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Bestimmung des Streitgegenstandes bei auf das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot gestütztem Unterlassungsanspruch (Anschluss an BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431, Rn. 11 ff. mwN. – Tiegelgröße).
Der Kläger hat substantiiert diejenigen Irreführungsaspekte darzulegen und zu den dafür maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung konkret vorzutragen, auf die er seinen Klageangriff stützen will. Dementsprechend darf auch das Gericht eine Verurteilung nur auf diejenigen Irreführungsgesichtspunkte stützen, die der Kläger schlüssig vorgetragen hat. Die schlüssige Darlegung eines Irreführungsgesichtspunkts setzt Vortrag dazu voraus, durch welche Angabe welcher konkrete Verkehrskreis angesprochen wird, welche Vorstellungen die Angabe bei diesem angesprochenen Verkehrskreis ausgelöst hat, warum diese Vorstellung unwahr ist und dass die so konkretisierte Fehlvorstellung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (Anschluss an BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431, Rn. 16 mwN. – Tiegelgröße).
3. Irreführung über die Verfügbarkeit von Produktzubehör (hier: Betonplatten zur Beschwerung eines Sonnenschirmständers) im Shop des Werbenden durch blickfangmäßige Abbildungen in einer nicht mit Preisen versehenen, aber mit einem Konfigurator verlinkten Internetwerbung (Fortführung von Senat, Urteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, WRP 2015, 1381).
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.05.2022 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum (Az. 18 O 3/22) unter Zurückweisung des weitergehenden Berufungsbegehrens teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet gegenüber Verbrauchern für Sonnenschirme nebst Ständerkreuz wie nachfolgend dargestellt zu werben, wenn die auf dem Ständerkreuz aufliegend abgebildeten Platten nicht im Shop der Beklagten erworben werden können.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
61.
7Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. § 3, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. bzw. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG n. F..
8a)
9Die Parteien stehen unstreitig in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG, so dass die Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten anzusehen und mithin gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht nur prozessführungsbefugt, sondern auch aktivlegitimiert ist.
10b)
11Die beanstandete Werbung der Beklagten ist irreführend i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. bzw. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG n. F..
12aa)
13Soweit der Senat die Beklagte abweichend von der klägerischen Formulierung des Unterlassungsbegehrens („wenn die auf dem Ständerkreuz aufliegend abgebildeten Platten in dem beworbenen Leistungsumfang nicht enthalten sind“) dahingehend verurteilt hat, die beanstandete Werbung zu unterlassen, wenn die auf dem Ständerkreuz aufliegend abgebildeten Platten nicht im Shop der Beklagten erworben werden können, liegt hierin weder ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO noch gegen die zivilprozessuale Dispositionsmaxime (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431, Rn. 9 ff. mwN., zit. nach juris – Tiegelgröße).
14(1)
15Denn die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren bereits mit der Berufungsbegründung vom 31.08.2022 (auch) auf diesen Gesichtspunkt der Irreführung gestützt, indem sie ausgeführt hat, die geschäftliche Entscheidung sei bei „Internetsachverhalten“ mitnichten auf das Einleiten des konkreten Bestellprozesses beschränkt. Zur geschäftlichen Entscheidung, die beeinflusst werde, zähle nicht nur die Entscheidung des Verbrauchers, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätige, sondern auch jede damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidung wie insbesondere diejenige über das Betreten eines Geschäfts. Vorliegend bestehe die maßgebliche geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers im Starten des Konfigurators, nachdem er zuvor durch die beanstandeten Produktabbildungen getäuscht und dieser Irrtum nicht ausgeräumt worden sei. Es sei daher rechtlich unerheblich, dass während des Konfigurationsprozesses klargestellt werde, dass die Betonplatten nicht im (möglichen) Lieferumfang enthalten seien, weil diese Richtigstellung zu spät erfolge, nämlich erst, nachdem der Kunde durch die irreführende Werbung „in den Konfigurator“ gelockt worden sei.
