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Aus der Bindung des Richters an Recht und Gesetz folgt das Gebot, die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen. Die Stichtagsregelung des Art. 12 Abs. 1 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG ist indes eindeutig und lässt keinen Auslegungsspielraum offen. Auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 verbleibt es deshalb bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber bei dem Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts der vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Abkömmlinge des Erblassers.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 18. März 2010 gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16. Februar 2010 - 11 T 305/09 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde einschließlich der den Beteiligten zu 2), 3), 4), 5), 6) und 7) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen hat der Beteiligte zu 1) zu tragen.
G r ü n d e
21. Der am 10. Mai 1920 geborene Erblasser, Herr K. L. I., verstarb am 23. Oktober 2007. Er war ledig, lebte zuletzt in einem Seniorenheim und stand unter Betreuung. Der Beteiligte zu 1) ist der einzige Abkömmling des Erblassers. Er wurde nach den Feststellungen des Landgerichts am 20. September 1943 als nichteheliches Kind des Erblassers und der Frau F. B. X. geboren und von dem Erblasser am 3. März 1944 als sein Sohn anerkannt.
3Nach dem Tode des Erblassers hat der Beteiligte zu 1) am 6. November 2007 einen Erbschein beantragt. Am 7. November 2007 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Köln dem Beteiligten zu 1) auf diesen Antrag einen Erbschein erteilt, der ihn als Alleinerben des Erblassers auswies. Diesen Erbschein hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 10. Dezember 2007 - 33 VI 505/07 - mit der Begründung wieder als unrichtig eingezogen, daß der Beteiligte zu 1) vor Inkrafttreten des Nichtehelichenrechts geboren und deshalb trotz der Anerkennung der Vaterschaft durch den Erblasser nicht dessen Erbe geworden sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht Köln durch Beschluß vom 25. August 2008 - 11 T 81/08 - zurückgewiesen.
4Bei den Beteiligten zu 2) bis 6) handelt es sich um Enkel der Mutter des Erblassers. Ihnen hat das Amtsgericht Köln einen gemeinschaftlichen Teilerbschein vom 31. Oktober 2008 erteilt, nach dem der Erblasser von den Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/12-Anteil und von der Beteiligten zu 6) zu 1/3-Anteil beerbt worden ist. Danach erwarb der Beteiligte zu 1) - jeweils im Wege der Erbteilsschenkung - gemäß notariellem Vertrag vom 3. Dezember 2008 von den Beteiligten zu 5) und 6) und gemäß weiterer notarieller Vereinbarung vom 8. Dezember 2008 von dem Beteiligten zu 2) deren 1/12-Erbanteile am Nachlaß des Erblassers. Die Beteiligte zu 7) ist eine Halbschwester des Erblassers. Ihr erteilte das Amtsgericht Köln am 6. April 2009 einen 2. Restteil-Erbschein mit dem Inhalt, daß sie den Erblasser zu 1/3-Anteil beerbt habe.
5Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 23. Juli 2009, der am Folgetage bei dem Amtsgericht eingegangen ist, hat der Beteiligte zu 1) unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 - 1 BvR 755/08 - und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 - Nr. 3545/04 C. ./. Deutschland - beantragt, den Erbschein vom 31. Oktober 2008 einzuziehen und ihm, dem Beteiligten zu 1), einen Erbschein mit dem Inhalt des ursprünglichen Erbscheins vom 7. November 2007 zu erteilen. Diesen Antrag hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts durch Beschluß vom 3. November 2009 zurückgewiesen und es abgelehnt, die Erbscheine vom 31. Oktober 2008 und vom 6. April 2009 einzuziehen. Der gegen diesen Beschluß vom 3. November 2009 gerichteten Beschwerde des Antragstellers vom 16. November 2009 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts durch Beschluß vom 19. November 2009 nicht abgeholfen und zugleich die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt. Mit Beschluß vom 1. Dezember 2009 hat der Senat eine Entscheidung über die ihm von der Rechtspflegerin des Amtsgerichts vorgelegte Beschwerde vom 16. November 2009 abgelehnt, die Sache an das Amtsgericht zurückgegeben und zur Begründung darauf hingewiesen, daß sich das Verfahren - einschließlich des Rechtsmittelsverfahrens - und der Rechtsmittelzug hier aufgrund der Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG hier noch nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht richten, so daß zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts noch das Landgericht zuständig war.
