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1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 30.4.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin produziert und vertreibt Beleuchtungsprodukte, darunter einen unter der Bezeichnung „Powermoon“ in mehreren Versionen hergestellten Leuchtballon in Gestalt einer transportablen Federschirmleuchte, die der Ausleuchtung von Baustellen, Polizei- und Feuerwehreinsatzorten sowie Event- und Parkräumen dient.
4Der auf einem Stativ montierte Leuchtballonkörper ist mit einer Spannvorrichtung ausgestattet, die schirmähnlich zu öffnen und – zusammengeklappt – erleichtert zu transportieren ist. Der nach Öffnung gespannte Leuchtballon ist an der oberen Seite mit einer farbigen, innen reflektierenden Folie, an der unteren Seite mit einer lichtdurchlässigen Spannhaut versehen, im Inneren befindet sich der Leuchtkörper, der sein Licht durch die transluzente Unterhaut abgibt. Die Vorrichtung wird in mehreren Modellen, mit 6 oder 8 Federstäben sowie mit und ohne Seilzug hergestellt und vertrieben. Die Ausführungsformen haben die Bezeichnungen „Start Evolution“ (mit Metalldampflampe, seit 2007 angeboten), „LED Master 400“ und „700“ (mit Halogenlampe, seit 2013) und „Profi 1 Evolution“ (mit LED-Lampe, seit 2007).
5Die Beklagte ist im Bereich Baustellentechnik tätig und vertreibt auch Maschinen, Werkzeuge und Hilfsmittel für den Baustellenbetrieb. Auf der Fachmesse für Baubedarf (BAUMA) 2013 und auf der Website „X.de“ bot sie einen Leuchtballon unter der Bezeichnung LBS 80M an.
6Die Parteien hatten unter dem 14.11.2007 einen Liefervertrag geschlossen, der die Lieferung von Federschirmleuchten der Klägerin in einer Ausführung mit 6 Federstäben noch ohne Seilzug zum Öffnen der Konstruktion betraf. Dieser Vertrag wurde zum 31.12.2013 gekündigt.
7Die Klägerin hat behauptet, dass die Beklagte auch nach diesem Zeitpunkt Leuchtballons herstelle und vertreibe, die eine identische oder nahezu identische Nachahmung ihrer Modellreihe darstellten. Sie hat vorgetragen, dass die von ihr hergestellten Leuchtballone über wettbewerbliche Eigenart verfügen, deren prägende Merkmale darin bestünden, dass ein von einer Ballonhülle umschlossener Federschirm aus 6 oder 8 Federstäben sich schirmartig aufspannen lasse, wobei die obere Ballonhälfte auf der Innenseite mit einer Spiegelfolie ausgestattet sei, die das Licht einer in dem Ballon befindlichen Lichtquelle durch transluzentes Textil der unteren Ballonhülle diffus und blendfrei nach unten verteile.
8Die Klägerin hat gemeint, dass die Beklagte durch den Vertrieb identischer oder nahezu identischer Nachahmungen unlauter nach § 4 Nr. 9 a) und b) UWG handele und hat diese deswegen erfolglos abgemahnt. Mit der vorliegenden Klage nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung einer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Sie hat den Unterlassungsantrag ursprünglich auf den Leuchtballon mit Stativ bezogen, im Termin vom 3.9.2014 den Antrag allerdings auf den Leuchtballon beschränkt.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation bestritten und den Antrag für unbestimmt gehalten, weil nicht spezifiziert werde, worin die Vertriebshandlung liege. Sie hat ferner gemeint, dem Leuchtballon fehle die wettbewerbliche Eigenart, weil seine charakteristischen Züge technisch bedingt seien. Die angegriffene Ausführungsform sei keine Nachahmung, sondern unterscheide sich wesentlich von dem Produkt der Klägerin.
