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Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat sich erledigt; ebenso das gleichzeitig angebrachte Prozesskostenhilfegesuch.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und des Verfahrens in erster Instanz einschließlich der jeweiligen notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
2Der ursprünglich in der JVA Bochum einsitzende Betroffene hatte sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Ablehnung einer von ihm beantragten ungefesselten Ausführung, hilfsweise eines Begleitganges, zum 80. Geburtstag seiner Großmutter am 25. Februar 2016 gewandt und Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung begehrt.
3Mit dem angefochtenen Beschluss vom 06. März 2017 hat das Landgericht Bochum den Antrag auf gerichtliche Entscheidung verworfen und hierzu ausgeführt, es bestehe zwar ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, der Antrag sei jedoch unbegründet, da die Ablehnungsentscheidung nicht ermessensfehlerhaft gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 28. März 2017. Am 24. April 2017 ist der Betroffene in die JVA Werl verlegt worden.
4Die Rechtsbeschwerde ist durch die Verlegung des Betroffenen erledigt, da hierdurch gleichzeitig die seitens der Strafvollstreckungskammer für die weitere Haft in der JVA Bochum angenommene Wiederholungsgefahr entfallen ist. Soweit der Betroffene hierzu im Rahmen der Anhörung zur vorliegenden Entscheidung vorgebracht hat, es sei mit einer Rückverlegung in die JVA Bochum zu rechnen, da er die Verlegungsentscheidung angefochten habe, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung, da tragfähige Gründe, welche diese Annahme des Betroffenen für die nähere Zukunft als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, aus dem vorliegenden Verfahren nicht ersichtlich sind. Es kommt insoweit hinzu, dass es sich bei der vorliegend angefochtenen Entscheidung der JVA Bochum um eine bereits länger zurückliegende Einzelfallentscheidung handelt und im Zuge zukünftiger Entscheidungen über etwaige Lockerungen ohnehin eine vollkommen neue Bewertung der Lockerungseignung des Betroffenen unter Berücksichtigung des Zeitablaufes sowie der weiteren vollzuglichen Entwicklung vorzunehmen wäre. Die vom Betroffenen begehrte Feststellung einer Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung käme dementsprechend keine präjudizielle Wirkung für zukünftig zu treffende Entscheidungen mehr zu. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt eines eventuellen tiefgreifenden Grundrechtseingriffes. Dabei mag dahinstehen, welches Gewicht der Beziehung des Betroffenen zu seiner Großmutter im Rahmen des Schutzbereichs des Art. 6 GG beizumessen wäre. In Anbetracht des Umstandes, dass die vorliegend angefochtene Ablehnungsentscheidung lediglich einen Besuch bei der Großmutter betraf, zu welcher ansonsten aufgrund deren Zulassung zum Langzeitbesuch eine hinreichende Kontaktmöglichkeit besteht, wäre der Grundrechtseingriff in jedem Fall nicht als tiefgreifend anzusehen. Aus den weiteren Stellungnahmen des Betroffenen vom 30. Juni/01. Juli 2017 ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Der vom Betroffenen geltend gemachte Umstand, es sei zu besorgen, dass seine (spätere) Entlassung ohne Vorbereitung durch resozialisierungsfördernde vollzugsöffnende Maßnahmen erfolgen werde, führt mangels ersichtlichen Sachzusammenhanges nicht zur Annahme eines fortbestehenden Feststellungsinteresses. Der Senat hat dementsprechend nach § 121 Abs. 2 S. 2 StVollzG, der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt (vgl. OLG München NStZ 1986, 96), nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden.
5Danach sind die Kosten des Verfahrens der Landeskasse aufzuerlegen, da die Rechtsbeschwerde – zumindest vorläufigen – Erfolg gehabt hätte:
6Der Senat hat in einer ebenfalls eine Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen einen Beschluss des Landgerichts Bochum betreffenden Entscheidung zu beantragten Lockerungen am 25. Oktober 2016 (III-1 Vollz (Ws) 342/16) ausgeführt:
7„Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde war gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Das Rechtsmittel hat auch bereits auf die Sachrüge – vorläufig – Erfolg.
8Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgt die Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn vermieden werden soll, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. Bachmann in: Laubenthal, Nestler, Neubacher, Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage, Abschnitt P, Rn. 92 f). Die Strafvollstreckungskammer hat zwar einerseits angenommen, mit der fehlenden Tataufarbeitung sowie der unerlaubten Nutzung eines Mobiltelefons habe der Antragsgegner das Bestehen einer Fluchtgefahr zutreffend begründen können, aber andererseits – dem Vorstehenden widersprechend – ebenfalls maßgeblich darauf abgestellt, dass es dem Antragsgegner aufgrund der fehlenden Tataufarbeitung nicht möglich sei, eine adäquate Prognose über eine etwaige Missbrauchs- oder Fluchtgefahr zu stellen.
9Die letztgenannte Begründung der angefochtenen Entscheidung steht im Widerspruch zur ständigen Senatsrechtsprechung und birgt angesichts der erheblichen Bedeutung vollzugsöffnender Maßnahmen für den Betroffenen die Gefahr schwer erträglicher Abweichungen innerhalb der Rechtsprechung.
10Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats bedarf es für die Annahme einer Missbrauchsgefahr im Sinne des § 53 StVollzG NRW deren positiver Feststellung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. September 2015 – III-1 Vollz (Ws) 411/15, juris). Im Rahmen einer weiteren Entscheidung vom 16. Juli 2015 (III-1 Vollz (Ws) 247/15) hat der Senat u. a. Folgendes ausgeführt:
11„Zudem muss eine Missbrauchsgefahr positiv festgestellt werden, so dass es nicht genügt, wenn sie nicht sicher auszuschließen ist; fehlende Mitarbeit an der Behandlung reicht für sich allein zur positiven Feststellung der Missbrauchsgefahr grundsätzlich ebenso wenig aus wie das Fehlen einer günstigen Sozialprognose (OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.09.2013 - 2 Ws (Vollz) 148/13, BeckRS 2014, 07702, m.w.N.). Soweit der angefochtene Beschluss ausführt, es sei nicht „einschätzbar, ob eine Missbrauchsgefahr zu befürchten ist“, deutet dies darauf hin, dass dieser Maßstab verkannt worden ist.“
12Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Senats für die Beurteilung des Vorliegens einer Fluchtgefahr, welche zur Verweigerung von Lockerungen ebenfalls positiv festzustellen ist; ein insoweit etwaig bestehendes „non liquet“ reicht dafür nicht aus (OLG Hamm, Beschluss vom 4. November 2014 – III-1 Vollz (Ws) 475/14, juris).
13Die Bewertung der Strafvollstreckungskammer, die Versagung der begehrten Lockerungen sei bereits gerechtfertigt, weil keine „adäquate Prognose über eine mögliche Missbrauchs- oder Fluchtgefahr“ gestellt werden könne, weicht von dieser Rechtsprechung maßgeblich ab, da eine positive Feststellung von Missbrauchs- und/oder Fluchtgefahr letztlich als entbehrlich angesehen wird. Der angefochtene Beschluss war dementsprechend aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.“
14Ungeachtet der vorgenannten Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer zur Begründung der angefochtenen ablehnenden Entscheidung wiederum zwar einerseits ausgeführt, „dass aufgrund der fehlenden Aufarbeitung der Tat, der unerlaubten Kommunikation des Antragstellers mittels eines Mobiltelefon im März 2015 und den unstreitigen Umständen seiner Festnahme – er leistete hierbei erheblichen Widerstand –, eine Fluchtgefahr im Hinblick auf den begehrten Ausgang bzw. die Ausführung zu begründen ist“, andererseits jedoch – dem Vorstehenden widersprechend – ebenfalls wiederum darauf abgestellt, dass „aufgrund der fehlenden Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit den Taten durch den Antragsteller … seitens der Justizvollzugsanstalt keine adäquate Prognose über eine mögliche Missbrauchs- oder Fluchtgefahr erstellt werden“ könne.
15Die vorliegende Rechtsbeschwerde wäre dementsprechend im Hinblick auf die mangelnde Beachtung der Notwendigkeit der positiven Feststellung einer Flucht- und/oder Missbrauchsgefahr erneut zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und der angefochtene Beschluss aufzuheben gewesen.
16In Anbetracht der für den Betroffenen günstigen Kostenentscheidung bedarf es keiner gesonderten Bescheidung des Prozesskostenhilfegesuchs.