16Damit hat die Klägerin hinreichend konkret diejenigen Irreführungsaspekte dargelegt und zu den gem. § 5 Abs. 1 UWG a. F. bzw. § 5 Abs. 2 UWG n. F. dafür maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung vorgetragen, auf die sie ihren Klageangriff stützen will (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431, Rn. 16 mwN., zit. nach juris – Tiegelgröße).
17Jedenfalls aufgrund des Hinweises aus dem Senatsbeschuss vom 19.01.2023 hat sie sich – wie im Senatstermin vom 02.02.2023 erörtert – diesen ihr günstigen Aspekt zu eigen gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2001 – VI ZR 203/00, NJW 2001, 2177, Rn. 9 mwN., zit. nach juris).
18(2)
19Es liegt auch kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor.
20(a)
21Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat. Das zusprechende Urteil muss sich innerhalb des mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstands halten. Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Deshalb entscheidet ein Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über etwas anderes, als beantragt ist, wenn es seinem Urteilsspruch über einen Unterlassungsantrag einen anderen Klagegrund zugrunde legt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Antrag begründet hat.
22Wird – wie im Streitfall – ein Unterlassungsanspruch auf das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot gestützt, wird der durch die materiell-rechtliche Regelung des § 5 UWG verselbständigte, für die Festlegung des Klagegrundes maßgebliche Lebensvorgang maßgeblich dadurch bestimmt, durch welche Angabe welcher konkrete Verkehrskreis angesprochen wird, welche Vorstellungen die Angabe bei diesem angesprochenen Verkehrskreis auslöst und ob diese Vorstellung unwahr ist. Allerdings entspräche ein zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff, der sich streng an dem vorgetragenen Lebenssachverhalt orientiert und bereits jede Variante – wie bspw. jede auch nur geringfügig abweichende, durch ein und dieselbe Werbeaussage bewirkte Fehleinschätzung der Verbraucher – einem neuen Streitgegenstand zuordnet, nicht der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise und würde darüber hinaus zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Vielmehr ist in den Fällen, in denen sich die Klage – wie im Streitfall – gegen die konkrete Verletzungsform richtet, in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431, Rn. 11-13 mwN., zit. nach juris – Tiegelgröße).
23(b)
24Vorliegend richtet sich der Klageantrag gegen die konkrete Verletzungsform, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Beklagte auf der von ihr betriebenen Homepage www.C-....de Sonnenschirme und dazu passende Ständerkreuze entsprechend den Abbildungen zum Klageantrag bewirbt. Der dadurch und durch die konkrete Behauptung einer Irreführung des Verbrauchers durch diese Aufmachung bestimmte Streitgegenstand umfasst sowohl die mit der Klage geltend gemachte Fehlvorstellung darüber, dass die auf den Ständerkreuzen jeweils aufliegend abgebildeten Betonplatten von einem – in einem weiteren Schritt noch zu konfigurierenden – konkreten Leistungs- oder Angebotsumfang umfasst sind als auch – gleichsam als Minus – darüber, dass diese Platten überhaupt bei der Beklagten erworben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431, Rn. 14, zit. nach juris – Tiegelgröße).
25bb)
26Der Senat hat bereits terminsvorbereitend mit Beschluss vom 19.01.2023 darauf hingewiesen, dass die Irreführung mangels Preisangabe vorliegend nicht darin besteht, dass die Betonplatten von einem bestimmten Angebot der Beklagten umfasst sind, sondern dass der angesprochene Verkehr davon ausgeht, dass zum verfügbaren Leistungsumfang auch die auf den beanstandeten Abbildungen des jeweils mittels eines sog. Ständerkreuzes aufgestellten Sonnenschirms zu sehenden Betonplatten gehören, obwohl diese nach den Vorstellungen der Beklagten tatsächlich nicht vom Warenangebot umfasst und im Konfigurator auch nicht bestellbar sind. Hiervon abzuweichen besteht keine Veranlassung, zumal die Beklagte diesen Ausführungen auch nicht mehr entgegengetreten ist.