12Das Landgericht hat von den Parteien vorgelegte Ausführungsformen des klägerischen Produkts in Augenschein genommen und die Klage für nach §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 9 a) UWG begründet gehalten. Es hat als streitgegenständlich nicht das in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgelegte Produkt zugrunde gelegt, weil es Zweifel daran hatte, ob dieses Produkt jemals so und in dieser Form von der Klägerin angeboten worden sei, zumal die Abweichungen von dem per Testkauf der Beklagten vorgelegten Modell so gravierend seien, dass sie nicht allein durch vielfachen Gebrauch und Fabrikationsabweichungen erklärbar seien. Stattdessen hat das Landgericht auf das durch Testkauf der Beklagten erworbene Produkt sowie auf von der Klägerin zu den Akten gereichte Lichtbilder abgestellt und als Verletzerprodukt ein auf der Homepage der Beklagten angebotenes Modell herangezogen. Das von der Beklagten vorgelegte Testkaufobjekt stehe stellvertretend für die Modellreihe der Klägerin. Es verfüge über durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart, insbesondere die von der Klägerin angeführten Charakteristika, aufgrund derer die angesprochenen Verkehrskreise einen Herkunftsbezug vornehmen würden. Die alternativen Ausführungsformen der Mitbewerber seien ihrem Gesamteindruck nach anders gestaltet, was auch die Beklagte nicht substantiiert bestritten habe. Dass die Gestaltung der Klägerin auch technische Funktionen habe, stehe der Eigenart nicht entgegen, solange die Formgestaltung nicht technisch notwendig sei. Dass die Gestaltung mindestens seit 2007 verkehrsbekannt sei, zeige sich nicht zuletzt daran, dass auch die Beklagte sie ursprünglich von der Klägerin bezogen habe. Der angegriffene Leuchtballon der Beklagten stelle eine nahezu identische Nachahmung dar, weil er nur geringe Unterschiede zum Original aufweise, insbesondere keinen abweichenden Gesamteindruck erzeuge. Nahezu sämtliche prägenden Merkmale seien übernommen worden, Unterschiede, wie die etwas abweichende Form des Ballonkörpers oder die abweichenden Proportionen, seien demgegenüber untergeordnet, auch vorhandene technische Abweichungen, etwa die abweichende Verschlusskappe, müssten unberücksichtigt bleiben, weil sie den Gesamteindruck nicht prägten. Die Fallgruppe der vermeidbaren Herkunftstäuschung sei erfüllt, weil die Leuchten der Klägerin eine gewisse Bekanntheit genössen und einem bestimmten Hersteller zugeordnet würden. Die Beklagte habe dies nicht verhindert, was ihr zumutbar gewesen sei. Auch die Ansprüche auf Auskunft aus § 242 BGB und auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht nach § 9 UWG seien gegeben, denn die Beklagte habe zumindest fahrlässig gehandelt.
13Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, rügt erneut die fehlende Passivlegitimation sowie die Fassung des Unterlassungsantrages als unbestimmt. Sie wendet sich in diesem Zusammenhang auch gegen die Sachverhaltsfeststellung durch das Landgericht und wiederholt ihre Behauptung, das von der Klägerin im Prozess vorgelegte Produkt sei verändert worden, um es dem Modell der Beklagten in seiner Formgestaltung anzunähern und daraus eine vermeidbare Herkunftstäuschung zu begründen. Tatsächlich würde ein Ursprungsmodell wie das vorgelegte im Handel nicht existieren, es sei für Zwecke des Verfahrens manipuliert worden. Im Handel werde das von der Beklagten durch Testkauf erworbene Modell „Profi 1 Evolution“ vertrieben (Abbildung Bl. 406), welches das Landgericht aber in prozessual angreifbarer Weise als Streitgegenstand zugrunde gelegt habe, obgleich die Beklagte es nur zu Vergleichszwecken in das Verfahren eingebracht habe. Der Streitgegenstand müsse durch die Klägerin eingebracht werden, die allerdings das Testkaufobjekt „Profi 1 Evolution“ ihrerseits nicht in ihren Antrag aufgenommen habe. Das Modell „Profi 1 Evolution“ sei allerdings Gegenstand des Lizenzvertrages aus dem Jahr 2007 gewesen, aber nach Vorgaben der Beklagten so umgestaltet worden, dass es anhand von Beschriftung, Betriebshandbuch und Typenschild für die Kunden als Originalprodukt (OEM) der Beklagten erschienen sei. Die Beklagte habe nach Kündigung des Vertrages mit der Klägerin einen eigenen Leuchtballon konzipiert, der aus Sicherheitsgründen mit 8 Federstäben und 8 Stoffsegmenten ausgestattet sei und eine birnenförmige Kugel nach Aufspannung ergäbe. Diese birnenartige Form unterscheide sich von der gleichförmig runden Kugelform des klägerischen