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Auf die Berufung des Klägers wird das am 03.12.2018 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer – V. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte mit der Aussage
„Die neuesten Hörgeräte
Vom HNO-Arzt empfohlen
H“
zu werben, wenn dies wie folgt geschieht:
2.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 %punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.08.2018 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann die Beklagte der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe:
2I.
3Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen und damit nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt, bei Wettbewerbsverstößen Abmahnungen auszusprechen und Klage zu erheben. Die Beklagte ist die deutsche Tochter der T AG. Unter der Marke „H“ bietet das Unternehmen der Beklagten deutschlandweit Produkte und Dienstleistungen der Hörakustik in Fachgeschäften an. Über ihren Internetauftritt unter der Domain „H.de“ bewarb die Beklagte ihre Produkte wie in Anl. K1 zur Klageschrift und im Tenor dargestellt unter anderem mit der Aussage:
4„Die neuesten Hörgeräte
5Vom HNO-Arzt empfohlen
6H“.
7Mit Schreiben vom 26.06.2018 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte lehnte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2018 die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.
8Der Kläger hat behauptet, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Werbung der Beklagten so verstünden, dass konkrete Ärzte gerade die Hörgeräte der Produktlinie der Beklagten empfehlen würden. Dies folge aus der gewählten Formulierung und dem Umstand, dass in der Werbung durch die farbliche Gestaltung eine Verbindung hergestellt werde. Diese sei erkennbar als Ganzes konzipiert. Da Ärzte nach ihrer Berufsordnung eine derartige Empfehlung nicht aussprechen dürften, mache sich die Beklagte deren Verstoß gegen die Berufsordnung für Werbezwecke zunutze. Daher sei die Werbung missbräuchlich. Für den Fall, dass es eine konkrete Empfehlung von Ärzten für die Produkte der Beklagten gar nicht geben solle, sei die Werbung zudem irreführend.
9Es sei auch unzutreffend, dass Ärzte immer nur die neuesten Geräte empfehlen würden. Die angesprochenen Verkehrskreise würden aber annehmen, dass die Beklagte als Werbende die Ärzteempfehlung als etwas Besonderes herausstelle, weil gerade die neuesten Geräte der Beklagten empfohlen würden. Anderenfalls sei die Werbung völlig aussagefrei.
10Mit näheren Ausführungen hat der Kläger dargelegt, dass ihm Abmahnkosten in Höhe von 299,60 € entstanden seien.
11Der Kläger hat beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen,
131.
14es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte mit der Aussage „Die neuesten Hörgeräte Vom HNO-Arzt empfohlen H“ zu werben, wenn das wie folgt geschieht:
15 2.
2.
17an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 %punkten ü.B.Z. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte hat behauptet, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Werbung eine ganz erhebliche Aufmerksamkeit entgegen brächten, da ein Hörgerät einen beachtlichen Wert habe und für das persönliche Wohlergehen ganz maßgeblich sei. Die Zielgruppe verstehe die Werbung allein als einen Hinweis auf die selbstverständliche Empfehlung eines jeden HNO-Arztes, die neuesten Geräte zu verwenden. Diese allgemeine Empfehlung werde so auch ausgesprochen. Ferner hat die Beklagte behauptet, dass ein von ihr namentlich benannter Zeuge, den sie als Privatdozenten und Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde bezeichnet, bestätigen könne, dass er Patienten auf Nachfrage den Erwerb der neuesten Hörgeräte in den Geschäften der Beklagten unter der Marke „H“ empfehlen könne.
21Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG nicht dargelegt oder ersichtlich sei. Tatsächlich sei die beworbene ärztliche Empfehlung weder von mehreren Ärzten, noch von einem (bestimmten) Arzt getätigt worden. Nicht existente Äußerungen Dritter unterfielen jedoch nicht dem Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG. Auch eine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG sei nicht feststellbar. Eine Irreführung in diesem Sinne liege nur dann vor, wenn das Vorliegen einer ärztlichen Empfehlung wahrheitswidrig behauptet werde. Allerdings sei die Aussage „Vom HNO-Arzt empfohlen“ bezüglich des Äußernden schon so vage und allgemein formuliert, dass für den angesprochenen Verbraucher gerade nicht herauszulesen sei, dass überhaupt ein bestimmter Arzt oder auch mehrere Ärzte eine derartige Empfehlung abgegeben hätten. Vielmehr sei die Formulierung erkennbar floskelhaft. Auch sei die Aussage nicht so zu verstehen, dass gerade die Hörgeräte von H ärztlich empfohlen würden. Eine solche Aussage entstehe höchstens als gedankliches Ergebnis im Kopf des Betrachters aufgrund der dahingehenden suggestiven Wirkung. Das Erwecken von Assoziationen sei jedoch ein zulässiges Werbemittel; das Setzen von nur suggestiven Anreizen für diese Assoziation sei daher nicht unlauter.