6Daraufhin hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts der Beschwerde vom 16. November 2009 mit Beschluß vom 15. Dezember 2009 wiederum nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt. Durch Beschluß vom 16. Februar 2010, der den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) am 5. März 2010 zugestellt worden ist, hat das Landgericht dessen Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit einem mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 18. März 2010 am Folgetage bei dem Oberlandesgericht eingelegten und in diesem Schriftsatz als "sofortige weitere Beschwerde" bezeichneten Rechtsmittel.
72. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) vom 18. März 2010 gegen den Beschluß des Landgerichts Köln vom 16. Februar 2010 ist als weitere Beschwerde gemäß § 27 Abs. 1 FGG zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Nach der Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG sind im vorliegenden Verfahren noch die bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden, weil der dieses Verfahren einleitende Antrag des Beteiligten zu 1) vom 23. Juli 2009 am 24. Juli 2009 und damit noch vor dem nach den Art. 111 Abs. 1, 112 Abs. 1 FGG-RG für Anwendung des neuen Verfahrensrechts maßgeblichen Stichtag, dem 1. September 2009 bei der ersten Instanz eingegangen ist. Wie der Senat in seinem in der vorliegenden Sache ergangenen Beschluß vom 1. Dezember 2009 - 2 Wx 105/09 - ausgeführt hat, richten sich aufgrund dieser Übergangsregelung deshalb hier auch der Rechtsmittelzug und das Rechtsmittelverfahren nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensrecht (so inzwischen auch BGH FGPrax 2010, 102 [103]), so daß gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 3. November 2009 die Beschwerde nach § 19 FGG zum Landgericht gegeben war und gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht nach den §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 FGG gegeben ist. Der Beteiligte zu 1) hat dieses Rechtsmittel in rechter Form, durch den Schriftsatz eines Rechtsanwalts (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG) eingelegt. Befristet ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde nach § 27 Abs. 1 FGG im Erbscheinsverfahren nicht. Seine Bezeichnung als "sofortige" Beschwerde im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) vom 18. März 2010 geht deshalb fehl.
8Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO. Die weitere Beschwerde nach den §§ 27 ff. FGG ist gemäß den §§ 27 Abs. 1 FGG, 546, 547, 559 ZPO eine Rechtsbeschwerde; das Oberlandesgericht als Rechtsbeschwerdegericht hat (nur) zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz auf einer Verletzung des Rechts beruht. Eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse durch das Rechtsbeschwerdegericht sowie die Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrages und / oder neuer Beweisantritte sind dagegen ausgeschlossen (vgl. nur Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 27, Rdn. 42 und 45 mit weit. Nachw.). Dies verkennen die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1), wenn sie die weitere Beschwerde auch auf neues tatsächliches Vorbringen und - mit ihren Schriftsätzen vom 21. Juli und 18. August 2010 - auf neue Beweisangebote stützen. Vielmehr hat der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nach den §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 1 und 2 ZPO seiner Beurteilung den von dem Landgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde zu legen, sofern nicht in Bezug auf diese Feststellungen ein zulässiger und begründeter Angriff der Rechtsbeschwerde vorliegt. Letzteres ist hier nicht der Fall. Das Verfahren des Landgerichts bei der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nicht zu beanstanden. Etwas anderes macht auch die weitere Beschwerde nicht geltend. Die tatsächlichen Behauptungen zu den persönlichen Beziehungen zwischen dem Beteiligten zu 1) und dem Erblasser, welche sich erst in seinen in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu den Akten gereichten Schriftsätzen vom 21. Juli und vom 18. August 2010 finden, hatte der Beteiligte zu 1) in den Tatsacheninstanzen nicht aufgestellt.