Produkts deutlich. Das Produkt der Beklagten weise eine Reihe weiterer Unterschiede auf: Die Befestigung der Textilhülle an den Biegestäben erfolge mittels am Textil angenähter Ringe; während beim klägerischen Produkt angenähte tunnelartige Führungen am oberen Ende des Textils zum Durchstecken der Biegestäbe eingesetzt würden. Die Federstäbe seien beim Produkt der Beklagten so geformt, dass sie die Form eines halben „S“ ergeben, bei der Klägerin zeige sich eine ellipsenartige Form, ein Unterschied, der sich auf die Größe des Produktes auswirke. Die kugelartige Ausführung von Federspannleuchten sei nicht zu umgehen durch die Konstruktion von aufblasbaren Leuchtkörpern, durch die Nutzung von Biegestäben ergebe sich bereits aus technischen Gründen eine kugelige, gleichmäßige Form (sog. „zweiter Eulerscher Knickfall“), die Form folge damit notwendigerweise ihrer Funktion und sei gestalterisch nicht zu umgehen. Das Ausweichen auf aufblasbare Ballone sei nicht zumutbar, da es diesen an der für Baustellen nötigen Stabilität fehle. An einer Nachahmung fehle es, weil die behauptete Verletzerform beim Einsatz mit Beleuchtung einen erkennbaren Formunterschied erzeuge. Die Beklagte bestreitet zudem die herkunftserzeugende Bekanntheit des Produkts, alle genannten Charakteristika des Produkts seien für Federschirmleuchten technisch erforderlich. Bezüglich des in der mündlichen Verhandlung am 30.10.2015 erhobenen Anspruchs nach Ziffer 1. a) rügt die Beklagte Verspätung, zudem erhebt sie diesbezüglich die Einrede der Verjährung.
14Die Beklagte beantragt,
15das Urteil des Landgerichts vom 30.4.2015 – 84 O 115/14 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16Der Klägerin beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen, wobei sie die Klageanträge nunmehr wie folgt stellt:
181. a) die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr transportable Leuchten wie nachstehend wiedergegeben anzubieten oder sonst in Verkehr zu bringen, gleichviel in welcher Farbausführung;
19b) hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der vorstehend angegebenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr transportable Leuchten gemäß nachstehenden Abbildungen anzubieten, oder sonst in Verkehr zu bringen, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
212. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Zeitpunkt und Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1 und zwar unter Angabe von Stückzahlen sowie Einkaufs- und Verkaufs- bzw. Vermietpreisen jeder einzelnen erhaltenen bzw. getätigten Lieferung;
233. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin schriftliche Auskunft über Namen und Anschriften ihrer Lieferanten und gewerblichen Abnehmer von transportablen Leuchten gemäß Ziffer 1. zu erteilen;
244. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser infolge von Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
25Sie verteidigt das angegriffene Urteil, rügt aber, dass das Landgericht zu Unrecht nur von einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart ausgegangen sei. Es gebe auf dem Markt keine weiteren Produkte, welche die Eigenarten der klägerischen Leuchte aufwiesen. Die Klägerin behauptet, die ursprüngliche Vertragsbeziehung habe die Beklagte nicht deswegen beendet, weil es tatsächlich Probleme mit der Qualität der von der Klägerin gelieferten Produkte gegeben habe, sondern nachdem die Beklagte sich das Produktions-Know-how über die Leuchten verschafft hatte, das nötig sei, um solche Produkte als eigene vertreiben zu können. Das im mündlichen Verhandlungstermin vor dem Landgericht vorgelegte Modell „Profi 1 Evolution“ sei nicht manipuliert, sondern lediglich ein durch Gebrauch in seiner Form verändertes Vorführmodell gewesen. Es zeige aber, dass die Birnenform auch durch Gebrauch des Ursprungsprodukts entstehen könne. Die von der Beklagten vorgelegten alternativen Ausführungsformen der Firma BAS Verkehrstechnik zeigten Fotos der Klägerin, die Formen der Firma B seien aufblasbare Produkte, die aus technischen Gründen eine stärkere Rundung und eine weniger eckige Form aufwiesen. Es treffe nicht zu, dass Federstangenkonstruktionen zwangsläufig eine runde Form aufweisen müssten, insbesondere seien auch drei- oder viereckige Aufspannvorrichtungen, ggfs. unter Nutzung von Scharnieren, denkbar. Die Klägerin legt erstmals über die seit 2000 in Deutschland vertriebenen Stückzahlen samt Umsatzangaben, ferner den Umfang ihrer Werbeaufwendungen dar.
