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1.
Die Qualifikation als Vertragshändler setzt – im Unterschied zum Eigenhändler - die Integration oder Eingliederung in das Vertriebsnetz des Herstellers bei Existenz einer Vertriebspflicht und eines Weisungsrechts des Herstellers voraus.
2.
Ein Dauerschuldverhältnis in Gestalt einer laufenden Geschäftsverbindung (z.B. Münchener Kommentar BGB/Ernst, 8. Aufl., § 280 Rn. 134) kann als „gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“, nämlich als „geschäftlicher Kontakt“ im Sinn von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB, aufgefasst werden, das besondere Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet (so auch Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., Einl v § 343 Rn. 3; Münchener Kommentar HGB/Schmidt, 4. Aufl., Vorbem. § 343 Rn. 20).
3.
Eine Pflichtverletzung eines solchen Dauerschuldverhältnisses kann wegen einer vorzeitigen, nicht ausreichend auf die Interessen der Klägerin Bedacht nehmenden Beendigung der Verkäufe in Betracht kommen (§§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2, 282, 280 Abs. 1 BGB).
Die Berufung der Klägerin gegen das am 1.8.2019 verkündete Urteilder 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2A.
3Die Klägerin unterhielt mit der Beklagten ab Beginn des Jahres 2003 eine Geschäftsbeziehung, im Rahmen derer sie auf eigenen Namen von der Beklagten Produkte (vornehmlich länger haltbare Fertigkuchen) der Beklagten zur Weiterveräußerung an Kunden in ### W (W) und C, ab 2007 auch in P und L erwarb. Die Klägerin übernahm im Einvernehmen mit der Beklagten zunächst die Verkäufe an deren bisherige (direkte) Kunden N (W) und K (C). Die von der Klägerin bei der Beklagten georderten Waren wurden stets direkt an die Abnehmer versandt; die Klägerin selbst verfügte nicht über ein Lager. Ein Konkurrenzverbot hatte die Klägerin nicht zu beachten; soweit sie auch für weitere Backwarenhersteller tätig war, geschah dies im Hinblick auf andere Produkte. Die Klägerin besuchte die einschlägigen Messen und akquirierte die Fa. C1 in E (im Folgenden: C1) als neue, an die Stelle der N tretende Kundin, an die sie die Produkte der Beklagten weiterveräußerte. Anfragen von Kunden betr. Lieferungen in die genannten Gebiete leitete die Beklagte an die Klägerin weiter. C1 war der wichtigste und schließlich auch der einzige Abnehmer der Klägerin für Waren der Beklagten. Am 5.1.2017 teilte die Beklagte u.a. durch ihren Exportleiter T dem Geschäftsführer der Klägerin in einem persönlichen Gespräch mit, die Geschäfte mit C1 künftig unmittelbar abwickeln zu wollen. Die Beklagte bot mit Schreiben vom 30.10.2017 den Abschluss eines „Beratervertrags“ an, den die Klägerin ablehnte. Ende 2017 standen noch Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin aus Bestellungen im Umfang von 12.011,59 € offen. Im Februar 2018 stellte die Beklagte den Verkauf an die Klägerin ein. Die Klägerin sprach der Beklagten unter dem 4.9.2018 die fristlose Kündigung aus. Sie erklärte die Aufrechnung gegenüber den Kaufpreisforderungen der Beklagten mit Ansprüchen auf Ausgleich entsprechend § 89 b HGB sowie wegen entgangenen Gewinns.
4Die Klägerin hat behauptet, mit der Beklagten einen exklusiven Vertragshändlervertrag für die bezeichneten Gebiete auf der # Halbinsel geschlossen zu haben, indem sie sich mit dem Exportleiter der Beklagten darauf verständigt habe, das Rechtsverhältnis so zu gestalten, wie sie dies bereits mit den Unternehmen C2 vereinbart gehabt habe. Zu ihren Aufgaben habe u.a. Werbung, die Suche neuer Käufer, die Regelung von Streitigkeiten mit Kunden, die Klärung von Zulassungsfragen und die Zahlung sog. Listing Fees gehört. Sie sei in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen; auch habe eine Verpflichtung bestanden, der Beklagten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses den Kundenstamm zu überlassen. Die Entscheidung, C1 künftig selbst zu beliefern, gehe allein auf den Willen der Beklagten zurück.