22Dagegen richtet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung. Er rügt, dass das Landgericht den Anwendungsbereich und die Bedeutung der Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG verkannt und die Norm des § 5 Abs. 1 UWG rechtsfehlerhaft angewendet habe. Tatsächlich handele es sich bei der in der Werbung angeführten ärztlichen Empfehlung um eine von § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG tatbestandlich umfasste Äußerung Dritter. Ferner sei die Bewertung des Verkehrsverständnisses der Aussage grob erfahrungswidrig und mit dem Wortlaut der angegriffenen Werbung nicht in Einklang zu bringen. Tatsächlich sei die Werbung allein so zu verstehen, dass die Beklagte mit einer ärztlichen Empfehlung werbe. Die so unzutreffend erweckte Assoziation stelle eine Irreführung sowohl im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG als auch im Sinn von § 5 Abs. 1 UWG dar.
23Der Kläger beantragt nunmehr,
24das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
251.
26es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte mit der Aussage „Die neuesten Hörgeräte Vom HNO-Arzt empfohlen H“ zu werben, wenn das wie folgt geschieht:
27 II.
2.
29an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 %punkten ü.B.Z. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet weiterhin, dass sich die in der Werbung dargestellte ärztliche Empfehlung auf die Verwendung der neuesten Hörgeräte allgemein, nicht aber auf die Produkte der Beklagten beziehe. Die Aussage sei zudem nur so auszulegen, dass ein HNO-Arzt die Empfehlung ausgesprochen habe. Die Beklagte ist nunmehr der Ansicht, dass es sich tatsächlich um eine unternehmensbezogene Werbung handele, so dass das HWG nicht zur Anwendung gelange. Die Werbung sei auch nicht irreführend, weil mit einer Selbstverständlichkeit – ärztliche Empfehlung für die neuesten Hörgeräte – geworben werde. Auch eine Missbräuchlichkeit sei nicht festzustellen. Die Ausführungen des Klägers zu § 5 UWG erachtet die Beklagte als Klageänderung, in die sie nicht einwilligt und die sie daher für unzulässig hält. Unabhängig davon vertritt die Beklagte die Auffassung, dass auch eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG nicht festzustellen sei.
33II.
34Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet, so dass das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen war.
35A.
36Dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1; 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG zu.
371.
38Wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unzulässig sind gemäß § 3 Abs. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlungen. Unlauter handelt wiederum, wer einer Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG zuwider handelt und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
392.
40Eine solche Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG stellt die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG dar (vgl. dazu: Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Auflage § 3a Rn. 1.102).
413.
42Die beanstandete Werbung verstößt gegen § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG. Danach darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen. Die vorgenannte Regelung gilt nach § 11 Abs. 1 S. 2 HWG entsprechend für Medizinprodukte. Hörgeräte sind Medizinprodukte in diesem Sinne. Nach § 3 MPG sind das alle Instrumente, Apparate, Vorrichtung oder Gegenstände, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktion zum Zwecke der Behandlung oder Linderung von Krankheiten (Abs. 1a), bzw. der Linderung oder Kompensierung von Behinderungen (Abs. 1b) zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann. Dies trifft auf Hörgeräte unzweifelhaft zu.
43a)
44Die Äußerung „Vom HNO-Arzt empfohlen“ stellt sich entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung eindeutig als integrativer Bestandteil einer produkt- bzw. leistungsbezogenen Absatzwerbung dar.
