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1. Zu den Darlegungsanforderungen im Falle der Erhebung der Rüge, ein Beweisantrag sei unbeschieden geblieben.
2. Zum Übertragungsvermerk gemäß §§ 110c S. 1 OWiG, 32e Abs. 3 S. 2 StPO.
I. Der Zulassungsantrag wird als unbegründet verworfen.
II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).
III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.
G r ü n d e
2I.
3Den bisherigen Verfahrensgang hat die Generalstaatsanwaltschaft mit Vorlageverfügung vom 20. Oktober 2020 wie folgt dargestellt:
4„Mit Bußgeldbescheid vom 13.01.2020 hat die Kreisverwaltung des Kreises A gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h gemäß § 24 StVG, § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, § 49 StVO, Nr. 11.3.6 BKat ein Bußgeld in Höhe von 138,00 Euro verhängt (Bl. 13 f. d. A.).
5Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 29.01.2020, bei der Verwaltungsbehörde eingegangen am selben Tag, Einspruch eingelegt (Bl. 18 d. A.).
6Mit dem angefochtenen Urteil vom 19.06.2020 ist der Betroffene durch das Amtsgericht Geilenkirchen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu der im Bußgeldbescheid vorgesehenen Geldbuße verurteilt worden (Bl. 42 R, 47 ff. d. A.).
7Gegen dieses, in Abwesenheit des von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen (Bl. 36 d. A.) Betroffenen verkündete Urteil hat dieser mit Verteidigerschriftsatz vom 24.06.2020, eingegangen beim Amtsgericht per Telefax am 25.06.2020, einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt (Bl. 46 d. A.). Nach Zustellung des Urteils an den Betroffenen am 17.07.2020 (Bl. 53 d. A.) und seinen Verteidiger am 22.07.2020 (Bl. 52 d. A.) hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.08.2020, beim Amtsgericht per Telefax am selben Tag eingegangen, zur Begründung seines Rechtsmittels die allgemeine Sachrüge erhoben und die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt (Bl. 55 ff. d. A.). Er führt insbesondere an, sein (zweiter) im Rahmen der Hauptverhandlung am 19.06.2020 gestellter Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 44 d. A.) sei durch das Gericht nicht beschieden worden.“
8Darauf nimmt der Senat Bezug.
9II.
10Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
11In dem angefochtenen Urteil ist ausschließlich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,00 € festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde ist daher nicht nach § 79 Abs. 1 S. 1 OWiG ohne weiteres statthaft, sondern bedarf gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG der Zulassung. Deren gesetzliche Voraussetzungen sind hier allerdings nicht gegeben.
12Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten, bei denen sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur ausnahmsweise zugelassen werden, soweit dies nämlich geboten ist, um den Oberlandesgerichten im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch eine Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen. Sinn der Regelung ist mithin nicht die Herstellung der rechtlich richtigen Entscheidung im Einzelfall (vgl. SenE v. 24.01.2000 - Ss 191/99 Z -; SenE v. 10.11.2000 - Ss 462/00 Z - = VRS 100, 33 = NZV 2001, 137 [138]; SenE v. 08.01.2001 - Ss 545/00 Z - = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; Göhler/Seitz-Bauer, OWiG, 17. Aufl., § 80 Rz. 3 ff.; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl., § 80 Rz. 1 m. w. Nachw.).
13Im Einzelnen sieht die Bestimmung des § 80 Abs. 1 OWiG vor, dass die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden kann, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder wenn die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2).
14Die Voraussetzungen, die danach die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichen, liegen hier nicht vor.
151.
16Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen ist (st. Senatsrechtsprechung s. nur SenE v. 20.01.2011 - III-1 RBs 316/10 -; SenE v. 04.09.2015 – III-1 RBs 293/15 -; SenE v. 23.10.2015 – III-1 RBs 362/15 -; SenE v. 21.09.2016 – III-1 RBs 282/16 -; SenE v. 07.04.2020 – III-1 RBs 110/20 -), ist im Ergebnis nicht dargetan.
