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1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl vom 3.12.2009 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde im übrigen wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Der Antragsgegner wird zur Zahlung von Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind P in Höhe von 100 € monatlich für die Zeit von Mai 2010 bis einschließlich September 2010 und in Höhe von 240 € monatlich ab Oktober 2010 verpflichtet, zahlbar für Mai 2010 an die Stadt N – Unterhaltsvorschusskasse – und für die Zeit ab Juni 2010 zu Händen der Antragstellerin.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens der ersten Instanz werden dem Antragsgegner zu 3/5, der Antragstellerin zu 4/5 auferlegt. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner 6/7, die Antragstellerin 1/7.
3. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.200 € bis zum 3.5.2010 und auf 600 € ab dem 4.5.2010 festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der am 15.10.1975 geborene Antragsgegner ist der leibliche Vater des am 20.2.1999 geborenen gemeinsamen Kindes der Beteiligten, P. Die beteiligten Eheleute sind türkische Staatsbürger. Sie haben sich nach ihrer Eheschließung am 6.1.1997 am 22.7.2009 voneinander getrennt. Am 27.10.2009 ist dem Antragsgegner der Antrag der Antragstellerin auf Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt zugestellt worden. Seit dem 18.12.2009 ist die Ehe der Beteiligten rechtskräftig geschieden.
4Das betroffene gemeinsame Kind lebt im Haushalt der Antragstellerin. Diese bezieht für sich und das Kind Leistungen nach dem SGB II. Außerdem erhält sie Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind in Höhe von 158 € monatlich.
5Der Antragsgegner lebt seit 1997 in Deutschland. Er hat keinen Beruf erlernt und ist der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. In der Zeit von 2001 bis 2004 war er zeitweise bei Leiharbeitsfirmen angestellt. In dieser Zeit hat er Einkünfte zwischen 6,60 € und 6,70 € brutto pro Stunde verdient. Seit August 2004 ist er arbeitslos.
6Im Zuge der Trennung und Anmietung einer eigenen Wohnung hat er von seinem Vormieter Möbel zu einem Kaufpreis von 1.350 € erworben. Hierauf zahlt er Raten in Höhe von 100 € monatlich. Die Mietkaution für seine Wohnung betrug 630 €.
7Erstinstanzlich hat die Antragstellerin beantragt,
8den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für das gemeinsame Kind P ab Oktober 2009 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 240 € zu zahlen.
9Der Antragsgegner hat beantragt,
10den Antrag abzuweisen.
11Das Familiengericht hat den Antragsgegner mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtet, an die Antragstellerin für das gemeinsame Kind monatlich 100 € Kindesunterhalt für die Zeit von Oktober 2009 bis einschließlich September 2009 und monatlich 240 € ab Oktober 2010 zu zahlen. Es hat dem Antragsgegner fiktives Einkommen aus einer Haupt- und gegebenenfalls einer zusätzlichen Nebentätigkeit zugerechnet, welches ihn in die Lage versetzt, den begehrten Kindesunterhalt ab Oktober 2010 zu leisten. Für eine Übergangsfrist von einem Jahr hat es ihm geringere Einkünfte in unbezifferter Höhe fiktiv zugerechnet, um ihm Gelegenheit zu geben, die deutsche Sprache zu erlernen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl.38 ff. d. A.) verwiesen.
12Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Höhe des ihm fiktiv zugerechneten Einkommens. Er behauptet, er sei – jedenfalls - nicht in der Lage, mehr als 900 € netto monatlich zu verdienen. Er ist der Ansicht, zusätzliches Einkommen aus einer Nebentätigkeit könne ihm nicht zugerechnet werden.
13Der Antragsteller hat zunächst beantragt, den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und die Klage abzuweisen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er seinen Beschwerdeantrag teilweise zurückgenommen, soweit er nicht von der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gedeckt war. Nunmehr beantragt er,
14den erstinstanzlichen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin für die Zeit bis einschließlich März 2010 insgesamt und für die Zeit ab April 2008 in Höhe eines den Betrag von 150 € monatlich übersteigenden Unterhaltsbetrages abgewiesen wird.
15Die Antragstellerin beantragt,
16die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Zahlung des Kindesunterhalts (bis zur Höhe der gewährten Unterhaltsvorschussleistungen) bis einschließlich Mai 2010 an die Unterhaltsvorschusskasse der Stadt N erfolgen soll.
17Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und den Sachvortrag der Beteiligten in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
18II.