5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe nach der von der Beklagten verschuldeten Beendigung des Vertragshändlervertrags ein Ausgleichsanspruch an. § 89 b HGB zu, der sich unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze auf 65.357,98 € belaufe. Hinzu komme ein Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns für die Zeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, die auf sechs Monate zu bemessen sei und am 31.3.2019 ablaufe, und zwar in Höhe von 51.664,12 € (netto).
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an sie 105.008,51 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen sowie widerklagend,
10die Klägerin zu verurteilen, an sie 12.011,59 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 15.1.2018 zu zahlen.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Widerklage abzuweisen.
13Die Beklagte hat bereits die Existenz eines Vertragshändlervertrags in Abrede gestellt und behauptet, Inhalt der Vereinbarung mit der Klägerin sei lediglich gewesen, der Klägerin die beiden Kunden N und K zur Belieferung auf eigene Rechnung zu überlassen, weil ihr diese Beziehungen – im Fall der N wegen unzulänglicher Bonität und ständiger Telefonate - lästig gewesen seien. Weitere Aufgaben der Klägerin, etwa eine „Markterschließung“, Werbung oder Kundenbetreuung, seien nicht besprochen bzw. vereinbart worden. Dass sie, die Beklagte, in einigen Fällen Anfragen potentieller Neukunden an die Klägerin weitergeleitet habe, sei deshalb geschehen, weil der Geschäftsführer der Klägerin aufgrund seiner Herkunft und Sprachkenntnisse prädestiniert gewesen sei, solche Kontakte nutzbar zu machen.
14Die 2017 angekündigte und ab 2018 auch vorgenommene direkte Beziehung zu C1 sei auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Umsätze mit diesem Abnehmer seit 2013 zurückgegangen seien und er dies auf mangelnde Betreuung durch die Klägerin zurückgeführt habe.
15Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Handelsvertreterrechts, insbesondere des Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b HGB, lägen nicht vor. Mangels Existenz eines Vertragshändlervertrags sei auch die Kündigung der Klägerin vom 5.9.2018 ins Leere gegangen.
16Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Es führt aus, die Klägerin habe die Voraussetzungen eines Vertragshändlervertrags weder hinreichend vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Jedenfalls fehle es am Nachweis, wonach die Klägerin der Beklagten den Kundenstamm zu überlassen habe.
17Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Zahlungsanträge eingeschränkt weiter. Sie meint, das Landgericht habe infolge der Nichtberücksichtigung von Sachvortrag und Beweisangeboten die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung des § 89 b HGB zu Unrecht verneint. Es seien unstreitig ein Alleinvertriebsrecht für die betreffenden Länder sowie eine Bezugsverpflichtung der Klägerin vereinbart worden. Sie sei auch mit der Werbung betraut gewesen; ferner hätten Benachrichtigungs- und Mitteilungspflichten bezüglich der Vertragsabschlüsse mit C1 bestanden. Unerheblich sei der unstreitige Umstand, dass sie ihre Abgabepreise selbst habe festlegen können.
18Die Klägerin beantragt,
19unter teilweiser Abänderung des am 1.8.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Arnsberg die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt, stets Vertriebsverträge (nur) schriftlich abzuschließen. Die Behauptung des Klägers, es sei eine bestimmte Provision vereinbart worden, habe sie mit Nichtwissen bestritten. Da kein Vertragshändlervertrag geschlossen worden sei, müssten auch Schadensersatzansprüche des Klägers zwingend ausscheiden. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt „Teil der Absatzorganisation“ der Beklagten gewesen; ihr Geschäftsführer habe die bei ihr bestellte Ware - wie unstreitig geblieben ist - stets aufgrund eigenständig festgelegter und ihr nicht offenbarter Konditionen weiterveräußert. Die Beklagte meint, ihr Schreiben vom 10.1.2017 könne nicht als Kündigung aufgefasst werden, da schon kein Vertrag existiert habe. Die Beklagte bestreitet ferner den von der Klägerin genannten Jahresgewinn sowie einen in 2017 angeblich erzielten Rohertrag von 41.329,70 € mit Nichtwissen.
