Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Gründe:
2Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers hat nur teilweise Erfolg, da die Voraussetzungen für eine Abänderung der anläßlich der Scheidung der Ehe der Kindeseltern getroffenen Sorgeregelung in der Weise, daß nunmehr dem Kindesvater die elterliche Sorge allein oder als gemeinsame elterliche Sorge zusammen mit der Kindesmutter übertragen wird, nicht gegeben sind. Es verbleibt damit grundsätzlich bei der alleinigen elterlichen Sorge der Kindesmutter. Eine Einschränkung hält der Senat lediglich hinsichtlich des Rechtes, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, für geboten, um zu verhindern, daß die Antragsgegnerin den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ohne Abstimmung mit dem Antragsteller ändert und hierdurch eine Situation schafft, die möglicherweise das Wohl des Kindes nachhaltig in ungünstiger Weise beeinträchtigt. Es ist daher auf der Grundlage des § 1671 BGB in der seit dem 01.07.1998 aufgrund des Kindschaftsreformgesetzes geltenden geänderten Fassung, die neben einer Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt auch die Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein zuläßt, der Antragsgegnerin die alleinige elterliche Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, welches den Eltern gemeinsam zusteht, belassen worden.
3Die von dem Antragsteller angestrebte vollständige Änderung der bisherigen Sorgeregelung durch Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für den Sohn W auf ihn, hilfsweise der Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge, ist nicht veranlaßt. § 1696 BGB läßt die Änderung einer gerichtlichen Sorgeregelung, wie sie hier anläßlich der Scheidung der Kindeseltern nach § 1671 BGB a.F. getroffen worden ist, nur zu, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Diese durch das Kindschaftsreformgesetz in den Gesetzeswortlaut aufgenommene Voraussetzung entspricht der Auslegung des § 1696 Abs. 1 BGB a.F., welcher eine Änderung daran knüpfte, daß sie im Interesse des Kindes angezeigt war, durch die Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1986, 1130). Die Eingriffsschwelle für eine Abänderungsentscheidung wird hierdurch anders als bei der ursprünglich gemäß § 1671 Abs. 2 BGB a.F. getroffenen Sorgeregelung, bei der es darum ging, welche der sich bietenden Alternativen dem Kindeswohl am besten entsprach, deutlich heraufgesetzt. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der bisherigen Alleinsorge der Kindesmutter wären nicht bereits dann gegeben, wenn festgestellt werden könnte, daß die alleinige elterliche Sorge des Kindesvaters bzw. dessen Beteiligung an der elterlichen Sorge im Rahmen eines gemeinsamen Sorgerechts der Eltern dem Kindeswohl am besten entsprechen würde, sondern nur dann, wenn die bisherige Regelung das Kindeswohl in erheblicher Weise beeinträchtigen würde. Dies kann vorliegend lediglich in Bezug auf das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, festgestellt werden, während ansonsten der Fortbestand der Alleinsorge der Kindesmutter unter Berücksichtigung des Kindeswohls nicht zu beanstanden ist.
4Der Senat pflichtet dem Familiengericht darin bei, daß allein der Umstand, daß die Antragsgegnerin den Ideen des "Zentrums für ..." (Z...) sehr nahe steht und ihre persönliche Lebensgestaltung hiernach zumindest in wesentlichen Bereichen ausrichtet, nicht dazu führt, ihr die Fähigkeit, den Sohn W angemessen zu betreuen und zu versorgen, abzusprechen. Zwar ist im Hinblick darauf, daß die Antragsgegnerin seit mehreren Jahren an Veranstaltungen des Z... teilnimmt, sich teilweise monatelang in Einrichtungen dieser Gemeinschaft in U in Q aufhält und in einer Wohngemeinschaft lebt, die als Kontaktadresse für das Projekt "Internationale ...." angegeben wird, davon auszugehen, daß sie in einer wesentlich engeren Beziehung zu dieser Gemeinschaft steht als von ihr selbst eingeräumt wird. Jedoch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß dies zu einer Beeinträchtigung der Entwicklung und Erziehung von W führt. Dem von den Beteiligten selbst vorgelegten Informationsmaterial über die Z..., die der Antragsteller als Psychosekte bezeichnet, und den zusätzlichen Informationen, die der Senat durch das Informations- und Dokumentationszentrum Sekten/Psychokulte bei der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Landesstelle Nordrhein-Westfalen e.V. eingeholt hat, ist zu entnehmen, daß das Z... ein Gesellschaftsbild verfolgt, welches insbesondere im Bereich der Sexualität Auffassungen vertritt, die sich von den überkommenen allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen unterscheiden (Stichwort ). In kritischen Stellungnahmen ist die Rede davon, daß auf die Mitglieder der Gruppierung bzw. auf Teilnehmer der Veranstaltungen kollektiver Druck ausgeübt werde, sich den Zielen der Gemeinschaft unterzuordnen. Außerdem wird auf die geistige Nähe zur , deren Gründer L wegen Kindesmißbrauchs rechtskräftig zu 7 Jahren Haft verurteilt worden sei, hingewiesen. Weder aus den Selbstzeugnissen der Gruppe noch aus ihrem Verhalten, soweit es objektivierbar ist, kann jedoch geschlossen werden, daß sie Ziele verfolgt, die als strafbare Handlungen anzusehen sind oder die der durch das Grundgesetz geschützten allgemeinen Wertordnung widersprechen. Soweit der Antragsteller meint, hierfür Anzeichen in dem angeblich auffälligen Sexualverhalten des Kindes zu finden, ist das Familiengericht dem mit zutreffenden Erwägungen nicht gefolgt. Bezeichnend ist, daß diese angeblichen