45Die für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidende Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens im Vordergrund steht (Firmenwerbung) oder die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Arzneimittel (bzw. Medizinprodukte) (Absatzwerbung). Von Bedeutung sind insoweit - abgesehen von direkten Hinweisen auf namentlich genannte oder sonst unzweideutig kenntlich gemachte Arzneimittel (oder Medizinprodukte)- die Gestaltung der Werbung, der Zusammenhang, in dem sie steht, der Name des werbenden Unternehmens und inhaltliche Hinweise, wie etwa die Beschreibung eines Indikationsgebietes und der Sinn verwendeter Begriffe (vgl. dazu: BGH WRP 2019, 187, 189 - Versandapotheke; WRP 2009, 1385, 1387- DeguSmiles & more; WRP 1993, 473, 474 – Pharma-Werbespot; Doepner in: Doepner/Reese Heimittelwerbegesetz, 3. Auflage. § 1 Rn. 51 f m.w.N.).
46Vorliegend bezieht sich die angebliche ärztliche Empfehlung eindeutig auf die Verwendung von Hörgeräten und damit auf individualisierbare und unzweideutig kenntlich gemachte Medizinprodukte. Da die Anpreisung individualisierbarer Produkte ausreicht, ist es unschädlich, dass mit der Werbung kein bestimmtes Hörgerät, sondern schlicht „die neuesten“ Hörgeräte beworben werden. Die Aussage ist gestalterisch in die Werbung der Beklagten eingebettet. Auch wenn die Empfehlung selbst grafisch in einigem Abstand zum Firmennamen der Beklagten dargestellt ist, nimmt der Betrachter die Anzeige als Einheit wahr und bezieht die Empfehlung auf die beworbenen Produkte der Beklagten. Dies folgt nicht allein daraus, dass die als Überschrift gewählte Zeile „Die neuesten Hörgeräte“ und die die Werbung abschließende Nennung der Marke „H“ jeweils in grüner Schrift dargestellt sind, so dass dies gestalterisch eine Art Rahmen für die gesamte Werbung darstellt. Vielmehr findet sich auch unmittelbar neben der Aussage „Vom HNO-Arzt empfohlen“ ein in der Signalfarbe rot gehaltenen Punkt mit dem dort eingebetteten Hinweis „Zum Nulltarif“. Neben der Marke „H“ wird wiederum in einem in roter Farbe gehaltenen Viereck die Aufforderung „Jetzt testen“ ausgesprochen. Durch die gestalterische Anordnung dieser Elemente besteht für die angesprochenen Verkehrskreise kein Zweifel daran, dass sämtlich Aussagen der Werbung sich auf die von der Beklagten vertriebenen, zum Nulltarif angebotenen und bei ihr zu testenden (neuesten) Hörgeräte beziehen. Dies gilt auch für die darin enthaltene (angebliche) ärztliche Empfehlung, die damit nicht produzentenunabhängig dafür ausgesprochen werden soll, allgemein die „neuesten“ Hörgeräte zu verwenden. Beworben werden die (neuesten) Hörgeräte der Beklagten.
47b)
48Die beanstandete Werbung stellt auch eine tatbestandliche Äußerung Dritter im Sinne des §§ 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG dar.
49aa)
50Äußerungen Dritter sind positiv wertende Äußerungen, die in einer Absatzwerbung für Heilmittel (bzw. Medizinprodukte) als nicht von dem Werbenden selbst stammend oder für ihn abgegeben dargestellt werden (vgl. BGH – Urteil vom 02.07.1992 – I ZR 215/19 = GRUR 1992, 874 – Hyanit; Doepner a.a.O. § 11 Abs. I S. Nr. 11 Rn. 18 m.w.N.). Der Dritte soll nach dem Eindruck des Werbeadressaten keinen wirtschaftlichen Bezug zum Werbenden aufweisen und nicht an dem Absatz des beworbenen Heilmittels wirtschaftlich interessiert sein. Dritte können sowohl Einzelpersonen wie auch Personengruppen sein (Doepner a.a.O. m.w.N.). Ob die positive Äußerung von einer lebenden oder fiktiven (aber als real existent dargestellten) Person stammt, ist für den bei dem Werbeadressaten erzielten Eindruck unerheblich (BGH – Urteil vom 02.07.1992 – I ZR 215/19 = GRUR 1992, 874 – Hyanit; Doepner a.a.O. Rn. 19 m.w.N). Es kommt auch nicht darauf an, ob die dem Dritten zugeschriebene Aussage tatsächlich jemals von diesem gemacht wurde (Doepner a.a.O. Rn. 19). Maßgeblich ist das Verständnis der angesprochenen Werbeadressaten, unabhängig von der Vorstellung des Werbenden, wie er seine Werbung verstanden wissen will (BGH – Urteil vom 02.07.1992 – I ZR 215/19 = GRUR 1992, 874 – Hyanit; Doepner a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Auch wenn die Äußerungen von Dritten oder die Dritten selbst frei erfunden wurden, kann dennoch der für das Verbot maßgebende Eindruck der Empfehlung durch einen (vermeintlich) neutralen und objektiven Dritten entstehen (Doepner a.a.O.).
51Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbeanzeige den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck vermittelt, es werde mit Äußerungen Dritter im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG geworben, sind die für den Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung generell geltenden Maßstäbe anzulegen. Nicht erforderlich ist, dass die Äußerung einer bestimmten, individualisierbaren Person wiedergegeben wird. Maßgeblich ist darauf abzustellen, ob bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise der Eindruck erweckt wird, ein Dritter habe sich entsprechend geäußert, so dass die Annahme, es handele sich um eine Äußerung des Werbenden selbst, nicht in Betracht kommt (BGH – Urteil vom 02.07.1992 – I ZR 215/19 = GRUR 1992, 874 – Hyanit; Doepner a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
52Sowohl nach dem Wortlaut Vorschrift als auch Sinn und Zweck kommt es auf eine Veröffentlichung des Wortlauts der Äußerung nicht an. Es genügt, wenn der Inhalt der Äußerung in indirekter Rede oder gekürzter, zusammenfassender Weise mitgeteilt wird. Stets muss diese Form der werblichen Ansprache Bestandteil einer produkt-bzw. leistungsbezogenen Werbung sein (Doepner a.a.O. Rn. 28).
53Mit Hinweisen auf Äußerungen Dritter wird geworben, wenn in der Werbung mitgeteilt wird, dass Dritte sich positiv über das beworbene Heilmittel geäußert haben. Es ist nicht erforderlich, dass der Inhalt der Äußerungen auch noch auszugsweise wörtlich wiedergegeben wird. Die Bezugnahme auf Äußerungen einer identifizierbaren Personengruppe reicht aus. Ein Hinweis auf Äußerungen Dritter ist auch die Mitteilung in der Werbung, dass eine bestimmte oder unbestimmte Anzahl lobender Kundenäußerungen gemacht wurden (Doepner a.a.O.).
54bb)
55Mit der streitgegenständlichen Aussage wirbt die Beklagte nach den dargelegten Maßstäben mit Äußerungen Dritter im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG.
56Die (angebliche) Empfehlung „Vom HNO-Arzt“ stellt sich aus Sicht der mit der Werbeanzeige angesprochenen Verkehrskreise – potentiell an dem Erwerb von Hörgeräten interessierten Kunden – so dar, dass generell die (neuesten) Hörgeräte der Beklagten vom Facharzt empfohlen werden. Die Verwendung des Singulars lässt bei den angesprochenen Verkehrskreisen gerade nicht den Eindruck entstehen, dass die Empfehlung durch „einen“ (einzelnen) HNO-Arzt ausgesprochen wurde. Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Äußerung so formuliert wäre, dass „ein“ HNO-Arzt die Empfehlung ausgesprochen hat. Vielmehr ist die Werbeaussage generalisierend. Damit nimmt sie Allgemeingültigkeit für sich in Anspruch und schreibt so die Empfehlung allgemein dem Kreis der Fachärzte für HNO-Heilkunde nach einer in Fachkreisen erfolgten einheitlichen Meinungsbildung zu.
57Dabei geht es ersichtlich darum, der angeblichen allgemeinen fachärztlichen Empfehlung durch Inanspruchnahme einer besonderen, vom Unternehmen der Beklagten unabhängigen und daher neutralen Fachkunde ein besonderes Gewicht zu verleihen.
58c)
59Der Gegenstand der Äußerung bezieht sich auch – wie in Anbetracht der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung – auf Genesungsbescheinigungen.
60Bei der Novellierung der Regelung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG orientierte sich der nationale Gesetzgeber ausschließlich an Art. 90 lit. j der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (zuletzt geändert durch die RL 2008/29/EG) (Anm.: im Folgenden = GK).