9Auf den von ihm verfahrensfehlerfrei festgestellten Sachverhalt hat das Landgericht das Recht zutreffend angewandt. Dem Beteiligten zu 1) steht als dem nichtehelichen Sohn kein gesetzliches Erbrecht nach seinem Vater, dem Erblasser, zu. Dies folgt aus Art. 12 Abs. 1 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NEhelG), da der Beteiligte zu 1) am 20. September 1943 und somit vor dem nach dieser Bestimmung maßgeblichen Stichtag vom 1. Juli 1949 geboren wurde. Deshalb kann ihm weder der von ihm erstrebte Erbschein erteilt werden, noch sind die den Beteiligten zu 2) bis 7) erteilten Erbscheine vom 31. Oktober 2008 und vom 6. April 2009 nach § 2361 Abs. 1 BGB als unrichtig einzuziehen.
10An die gesetzliche Regelung des Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG ist der Senat gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG. Daß diese Bestimmung nicht verfassungswidrig ist, hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen (vgl. BVerfGE 44, 1 [20, 34]; BVerfG ZEV 2004, 114). Aus der von dem Beteiligten zu 1) für seinen Standpunkt in Anspruch genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 (NJW 2009, 1065 f.) ergibt sich nichts anderes. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht auch in jener Entscheidung nicht die Regelung des Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG, sondern nur beanstandet, daß sie in jenem Fall von den mit ihm befaßten Gerichten ohne Berücksichtigung des § 1719 BGB a.F. angewandt worden war. Nach der mit dem Ablauf des 30. Juni 1998 außer Kraft getretenen Bestimmung des § 1719 BGB wurde ein nichteheliches Kind ehelich, wenn sein Vater mit seiner Mutter die Ehe schloß. Darum geht es hier nicht: Der Erblasser hat die Mutter des Beteiligten zu 1) nicht geheiratet, sondern ist bis zu seinem Tode ledig geblieben. Zu Recht hat deshalb bereits die Rechtspflegerin des Amtsgerichts in ihrem Beschluß vom 3. November 2009 ausgeführt, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 hier nicht einschlägig ist.
11Auch der Hinweis des Beteiligten zu 1) auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 (veröffentlicht u.a. in DNotZ 2010, 136 ff.) veranlaßt keine andere Beurteilung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in jenem Verfahren im Hinblick auf den Ausschluß der dortigen Beschwerdeführerin von der gesetzlichen Erbfolge nach ihrem Vater, einen Verstoß gegen Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 der EMRK und damit eine unzulässige Diskriminierung der dortigen Beschwerdeführerin festgestellt. Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG, wonach nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind, von dem gesetzlichen Erbrecht nach ihrem Vater ausgeschlossen sind, diskriminiere die dortige Beschwerdeführerin. Nach Auffassung des Gerichtshofs sind die Motive des deutschen Gesetzgebers nicht mehr zeitgemäß. Die deutsche Gesellschaft habe sich - wie andere europäische Gesellschaften - erheblich weiter entwickelt, und die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder entspreche heute dem rechtlichen Status ehelicher Kinder.
12Die Entscheidung vom 28. Mai 2009 ist in einem Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK ergangen. Die materielle Rechtskraft einer solchen Entscheidung ist durch die personellen, sachlichen und zeitlichen Grenzen des Streitgegenstandes begrenzt (vgl. BVerfG EuGRZ 1985, 654 [656]; BVerfG NJW 2004, 3407 [3409]). Das Konventionsrecht enthält keine dem § 31 Abs. 1 BVerfGG vergleichbare Regelung, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind.
