antrag zu Ziffer 2) genannten Produkte tatsächliche Nikotingehalte in Höhe von 1,63 (W/W) Gewichtsprozent und 1,54 % (W/W) Gewichtsprozent aufwiesen, sei ebenfalls gegeben. Dies sei von ihr hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher abgelehnt. Auch der Antrag zu Ziffer 3) sei begründet, denn eine E-Zigarette sei nur „kindersicher“ im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 TabakerzG, wenn durch ihre bauliche Beschaffenheit in Form von kindergesicherten Verschlüssen und Öffnungsmechanismen sichergestellt sei, dass das in den E-Zigaretten enthaltene giftige Nikotin und andere Schadstoffe von Kindern nicht inhaliert oder verschluckt werden könnten.
11Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16. Dezember 2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
12Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2022 macht die Antragstellerin geltend, die von ihr zur Kindersicherheit vertretene Auffassung werde auch vom vom Landgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 09. November 2022, Az.: 3-10 O 92/22, vorgelegt als Anlage BF 1) sowie vom Landgericht Hamburg (Urteil vom 22. Dezember 2022, Az.: 327 O 231/22, vorgelegt als Anlage BF 2) sowie geteilt.
13II.
14Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet.
15Zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz führt zu keinem andern Ergebnis.
161.Der Senat stimmt mit dem Landgericht darin überein, dass es für die Verfolgung der Anträge zu Ziffer 1) und 2) im Eilverfahren nach den besonderen Umständen des Streitfalls an einem Verfügungsgrund fehlt.
171.1.
18Über den Verfügungsgrund ist nach einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen zu entscheiden. Auszugehen ist vom Interesse des jeweiligen Antragstellers, den Verfügungsanspruch nicht dadurch gefährdet zu sehen, dass bis zu einer Entscheidung in der Hauptsachen zu viel Zeit verstreicht. Dagegen abzuwägen ist das Interesse des Antragsgegners, nicht durch eine Maßnahme beeinträchtigt zu werden, welche auf einem Verfahren beruht, das seine Möglichkeiten der Rechtsverteidigung verkürzt (siehe dazu Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Auflage, Rn. 112 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
191.2.
20Dies zugrunde gelegt, wiegen im Streitfall die Interessen der Antragstellerin, das von ihr mit den Anträgen zu Ziffer 1) und 2) begehrte Verbot mit einer Eilmaßnahme zu erreichen, so gering, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG – unabhängig von der Zügigkeit der Rechtsverfolgung – widerlegt ist. Die von der Antragstellerin dargelegte und glaubhafte Tatsachengrundlage des Streitfalls reicht nicht aus, um das begehrte Verbot zu rechtfertigen. Mit den Erkenntnismöglichkeiten des Verfügungsverfahrens kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TabakerzV bzw. § 8 Abs. 1, 8 Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegen. Maßgeblich ist dabei, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren die Beschränkung auf präsente Beweismittel gilt.
21a. Die Antragstellerin trägt in diesem Verfahren vor, dass die tatsächlichen Nikotingehalte der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten von dem auf der Verpackung von der Antragsgegnerin angegebenen Nikotingehalt von 20 mg/ml abwichen, da sie 18,60 mg/ml, 19,20 mg/ml und 17,67 mg/ml betragen würden. Hierzu bezieht sie sich auf eine eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. E. vom 18. Oktober 2022 (Anlage AS 7) sowie einen Prüfbericht vom 28. September 2022 (Anlage AS 8). Ferner nimmt sie Bezug auf eine eidesstattliche Versicherung des Herrn D. sowie Testergebnisse, vorgelegt als Anlagenkonvolut AS 44, aus denen sich ergibt, dass die A. GmbH bei den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten tatsächliche Nikotingehalte von 19,1 mg/ml und 19,0 mg/ml gemessen habe. Schließlich hat sie unter Hinweis auf eine eidesstattliche Versicherung des Herrn N. (Anlage AS 30) dargetan, in den vergangenen Monaten über 200 Exemplare der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten untersucht zu haben mit dem Ergebnis, dass bei keinem dieser Exemplare der tatsächliche Nikotingehalt 20 mg/ml betragen habe.