27(1)
28Wie eine Werbung zu verstehen ist, hängt maßgeblich von der Auffassung der von ihr angesprochenen Verkehrskreise ab. Adressat der streitgegenständlichen Werbung ist das allgemeine Publikum, dessen Verkehrsauffassung die Mitglieder des erkennenden Senats aufgrund eigener Sachkunde beurteilen können, weil sie selbst zur angesprochenen Gruppe gehören (st. Respr., vgl. nur BGH, Urteil vom 29.07.2021 – I ZR 114/20, GRUR 2021, 1315, Rn. 18 mwN., zit. nach juris – Kieferorthopädie). Abzustellen ist hierbei gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der zur angesprochenen Gruppe gehört (st. Respr., vgl. nur BGH, Urteil vom 09.09.2021 – I ZR 125/20, GRUR 2021, 1414, Rn. 34 – Influencer II; Senatsurteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, aaO., Rn. 11, jew. mwN. und zit. nach juris).
29(2)
30Ein solcher Verbraucher wird der streitgegenständlichen Produktpräsentation der Beklagten auf dem von ihr betriebenen Internetauftritt www.C-....de – irrigerweise – entnehmen, dass er auch die auf den beanstandeten Fotografien abgebildeten, zur Beschwerung des unstreitig – auf Wunsch – zum Lieferumfang gehörenden Ständerkreuzes erforderlichen Betonplatten bei der Beklagten erwerben kann und infolge dieses Irrtums einen Bestellprozess über den gesondert auf der Homepage der Beklagten verfügbaren Konfigurator einleiten.
31Abweichend von dem der Senatsentscheidung vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, WRP 2015, 1381 zugrunde liegenden Sachverhalt handelt es sich vorliegend – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – allerdings nicht um eine Täuschung darüber, welche Einzelteile vom Lieferumfang eines konkreten Angebots (und eines hierbei konkret bezeichneten Preises) umfasst sind. Denn die beanstandete Produktpräsentation auf dem von der Beklagten betriebenen Internetauftritt beinhaltet außerhalb des sog. Konfigurators mangels Preisangabe gerade keine konkreten Angebote, weshalb der Verbraucher keiner Fehlvorstellung darüber unterliegen kann, ob auch die in Rede stehenden Betonplatten von einem bestimmten Angebotspreis umfasst sind.
32Die Irreführung besteht jedoch darin, dass der Verbraucher aufgrund der auf den beanstandeten Fotografien abgebildeten Betonplatten davon ausgeht, er könne bei Einleitung eines Bestellprozesses über den Konfigurator auch diese bei der Beklagten erwerben, was unstreitig nicht der Fall ist.
33(a)
34Der Abbildung eines Produktes in einer Werbung oder einem Warenangebot im Internet kommt grundsätzlich eine maßgebliche Bedeutung für die Bestimmung des im Falle eines späteren Vertragsschlusses geschuldeten Leistungsinhaltes zu (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2011 – VIII ZR 346/09, NJW-RR 2011, 462, Rn. 12, zit. nach juris). Gerade bei der Betrachtung von Internetseiten sind visuelle Eindrücke für die Erfassung des jeweiligen Inhaltes von entscheidender Bedeutung. Das allgemeine Publikum fasst eine Produktabbildung in einer Internetwerbung daher als maßgeblichen Teil der Produktbeschreibung auf (vgl. Senatsurteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, aaO., Rn. 13 mwN., zit. nach juris).