13Allerdings folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) auch das Gebot, die Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen (BVerfGE 111, 307 [324]; vgl. auch BGH NJW 2008, 223 [225]; BGH NStZ 2010, 565 [566]). Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 [370]; BVerfGE 82, 106 [120]). So lange Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind, trifft deshalb den Richter die Pflicht, einer konventionsgemäßen Auslegung den Vorzug zu geben (vgl. BGH NStZ 2010, 565 [566]). Anderes gilt allerdings dann, wenn die Beachtung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht verletzen würde (vgl. BVerfGE 111, 307 [329]; BGH NStZ 2010 565 [566]). Die Möglichkeit konventionskonformer Auslegung endet aus Gründen der Gesetzesbindung der Gerichte dort, wo der gegenteilige Wille des Gesetzgebers hinreichend deutlich erkennbar wird (vgl. BGH, a.a.O.; Giegerich in Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2006, Kap. 2, Rdn. 20). Die Regelung des Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG ist eindeutig. Die Bestimmung, daß für die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes und seiner Abkömmlinge zu dem Vater und dessen Verwandten die bisher geltenden Vorschriften auch dann maßgebend sind, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, also nach dem 1. Juli 1970, stirbt, läßt keinen Auslegungsspielraum offen. Die Möglichkeit einer konventionsgemäßen Auslegung des Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG haben auch das Oberlandesgericht Stuttgart (vgl. FamRZ 2010, 674 [675]) sowie das Kammergericht (ZErb 2010, 249 [250 f.]) zutreffend verneint. Entsprechend hat auch das Landgericht Saarbrücken mit Beschluß vom 14. Juni 2010 - 5 T 531/09 - (hier zitiert nach juris; Leitsatz veröffentlicht in ZErb 2010, 248) in dem Fall der Beschwerdeführerin des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof deren Beschwerde gegen die Ablehnung ihres neuerlichen Antrages auf Erteilung eines Erbscheins nach ihrem Vater durch das Amtsgericht Neunkirchen zurückgewiesen. Auch eine Auslegung dahin, daß die Anwendung des Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG davon abhängig gemacht würde, ob die bei Anwendung des Gesetzes erbberechtigten Personen zum engeren Kreis der (Familien-) Angehörigen des Erblassers gehören, ist nicht möglich. Für eine solche Auslegung bietet die gesetzliche Regelung keinen Anknüpfungspunkt. Mithin ist der Senat nach Art. 20 Abs. 3 GG an jene Regelung gebunden. Überdies liefe das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 GG) leer, wenn die Gerichte Bestimmungen des Gesetzes an den Generalklauseln der Europäischen Menschenrechtskonvention messen und deshalb gegebenenfalls verwerfen und damit unangewendet lassen könnten (vgl. auch Link, NJW 2010, 430 [431]). Zwar hat der Europäische Gerichtshof (in Luxemburg) ausgesprochen, daß der nationale Richter nicht nur das nationale Recht soweit wie möglich unionsrechtskonform auszulegen habe (vgl. EuGH NJW 2004, 3547 [3549]), sondern auch gehalten sei, im Rahmen seiner Zuständigkeit gegebenenfalls den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, dadurch sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts dadurch zu gewährleisten, daß er erforderlichenfalls eine dem Unionsrecht entgegen stehende Bestimmung des nationalen Rechts nicht anwendet (vgl. EuGH, NJW 2010, 427 [429 f.]). Diese aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts (vgl. BVerfG NZA 2010, 995 [996] mit weit. Nachw.) folgende Überlegung läßt sich indes auf das Verhältnis zwischen einer Generalklausel der Europäischen Menschenrechtskonvention und einer konkreten Regelung eines Bundesgesetzes nicht übertragen, nachdem die Menschenrechtskonvention - wie dargestellt - im nationalen Recht gleichfalls nur den Rang eines einfachen Gesetzes hat.
14Die im Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung
15nichtehelicher Kinder (Bundesrats-Drucksache 486/10) vorgesehenen Regelungen sind bei der Entscheidung über die weitere Beschwerde nicht anzuwenden, weil sie bislang nicht Gesetz geworden sind. Nach der Begründung jenes Entwurfs (Teil A, Ziff. II 2, lit. d) [S. 6]) soll zudem bei Erbfällen, die sich vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 29.Mai 2009 ereignet haben, aus Gründen des Vertrauensschutzes keine Änderung der bisherigen Rechtslage eintreten (vgl. dazu auch KG, ZErb 2010, 249 [250]), sofern nicht der Fiskus geerbt hat. Darüber, ob dieses Ziel in den Bestimmungen des Entwurfs zutreffend umgesetzt wird, ist hier nicht zu befinden.