23Die Klägerin betont erneut, die Beklagte habe ihr die genannten Vertriebsgebiete „exklusiv zugewiesen“; sie, die Klägerin, habe hohe Beträge in Gestalt von Listing Fees investiert, um die Ware dort auf den Markt bringen zu können. Die Kündigungsfristen des § 89 HGB müssten im vorliegenden Fall analog angewandt werden. Jedenfalls aber sei eine fristlose Kündigung seitens der Beklagten unangemessen gewesen; welche Kündigungsfrist angemessen sei, bestimme sich anhand einer Interessenabwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte. Hier habe ihre einseitige Ausrichtung auf die Produkte der Beklagten eine gesteigerte Rücksichtnahme auf ihre Situation erfordert, weshalb – auch wegen der Dauer der Geschäftsbeziehung - eine Kündigungsfrist von mindestens 6 Monaten einzuhalten gewesen sei. Da es – aus Sicht der Beklagten selbst – im Januar 2017 nicht zu einer Kündigung gekommen und in der Folgezeit nach Ablehnung des angebotenen „Beratervertrags“ ebenfalls keine Kündigung ausgesprochen worden sei, stelle sich die Einstellung der Belieferung ab Februar 2018 als Vertragspflichtverletzung dar. Es bleibe auch dabei, dass die Klägerin im Durchschnitt der letzten 5 Vertragsjahre einen Jahresgewinn von 54.922,67 € erzielt habe.
24Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat den Geschäftsführer der Klägerin angehört und Beweis durch Vernehmung des Exportleiters der Beklagten T erhoben. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.
25B.
26Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
27I.
28Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung wegen der hinlänglichen Bestimmtheit des auf 50.000,00 € reduzierten Antrags, die unter dem Aspekt der „nicht abgegrenzten Teilklage“ bestehen könnten, greifen letztlich nicht durch, weil sich aus der Berufungsgründung ergibt, dass der Kläger mit diesem Betrag – sowie mit weiteren 12.011,59 €, die zur Aufrechnung gegen die Widerklage gestellt worden sind - Teile sowohl des Ausgleichs- als auch des Schadensersatzanspruchs weiterverfolgt. Es ist daher davon auszugehen, dass er beide Ansprüche im Verhältnis ihres erstinstanzlich dargelegten Wertes zum Gegenstand seines Berufungsangriffs macht.
29II.
30Die von der Klägerin weiter verfolgten Ansprüche bestehen nicht.
311.
32Da die Klägerin nicht Handelsvertreterin war, kann sie einen Ausgleichsanspruch nur in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB geltend machen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Das Landgericht hat bereits auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.7.2016 (Az. I ZR 229/15; NJW 2017, 475) hingewiesen, in dem die maßgeblichen Grundsätze noch einmal zusammengefasst werden.
33a)
34Danach kommt eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB in Betracht, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen einem Vertragshändler und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat. Er muss sich dann für den Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten wie ein Handelsvertreter einzusetzen gehabt und Bindungen unterlegen haben, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind; entscheidend ist also, ob er sich mit der Übernahme der Vertragspflichten eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben hat (OLG München, Urt. vom 5.12.2019, Az. 23 U 2136/18, Rn. 55; BGH NJW-RR 1993, S. 678).
35Der Vertragshändler muss außerdem verpflichtet sein, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Dabei muss sich die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms nicht ausdrücklich und unmittelbar aus dem schriftlichen Händlervertrag ergeben; sie kann auch aus anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten folgen.
36aa)
37Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass die Parteien überhaupt einen Vertragshändlervertrag geschlossen haben.
38Als Vertragshändlervertrag wird ein auf gewisse Dauer gerichteter Rahmenvertrag eigener Art bezeichnet, durch den sich der Vertragshändler verpflichtet, Waren des Herstellers oder Lieferanten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben, und durch den der Vertragshändler in die Verkaufsorganisation des Herstellers bzw. Lieferanten eingegliedert wird (BGH, Urt. vom 9. 10. 2002 – Az. VIII ZR 95/01 - NJW-RR 2003, 98; s.a. Senat, Urt. vom 21.4.2016, Az. 18 U 33/15, ZVertriebsR 2017, S. 167).