35(b)
36Wie der Senat außerdem schon in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 04.08.2015 (aaO., Rn. 15) ausgeführt hat, fasst der Verbraucher die abgebildeten Betonplatten auch nicht lediglich als (mehr oder weniger schmückendes) Beiwerk zu den beworbenen Sonnenschirmen – wie etwa die zu Dekorationszwecken ebenfalls abgebildeten Pflanzen, Gartenliegen oder den Terrassentisch nebst Stühlen, die mit den für den standfesten Aufbau des Sonnenschirms erforderlichen Betonplatten nicht vergleichbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2014 – I ZR 129/13, GRUR 2015, 698, Rn. 14, zit. nach juris – Schlafzimmer komplett) – auf. Denn der durchschnittliche Verbraucher ist grundsätzlich daran interessiert, nur funktionsfähige Produkte zu erwerben. Ein Produkt, das für sich genommen nicht funktionsfähig ist, sondern erst durch den Hinzuerwerb weiteren Zubehörs bei einem anderen Händler – vorliegend etwa einem Baumarkt oder Baustoffhändler – funktionsfähig gemacht werden muss, ist vor diesem Hintergrund für den Verbraucher (deutlich) weniger interessant als ein Produkt, das sogleich zusammen mit allem für die Herstellung der Funktionsfähigkeit erforderlichen Zubehör „aus einer Hand“ erworben werden kann. Ohne die abgebildeten Betonplatten sind die beworbenen Sonnenschirme nicht mittels eines Ständerkreuzes mit der erforderlichen Standfestigkeit aufstellbar und mithin nicht funktionsfähig. Der Verbraucher wird die Abbildung der Betonplatten vor diesem Hintergrund dahin verstehen, dass diese Betonplatten ebenfalls bei der Beklagten erworben werden können. Der Umstand, dass es neben der Nutzung eines Ständerkreuzes auch andere Möglichkeiten gibt, Sonnenschirme standsicher aufzustellen (bspw. mittels einer Bodenhülse), ist für den vorliegenden Fall, in dem es unstreitig um mit einem (ebenfalls in der Produktabbildung zu sehenden) Ständerkreuz beworbene und lieferbare Sonnenschirme geht, ohne Bedeutung.
37(c)
38Der in der Produktbeschreibung unter dem Punkt „Gestell“ zu findende Hinweis „Bei Verwendung des Ständerkreuzes benötigen Sie zusätzlich noch 8 handelsübliche Gartenplatten der Größe 40 x 40 x 4 cm.“ vermag die Beklagte im Hinblick auf den Irreführungsvorwurf nicht zu entlasten.
39(aa)
40Die den (möglichen) Lieferumfang unzutreffend wiedergebenden Produktabbildungen sind durch ihre Platzierung an prominenter Stelle der Werbung, nämlich am Beginn der entsprechenden Produktseite und unmittelbar unter der fett und in großer Schrift gedruckten Überschrift („A“, „B“,…) blickfangmäßig herausgestellt (vgl. Senatsurteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, aaO., Rn. 18, zit. nach juris).
41(bb)
42In Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, kann der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teil hat. Danach reicht es nicht aus, wenn der beworbene Artikel zusammen mit weiteren Artikeln abgebildet wird, ohne die er – wie hier – nicht benutzt werden kann, und der aufklärende Hinweis nur innerhalb der Produktbeschreibung erfolgt, ohne am Blickfang teilzuhaben und die Zuordnung zu den herausgestellten Angaben zu wahren (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2014 – I ZR 129/13, GRUR 2015, 698, Rn. 16 mwN., zit. nach juris – Schlafzimmer komplett).
43Der hier in Rede stehende Hinweis nimmt nicht am Blickfang teil. Insbesondere ist er nicht als sog. „Sternchenhinweis“ durch ein am Blickfang teilhabendes Hinweissymbol mit diesem Blickfang verknüpft. Er findet sich vielmehr – ohne eine solche Verknüpfung – auf der Produktseite erst in deutlichem Abstand unterhalb der den Blickfang darstellenden Produktabbildung im Bereich „Gestell“ (vgl. Senatsurteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, aaO., Rn. 19, zit. nach juris).
44(cc)
45Ausnahmsweise kann zwar dann auf einen Sternchenhinweis oder einen anderen klarstellenden Hinweis an den irreführenden blickfangmäßigen Angaben in einer Werbung verzichtet werden, wenn es sich um eine Werbung – namentlich für langlebige und kostspielige Güter – handelt, mit der sich der Verbraucher erwartungsgemäß eingehend befasst und die er auf Grund ihrer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2014 – I ZR 129/13, GRUR 2015, 698, Rn. 18 mwN., zit. nach juris – Schlafzimmer komplett). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
46(aaa)
47Dabei kann der Senat offen lassen, ob es sich bei den in Rede stehenden Sonnenschirmen um langlebige oder kostspielige Wirtschaftsgüter handelt. Mangels Preisangabe kann sich der Verbraucher außerhalb des Konfigurators noch gar keine Vorstellung darüber bilden, zu welchem Preis er einen seinen konkreten Wünschen entsprechend konfigurierten Schirm bei der Beklagten erwerben kann.