22b. Die Antragsgegnerin ist diesem Vorbringen erheblich entgegen getreten. Sie macht unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Herrn rer. nat. H. (Anlage AG 28) geltend, dass der vorgelegte Prüfbericht unvollständig sei, weil er beispielsweise keine Angaben zu der Anzahl der Probeaufarbeitungen sowie Einwaagen enthalte, was notwendig sei, um die Plausibilität der Ergebnisse verifizieren zu können. Weiter führt sie unter Verweis auf eine weitere Stellungnahme des Herrn rer. nat. H. (Anlage AG 28a) aus, dass es dem Stand der Technik entspreche und zur Glaubhaftmachung der Validität der Messergebnisse erforderlich gewesen wäre, eine Dreifach-, mindestens jedoch eine Doppelbestimmung zu machen. Schließlich wendet sie ein, dass der von der Antragstellerin vorgelegte Prüfbericht nicht den Anforderungen der DIN EN ISO 20714 entspreche.
23c. Angesichts dieses Sach- und Streitstandes ist nicht zu beanstanden, dass es das Landgericht nicht für überwiegend wahrscheinlich gehalten hat, dass die tatsächlichen Nikotingehalte der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten von dem auf der Verpackung angegebenen Nikotingehalt in Höhe von 20 mg/ml abweichen. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht spricht im Streitfall nicht mehr für das Vorliegen der glaubhaft zu machenden Tatsache als dagegen. Insoweit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Dezember 2022 (Az.: 6 W 59/22, vorgelegt als Anlage BG 2). Mangels eigener Sachkunde sieht sich der Senat - ebenso wie das Landgericht - nicht in der Lage, festzustellen, ob die von der Antragstellerin behaupteten Messergebnisse zutreffend und in einem ordnungsgemäßen, den Anforderungen der DIN EN ISO 20714 entsprechenden Messverfahren zustande gekommen sind, ohne sich der Hilfe eines Sachverständigenbeweises zu bedienen. Die Einholung eines Sachverständigen-gutachtens zur Überprüfung der von der Antragstellerin behaupteten Messergebnisse ist jedoch im Eilverfahren gerade nicht möglich.
24d. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht gebietet das eigene Vorbringen der Antragsgegnerin keine abweichende Beurteilung. Anders als die Antragstellerin meint, ergibt sich aus der als Anlage AG 9 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers, Herrn M., sehr wohl, dass die Antragsgegnerin bei den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten Nikotingehalte von 19,99 mg/ml oder 20,01 mg/ml gemessen hat. Dass die Antragsgegnerin diese Messergebnisse für die Angaben auf der Verpackung geringfügig auf 20 mg/ml gerundet hat, ist unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. So sind Abweichungen tatsächlicher Stoffgehalte im Vergleich zu einer gesetzlichen Kennzeichnung regelmäßig vorhanden und in produktspezifischen Grenzen zulässig, was zum Beispiel die Regelungen der Fertigpackungsverordnung (FertigPackV) belegen. Auch die DIN EN 17648 sieht entsprechende Toleranzwerte vor und ist bei der Auslegung der Kennzeichnungspflicht des Nikotingehalts gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TabakerzV zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass nur geringfügige Abweichungen - wie hier - kaum das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 UWG erfüllen dürften (so auch OLG Köln, Beschluss vom 22. Dezember 2022, Az.: 6 W 59/22, vorgelegt als Anlage BG 2).
25Eine spürbare Beeinträchtigung der Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung ist seitens der Antragstellerin auch nicht dargetan. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass gewisse Schwankungen beim Nikotingehalt von Einweg-E-Zigaretten zulässig und somit auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden sind. Dass diese Geringfügigkeitsgrenze vorliegend überschritten ist, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft zu machen vermocht.
261.3.
