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G r ü n d e
2I.
3Die Angeklagte befindet sich wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz seit dem 24. April 1996 in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Geilenkirchen vom selben Tage, der - ebenso wie bei der Mitangeklagten P. v. R. - auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gestützt ist.
4Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 13. Juni 1996 Anklage erhoben.
5In einem Haftprüfungstermin vom 1. Juli 1996 hat die Strafkammer den Antrag auf Aufhebung bzw. Außervollzugsetzung des Haftbefehls zurückgewiesen und Haftfortdauer angeordnet. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Haftbeschwerde der Angeklagten gemäß Verteidigerschriftsatz vom 2. August 1996 (bei dem Landgericht Aachen am 7. August 1996 eingegangen und dem Senat am 2. September 1996 vorgelegt).
6II.
7Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere gemäß § 305 StPO nicht ausgeschlossene, Beschwerde ist begründet. Nachdem die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Aachen nicht, wie vorgesehen, am 6. September 1996 beendet werden konnte und die Untersuchungshaft immer noch andauert, ist der Haftbefehl aufzuheben.
8Zwar ist die Angeklagte der ihr zur Last gelegten Taten aufgrund der in der Anklageschrift vom 13. Juni 1996 im einzelnen aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig.
9Jedoch kann von dem Bestehen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) nicht (bzw. jedenfalls nicht mehr) ausgegangen werden. Verdunkelungsgefahr besteht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht gegeben ist, daß der Beschuldigte durch unlauteres Einwirken auf sachliche und persönliche Beweismittel die Feststellung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts beeinträchtigen wird (vgl. Boujong in Karlsruher Kommentar, StPO, 3. Aufl., § 112 Rn. 23-25); die bloße Möglichkeit von Verdunkelungshandlungen rechtfertigt die Annahme der Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO nicht (Boujong a.a.O., Rn. 26). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme der Verdunkelungsgefahr jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls vom 24. April 1996 aufgrund des Sprechkontakts, den die beiden damaligen Beschuldigten im Polizeigewahrsam in der Nacht vom 23. zum 24. April 1996 hatten, angesichts des damaligen Ermittlungsstandes noch gerechtfertigt war. Jedenfalls schon der von den Verteidigern der Angeklagten v. R. eingelegten Haftbeschwerde vom 19. Juni 1996 war zu entnehmen, daß es (allein) P. v. R. war, die im Polizeigewahrsam der damaligen Beschuldigten D. "massivste Vorwürfe entgegenwarf" und sie hierdurch zum Widerruf ihrer ausführlichen geständnisgleichen Aussage vom 23. April 1996 bewog. Verdunkelungshandlungen der Angeklagten D. selbst in dieser Nacht und in der Folgezeit sind den Akten nicht zu entnehmen (abgesehen davon, daß selbst für einen solchen Fall noch zusätzlich zu prüfen wäre, ob solche Verdunkelungshandlungen auch für die Zukunft zu besorgen sind).
10Soweit in dem angefochtenen Beschluß vom 1. Juli 1996 darauf abgestellt wird, der Zeuge T. sei "offenbar von einer der beiden Angeschuldigten" beeinflußt worden, seine belastenden Angaben zu widerrufen, ist jedenfalls nicht festgestellt, daß eine solche Beeinflussung gerade von der jetzigen Angeklagten D. ausgegangen war. In diesem Zusammenhang ist schon von der zeitlichen Abfolge her von Bedeutung, daß der Zeuge T. den Inhalt seiner Strafanzeige vom 14. November 1995 bereits erstmals am 20. November 1995 (und zwar unter Bezugnahme auf seine persönlichen Beziehungen zu seiner "Freundin P. v. R.") widerrufen und diesen Widerruf sodann mit Schreiben vom 30. März 1996 (wiederum bezogen nur auf die Anschuldigungen gegen P. v. R.) wiederholt hatte, daß aber anschließend die damalige Beschuldigte D. noch am dem 23. April 1996 umfänglich ausgesagt hatte. Es ist nicht erkennbar, daß es gerade die Angeklagte D. gewesen sein soll, die etwa Einfluß auf den Zeugen T. genommen hatte.
11Soweit schließlich der angefochtene Beschluß darauf abstellt, daß sich die Angeklagte D. offenbar von der Angeklagten v. R. habe "beeinflussen lassen", führt auch dies nicht zur Annahme einer Verdunkelungsgefahr gerade bei der Angeklagten D.. Sämtliche Alternativen des § 112 Abs. 2 Nr. 3 a-c StPO (wobei schon der Haftbefehl nicht anführt, welcher Buchstabe dieser Bestimmung gegeben sein soll), setzen voraus, daß aktiv und prozeßordnungswidrig auf andere (sachliche oder persönliche) Beweismittel eingewirkt werden soll. Selbst wenn sich die Angeklagte D. ihrerseits hat beeinflussen lassen, so begründet dies nicht den Verdacht, sie werde aktiv eine der in § 112 Abs. 2 Nr. 3 a-c umschriebenen, auf Beweisvereitelung abzielenden Handlungen (hierzu Boujong in Karlsruher Kommentar, § 112 Rn. 23) vornehmen. Schon gar nicht darf aus dem Widerruf des Geständnisses auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden (Kleinkecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., § 112 Rn. 29 m.w.N.).
12Sonstige Haftgründe sind nicht ersichtlich. Der Haftgrund der Fluchtgefahr war schon im Ermittlungsverfahren und in dem Haftbefehl nicht angenommen worden und ist auch angesichts der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten - die vor ihrer Festnahme bei ihren Eltern wohnte und in ca. 2 Monaten die Geburt ihres Kindes erwartet - nicht gegeben.
13Nach alledem ist der Haftbefehl aufzuheben, ohne daß es noch auf das Vorbringen der Verteidigung zum bisherigen Gang der Hauptverhandlung ankommt.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.