16Der Erbschein vom 31. Oktober 2008 ist auch nicht deshalb einzuziehen, weil mehrere der in ihm ausgewiesenen Erben danach ihre Erbanteile durch notarielle Vereinbarungen vom 3. bzw. 8. Dezember 2008 nach § 2033 BGB auf den Beteiligten zu 1) übertragen haben. Denn hierdurch ist er nicht Erbe geworden. Im Fall des § 2033 BGB wird der Erbteil durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragen. Erbe im Sinne von § 2353 BGB ist dagegen nur, wer von dem Erblasser hierzu berufen oder im Wege gesetzlicher Erbfolge in die Rechtsstellung des Erblassers eingetreten ist. Dagegen bleiben rechtsgeschäftliche Übertragungen im Erbscheinsverfahren unberücksichtigt. Deshalb ist weder dem Erwerber eines Erbteils ein Erbschein zu erteilen, noch wird ein den gesetzlichen (Mit-) Erben ausweisender Erbschein im Sinne von § 2361 Abs. 1 BGB dadurch unrichtig, daß der Erbe seinen Erbteil auf einen Dritten überträgt (vgl. RGZ 64, 173 [178]; BayObLG NJW-RR 2001, 1521 [1522]; OLG Braunschweig, NJOZ 2004, 3856 [3857]; OLG Düsseldorf, MDR 1981, 143; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 332; OLG Schleswig, SchlHA 2010, 292 ff., hier zitiert nach juris, Rdn. 27, 28; Gergen in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2010, Rdn. 27; Jauernig/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2009, § 2033, Rdn. 5; Staudinger/Werner, BGB, Neubearbeitung 2002, § 2033, Rdn. 24). Der Erwerber ist gehalten, seine Rechte durch einen auf den gesetzlichen Erben lautenden Erbschein und den notariell beurkundeten Übertragungsvertrag nachzuweisen.
17Die weitere Beschwerde muß deshalb zurückgewiesen werden. Der Senat entscheidet abschließend über das Rechtsmittel. Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG und die Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht kommen nicht in Betracht (so auch OLG Stuttgart, FGPrax 2010, 83 [84]; LG Saarbrücken, a.a.O., Rdn. 41), weil die Regelung des Art. 12 Abs. 2 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG nicht verfassungswidrig ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen hat.
18Eine Vorlage des Verfahrens an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG wäre nicht zulässig, weil der Senat mit der vorliegenden Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch von einer auf eine weitere Beschwerde nach § 27 FGG ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweicht. Die angeführten Entscheidungen des OLG Stuttgart (FGPrax 2010, 83 f.) und des Kammergerichts (Zerb 2010, 249 ff.) sind jeweils nicht aufgrund einer solchen weiteren Beschwerde, sondern im Verfahren der Erstbeschwerde nach § 58 FamFG ergangen. Abgesehen hiervon weicht der Senat mit seiner vorliegenden Entscheidung auch nicht von einer diese beiden Entscheidungen tragenden Rechtsauffassung ab, nachdem in den von dem OLG Stuttgart und dem Kammergericht entschiedenen Fällen jeweils ebenfalls ein gesetzliches Erbrecht des dortigen Beschwerdeführers verneint worden ist. Die Möglichkeit eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG ist auf die in dieser Bestimmung genannten Divergenzfälle beschränkt; eine mögliche grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage allein erlaubt deren Übertragung auf den Bundesgerichtshof nicht.
19Dem Antrag im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) vom 8. Juni 2010 auf "Zulassung der weiteren Rechtsbeschwerde" kann nicht entsprochen werden. Vielmehr verkennen die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) mit diesem Antrag den Rechtsmittelzug. Im Verfahren nach § 27 FGG ist das Oberlandesgericht das Rechtsbeschwerdegericht und zugleich - wenn es nicht die Sache unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorlegt - die letzte Instanz. Ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts gibt es nicht (vgl. nur Meyer-Holz, a.a.O., § 28, Rdn. 35), so daß ein solches weiteres Rechtsmittel auch nicht zugelassen werden kann. Daß in den angeführten Entscheidungen des OLG Stuttgart und des Kammergerichts jeweils die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 1 und 2 FamFG zugelassen worden ist, beruht darauf, daß in jenen Verfahren bereits das FamFG anzuwenden war und das OLG Stuttgart sowie das Kammergericht deshalb jeweils nicht als Rechtsbeschwerdegericht (3. Instanz), sondern als Gericht der Erstbeschwerde (2. Instanz) entschieden haben.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
21Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde : EUR 115.000,--