27Wenn aber wegen der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht umfassend und sicher aufgeklärt werden kann, ob der hinreichende Nachweis über den Nikotingehalt der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten geführt ist, ist im Rahmen der Interessenabwägung festzustellen, dass das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin in keinem angemessenen Verhältnis zu den damit für die Antragsgegnerin verbundenen Beeinträchtigungen steht. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen wirkt das Verbot, dass die Antragstellerin mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung erreichen will, faktisch wie ein vorübergehendes Vertriebsverbot. Dieses würde angesichts der von der Antragsgegnerin getätigten Investitionen zu einem unverhältnismäßig hohen Schaden führen, der gänzlich außer Verhältnis zu dem damit bezweckten Verbraucher- und Mitbewerberschutz steht. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass der von der Antragstellerin unter Hinweis auf die Messergebnisse der A. GmbH behauptete tatsächliche Nikotingehalt der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten mit 19,1 mg/ml bzw. 19,0 mg/ml nur relativ geringfügig von dem auf der Verpackung angegebenen Nikotingehalt in Höhe von 20 mg/ml abweicht. Die Klärung der Streitigkeit ist der Antragstellerin daher im Hauptsacheverfahren unter Zuhilfenahme sachverständiger Feststellungen zuzumuten. Zu würdigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass nur ein Hauptsacheverfahren eine höchstrichterliche Entscheidung ermöglicht. Eine abweichende Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Antragstellerin zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgetragen und glaubhaft gemacht hätte, dass die Antragsgegnerin systematisch und planvoll falsche Angaben zum tatsächlichen Nikotingehalt der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten macht. Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden. Die Darstellung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin verwende bewusst weniger als 20 mg/ml Nikotin, um dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen, bleibt pauschal und ist zudem nicht glaubhaft gemacht.
282.
29Der Antragstellerin steht auch der mit dem Antrag zu Ziffer 3) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 TabakerzG nicht zu.
302.1.
31Der in erster Instanz gehaltene Vortrag der Antragstellerin zur Toxizität von Nikotin und den von den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten ausgehenden Gefahren rechtfertigt das mit dem Antrag zu Ziffer 3) begehrte Verbot nicht.
32Zutreffend gehen beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass Nikotin eine hohe orale Toxizität aufweist und das Verschlucken nikotinhaltiger Flüssigkeit durch Kinder eine erhebliche Vergiftungsgefahr begründet. Auch die Antragsgegnerin stellt nicht in Abrede, dass E-Zigaretten und Nachfüllbehälter in dem Sinne „kindersicher“ sein müssen, um Vergiftungsfälle durch Verschlucken nikotinhaltiger Flüssigkeit durch entsprechende Vorrichtungen bestmöglich zu vermeiden. Daraus vermag die Antragstellerin für das vorliegende Verfahren jedoch keine für sie günstige Rechtsfolge herzuleiten. Denn auch nach ihrem Vortrag geht von den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten nicht die Gefahr aus, dass die sich darin befindliche nikotinhaltige Flüssigkeit von Kindern versehentlich verschluckt werden kann.
332.2.
34Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten seien deshalb nicht „kindersicher“ im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 TabakerzG, weil die Nikotinfreisetzung bei diesen barrierefrei, nämlich allein durch das Saugen am Mundstück aktiviert werde.
35a. Der Senat vermag der Antragstellerin schon im Ausgangspunkt nicht darin zu folgen, dass die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten nur als „kindersicher“ gelten, wenn durch kindergesicherte Verschlüsse sowie Öffnungsmechanismen sichergestellt ist, dass sie von Kindern nicht verwendet oder geöffnet werden können. Die Antragstellerin verkennt, dass nicht jedes denkbare, für Kinder mit der Existenz von Einweg-E-Zigaretten verbundene Gesundheitsrisiko ausgeschlossen werden kann.
