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Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.06.2015 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn – 16 O 38/14 – wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die klagende Wettbewerbszentrale nimmt den Beklagten wegen der Verwendung des folgenden Briefkopfes
4(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
5in einem am 22.01.2014 für die H Versicherung erstellten Schadensbericht auf Unterlassung in Anspruch.
6Der Beklagte ist ein staatlich geprüfter Bautechniker. Er ist berechtigt, die Logos „Certification Euro-Zert“ und „EU Qualified Experts“ zu verwenden. Außerdem war er im Januar 2014 vom TÜV als Sachverständiger für die Erkennung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzbelastungen zertifiziert.
7Die Klägerin hat in erster Instanz die Bezeichnung als „zertifizierter Bausachverständiger“ sowohl mit als auch ohne Hinzufügung des Hinweises „TÜV“ als nach § 5 UWG irreführend beanstandet. Es werde der unrichtige Eindruck erweckt, dass der Beklagte umfassend sachverständig auf dem gesamten Gebiet des Bauwesens und auch entsprechend umfassend vom TÜV zertifiziert worden sei.
8Der Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und zur Sache selbst vorgetragen, dass durch die allgemeine Bezeichnung „Bausachverständiger“ niemand irregeführt werde. Außerdem habe er den beanstandeten Briefbogen nur intern und nicht im geschäftlichen Verkehr verwendet, so dass es jedenfalls an der Spürbarkeit seines Handelns für die Wettbewerber fehle.
9Das Landgericht hat mit Urteil vom 10.06.2015, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
10Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beanstandet nunmehr nur noch die Auslobung „zertifizierter Bausachverständiger (TÜV …)“ als irreführend. Dem angesprochenen Verkehr werde mit den beiden im Briefkopf enthaltenen Hinweisen auf den TÜV suggeriert, dass der Beklagte von diesem zum einen als Sachverständiger für Feuchte- und Schimmelpilzbelastung zertifiziert sei und zum anderen darüber hinausgehend als Bau-Sachverständiger.
11Die Klägerin beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen mit nachfolgender wort- oder inhaltsgleicher Angabe zu werben:
13„Zertifizierter Bausachverständiger“
14mit Hinzufügung der Bezeichnung „TÜV“,
15wenn dies geschieht wie in der Anlage K1.
16Der Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Der Beklagte trägt vor, dass soweit die Klägerin den Begriff „zertifizierter Bausachverständiger“ ohne Hinzufügung der Bezeichnung „TÜV“ nicht mehr in Frage stelle, eine Teilklagerücknahme mit entsprechender Kostenfolge und Beschränkung des Streitgegenstandes vorliege. Soweit die Klägerin die erstinstanzliche Entscheidung angreife, habe das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht und bezüglich der Verneinung einer Irreführung mit zutreffender Begründung abgewiesen. Zudem fehle es bereits an einer geschäftlichen Handlung. Bei der Anlage K1 handele es sich um ein dem Auftraggeber intern überlassenes Papier, dessen Weitergabe vertraglich untersagt gewesen sei, so dass, da die Klägerin bei der Beschaffung des Beweismittels offensichtlich die Geheimhaltungsvorschriften gebrochen habe, jedenfalls ein Beweisverwertungsverbot greife.
19II.
20Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
21Die Klägerin beschränkt ihr Unterlassungsbegehren in zweiter Instanz auf die Bezeichnung „zertifizierter Bausachverständiger“ mit dem TÜV-Zusatz. Soweit sie in erster Instanz die Bezeichnung auch ohne den TÜV-Zusatz untersagen lassen wollte, ist das klageabweisende Urteil nicht angegriffen und mithin rechtskräftig. Eine Teilklagerücknahme liegt in der Beschränkung der Berufung auf einen Teil des erstinstanzlichen Angriffs nicht (s. Zöller-Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 516 Rn. 1, 6).