19Da das Unterhaltsverfahren zeitlich nach dem 01.09.2009 beim Amtsgericht – Familiengericht - Marl eingeleitet worden ist, ist für das Verfahren gem. § 111 I FGG-RG das neue Recht anwendbar.
20Die gem. § 58 I FamFG statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat nur in dem tenorierten Umfang Erfolg.
21Dem gemeinsamen Kind der Beteiligten steht gegen den Antragsgegner, seinen leiblichen Vater, ein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt nach den §§ 1601 ff. BGB zu.
22Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 18 I 1 EGBGB, der seinem Wortlaut nach der in den §§ 1, 4 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2.10.1973 entspricht (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., § 18 EBGBG, Rz. 2), weil das unterhaltsberechtigte Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
231)
24Der Geltendmachung des Anspruchs durch die Antragstellerin steht nicht entgegen, dass sie nach § 1629 III 1 BGB Ansprüche des minderjährigen Kindes gegen den Antragsgegner nur bis zur Rechtskraft der Scheidung im eigenen Namen geltend machen kann, denn die im Zeitpunkt der Antragszustellung vor Rechtkraft der Scheidung bestehende Verfahrensführungsbefugnis der Antragstellerin wirkt über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus fort (vgl. Wendl/Staudigl-Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 10 Rz. 135d. m. w. N.).
25Der Geltendmachung des Anspruchs steht auch nicht entgegen, dass das unterhaltsberechtigte Kind im Anspruchszeitraum Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, denn ein Anspruchsübergang auf den Träger der öffentlichen Leistung ist gem. § 33 II 3 SGB II ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gehen Ansprüche insbesondere dann nicht auf den Träger der Grundhilfe über, wenn und soweit sie nicht auf einem nach den §§ 11 und 12 SGB II zu berücksichtigendem Einkommen des Unterhaltsverpflichteten beruhen. Vorliegend berechnet sich die Höhe des dem Kind zustehenden Unterhaltsanspruchs ausschließlich auf der Grundlage fiktiven Einkommens des Antragsgegners, denn der arbeitslose Antragsgegner ist unter Berücksichtigung des ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalts für Nichterwerbstätige in Höhe von derzeit 770 € nicht in der Lage, von den von ihm bezogenen Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts Kindesunterhalt zu zahlen. Fiktive Einkünfte stellen kein Einkommen im Sinne der §§ 11, 12 SGB II dar (vgl. Wendl/Staudigl-Scholz, a. a. O., § 8 Rz. 36, 131).
26Soweit das unterhaltsberechtigte Kind im Anspruchszeitraum Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezogen hat, hat die Antragstellerin dem Anspruchsübergang auf den Leistungsträger gem. § 7 I 2 UVG, jedenfalls für die Zeit nach Rechtshängigkeit des Antrags am 27.10.2009 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 4.5.2010, dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie in Höhe des übergangenen Anspruchs bis einschließlich Mai 2010 Zahlung an die Stadt N beantragt hat (vgl. BGH FamRZ 1996, 1203, 1206 f.; Wendl/Staudigl-Scholz, a. a. O., § 8 Rz. 109, 271).
272)
28Der Antragsgegner kann sich – wie das Familiengericht zutreffend angenommen hat - gegenüber seinem minderjährigen Kind nicht uneingeschränkt auf seine Leistungsunfähigkeit berufen. Spätestens ab Mai 2010 muss er sich fiktives Einkommen in einer Höhe zurechnen lassen, das ihn in die Lage versetzt, den begehrten Kindesunterhalt zu leisten.
29a)
30Den Antragsgegner trifft mit Beginn seiner Barunterhaltsverpflichtung nach der Trennung der Eheleute gegenüber seinem minderjährigen Kind gemäß § 1603 II 1 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Ob und inwieweit er als Unterhaltspflichtiger leistungsfähig ist, wird deshalb nicht allein durch sein tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit. Ihn trifft unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, ihm zumutbare und mögliche Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm zumutbare und mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH FamRZ 1985, 158; OLG Hamm, FamRZ 1998, 982). Der Antragsgegner hat deshalb alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um schnellstmöglich eine seinem Alter, seinem Gesundheitszustand, seiner Vorbildung und seinem beruflichen Werdegang entsprechende und möglichst gut bezahlte Stelle zu finden.
31Diesen Anforderungen wird das Verhalten des Antragsgegners nicht gerecht.
32Der Antragsgegner hat weder schlüssig dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass er sich nach der Trennung der Eheleute in ausreichendem Maße um eine Arbeitsstelle bemüht hat.
33Soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, aufgrund seiner fehlenden Ausbildung und seiner mangelnden Sprachkenntnisse nicht vermittelbar zu sein kann dem – jedenfalls für die Zeit ab Mai 2010 – nicht gefolgt werden.
34Der Antragsteller ist erst 34 Jahre alt. Gesundheitliche Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit sind nicht vorgetragen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein ausländischer Mitbürger mit fehlenden oder eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar ist, besteht nicht. Außerdem kann vom Antragsgegner erwartet werden, dass er sich in verstärktem Maße bei Arbeitgebern aus seinem Heimatland bewirbt, die bei der Einstellung in der Regel keine hohen Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse voraussetzen (vgl. auch: OLG Hamm FamRZ 2002, 1427, 1428; OLG Schleswig FamRZ 1474, 1475). Darüber hinaus kann von ihm im Rahmen der ihn treffenden Erwerbsobliegenheit erwartet werden, dass er sich darum bemüht, ausreichende Kenntnisse in der deutschen Sprache zu erwerben, bzw. seine bestehenden Sprachkenntnisse zu verbessern (vgl. OLG Schleswig, a. a. O.). Dafür, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang sich der bereits seit mehr als 11 Jahren in Deutschland lebende Antragsgegner darum bemüht hat, seine Sprachkenntnisse zu verbessern, hat er nichts vorgetragen.
35Unter diesen Umständen und vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner keine einzige Bewerbung auf einen Arbeitsplatz dargelegt hat, kann von einer fehlenden Vermittelbarkeit des Antragsgegners auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgegangen werden.
36b)
37Dem Antragsteller ist deshalb ein fiktives Erwerbseinkommen in Höhe des tatsächlich erzielbaren Einkommens zuzurechnen, da jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass für ihn eine reale Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt besteht, er mithin bei hinreichenden Bemühungen eine seinen Verhältnissen entsprechende Arbeit gefunden hätte.
38Der Senat geht davon aus, dass der Antragsgegner derzeit bei ausreichenden Bewerbungsbemühungen unter Berücksichtigung seines Alters einerseits und seiner fehlenden Berufsausbildung andererseits einen Bruttostundenlohn von 9,88 Euro erzielen könnte. Das entspricht dem tariflichen Mindestlohn für Hilfsarbeiter im Abbruch- und Abwrackgewerbe (vgl. www.tarifregister.nrw.de).
39Die Zurechnung eines geringeren Stundenlohns wird den vorliegenden Umständen – zur Überzeugung des Senats – nicht gerecht. Der Antragsgegner hat zwar in der Zeit des Zusammenlebens mit der Klägerin lediglich Arbeiten bei Zeitarbeitsfirmen durchgeführt und dabei nicht mehr als 6,70 € brutto pro Stunde erzielt. Derartige Tätigkeiten werden erfahrungsgemäß untertariflich entlohnt. Die bisherige Tätigkeit des Antragsgegners im Rahmen von Zeitarbeitsverträgen ist jedoch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm bei ausreichenden Bewerbungsbemühungen im Anschluss an die ihm obliegenden Bemühungen zur Verbesserung seiner Sprachkenntnisse nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Arbeitsstelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsgegner auch bei Erfüllung seiner Erwerbs- und Ausbildungsobliegenheit nicht in der Lage ist, eine Festanstellung – außerhalb eines Zeitarbeitsverhältnisses - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Solche Umstände hat der Antragsgegner nicht vorgetragen. Insbesondere die lange Arbeitslosigkeit des Antragsgegners steht einer Festanstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Die Dauer der Arbeitslosigkeit wirkt sich in der Regel dann nachteilig auf eine Neuanstellung aus, wenn es sich um qualifizierte Tätigkeiten handelt, die eine kontinuierliche Weiterbildung oder ein besonderes Maß an Berufserfahrung voraussetzen. Die dem Antragsgegner offenstehenden Tätigkeitsbereiche beziehen sich ausschließlich auf Arbeiten im ungelernten Bereich, für die weder eine Weiterbildung noch ein besonderes Maß an Berufserfahrung vorausgesetzt wird. Unter diesen Umständen stellt alleine die Dauer der Arbeitslosigkeit keinen maßgeblichen Gesichtspunkt für die Höhe des vom Antragsgegner erzielbaren Einkommens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dar.