26II.
27Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der streitgegenständlichen Federschirmleuchten auf Basis der §§ 3, 4 Nr. 9a, 8 Abs. 1 UWG zu. Aus diesem Grunde bestehen auch keine Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung oder Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung.
281. a) Der Unterlassungsanspruch ist in der zuletzt beantragten Form ausreichend bestimmt formuliert. Insbesondere ist durch die Klägerin selbst in der Antragsformulierung klargestellt worden, welche Gestaltung sie als Verletzerprodukt ansieht und welche Charakteristika ihrer eigenen Produkte als verletzt angesehen werden. Nicht erforderlich war es, das verletzte Produkt selbst in den Antrag aufzunehmen. Unproblematisch ist, dass der Antrag die Charakteristika der verletzten Produktform nicht verbal beschreibt. Da sich der Vorwurf gegen eine konkrete Verletzungsform richtet, ist eine solche Beschreibung der wettbewerblich eigenartigen Merkmale des klägerischen Produktes nämlich nicht erforderlich, sofern eine bildliche Darstellung unter Heranziehung der Klagegründe eindeutig ergibt, welche Merkmale als verletzend gerügt werden (BGH GRUR 2013, 1052 Tz. 12 – Einkaufwagen III; ähnlich BGH GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter, BGH, Urt. v. 24.2.2013, I ZR 78/11, BeckRS 2013, 12598 – Tegometall = GRUR-RR 2013, 448, dort nur Leitsatz). Zulässig ist es schließlich, die angegriffene Verletzungsform auf mehrere Modellausführungen zu beziehen, sofern es – wie hier – um die Übernahme der gemeinsamen Charakteristika dieser Modelle geht (Senat, GRUR-RR 2014, 25 – Kinderhochstuhl Sit-up). Die Fassung des Streitgegenstandes muss insoweit nicht übermäßig feingliedrig erfolgen (vgl. BGH GRUR 2013, 401 Rn. 23 - Biomineralwasser).
29b) Die Klägerin ist aktivlegitimiert nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses und einer geschäftlichen Handlung nach § 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 UWG sind nicht zweifelhaft.
30c) Die Passivlegitimation der Beklagten ist unproblematisch, soweit es um ihr eigenes Internetangebot geht. Sie hat nicht bestritten, dass sie die dort abgebildeten Modelle, zu denen auch Ausführungen der im Unterlassungsantrag bezeichneten Verletzungsform gehören, selbst herstellt und vertreibt.
31d) Es fehlt im Ergebnis an einer unlauteren Nachahmung in der Fallgruppe der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9a) UWG. Zwar fehlt der klägerischen Gestaltung nicht die wettbewerbliche Eigenart, auch liegt eine Nachahmung, wenn auch keine identische Übernahme, der klägerischen Gestaltung vor, doch bestehen keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten, um eine mögliche Herkunftstäuschung zu vermeiden. Im Einzelnen:
32aa) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass das klägerische Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt. Diese Frage kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen. Zwar wendet sich das Produkt in erster Linie an Nichtverbraucher, nämlich Interessierte aus den Bereichen Baustellen-, Event- und Gefahrenmanagement. Die Mitglieder des Senats können den Gesichtspunkt gleichwohl beurteilen, weil sie über besondere Expertise in lauterkeitsrechtlichen Fragen verfügen (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft). Dies gilt insbesondere, soweit nur der optische Gesamteindruck der Produkte zu beurteilen ist (Senat, Urt. V. 18.10.2013 – 6 U 11/13 – juris, Tz. 51 – Seilwinde).