36b. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, in dem die Antragstellerin den Erlass einer Beschlussverfügung begehrt, die einem Verkaufsverbot gleichkommt (und sich damit maßgeblich von dem Sachverhalt unterscheidet, den das Landgericht Frankfurt am Main in dem unter dem Az.: 3-10 O 92/22 geführten Verfahren zu entscheiden hatte), ist auch zu würdigen, dass die für die Überprüfung der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften des § 14 Abs. 3 Satz 1 TabakerzG zuständigen Behörden den Rechtsstandpunkt der Antragstellerin offenbar nicht teilen. Denn zu einer Kindersicherung in dem von der Antragstellerin verstandenen Sinn ist die Antragsgegnerin - jedenfalls bislang - nicht verpflichtet worden. Hervorzuheben ist, dass der Verordnungsgeber in § 14 Abs. 3 Satz 2 TabakerzG ermächtigt worden ist, mit Zustimmung des Bundesrates aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union technische Anforderungen für elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter - unabhängig davon, ob es sich um nikotinhaltige oder nicht nikotinhaltige Varianten handelt - an die Kinder-, Manipulations-, Bruch- und Auslaufsicherheit sowie an eine auslauffreie Nachfüllung festzulegen. Von dieser Ermächtigung ist mit § 28a TabakerzV Gebrauch gemacht worden, allerdings nur betreffend den Mechanismus für eine auslauffreie Nachfüllung mit der Bezugnahme auf die Vorgaben des Durchführungsbeschlusses (EU) 2016/586 der Kommission vom 14. April 2016 zu den technischen Normen für den Nachfüllmechanismus elektronischer Zigaretten (ABl. L 101/15). Im Übrigen sah der Verordnungsgeber keinen Handlungsbedarf. Dies rechtfertigt den Schluss, dass er auch unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 40 der Richtlinie 2014/40/EU eine Ausstattung von Einweg-E-Zigaretten mit kindersicheren Verschlüssen und Öffnungsmechanismen, wie von der Antragstellerin gefordert, aus Gründen des Gesundheitsschutzes für nicht zwingend erforderlich hält. Sollte er - wie die Antragstellerin - zu der Einschätzung gelangen, dass E-Zigaretten nur dann „kindersicher“ sind, wenn Kinder nicht an ihnen „ziehen“, also das darin enthaltene Nikotin nicht inhalieren können, so ist es nach dem Verständnis des Senats allein Aufgabe des Gesetzgebers eine entsprechende Regelung zu treffen. Die geltende Rechtslage lässt den Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend dem Antrag zu Ziffer 3) nicht zu.
372.3.
38Im Übrigen hat die Antragstellerin aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass das in den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten enthaltene giftige Nikotin von Kindern in der Weise inhaliert werden kann, dass eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung zu besorgen ist.
39a. Die Antragstellerin hat unter Verweis auf eine E-Mail des Herrn Dr. A. vom 08. November 2022 (Anlage AS 51) behauptet, dass es Kinder möglich sei, den Unterdruckmechanismus der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten zu aktivieren, den Dampfmechanismus in Gang zu setzen und den erzeugten Dampf zu inhalieren. Dem ist die Antragsgegnerin entgegen getreten und hat dargelegt und diese Darlegungen mittels eines Kurzgutachtens des Herrn Dr. M. vom 20. Oktober 2022 (Anlage AG 32) substantiiert, dass bereits die erste Inhalation einen massiven reflektorischen Hustenreiz bei Kindern auslöst. Betreffend Säuglinge hat die Antragsgegnerin bestritten, dass diese aufgrund des Saugreflexes fähig seien, die Nikotinabgabe zu aktivieren; sie hat auch bestritten, dass Säuglinge die Fähigkeit der Inhalation besäßen. Die Antragstellerin hat es versäumt, sich mit diesem Vortrag auseinanderzusetzen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass Kinder und/oder Säuglinge überhaupt in der Lage sind, das sich in den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten befindliche Nikotin zu inhalieren, liegt nicht vor. Daran ändert die vom Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 09. November 2022 (Az.: 3-10 O 92/22, vorgelegt als Anlage BF 1) angenommene naheliegende Gefahr, dass Kinder an einer E-Zigarette „ziehen“ nichts. Die Behauptung der Antragstellerin, bei dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Kurzgutachten (Anlage AG 32) handele es sich um ein reines Gefälligkeitsgutachten stellt sich als bloße Mutmaßung dar, die ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt. Um ihrer Darlegungslast zu genügen, wäre die Antragstellerin vielmehr gehalten gewesen, sich mit dem Kurzgutachten inhaltlich auseinanderzusetzen. Dies ist nicht in der gebotenen Art und Weise geschehen.