40Bei einem erzielbaren Stundenlohn von 9,88 € brutto und einer (vollschichtigen) Arbeitszeit von durchschnittlich rund 174 Arbeitsstunden im Monat betrüge das Nettoeinkommen des Antragsgegners unter Berücksichtigung der Steuerklasse 1 und des entsprechenden Kinderfreibetrages monatlich 1.207,32 €. Sein fiktives Einkommen stellt sich wie folgt dar:
Bruttoeinkommen (fiktiv) | 1.718,13 € |
Lohnsteuer | - 158,08 € |
Solidaritätszuschlag | - 0,95 € |
Krankenversicherung | - 135,73 € |
Pflegeversicherung | - 21,05 € |
Rentenversicherung | - 170,95 € |
Arbeitslosenversicherung | - 24,05 € |
Nettoeinkommen (fiktiv) | 1.207,32 € |
Nach Abzug der – vom Senat üblicherweise in Ansatz gebrachten - fiktiven berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von rund 60 € (5% pauschal) verblieben dem Antragsgegner bereinigt 1.147,32 € netto.
43Soweit das Familiengericht weitere Abzüge, insbesondere für Schuldverbindlichkeiten aus dem Erwerb von Möbeln nach Trennung der Eheleute und aus der Mietkaution nicht berücksichtigt hat, wird dies vom Antragsgegner mit seiner Beschwerde nicht beanstandet. Darüber hinaus fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag seinerseits zur Notwendigkeit der Schuldeingehung beim Möbelkauf und zur Höhe der auf die Mietkaution gezahlten Raten. Ohne entsprechenden Sachvortrag kann die für die Beurteilung der Berücksichtigungsfähigkeit von Schulden erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Kindes auf Sicherstellung seines Mindestbedarfs und den Belangen des Antragsgegners nicht erfolgen.
44Nach Abzug des dem Antragsgegner zu belassenden notwendigen Selbstbehalts für Erwerbstätige von derzeit 900 € verblieben ihm bei ausreichenden Erwerbsbemühungen von seinem bereinigten fiktiven Nettoeinkommen von 1.147,32 € gerundet 247 € monatlich. Damit wäre er in der Lage, den begehrten – unter den derzeitigen Mindestbeträgen liegenden - Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn P zu zahlen. Er ist daher für die Zeit der Zurechnung fiktiver Einkünfte als leistungsfähig anzusehen. Auf die Frage der Zurechnung fiktiver Einkünfte aus einer Nebentätigkeit kommt es insoweit nicht an.
45c)
46Dem Antragsgegner ist jedoch eine Bewerbungsfrist zuzubilligen, um eine Erwerbstätigkeit zu erlangen, die es ihm ermöglicht, seiner Unterhaltsverpflichtung, die vor der Trennung im Familienverbund einvernehmlich anders ausgestaltet war, nachzukommen. Denn die Zurechnung eines erzielbaren Einkommens knüpft an der persönlichen Verantwortung des Unterhaltspflichtigen an und scheidet aus, soweit reale Beschäftigungschancen nicht bestehen (vgl. dazu: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 724 ff.). Bei der Bemessung der Länge der Bewerbungsfrist hat der Senat auch berücksichtigt, dass dem Antragsgegner Gelegenheit gegeben werden muss, sich ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen, bzw. seine bisherigen Sprachkenntnisse durch Inanspruchnahme geeigneter Sprachkurse zu verbessern. Insgesamt hält der Senat einen Zeitraum von 9 Monaten ab dem Zeitpunkt der Trennung der Eheleute im Juli 2009 für angemessen, aber auch für ausreichend, um den dargestellten Besonderheiten in der Person des Antragsgegners, die dem kurzfristigen Erhalt einer angemessenen Arbeitsstelle entgegenstehen, Rechnung zu tragen. Die Zurechnung fiktiven Einkommens zu seinen Lasten kommt daher erst ab Mai 2010 in Betracht.
473)
48Für die Zeit von Mai 2010 bis einschließlich September 2010 hat der Senat berücksichtigt, dass der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl vom 3.12.2009 und die darin titulierte Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners in Höhe von 100 € monatlich von der Antragstellerin nicht angefochten worden ist. Soweit der Antragsgegner in dem oben genannten Zeitraum mehr als 100 € Kindesunterhalt monatlich schuldet, greift das Verschlechterungsverbot ein (§§ 117 II 1 FamFG, 528, S. 2 ZPO), wonach das erstinstanzliche Urteil nicht zulasten des Beschwerdeführers abgeändert werden darf.
494)
50Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 113 I, 116 III 2, 3 FamFG 92 I ZPO.
51Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
52Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).