33bb) (1) Das Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 4 Nr. 9 UWG (Begründung Regierungsentwurf UWG 2004 zu § 4 Nr. 9, BT-Drucks. 15/1487, S. 18). Sie liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Produktes geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; GRUR 2006, 79 Tz. 21 Jeans I; GRUR 2007, 795 Tz. 25 – Handtaschen; GRUR 2008, 115 Tz. 20 – ICON; GRUR 2009, 1073 Tz 10 – Ausbeinmesser, GRUR 2010, 80 Tz. 23 – LIKEaBIKE; GRUR 2010, 1125 Tz. 21 – Femur-Teil). Das erfordert, dass besondere ästhetische Vorzüge oder technisch originelle Lösungswege den Gesamteindruck, den das Produkt erzeugt, bestimmen, so dass in Abgrenzung zu anderen Produkten für den betreffenden Bedarf am Markt eine Vorstellung dahingehend entstehe, dass die zu beurteilende Lösung als besonders angesehen, gleichzeitig aber auf eine bestimmte Ursprungsquelle zurückgeführt wird, mag diese selbst auch nicht benannt werden können (vgl. BGH GRUR 2007, 984 Tz. 23 – Gartenliege). Die Rechtsprechung nennt Indizien, aus denen auf diese Art der Besonderheit geschlossen werden könne, so eine besondere Marktbedeutung und Bekanntheit (BGH GRUR 2002, 275, 277 – Noppenbahnen), die aus der Dauer der Marktpräsenz (BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 24 – Einkaufwagen III) aus Umsatz, Marktanteil und Werbeaufwendungen geschlossen wird. Entscheidend für die Beurteilung ist die Auffassung des durch das Produkt angesprochenen Verkehrs (BGH WRP 2012, 1179 Rn. 19 – Sandmalkasten). Aus normativen Gründen nicht berücksichtigt wird eine Gestaltung, die technisch notwendig ist, ohne dass technisch gleichwertige Lösungsalternativen zur Verfügung stehen (BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst, GRUR 2002, 275, 276 – Noppenbahnen, GRUR 2002, 820, 822 – Bremszangen). Wendet man diese Kriterien auf den vorliegenden Fall an, so gilt Folgendes:
34(2) Die wettbewerbliche Eigenart ergibt sich aus ästhetisch wirkenden Formelementen, nämlich einer zweifarbigen, in der Tendenz halbkugelartig kombinierten Rundlösung. Das Produkt ist dadurch gekennzeichnet, dass es über einen mit einer Ballonhülle umschlossenen Federschirm verfügt, dessen obere Hülle mit einer farbigen Decke versehen ist, während die untere Hälfte aus einem andersfarbigen, lichtdurchlässigen Stoff besteht, der das Licht blendfrei nach unten verteilt. Im Vordergrund stehend und für den Gesamteindruck prägend sind die zweifarbige und kugelförmige Ausgestaltung in einer Weise, dass die beiden Hälften sichtbar aufeinander montiert erscheinen, wobei die Hälften eine in etwa gleiche Größe und Form aufweisen.
35Die Eigenarten zeigen sich bei aufgespannten Schirmen, so dass die im Inneren des Schirms befindliche Spiegelfolie bei der Betrachtung außer Acht bleiben muss. Besonderheiten des verwendeten Materials werden von der Klägerin nicht betont, bleiben also gleichfalls außerhalb der Betrachtung. Dass das Material auf der unteren Hälfte lichtdurchlässig bleibt, ist technisch notwendig, so dass auch dieser Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Eigenart außer Acht bleiben muss. Keine die Form besonders prägende Bedeutung hat der oben angebrachte Haltering.