48(bbb)
49Jedenfalls zeichnet sich die hier streitgegenständliche Produktpräsentation im „Online-Katalog“ der Beklagten nicht durch eine kurze und übersichtliche Gestaltung aus, weil der Verbraucher auf der Produktseite erst weit nach unten „scrollen“ muss, um zur näheren Beschreibung des Ständerkreuzes in der Rubrik „Gestell“ zu gelangen (vgl. Senatsurteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, aaO., Rn. 20 mwN., zit. nach juris).
50c)
51Die Produktpräsentation der Beklagten ist auch geeignet, die dadurch irregeführten Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
52Denn diese Verbraucher werden dazu veranlasst, sich durch Starten des auf der Website der Beklagten verlinkten Konfigurators näher mit deren Angebot zu befassen. Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ umfasst nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts. Das Aufsuchen einer Internetseite, auf der Produkte oder Dienstleistungen – wie hier mittels des Konfigurators – unmittelbar bestellt werden können, steht dem Betreten eines stationären Geschäfts gleich. Der Schutzbereich des § 5 UWG umfasst Fälle, in denen von der Irreführung – wie im Streitfall – eine Anlockwirkung ausgeht, grundsätzlich auch dann, wenn die Irreführung noch rechtzeitig vor der Kaufentscheidung ausgeräumt wird. Denn der zunächst erzeugte Irrtum bewirkt, dass der Verbraucher, der ein Geschäft aufgrund der von der irreführenden Werbung ausgehenden Anlockwirkung bereits betreten bzw. – wie hier – den Konfigurator gestartet hat und sodann im Verlauf des Konfigurationsprozesses erfährt, dass er die Betonplatten entgegen seinen Erwartungen nicht ebenfalls bei der Beklagten erwerben kann, sich gleichwohl näher mit dem Angebot der Beklagten auseinandersetzt, was aus kaufmännischer Sicht bereits ein großer Vorteil für den Werbenden und dementsprechend ein Nachteil für Mitbewerber ist. Denn ein auf solche Weise (zunächst) getäuschter Verbraucher wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auch nach Aufklärung des Irrtums gerade nicht den einmal begonnen Konfigurationsprozess abbrechen, sondern sich gleichwohl zum Erwerb seines Wunschproduktes bei der Beklagten entscheiden.
53Es kann deshalb dahinstehen, ob im Rahmen des durch Start des Konfigurators eingeleiteten Konfigurationsprozesses noch ein zur Ausräumung des vorstehend dargestellten Irrtums über die Verfügbarkeit der in Rede stehenden Betonplatten über den Online-Shop der Beklagten ausreichender Hinweis erfolgt (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 28.04.2016 – I ZR 23/15, GRUR 2016, 1073, Rn. 34 f. mwN., zit. nach juris – Geo-Targeting; Urteil vom 07.07.2011 – I ZR 173/09, GRUR 2012, 208, Rn. 34 mwN., zit. nach juris – 10% Geburtstags-Rabatt).
54d)
55Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes vermutet (st. Respr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 16.11.1995 – I ZR 229/93, GRUR 1997, 379, Rn. 18 mwN., zit. nach juris – Wegfall der Wiederholungsgefahr II).
562.
57Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten nebst Zinsen steht der Klägerin hingegen nicht zu.
58Die Abmahnung vom 20.09.2021 entspricht nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Namentlich fehlt es entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG an der Angabe der die Rechtsverletzung begründenden tatsächlichen Umstände. Die Klägerin stützt ihre Abmahnung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 04.08.2015 – 4 U 66/15, WRP 2015, 1381) lediglich pauschal auf den Umstand, dass die auf den beanstandeten Abbildungen zu sehenden Betonplatten nicht zum Angebotsumfang gehörten und nicht vom Angebotspreis umfasst seien. Dieser Gesichtspunkt der Irreführung ist nach den vorstehenden Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, vorliegend jedoch gerade nicht maßgeblich.
59III.
60Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
61Anlass, die Revision gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.