39Die Qualifikation als Vertragshändler setzt damit – im Unterschied zum Eigenhändler - die Integration oder Eingliederung in das Vertriebsnetz des Herstellers bei Existenz einer Vertriebspflicht und eines Weisungsrechts des Herstellers voraus (Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., Vor § 84, Rn. 373f.). Welche Bezeichnungen die Parteien für ihre Rechtsbeziehung gewählt haben, ist dabei irrelevant, doch ist ein Vertragsschluss auch konkludent möglich (Emde, a.a.O., Rn. 378, BGH WM 1987, S. 962).
40Die Klägerin konnte indes weder die Existenz einer Vertriebspflicht noch eines Weisungsrechts der Beklagten bezüglich des Vertriebs ihrer Waren nachweisen.
41Bereits aus der Anhörung ihres Geschäftsführers ergab sich, dass sie bezüglich der von ihr mit den bzw. dem Kunden (C1) abzuschließenden Geschäfte völlig frei war, so dass kein Raum für die Annahme einer Weisungsgebundenheit besteht.
42Auch die Aussage des Exportleiters T war unergiebig. Im Übrigen ließ auch der umfangreiche Schriftverkehr, auf den der Kläger verwiesen hat, nicht erkennen, dass die Klägerin Pflichten gegenüber der Beklagten in Bezug auf den Warenabsatz übernommen hat. Die Verwendung von Bezeichnungen, die auf eine Pflichtenstellung bzw. Inkorporation der Klägerin in eine Absatzstruktur der Beklagten schließen lassen mögen, im Schriftverkehr mit Dritten genügt dazu nicht.
43Soweit die Klägerin die Einräumung eines „Alleinvertriebsrechts“ behauptet hat, wäre auch dies jedenfalls im vorliegenden Fall kein ausreichendes Indiz für ein Vertragsverhändlerverhältnis, weil es nicht notwendig mit der Übernahme einer Tätigkeitspflicht oder einer Weisungsgebundenheit einhergegangen wäre. Abgesehen davon hat die Klägerin auch nicht den Nachweis geführt, dass ihr seitens der Beklagten ein Recht zur exklusiven Belieferung der genannten Staaten eingeräumt worden sei. Sie blieb auch insoweit beweisfällig.
44bb)
45Selbst wenn ein Vertragshändlervertrag anzunehmen sein sollte, fehlte es an der in seinem Rahmen für die analoge Anwendung des § 89 b HGB erforderlichen spezifischen Eingliederung in die Absatzorganisation der Beklagten.
46(1)
47Dahinstehen kann, ob sich aus dem Vortrag der Klägerin überhaupt hinreichenden Anhaltspunkte für die Existenz einer Absatzorganisation der Beklagten für den Nahen Osten ergeben, in die sie sich hätte einordnen können.
48(2)
49Jedenfalls fehlt es an handelsvertetertypischen Verpflichtungen und Bindungen (OLG München, a.a.O.).
50Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, Maßnahmen der Absatzförderung wie Werbung, Messebesuche oder die Zahlung von Listing Fees getroffen zu haben, handelt es sich um Verhaltensweisen, die ein Eigen- oder auch ein Vertragshändler grundsätzlich bereits im eigenen Interesse vornimmt, um seine Verkäufe zu steigern.
51Auch ein Alleinvertriebsrecht in einem bestimmten Gebiet und eine ausschließliche Bezugsverpflichtung sowie die damit verbundene Verpflichtung, den Verkauf zu betreiben, reichen für die Annahme, der Vertragshändler habe Aufgaben eines Handelsvertreters zu erfüllen, regelmäßig nicht aus (BGH, NJW-RR 2007, 1327).
52Schließlich bestanden, wie bereits dargelegt, auch keine produkt- oder tätigkeitsbezogenen Weisungsbefugnisse der Beklagten. Die gelegentliche Inanspruchnahme der Klägerin von der Beklagten zur Klärung von bestimmten rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Export in die Vertragsgebiete ist mit solchen Weisungsbefugnissen nicht zu vergleichen.
53Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals von einer Bezugsverpflichtung ihrerseits und von einer „damit verbundenen Verpflichtung, den Verkauf der Ware entsprechend zu betreiben“, und ferner von Benachrichtigungs- und Mitteilungspflichten im Sinne von § 86 Abs. 2 HGB spricht, handelt es sich erkennbar lediglich um Schlussfolgerungen, für die die erforderlichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte wiederum nicht mitgeteilt werden. Aus den Bekundungen des Zeugen T ließ sich jedenfalls keine entsprechende Verpflichtung der Klägerin entnehmen. Im Übrigen begründet die bloße Wahrnehmung solcher Aufgaben, die bereits im Rahmen der Abwicklung der vorgenommenen Weiterverkäufe notwendig sind, nicht bereits eine entsprechende Verpflichtung gegenüber der Lieferantin (hier der Beklagten), sondern stellt letztlich nur die Erfüllung von Obliegenheiten der Händlerin (hier der Klägerin) dar, ohne die die Verkäufe nicht abgewickelt werden konnten.
54b)
55Allerdings kommt eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auch in Betracht, wenn die Klägerin als Kommissionsagentin für die Beklagte tätig geworden wäre. In einem solchen Fall bedarf es keiner (gesonderten) vertraglichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms, weil diese Übertragungspflicht bereits gesetzlich geregelt ist (BGH, a.a.O.).
56Doch lässt sich auch eine Tätigkeit der Klägerin als Kommissionsagentin für die Beklagte nicht annehmen. Sie müsste dazu ständig mit dem Verkauf von Waren in eigenem Namen und auf Rechnung der Beklagten betraut gewesen sein, und zwar dergestalt, dass sie am wirtschaftlichen Erfolg allein in Form einer vereinbarten festen Provision teilhat (BGH, a.a.O., Rn. 15) bzw. dass sie den Weiterverkauf zu vorgegebenen Preisen und Konditionen vorzunehmen hatte (Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 383 Rn. 3). Diese Voraussetzungen hat bereits die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Eine Vergütung der Klägerin in Gestalt einer Provisionierung ist allenfalls in den ersten Jahren ergänzend erfolgt, wobei es sich nach der Darstellung des Zeugen eher um eine Rückvergütung gehandelt hat; die Klägerin hat im übrigen selbst vorgetragen, die Konditionen ihrer Verkäufe selbst festgelegt zu haben, was im Übrigen auch durch den Zeugen T bestätigt worden ist.
572.
58Der Klägerin stehen wegen der Beendigung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten auch keine Schadensersatzansprüche zu.
59a)
60§ 89 a Abs. 2 S. 2 HGB scheidet als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus, weil die Klägerin nicht als Handelsvertreterin agierte.
61b)
62Aber auch die entsprechende Anwendung des § 89 a Abs. 2 S. 2 HGB wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn ein Vertragshändlervertrag vorgelegen hätte, der eine handelsvertreterähnliche Eingliederung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten beinhaltet hätte. Davon ist, wie dargelegt, nicht auszugehen.
63c)
64Schließlich stehen der Klägerin auch keine Schadensersatzansprüche wegen der Beendigung der Lieferbeziehung (§§ 241 Abs. 2, 282, 282, 280 Abs. 1 BGB) zu.
65aa)
66Zwischen den Parteien ist allerdings ein Dauerschuldverhältnis in Gestalt einer laufenden Geschäftsverbindung (z.B. Münchener Kommentar BGB/Ernst, 8. Aufl., § 280 Rn. 134) etabliert worden.
67Ein solches Rechtsverhältnis kann als „gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“, nämlich als „geschäftlicher Kontakt“ im Sinn von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgefasst werden, das besondere Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet (Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., Einl v § 343 Rn. 3; Münchener Kommentar HGB/K. Schmidt, 4. Aufl., Vorbem. § 343 Rn. 20).
68bb)
69Doch lässt sich eine Verletzung dieses Dauerschuldverhältnisses seitens der Beklagten durch die Einstellung der Verkäufe an die Klägerin ab Februar 2018 nicht feststellen.