36(3) Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass die Eigenart aufgrund der zwei Hauptelemente nur durchschnittlich ist. Die von der Klägerin vorgelegten Angaben zu Umsatz und Werbung wurden erst in der Berufungsinstanz vorgelegt, obgleich die Beklagte die diesbezüglichen allgemeinen Behauptungen schon vor dem Landgericht bestritten hat. Sie zeigen eine gesteigerte Marktbedeutung, ohne aber für sich genommen die Behauptung zu tragen, dass der Verkehr die Lösung der Klägerin als einzigartig betrachtet. In den von der Klägerin eingebrachten Presse- und Werbeartikeln wird ein „Powermoon“ oder ein „Leuchtballon“ beschrieben, allerdings ist den Ausführungen nicht zu entnehmen, dass diese Lösungen auf einen bestimmten Hersteller, mag er genannt werden oder ungenannt bleiben, bezogen wird. Die weiteren Angaben sind daher insgesamt nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart als überdurchschnittlich zu qualifizieren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die runde Form des Gesamtkörpers nicht einzigartig ist, sondern jedenfalls mit anderen Aufrichttechniken auch andere Hersteller solche Formen anbieten.
37(4) Die wettbewerbliche Eigenart fehlt nicht, weil die Gestaltung der Klägerin technisch zwingend ist. Die von der Beklagten selbst vorgelegten Marktumfeldergebnisse zeigen, dass die technische Aufgabe, eine effektive Nachtausleuchtung von Baustellen und Gefahrenorten mit einem zentralen Beleuchtungskörper vorzunehmen, auch durch andere geometrische Formen sowie durch alternative Materialien erreichbar sind. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, warum diese alternativen Lösungen übermäßig komplex, teuer oder aus der Sicht des Nutzers impraktikabel sind. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, warum die von der Klägerin verwendete Gestaltung den genannten Alternativen von ihrer technischen Wirkung oder ihrem Produktionsaufwand so sehr überlegen ist, dass sie wettbewerbsfunktional alternativlos ist. Der Umstand, dass die Lösung technisch vorteilhaft ist, schließt nicht die wettbewerbliche Eigenart als Schutzvoraussetzung generell aus, kann aber den Schutzumfang begrenzen.
38cc) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Nachahmung vorliegt. An ihr würde es nur fehlen, wenn nicht eine fremde Leistung übernommen, sondern eine eigene Gestaltung unabhängig und ohne Kenntnis der Vorlage entwickelt wurde (BGH GRUR 2008, 1115 – ICON; GRUR 2009, 1162 – DAX). Die Beklagte räumt allerdings ein, dass sie Zugang zu der Originalgestaltung der Klägerin hatte, diese sogar zeitweise mit deren Duldung vertrieben hat. Sie räumt im Ergebnis auch ein, dass die von ihr entwickelte Gestaltung der sog. „Birnenform“ auf Basis des Originals erfolgte.
39Allerdings geht es – anders als im Fall BGH – Exzenterzähne (GRUR 2015, 909) – nicht um die identische Übernahme einer wettbewerblichen Gestaltung. Die vorliegend in Rede stehende Nachahmung ist nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme am 30.10.2015 in der Ausführungsform abgewandelt. Bringt man die einander gegenüberstehenden Produkte mit den Begriffen Kugelform (Klägerin) und Birnenform (Beklagte) auf eine griffige Formulierung, so wird man vorliegend auch dann von einer nachschaffenden Übernahme ausgehen müssen, wenn man der Klägerin zugesteht, dass die reine Kugelform durch Fabrikationsfehler oder Gebrauchsabnutzungen sich zu einer birnenähnlichen Form entwickeln kann. Entscheidend für die Beurteilung der Eigenart und damit auch ihres Schutzumfangs gegen Nachahmungen ist nämlich der Zeitpunkt, in dem sich Original und Nachahmung als Kaufalternativen gegenüberstehen (vgl. Leistner in Großkommentar UWG, 2. Aufl. 2013, Band 2, § 4 Nr. 9 Rn. 149), mithin die Situation der Neuanschaffung.
40cc) Allerdings fehlt es an einer vermeidbaren Herkunftstäuschung, so dass der Anspruch aus § 4 Nr. 9 a) UWG insgesamt nicht besteht.