61Dieser lautet wie folgt:
62„Die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel darf keine Element enthalten, die sich in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise auf Genesungsbescheinigungen beziehen.“
63In der Regelung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG hat das dort geregelte Merkmal der „Genesungsbescheinigung“ der Äußerung Dritter keine Umsetzung erfahren. Da insoweit an dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG trotz der Orientierung an der europarechtlichen Vorgabe in Art. 90 lit. j) GK und einer angenommenen Vollharmonisierung festgehalten wurde, tut sich europarechtlich ein Konflikt auf. Diesem Umstand ist durch eine richtlinienkonforme Auslegung Rechnung zu tragen (vgl.: Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 37. Auflage § 3a Rn. 1.219; Doepner a.a.O. Rn. 44 m.w.N.).
64Unter einer „Genesungsbescheinigungen“ ist ein Heilerfolg zu verstehen, d.h. eine „Wiederherstellung der Gesundheit eines an einer bestimmten Krankheit oder an bestimmten Gesundheitsstörungen Leidenden“, d.h. werblich muss die „therapeutische Wirksamkeit zur Linderung oder Heilung von Leiden und Verletzungen erwähnt“ werden (EuGH GRUR 2008, 267 Rn. 43f – Gintec, Doepner a.a.O. § 11 Abs. 1 S. 1 Rn. 11 Rn. 27). Der Begriff bezieht sich aber nicht nur auf eine vollständige Beseitigung von Krankheiten, Leiden und krankhaften Beschwerden organischer und psychischer Art, vielmehr werden insoweit auch Teilerfolge, das heißt Zwischenstationen des Heilungsprozesses erfasst. Selbst eine Linderung von Krankheiten, Leiden und krankhaften Beschwerden kann insoweit genügen. Es reicht aus, wenn in den positiven Äußerungen über Heilmittelgenesungsbescheinigungen auch nur mittelbar ihren Niederschlag finden (Doepner a.a.O. Rn. 43). Die werblich dargestellte fachärztliche Empfehlung der Produkte der Beklagten – die unzweifelhaft zumindest der Linderung einer bestehenden Hörbeeinträchtigung dienen - ist daher ohne weiteres als Genesungsbescheinigung im vorgenannten Sinne zu bewerten.
65d)
66Die Werbung ist nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG nur dann untersagt, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt. Es kann dahinstehen, ob die Werbung missbräuchlich ist, denn sie ist jedenfalls ist irreführend im vorgenannten Sinne.
67Eine Irreführung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn unwahre, fiktive oder entstellte positive Äußerungen Dritter werblich instrumentalisiert werden. So kommt eine Irreführung durch Verwendung erfundener, quantitativ aufgeblähter, qualitativ verfälschter und einseitig-selektiver Darstellung in Betracht (Doepner a.a.O. Rn. 37 m.w.N.). Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Werbung aus den dargelegten Gründen so, dass eine generelle fachärztliche Empfehlung für die (neuesten) Produkte der Beklagten ausgesprochen wird. Dieser Eindruck ist jedoch tatsächlich unzutreffend und damit irreführend.
68Selbst wenn von der – nach Auffassung des Senats unzutreffenden – Auslegung der Beklagten auszugehen sein sollte, dass mit der Werbeaussage die Empfehlung „eines“ HNO-Arztes weitergegeben werde, wäre eine solche Angabe unzutreffend. Die Beklagte selbst hat insoweit auch nur vorgetragen, dass der von ihr benannte Zeuge bestätigt hat, dass er auf entsprechende Nachfrage die Hörgeräte der Beklagten empfehlen könne. Dass er eine entsprechende Empfehlung jemals – insbesondere vor der hier streitgegenständlichen Werbung - ausgesprochen hat, folgt aus dem Vorbringen jedoch nicht.
694.
70Der Verstoß gegen die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG als Marktverhaltensregelung ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar im Sinne von § 3a UWG zu beeinträchtigen. Dies folgt bereits aus dem Schutzzweck des HWG (Schutz der Gesundheit).
715.
72Die Wiederholungsgefahr wird durch den Verstoß indiziert.
73B.
74Damit kann offen bleiben, ob der dem Kläger zustehende Unterlassungsanspruch zusätzlich auch in §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG eine Grundlage findet.
75C.
76Dem Kläger steht gegen den Beklagten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 299,60 € zu. Der Kläger hat die Höhe der Abmahnkosten substantiiert dargelegt. Zwar hat die Beklagte pauschal „sämtlichen Vortrag“ des Klägers bestritten, „soweit er nicht ausdrücklich zugestanden ist“, dieses pauschale Bestreiten genügt in Anbetracht des substantiierten klägerischen Vortrags zur Höhe der Abmahnkosten aber nicht.
77III.
78Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
79Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.