40b. Erst recht ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass Kinder in der Lage sind, das sich in den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten befindliche Nikotin in einer Dosis zu inhalieren, die eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung besorgen lässt.
41aa. Hierzu hat die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf das Kurzgutachten des Herrn Dr. M. vom 20. Oktober 2022 (Anlage AG 32) sowie dessen Stellungnahme für die 49. Sitzung des Ausschusses für X. (Anlage AG 34) vorgetragen, dass die von einem Kleinkind bei zehn Zügen aufgenommene Menge an Nikotin immer noch unbedenklich sei. Sie liege deutlich unterhalb der Dosis, bei der von ersten spürbaren schädlichen Wirkungen auf den Körper eines Kindes auszugehen sei. Die Antragsgegnerin hat ihr diesbezügliches Vorbringen mit dem Gutachten des Herrn Dr. H. vom 25. November 2022 (Anlage AG 51) weiter substantiiert, der ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die in den streitgegenständlichen Zigaretten enthaltene Nikotinkonzentration kein relevantes Risiko einer Gesundheitsgefährdung darstellt.
42bb. Gegenteiliges ist auf Grundlage des von der Antragstellerin im Rahmen dieses Verfahrens gehaltenen Sachvortrages nicht feststellbar. Ihr ist zwar zuzugeben, dass allein das Inhalieren an E-Zigaretten schädlich sein mag. Nichts anderes gilt jedoch beispielsweise auch für das Einatmen von „normalem“ Zigarettenrauch, ohne dass in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit von kindersicheren Verschlüssen und Öffnungsmechanismen an einer Zigarettenschachtel ernsthaft diskutiert wird. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht kommt es nach dem uneingeschränkt geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, an dem sich alles staatliche Handeln messen lassen muss, im Rahmen der gebotenen Güterabwägung sehr wohl darauf an, dass das in den streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten enthaltene giftige Nikotin von Kindern in der Weise inhaliert werden kann, dass eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung zu besorgen ist. Hierzu hat die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf das Kurzgutachten des Herrn Dr. M. vom 20. Oktober 2022 (Anlage AG 32) vorgetragen, dass die von einem Kleinkind bei zehn Zügen aufgenommene Menge an Nikotin immer noch unbedenklich sei.
432.4.
44Schließlich kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß Antrag zu Ziffer 3) auch deshalb nicht in Betracht, weil es an einem Verfügungsgrund fehlt (so im Ergebnis auch OLG Köln, Beschluss vom 22. Dezember 2022, Az.: 6 W 59/22, vorgelegt als Anlage BF 2).
45a. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt das Vorliegen eines Verfügungsgrundes voraus. Das Erwirken einer vollstreckbaren Entscheidung aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Den Nachteilen, die der Antragstellerin aus einem Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache entstehen können, sind die Nachteile gegenüber zu stellen, die der Antragsgegnerin aus der Anordnung drohen. Das Interesse der Antragstellerin muss so sehr überwiegen, dass der beantragte Eingriff in die Sphäre der Antragsgegnerin aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 07. Juni 2012, Az.: I-20 U 1/11, GRUR-RR 2012, 146 - 148 - E-Sky; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Auflage 2018, Rn. 103). Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn bei einem Zuwarten bis einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsache-verfahren die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Erforderlich ist eine Gefährdung der Rechtsverwirklichung, eine besondere Dringlichkeit für eine vorläufige Entscheidung, §§ 935, 940 ZPO. Dabei spielt für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes das eigene Verhalten des Antragstellers eine ganz wesentliche Rolle, wenn und soweit daraus Rückschlüsse auf die besondere Eilbedürftigkeit der Rechtsverfolgung gezogen werden können. Wer mit einer Verfahrenseinleitung unangemessen lange abwartet, das Verfahren selbst säumig betreibt, verzögert oder in anderer Weise erkennen lässt, dass es ihm (subjektiv) nicht eilt, belegt durch dieses Verhalten regelmäßig, dass eine rasche und summarische Rechtsverfolgung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für ihn objektiv nicht dringend ist (siehe dazu Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Auflage 2018, Rn. 136 ff.; Teplitzky, Wett-bewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Auflage 2019, Kapitel 54 Rn. 17 ff.). Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist vom Anspruchsteller darzulegen und glaubhaft zu machen, §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO.