41(1) Die Gefahr einer Täuschung über die Herkunft besteht, weil die Klägerin Herstellerin des originären „Powermoon“ ist, die Beklagte ursprünglich von ihr beliefert wurde und erst nach Ende der Lieferbeziehung ihre Gestaltung eigenständig vermarktet hat. Die Eignung zur Täuschung über die betriebliche Herkunft erfordert, dass Original und Nachahmung parallel und durch gleiche Vertriebswege im Markt angeboten werden, das Original allerdings beim Verkehr bekannt ist und einem Hersteller zum Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2007, 339 Tz. 39 – Stufenleitern; BGH GRUR 2009, 79 Tz. 35 – Gebäckpresse; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9.41a; Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 4.9 Rn. 9/56; Leistner, GK-UWG, § 4 Nr. 9 Rn. 155, 156).
42(2) Allerdings war die Täuschung im Ergebnis nicht vermeidbar, weil sonst das Prinzip eines runden Beleuchtungskörpers mit Federspannfunktion insgesamt auf eine einzige wettbewerbliche Lösung verengt und damit zugunsten eines Wettbewerbers monopolisiert würde.
43(a) Die Täuschung wäre nicht vermeidbar gewesen durch Anbringung eines Kennzeichens, das auf eine Herstellerabweichung hinweist. Typischerweise liegt in einer solchen Kennzeichnung die geeignete Methode zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung (BGH GRUR 1999, 751, 753 – Güllepumpen; BGH GRUR 2002, 820, 822 – Bremszangen; BGH GRUR 2001, 443, 445f. – Viennetta; BGH GRUR 2005, 166, 170 – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 349, 353 – Klemmbausteine III; BGH GRUR 2006, 79 Tz. 33 – Jeans I). Doch hat die Klägerin selbst ausgeführt, dass der Ballonkörper häufig als Werbefläche für diejenigen Unternehmen genutzt wird, die den Leuchtballon einsetzen, also zur Beseitigung der Täuschungsgefahr nicht in Betracht kommt.
44Hinzu kommt, dass die Klägerin einräumt, dass ihr Produkt gelegentlich als Originalzubehör durch Dritte veräußert wird und daher Kennzeichnungen auf dem Ballon keine Herkunftsvorstellungen zugunsten des Herstellers begründen. Dass solche Vereinbarungen bestehen, beweist bereits der frühere Lizenzvertrag mit der Beklagten.
45Nicht zureichend ist die im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.11.2015 vorgeschlagene Ausgestaltung der oberen Kugel mit verschiedenfarbigen bzw. gestreiften Decken. Aufgrund des Umstandes, dass auch nach dem Vortrag der Klägerin die Farbe der Oberdecke oft nach Bedürfnissen des Nutzers gestaltet wird (blau für das THW, rot für die Feuerwehr), hat diese Gestaltungsmöglichkeit ihre Fähigkeit, auf unterschiedliche Herkunftsquellen hinzuweisen, eingebüßt oder niemals erlangt.
46(b) Eine Vermeidung der Herkunftstäuschung durch Austausch der charakteristischen Gestaltungsmerkmale kommt ebenso wenig in Betracht. Gerade im zu entscheidenden Fall sind die zur Verfügung stehenden Gestaltungsalternativen nämlich gering. Die einzigen Gestaltungsmittel sind Größe und Form des Ballons. Die Verschiebung der Größenverhältnisse zwischen oberer und unterer Hälfte (Birne vs. Kugel) durch die Beklagte ist ein Weg, die Herkunftstäuschung zu reduzieren, selbst wenn das Grundprinzip der aufeinander aufgebrachten Ballonhälften noch gewahrt bleibt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch noch die am Markt vorhandene Gestaltung der Firma B, welche die Alleinstellung der Klägerin auf dem Markt für runde Ballons bereits relativiert.
47Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass andere geometrische Formen zur Lösung der Aufgabe zur Verfügung stehen. Sofern diese Formen kein Spann-, sondern ein Aufblasprinzip umsetzen, muss sich ein Wettbewerber schon deswegen nicht auf sie verweisen lassen, weil solche Formen für bestimmte Einsätze, wie etwas das Aufstellen auf Freibaustellen unter harten Wetter- und Windbedingungen nicht ohne weiteres geeignet sind. Auch das Verwenden eckiger Formen, wie im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.11.2015 vorgeschlagen – verändert die Funktionalität bei Regen und Wind. Vorrichtungen, die nicht nach dem Schirmprinzip zusammenklappbar sind, sind nicht gleichwertig, weil bei ihnen der Transport erschwert ist.
