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Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 134/13

Datum:
09.09.2013
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ws 134/13
ECLI:
ECLI:DE:OLGHAM:2013:0909.3WS134.13.00
 
Schlagworte:
Sorgfaltspflichten; Rechtsabbiegen; Lkw
Normen:
StVO § 9 Abs. 3 Satz 1
Leitsätze:

Zu den Sorgfaltspflichten eines Lkw-Fahrers beim Rechtsabbiegen in Kreuzungsbereichen mit Fußgänger- und Radfahrerfurten (Anschluss an OLG München, NZV 1989, 394).

 
Tenor:

I.

Der Antrag wird als unzulässig verworfen, soweit er von den Antragstellern zu 2) und 3) gestellt worden ist.

II.

Auf den Antrag der Antragstellerin zu 1) wird Folgendes angeordnet:

1.

Der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 6. September 2012 und der Beschwerdebescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 5. April 2013 werden aufgehoben.

2.

Die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten E wird angeordnet.

Er ist anzuklagen, am 10. Februar 2012 in H durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht und hierdurch ein Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB begangen zu haben.

Ihm ist folgende Tat zur Last zu legen:

Der Beschuldigte befuhr am 10. Februar 2012 kurz vor 13:38 Uhr als Führer der aus der Lkw-Zugmaschine des Typs „Scania B6X2“ mit dem amtlichen Kennzeichen ### und dem Lkw-Anhänger des Typs „Krone AZW 18“ mit dem amtlichen Kennzeichen ### bestehenden Fahrzeugkombination die Straße „Stadtring M“ in H in südlicher Fahrtrichtung. Er beabsichtigte, an der Kreuzung des Stadtringes M mit der D-Straße aus seiner Sicht nach rechts in die D-Straße abzubiegen und diese sodann in westlicher Richtung zu befahren. Der Verkehr im Kreuzungsbereich wird durch Lichtzeichenanlagen geregelt. Westlich neben der Fahrbahn des Stadtringes M verläuft ein Geh- und Radweg in Nord-Süd-Richtung, der sich im Kreuzungsbereich in einer quer über die Fahrbahn der D-Straße verlaufenden Fußgänger- und Radfahrerfurt fortsetzt.

Der Beschuldigte fuhr zunächst auf den für Rechtsabbieger in die D-Straße vorgesehenen Fahrstreifen des Stadtringes M. Er brachte die von ihm geführte Fahrzeugkombination an der Haltlinie zum Stehen, weil die Lichtzeichenanlage für diesen Fahrstreifen rotes Licht anzeigte, und wartete dort etwa 15 Sekunden. Ab 13:38:00 Uhr zeigte die Lichtzeichenanlage für den Rechtsabbiegerfahrstreifen grünes Licht an. Exakt zum gleichen Zeitpunkt wechselte auch die Lichtzeichenanlage für die Benutzer der quer über die Fahrbahn der D-Straße im Kreuzungsbereich verlaufenden Fußgänger- und Radfahrerfurt auf grünes Licht.

Etwa um 13:38:01 Uhr setzte der Beschuldigte seine Fahrzeugkombination in Bewegung und bog nach rechts in die D-Straße ein. Seine Sicht seitlich nach rechts sowie seine Sicht nach hinten waren durch seine erhöhte Sitzposition in der Fahrerkabine der Lkw-Zugmaschine, durch die nicht vollständige Erfassung des rückwärtigen Bereichs durch die am Fahrzeug angebrachten Rückspiegel sowie zusätzlich noch durch einen im hinteren Bereich des rechten Seitenfensters der Fahrerkabine angebrachten Vorhang eingeschränkt. Den unmittelbar vor dem nördlichen Ausgang der Fußgänger- und Radfahrerfurt über die D-Straße gelegenen Geh- und Radwegbereich konnte der Beschuldigte ebenfalls nicht umfassend einsehen. Zum einen befindet sich die Furt nicht unmittelbar neben der Fahrbahn des Stadtringes M, sondern einige Meter weiter westlich im Bereich der D-Straße. Zum anderen war die Sicht durch eine im Kreuzungsbereich aufgestellte Werbetafel sowie durch eine mit Pflanzen bewachsene Lärmschutzwand, die westlich neben dem Stadtring M und nördlich neben der D-Straße verläuft, eingeschränkt.

Der Beschuldigte beschleunigte seine Fahrzeugkombination gleichmäßig und querte etwa um 13.38:10 Uhr die Fußgänger- und Radfahrerfurt über die D-Straße. Zu diesem Zeitpunkt kollidierte er frontal mit dem die Furt in südlicher Richtung mit einem Fahrrad befahrenden Geschädigten T. Es ist nicht feststellbar, dass der Beschuldigte den Geschädigten vor der Kollision bereits wahrgenommen hatte. Der Geschädigte hatte entweder mit seinem Fahrrad zuvor den westlich neben der Fahrbahn des Stadtringes M verlaufenden Radweg in südlicher Richtung benutzt oder hatte den nördlich der Furt gelegenen Geh- und Radwegbereich durch einen sogenannten „Pattweg“, der durch einen im Kreuzungsbereich befindlichen Durchlass in der bereits oben erwähnten Lärmschutzwand verläuft, erreicht. Zum Zeitpunkt der Kollision bewegte sich die Fahrzeugkombination des Beschuldigten mit einer Geschwindigkeit von zumindest 16 km/h. Die Fahrzeugkombination des Beschuldigten erfasste den Geschädigten und dessen Fahrrad, beschleunigte zunächst noch weiter, bis der Beschuldigte den Bremsvorgang einleitete, und schleifte den Geschädigten insgesamt noch etwa 50 Meter in westlicher Richtung über die Fahrbahn der D-Straße mit. Der Geschädigte erlitt hierdurch schwere Verletzungen am ganzen Körper und verstarb infolge dieser Verletzungen unmittelbar nach der Kollision noch an der Unfallstelle.

Die Kollision wäre für den Beschuldigten vermeidbar gewesen, wenn er beim Rechtsabbiegen in die D-Straße seine Fahrzeugkombination nicht in der oben beschriebenen Weise beschleunigt hätte, sondern während des Abbiegevorganges allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wäre.

3.

Die Ausführung der vorstehenden Anordnungen, insbesondere die Auswahl des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, obliegt der Staatsanwaltschaft Bielefeld.

 
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