70(1)
71Ohnehin steht der Klägerin kein Anspruch auf die Vornahme weiterer Verkäufe an sie über den Monat Januar 2018 hinaus zu, weil sich aus der laufenden Geschäftsverbindung als solcher keine primären Leistungspflichten ableiten lassen (s.o.). Schadensersatzansprüche wegen nicht erbrachter Leistungen (hier: nicht getätigter Verkäufe an die Klägerin) im Sinn von § 281 Abs. 1 BGB scheiden deshalb ebenfalls aus.
72(2)
73In Betracht kommt allenfalls eine Pflichtverletzung gem. §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2, 282, 280 Abs. 1 BGB) wegen einer vorzeitigen, nicht ausreichend auf die Interessen der Klägerin Bedacht nehmenden Beendigung der Verkäufe.
74Eine derartige Pflichtverletzung lässt sich nicht feststellen, weil die Beklagte der Klägerin bereits Anfang Januar 2017 mitteilte, die Verkäufe an sie einstellen und an C1 direkt verkaufen zu wollen, und alsdann gleichwohl noch bis Ende Januar 2018 die bisherige Praxis der Verkäufe an die Klägerin fortsetzte.
75Denn der aus dem Dauerschuldverhältnisses der laufenden Geschäftsverbindung Verpflichtete handelt jedenfalls dann nicht pflichtwidrig, wenn er die Belieferung bzw. die Verkäufe erst einstellt, nachdem er seinem Geschäftspartner die Beendigung klar avisiert hat und seither die für eine Kündigung im eigentlichen Sinn einzuhaltenden Fristen abgelaufen sind. Beides ist hier der Fall:
76(a)
77Die Beklagte hat der Klägerin im Gespräch vom 5.1.2017 klar zu verstehen gegeben, die Verkäufe an sie einstellen zu wollen. Das folgt bereits aus der eigenen Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin, aber auch aus der Bekundung des Zeugen T. Die Beklagte ist von dieser Ankündigung auch nicht abgerückt oder hat sie in Frage gestellt. Die Fortsetzung der Belieferung über das Jahr 2017 hinweg konnte von der Klägerin auch nicht etwa dahin verstanden werden, die Geschäftsverbindung solle dauerhaft wiederbelebt werden.
78Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, ob die laufende Geschäftsverbindung zwischen den Parteien zu ihrer Beendigung überhaupt einer Kündigung bedurfte. Sollte dies der Fall sein, wäre die Erklärung der Beklagten bzw. ihrer beiden Mitarbeiter als solche anzusehen. Ihre Wirksamkeit scheiterte auch nicht an fehlender Bevollmächtigung, weil die Klägerin diese zu keinem Zeitpunkt in Frage stellte und jedenfalls ein Tatbestand der Duldungsvollmacht bestand.
79(b)
80Die Beklagte musste die Geschäftsverbindung zur Klägerin vom Zeitpunkt der Erklärung der Beendigung (bzw. der Kündigung) an jedenfalls nicht über mehr als sechs Monate hinaus aufrechterhalten.
81Auch die Klägerin reklamiert unter Berücksichtigung ihrer Interessen daran, einen Ersatzlieferanten zu finden, keine längere Frist.
82Selbst wenn auf die Klägerin § 89 Abs. 1 HGB entsprechend anzuwenden sein sollte, etwa aufgrund ihrer Stellung als Vertragshändlerin, käme eine längere Frist als von 6 Monaten (zum Monatsende) nicht in Betracht. Eine solche ließe sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken des 627 Abs. 2 S. 1 BGB („Der Verpflichtete darf nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.“) ableiten, zumal die Klägerin selbst eine Dauer von 6 Monaten für die (erfolgreiche) Suche nach einem Ersatzlieferanten veranschlagt.
83Diese Frist hat die Beklagte gewahrt, indem sie die Verkäufe an die Klägerin erst mit Ablauf des Monats Januar 2018 eingestellt hat.
84II.
85Auch die Berufung gegen die Widerklage ist erfolglos.
86Die im Rahmen der Widerklage zugesprochenen Forderungen der Beklagten sind unstreitig. Die Klägerin hat indes, wie dargelegt, keine Forderungen gegen die Beklagte, die sie den mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüchen mit Erfolg entgegensetzen kann.
87C.
88Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
89Zulassung zur Revision besteht nicht; die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung verlangen eine Befassung des Bundesgerichtshofs nicht.