48(c) Die gefundene Lösung entspricht den Wertungen, die § 4 Nr. 9 a) UWG zugrunde liegen. Ansprüche aus dem sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 haben zu beachten, dass vorbehaltlich sondergesetzlicher Verbote im Grundsatz Nachahmungsfreiheit besteht, Unterlassungsansprüche setzen daher neben der Nachahmung und der wettbewerblichen Eigenart des nachgeahmten Gestaltung voraus, dass besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten über die reine Nachahmung als unlauter erscheinen lassen (BGH GRUR 2007, 795 Tz. 22– Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. (2015) § 4 Rdnr. 9/2; Sambuc in Henning/Harte, UWG, 3. Aufl. 2013, § 4 Nr. 9 Rn. 14; Wiebe in: Münchener Komm-UWG, 2006, § 4 Nr. 9 Rn. 15). § 4 Nr. 9 a) UWG modifiziert den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, ist aber zur Vermeidung eines die Immaterialgüterrechte unterlaufenden ewigen Schutzes von Gestaltungen an Unlauterkeitsmomente geknüpft. Die Unlauterkeit besteht in der Fallgruppe der vermeidbaren Herkunftstäuschung gerade darin, dass eine vorhandene und zumutbare Möglichkeit, die Herkunftstäuschung zu beseitigen, nicht ergriffen wurde (Ullmann in iuris-Praxiskommentar UWG, 3. Aufl. 2013, § 4 Nr. 9 Rn. 110; Leistner in GK-UWG, § 4 Nr. 9 Rn. 163). Im Gegenschluss folgt daraus aber, dass in Konstellationen, in denen zumutbare oder tatsächliche Möglichkeiten zur hinreichenden Vermeidung einer Täuschung nicht zur Verfügung stehen, die Herkunftstäuschung hinzunehmen ist (BGH GRUR 2003, 359, 361 – Pflegebett; BGH GRUR 2005, 600, 603 – Handtuchklemmen; BGH GRUR 2007, 339 Tz. 44 – Stufenleitern; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.46c; Ohly/Sosnitza § 4.9 Rn. 9/62; Leistner aaO.).
49Würde man die hier verwendeten Merkmale sperren, so wäre die kugelartige, durch zwei Hälften aus verschiedenen Materialien gewählte Form der Klägerin für Konkurrenten von Federspannkonstruktionen nicht mehr wählbar. Ist nicht erkennbar, wie die mögliche Herkunftserwartung des Verkehrs hinreichend deutlich und erkennbar korrigiert werden kann, so würde die Anwendung des § 4 Nr. 9 a) UWG darauf hinauslaufen, dass ein Nachahmerprodukt überhaupt nicht vertrieben werden darf, weil es keine zumutbare Möglichkeit gibt, die Herkunftstäuschung zu vermeiden. Damit würde die eigenartige Gestaltung funktionswidrig eine absolute, auf Dauer angelegte Ausschließlichkeitsposition erhalten.
50Dieser Befund wird nicht widerlegt durch die Entscheidung des BGH im Fall „Exzenterzähne“ (GRUR 2015, 909). Dort hat der BGH eine „Verlängerung“ eines technischen Schutzrechtes über eine wettbewerblich eigenartige Gestaltung und über § 4 Nr. 9 a) UWG nur in Fällen für möglich erachtet, in denen eine identische Übernahme vorlag. Um eine identische Übernahme geht es vorliegend aber nicht, denn die Beklagte hat im Rahmen der bei Erhaltung der Grundform möglichen Alternativen durch die Veränderung der Kugel- in eine Birnenform das ihr Zumutbare getan, um den Gesamteindruck der Gestaltung zu verändern.
512. Da es an den Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs fehlt, sind auch die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten unbegründet.
52III.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
54Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegend nicht zu entscheiden war. Die Rechtsfrage, um die es geht, erschöpft sich in der Lösung des konkreten Falles, die abstrakten Fragen sind dagegen geklärt.