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Die Berufung des Klägers gegen das am 10. März 2009 verkündete Urteil der 37. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 37 O 617/08 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger unterhält bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau N. U. als mitversicherte Person eine private Unfallversicherung. Er begehrt bedingungsgemäße Invaliditätsentschädigung für seine Ehefrau aufgrund eines Unfallereignisses vom 1. Mai 2006, bei dem dieser die Strecksehnen des Mittel- und Zeigefingers der linken Hand auf dem Handrücken in Höhe des Fingergrundgelenks durchtrennt wurden. Die Beklagte regulierte bislang nach einem Invaliditätsgrad von 22% und zahlte 18.370,- Euro an den Kläger. Wegen des zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
4Der Kläger hat beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.322,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2007 zu zahlen.
6Die Beklagte hat beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger stehe über den bereits regulierten Betrag hinaus keine weitere Invaliditätsentschädigung zu. Maßgeblich zur Bestimmung derselben sei angesichts der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Ehefrau des Klägers allein der Fingerwert und nicht der Handwert entsprechend der Gliedertaxe gemäß § 7 I. (2) a) der vereinbarten AUB 94/1 der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
9Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen eine Berechnung der Invaliditätsentschädigung nach dem Fingerwert und meint, aus der Art der Verletzung, die zu Funktionsausfällen der linken Hand seiner Ehefrau führten, ergebe sich, dass eine Bemessung nach dem Handwert erfolgen müsse. Ausgehend von einem Beeinträchtigungsgrad der linken Hand von 7/10 betrage der Invaliditätsgrad bei seiner Ehefrau 38,5%.
10Der Kläger beantragt,
11unter Abänderung des am 10. März 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln - 37 O 617/08 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.322,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2007 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
14Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertieft dieses.
15Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20. November 2009 durch Einholung eines fachorthopädischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Q. F. vom 28. April 2010 (Bl. 215 ff. d.A.) Bezug genommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
17II.
18Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
19Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung weiterer Invaliditätsentschädigung aufgrund des Unfalls seiner Ehefrau N. U. vom 1. Mai 2006 gegenüber der Beklagten nicht zu. Die Beklagte hat den Kläger durch Zahlung von 18.370,- Euro nach einem Invaliditätsgrad von 22% bereits bedingungsgemäß entschädigt; darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht.
20Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats allerdings fest, dass bei der Ehefrau des KIägers die geklagten unfallbedingten dauerhaften Beeinträchtigungen im Bereich der linken Hand, die die Beklagte bestritten hat, tatsächlich vorliegen.
21Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 28. April 2010 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Ehefrau des Klägers so vorliegen, wie dies bereits in dem handchirurgischen Gutachten des Sachverständigen Dr. H. E. O. vom 19. Juni 2007 festgestellt wurde, auf das sich die Klage stützt. Danach liegen bei der Ehefrau des Klägers unfallbedingt Defizite in der Fingerstreckung des linken Zeigefingers, ein stark eingeschränkter Faustschluss der linken Hand, eine verminderte Handspanne links, eine stark eingeschränkte Beugekraft der Langfinger links, eine durch Kraftminderung zwischen Daumen und Langfingern links eingeschränkte Funktion des Spitzgriffs sowie ein Morbus Sudeck im Bereich der linken Hand vor.
22Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. ist sorgfältig erstellt, gut begründet und hat erkennbar keine Anknüpfungstatsachen oder Erkenntnisquellen außer Acht gelassen. Die besondere Sach- und Fachkunde des Sachverständigen ist dem Senat aus zahlreichen weiteren Verfahren bekannt. Es besteht daher keine Veranlassung, seine überzeugenden Ausführungen, gegen die auch die Parteien keinerlei Einwendungen erhoben haben, in Zweifel zu ziehen; der Senat schließt sich ihnen vielmehr an.
23Entgegen der Ansicht des Klägers sind diese Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der linken Hand seiner Ehefrau jedoch nicht nach dem Handwert der Gliedertaxe zu bemessen, sondern nach den Fingerwerten. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat ausgeführt, dass angesichts einer bei der Ehefrau des Klägers bestehenden Restfunktion sowohl für die Beugung als auch für die Streckung der Langfinger II bis V der linken Hand ein Invaliditätsgrad von 7/10 Finger je Langfinger anzusetzen sei. Die bei der klinischen Untersuchung festgestellten diskreten Bewegungsabweichungen in der Unterarmdrehung und Handgelenksbeweglichkeit seien weder Unfallfolge noch Folge des Morbus Sudeck, so dass keine Bemessung des Handwertes erfolge.
24Diese Wertung des Sachverständigen entspricht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach stellt die Gliedertaxe in § 7 I. (2) a) AUB 94/1 für gänzlichen oder teilweisen Verlust ebenso wie für gänzliche oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (BGH VersR 2006, 1117; VersR 2003, 1163; VersR 1991, 413). Sieht man als unfallbedingte Schädigung – folgerichtig - die unfallbedingte Verletzung an, so liegt diese bei der Ehefrau des Klägers in der Durchtrennung der Strecksehnen des Mittel- und Zeigefingers der linken Hand auf dem Handrücken in Höhe des Fingergrundgelenks. Diese Strecksehnen dienen der Streck- und Beugefähigkeit der ihnen zugehörigen Langfinger und sind ebenso wie die Fingergrundgelenke unzweifelhaft den Fingern als Teilgliedmaßen im Sinne der Gliedertaxe zugehörig. Der Sitz der Verletzung liegt damit im Bereich der Finger der linken Hand. Es ist zwar anatomisch unvermeidbar, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung einzelner Finger sich stets auch auf die Gebrauchsfähigkeit der Hand auswirkt, wie dies bei der Ehefrau des Klägers der Fall ist. Diese Auswirkungen auf die Gebrauchsfähigkeit des verbliebenen, aber nicht durch den Unfall verlorenen oder selbst dauergeschädigten Restgliedes oder Teilbereichs eines Gliedes sind jedoch in den Prozentsätzen der Gliedertaxe bereits berücksichtigt (BGH VersR 1991, 413). Bei mehreren verletzten Fingern ist daher nicht die dauernde Gebrauchsbeeinträchtigung der Hand, sondern die der einzelnen Finger maßgebend (BGH aaO; vgl. auch BGH VersR 1990, 964). Da es nach den Feststellungen des Sachverständigen an einer eigenen unfallbedingten Dauerschädigung des Handgelenks oder des Unterarms der Ehefrau des Klägers gerade fehlt, ist für die Berechnung der Invaliditätsentschädigung allein auf die jeweiligen Fingerwerte der Gliedertaxe abzustellen.
25Gemäß § 7 I. (2) a) AUB 94/1 beträgt der Invaliditätsgrad eines Zeigefingers 10% sowie der eines anderen Fingers 5%. Bei 7/10 Fingerwert ergibt das für den Zeigefinger 7% sowie für die Finger III-V jeweils 3,5%. Das entspricht einem Gesamtinvaliditätsgrad von 17,5%. Da die Beklagte bereits auf der Basis von 22% Invalidität reguliert hat, ist der Anspruch des Klägers auf bedingungsgemäße Invaliditätsentschädigung bereits erfüllt und damit erloschen, § 362 BGB. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
26III.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
28IV.
29Einer Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO bedarf es nicht, weil die Sache im Einklang mit einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs allein aufgrund ihrer tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Besonderheiten entschieden wird.
30V.
31Der Streitwert für die Berufung wird auf 36.322,50 Euro festgesetzt.