Auffälligkeiten ausschließlich vom Antragsteller und seiner Lebensgefährtin beobachtet worden sind. Der Sachverständige T führt hierzu in seinem erstinstanzlich eingeholten psychologischen Gutachten aus, daß die von dem Kindesvater vorgelegten umfangreichen Protokolle über Äußerungen des Kindes eindrucksvoll dokumentieren, wie sich bei W im Zusammenhang mit einer teils subtilen, teils direkten suggestiven Beeinflussung durch den Kindesvater und seine Lebensgefährtin eine emotionale Belastung aufgebaut habe, die Züge einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung aufwiesen. Dem pflichtet der Senat bei. Die vom Antragsteller vorgelegten Gesprächsprotokolle und die hieraus in seinen Stellungnahmen gezogenen Schlüsse zeigen, daß der Antragsteller die Gespräche mit seinem Sohn zielstrebig in die von ihm gewünschte Richtung lenkt und den Antworten des Kindes einen sexuellen Bezug zuordnet, auch wenn hierfür kaum ein Anhaltspunkt besteht. Der Antragsteller ist offensichtlich nicht mehr in der Lage, seinem Sohn unbefangen gegenüberzutreten, d.h. mit ihm zu sprechen ohne die Absicht, eine vermeintlich negative Beeinflussung durch das Verhalten der Mutter aufklären zu müssen. Der Sachverständige T hat durch Nachfrage in der Kindertagesstätte, die W bis zu seiner Einschulung im Sommer 1998 besucht hat, festgestellt, daß dort keine Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, insbesondere nicht im sexuellen Bereich, beobachtet worden sind.
5Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Antragsgegnerin das Kind nicht hinreichend betreut bzw. in ihrer Erziehungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist. Zwar ist für sie ihr Selbstfindungsprozeß erheblich wichtiger als die Schaffung einer soliden beruflichen und wirtschaftlichen Grundlage für ihr und des Kindes zukünftiges Leben. Dies stellt jedoch ihre Erziehungsfähigkeit nicht grundsätzlich in Frage, zumal sie das Kind seit der Trennung der Eltern im September 1993 ausreichend versorgt und betreut. Die insoweit vom Antragsteller erhobenen Vorwürfe, z.B. bezüglich einer mangelnden gesundheitlichen Fürsorge, sind entweder nicht objektivierbar oder aber von untergeordneter Bedeutung. Im übrigen ist zweifelhaft, ob er für das Kind eine bessere Alternative (die für eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB entsprechend den obigen Ausführungen noch nicht ausreichen würde) bieten kann. Seine Beteuerung, daß das Wohl des Kindes für ihn absoluten Vorrang habe, erscheint vor dem Hintergrund, daß er seit Jahren keinen Kindesunterhalt zahlt, nicht besonders glaubwürdig. Dem kann nicht mit dem Hinweis auf die schlechte allgemeine Arbeitsmarktlage begegnet werden, da es einem jetzt 42 Jahre alten Mann ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen bei entsprechendem Willen möglich sein müßte, wenigstens den Mindestunterhalt für sein Kind sicherzustellen. Außerdem hat der Antragsteller durch sein bisheriges Verhalten und insbesondere seine Äußerungen im Senatstermin zu erkennen gegeben, daß er nicht über die erforderliche Bindungstoleranz verfügt. Aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Antragsgegnerin ist zu erwarten, daß er bei einer Übertragung der Alleinsorge auf ihn die Kontakte des Kindes zur Mutter nicht in gleicher Weise beachten und ggf. sogar fördern würde, wie dies die Antragsgegnerin bisher getan hat. Schließlich sind die ständigen Versuche des Antragstellers, W zu überwachen und auszuforschen, dem Kindeswohl nicht förderlich. Sie können nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß sie durch die Sorge begründet sind, daß das Kindeswohl durch die Mutter beeinträchtigt werde. W hat bei seiner Anhörung durch den Senat in einer an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Weise zu erkennen gegeben, daß er darunter leidet, dem Vater ständig Antworten geben zu müssen, die er weitgehend nicht beantworten könne, selbst wenn er dies wollte. Daraus folgt, daß der Antragsteller den starken Loyalitätskonflikt, in dem sich das Kind befindet, durch seine Fragen, die aus der Sicht des Kindes immer wieder darauf hinauslaufen, sich dafür rechtfertigen zu müssen, weshalb es sich noch bei der Mutter aufhält, verschärft. Das Kind hat diese Befürchtungen und Ängste in einer Weise geäußert, die eine Manipulation durch die Antragsgegnerin ausgeschlossen erscheinen läßt. Im Gegenteil hat die Antragsgegnerin bislang offensichtlich nicht versucht, den Antragsteller gegenüber dem Kind negativ darzustellen. Hierfür spricht der Umstand, daß W eine herzliche und liebevolle Beziehung zum Vater hat. Das Kind hat zum Ausdruck gebracht, daß es beide Eltern liebt und die gegenwärtige Situation mit der Betreuung durch die Mutter und Besuchen beim Vater beibehalten möchte. Auch insoweit hat der Senat den Eindruck gewonnen, daß es sich um eine autonome Willensäußerung des Kindes handelt. Hinsichtlich der Betreuungssituation hat W auf Befragung angegeben, daß sich sowohl zu Hause als auch bei den Ferienaufenthalten in Q nahezu ausschließlich seine Mutter um ihn gekümmert habe und nur in wenigen Einzelfällen und für kurze Zeit andere Personen die Betreuung übernommen hätten. Es gibt somit keinen Beleg für die vom Antragsteller aufgestellte Behauptung, die Antragsgegnerin verfolge häufig in erster Linie eigene Interessen und überlasse das Kind in weitgehendem Umfang entweder sich selbst oder der Betreuung anderer Personen. Der Senat hat bei der persönlichen Anhörung den Eindruck gewonnen, daß W altersentsprechend entwickelt ist und keine Verhaltensauffälligkeiten zeigt.