22Die Klägerin hat betreffend die Angabe „zertifizierter Bausachverständiger“ mit TÜV-Zusatz keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 UWG (neue und alte Fassung). Zwar ist die Klägerin als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, der Beklagte hat den beanstandeten Briefbogen auch nicht nur intern, sondern im geschäftlichen Verkehr gegenüber der H Versicherung in Erfüllung eines ihm erteilten Auftrages verwendet, so dass eine geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) vorliegt, und der Einwand eines Beweisverwertungsverbotes greift schon deshalb nicht, weil der vom Beklagten verfasste Schadensbericht als solcher unstreitig ist und den Beklagen nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Jedoch ist die Angabe „zertifizierter Bausachverständiger (TÜV …)“ nicht zur Irreführung über die fachliche Qualifikation des Beklagten geeignet, so dass der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG (neue und alte Fassung) nicht erfüllt ist. Wie der Briefkopf zu verstehen ist, kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen, unabhängig davon, ob gemäß dem Vorbringen in der Berufungserwiderung ausschließlich Versicherungen den Beklagten mit der Erstelllung von Schadensberichten beauftragen.
231. Ausgangspunkt ist, dass die Bezeichnung „zertifizierter Bausachverständiger“ ohne den TÜV-Zusatz nicht irreführend ist. Die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts hierzu werden von der Klägerin in zweiter Instanz nicht angegriffen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bezeichnung „Sachverständiger“ nicht geschützt ist, und dass es jedenfalls nicht zu beanstanden ist, wenn sich Architekten und Bauingenieure als „Bausachverständige“ bezeichnen. Der Begriff „Bau“ ist so weit, dass ersichtlich niemand besondere Erfahrungen und Sachkunde in seiner gesamten Reichweite für sich in Anspruch nehmen kann. Das Fach- und Erfahrungswissen eines staatlich geprüften Bautechnikers ist mit dem von Architekten und Ingenieuren vergleichbar.
24Der Beklagte verfügt schließlich tatsächlich über mehrere Zertifikate. Den von ihm verwendeten Rundstempel
25(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
26beanstandet die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht.
272. Die zusätzlichen Hinweise auf den TÜV führen nicht in die Irre.
28Die Klägerin beruft sich auf die konkrete Gestaltung des Briefkopfs mit zwei ihrer Ansicht nach selbständig nebeneinanderstehenden Hinweisen, die nicht so zu verstehen seien, dass der prägnant an erster Stelle stehende Hinweis
29(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
30den späteren, kleiner gehaltenen Hinweis „zertifizierter Bausachverständiger (TÜV …)“
31aufklären solle. Der Verkehr verstehe die beiden Hinweise vielmehr so, dass der Beklagte über das persönliche Zertifikat „PersCert Sachverständiger für …“ hinaus auch noch in irgendeiner Weise zusätzlich vom TÜV als Bausachverständiger zertifiziert worden sei. Andernfalls wäre der zusätzliche Hinweis überflüssig.
33Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Briefkopf ist im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Er gliedert sich in zwei Bereiche: oben die auffallenden und werbewirksamen Logos, darunter der eigentliche Briefkopf-Text mit Angaben zur Tätigkeit und Person des Beklagten. Der gerügte Hinweis „zertifizierter Bausachverständiger (TÜV und Euro – Zert)“ befindet sich unter der Berufsbezeichnung „staatl. gepr. Bautechniker“ und beinhaltet eine weitere Berufsangabe. Der Klammerzusatz nach „zertifizierter Bausachverständiger“ „(TÜV und Euro Zert)“ betrifft die Zertifizierung und bezieht sich erkennbar wiederholend auf die beiden darüber befindlichen Logos „EURO-ZERT“ und „TÜV … PersCert“. Ein eigenständiger Inhalt ist mit diesem Verweis nicht verbunden und wird von der Klägerin bezüglich der Angabe „Euro-Zert“ auch nicht behauptet, obwohl sich im EuroZert-Rundstempel unmittelbar unter dem Briefkopf ebenfalls der Begriff „Bausachverständiger“ findet.
34Dass der vom Wortlaut der TÜV-Qualifikation abweichende Wortlaut des TÜV-Logos nicht zu beanstanden ist, wird von der Klägerin mit der Berufung nicht in Frage gestellt.
35III.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
37Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
38Der Gegenstandwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Beschlusses vom 24.08.2015 auf 5.000,00 € festgesetzt. Die Berufung beschränkt sich auf die Hälfte des ursprünglichen Streitgegenstandes, der gemäß den Angaben in der Klageschrift mit 10.000,00 € zu beziffern war.