46b. Mit dieser Maßgabe fehlt es im Streitfall betreffend den Antrag zu Ziffer 3) an der Eilbedürftigkeit, denn die Antragstellerin hat sich durch zu langes Zuwarten selbst in Widerspruch zur Eilbedürftigkeit gesetzt.
47Anerkannt ist, dass die Eilbedürftigkeit entfällt, wenn der Antragsteller längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er positive Kenntnis von Tatsachen hatte, die den Wettbewerbsverstoß begründen oder sich bewusst dieser Kenntnis verschlossen hat. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht in diesem Zusammenhang zwar nicht. Die Antragsgegnerin hat aber umfangreiche Ausführungen dazu gemacht, dass die Antragstellerin spätestens am 30. September 2021 um die von ihr beanstandete barrierefreie Zugautomatik der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten gewusst habe. Hierzu hat sie zum einen unwidersprochen vorgetragen, dass die Antragstellerin bereits im Jahr 2019 gerichtlich gegen E-Zigaretten der Marke Y. vorgegangen war, die - wie die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten - über eine druckschalterlose Zugautomatik verfügen. Zum anderen hat sie dargelegt und mittels eidesstattlicher Versicherung des Herrn R. vom 01. November 2022 (Anlage AG 42) glaubhaft gemacht, dass dem für die Antragstellerin in verantwortlicher Stellung tätigen Herrn E. anlässlich eines Geschäftsessens am 30. September 2021 das Modell Z. 1 präsentiert worden war, das in Funktion und Aufbau identisch ist mit den streitgegenständlichen und unstreitig überaus populär gewordenen Einweg-E-Zigaretten. Dieser Schilderung ist die Antragstellerin nicht prozesserheblich entgegen getreten mit der Folge, dass dieser Sachverhalt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Das Wissen des Herrn E. muss sich die Antragstellerin, ausgehend von ihrem eigenen Tatsachenvortrag, auch zurechnen lassen. Nach alledem konnte es ihr nicht verborgen geblieben sein, dass die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten in gleicher Weise funktionieren wie die der Marken Y. und Z. Ihr lagen in dringlichkeitsschädlicher Zeit sichere Anhaltspunkte vor, die - aus ihrer Sicht - ein Verbot entsprechend dem Antrag zu Ziffer 3) rechtfertigten. Sie kann sich aufgrund ihrer Untätigkeit in der Zeit von September 2021 bis Oktober 2022, also über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr nunmehriges Vorgehen im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin sei dringlich.
483.
49Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin, wie mit dem Ziffer 3) geltend macht, ergibt sich auch nicht aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 CLP-Verordnung. Soweit die Antragstellerin ihr Begehren auf eine vermeintlich fehlende Kindersicherheit im Sinne der CLP-VO stützt, fehlt es ebenfalls an der Dringlichkeit. Darauf hat bereits das Landgericht in den Gründen des Beschlusses vom 16. Dezember 2022 zutreffend hingewiesen. Dem schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Senats und sind auch in der Sache nicht ergänzungsbedürftig.
50III.
511.
52Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.
532.Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, §§ 574 Abs. 1, 542 Abs. 2 ZPO.
543.Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung in erster Instanz, die von keiner der Parteien angegriffen worden ist, auf 250.000,- € festgesetzt.