6Aufgrund der vorstehenden Feststellungen und Beurteilungen ist eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls bei Fortbestand der bisherigen Alleinsorgeregelung zugunsten der Kindesmutter, die eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB entsprechend dem Begehren des Antragstellers rechtfertigen würde, nicht gegeben. Eine Einschränkung gilt nur insoweit, als die Möglichkeit besteht, daß die Antragsgegnerin zusammen mit dem Kind ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland verlegt. Nach Darstellung des Antragstellers hat sie die Absicht geäußert, mit dem Kind nach Q an den Ort zu gehen, wo sich die Einrichtung des Z... befindet, die ihr aufgrund von mehrfachen zum Teil monatelangen Ferienaufenthalten bereits bekannt ist. Obwohl die Antragsgegnerin bei ihrer Anhörung durch den Senat erklärt hat, daß zur Zeit eine solche Absicht nicht konkret bestehe, ist eine solche Möglichkeit keineswegs unrealistisch, zumal sie auch nach der Sorgeregelung im Scheidungsverfahren entgegen ihrer dort geäußerten Absicht, in der Nähe der Wohnung ihrer Eltern wohnen zu bleiben, ihren Wohnsitz geändert hat. In diesem Zusammenhang ist erneut hervorzuheben, daß die Anschrift der Antragsgegnerin, wenn auch unter dem Namen einer Mitbewohnerin der Hofgemeinschaft, Kontaktadresse der Internationalen ... in Q ist. Dies ergibt sich aus der von der Antragsgegnerin im Senatstermin überreichten Broschüre über diese Schule. Mit einem Umzug nach Q würde sich die Lebenssituation für W, der inzwischen eingeschult ist, entscheidend verändern und das Wohl des Kindes aus jetziger Sicht nachhaltig berührt. Um ggf. eine Überprüfung der Veränderung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland zu ermöglichen, hält es der Senat für geboten, der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teilbereich der elterlichen Sorge nicht zur alleinigen Ausübung, sondern nur zusammen mit dem Antragsteller zu überlassen. Auf diese Weise ist gewährleistet, daß die Antragsgegnerin nicht mit einem Ortswechsel Umstände schafft, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das bedeutet nicht, daß jeder Aufenthaltswechsel ins Ausland als mit dem Kindeswohl nicht vereinbar angesehen wird. Der auf diese Weise vorgenommene Eingriff in die Personensorge der Antragsgegnerin entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie hiervon nur in einem konkreten Einzelfall, nämlich dem dauerhaften Aufenthaltswechsel zusammen mit dem Kind, betroffen ist. Dies ist zur Wahrung der Kindesbelange hinzunehmen. Eine weitergehende Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge bis hin zu der vom Antragsteller hilfsweise beantragten gemeinsamen elterlichen Sorge kam im Hinblick auf die erheblichen Spannungen und die insbesondere von seiten des Antragstellers signalisierte fehlende Kooperationsbereitschaft nicht in Betracht. Insoweit bleibt es daher bei der Alleinsorge der Antragsgegnerin als Teilregelung im Sinne des § 1671 BGB. Hinsichtlich des den Eltern gemeinsam übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts bedarf es dagegen keiner ständigen Kooperation. Vielmehr dient diese Regelung allein der Verhinderung eines nicht mehr oder nur schwer rückgängig zu machenden Zustandes durch die Antragsgegnerin. Sollten die Eltern im Falle eines von der Antragsgegnerin beabsichtigten Aufenthaltswechsels nicht zu einem Einvernehmen gelangen, so müßte hierzu eine Entscheidung des Familiengerichts gemäß § 1628 Abs. 3 BGB herbeigeführt werden.
7Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 KostO, 13 a Abs. 1 FGG.