17a)
18Das gilt zunächst, soweit eine Gehörsverletzung in der Ablehnung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Auslösung der Messung durch den Licht- oder Schattenwurf eines im Beweisfoto nicht erfassten Objekts gefunden werden soll:
19Diese Rüge ist in einer § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise ausgeführt, eine Gehörsverletzung ist damit indessen nicht dargetan.
20Art. 103 Abs. 1 GG bietet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191 [194]; 70, 288 [294]). Eine lediglich prozessordnungswidrige Behandlung von Beweisanträgen stellt daher noch keine Verweigerung rechtlichen Gehörs dar. Nur die willkürliche Ablehnung eines Beweisantrages, also die Ablehnung eines Beweisantrags ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt das rechtliche Gehör (st. Senatsrechtsprechung, s. aus jüngerer Zeit nur SenE v. 25.05.2012 - III-1 RBs 122/12 -; SenE v. 15.04.2014 - III-1 RBs 89/14 -; SenE v. 22.05.2014 - III-1 RBs 126/14 -; SenE v. 24.09.2014 - III-1 RBs 257/14 -; SenE v. 20.01.2015 - III-1 RVs 237/14 -; SenE v. 19.06.2015 – III-1 RBs 168/15 -; SenE v. 01.09.2015 – III-1 RBs 276/15 -; SenE v. 08.03.2016 – III-1 RBs 86/16 -; SenE v. 16.08.2016 – III-1 RBs 242/16 -; SenE v. 04.04.2017 – III-1 RBs 88/17 -). Eine lediglich fehlerhafte Ermessensausübung bei der Anwendung des § 77 OWiG begründet den Vorwurf der Willkür nicht (SenE v. 20.01.2015 - III-1 RVs 237/14 -).
21An diesen Grundsätzen gemessen belegt das Rechtsbeschwerdevorbringen eine willkürliche Behandlung des Beweisantrags durch die Tatrichterin nicht. Diese hat sich vielmehr in den Urteilsgründen mit der Beweisbehauptung inhaltlich auseinandergesetzt.
22b)
23aa)
24Auch eine willkürliche Behandlung des auf die Frage der Übereinstimmung der erhobenen Daten mit deren Ausdruck in der Datenzeile zielenden Beweisantrags ist nicht festzustellen. Das Tatgericht hat sich vielmehr auch mit diesem Vorbringen in den Urteilsgründen auseinandergesetzt.
25bb)
26Soweit mit der Rechtsbeschwerde – selbständig - gerügt werden soll, der genannte Beweisantrag sei in der Hauptverhandlung unbeschieden gebliebenen, ist diese Rüge nicht im Sinne von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO zulässig ausgeführt.
27Anerkannt ist freilich, dass der Verstoß gegen §§ 77 Abs. 3 OWiG, 244 Abs. 6 StPO über die Verletzung von Verfahrensrecht hinaus auch eine Versagung des rechtlichen Gehörs darstellen kann (OLG Jena VRS 108, 360; s. weiter BayObLG NJW 1996, 1765 [für das Abwesenheitsverfahren]; OLG Schleswig SchlHA 2002, 169 [L]; OLG Celle DAR 2004, 595 [für den Fall eines Hilfsbeweisantrags]; s. zur Ablehnung eines Beweisantrags ohne Begründung noch Senat VRS 74, 210).
28Die tatrichterliche Pflicht, einen Beweisantrag zu bescheiden, verfolgt einen doppelten Zweck: Zum einen soll dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung ermöglicht werden, ob die Zurückweisung des Beweisantrags mit rechtsfehlerfreier Begründung erfolgt ist. Zum anderen soll der Antragsteller in die Lage versetzt werden, sein weiteres Prozessverhalten darauf einzurichten, dass der von ihm begehrte Beweis (möglicherweise nur zunächst) nicht erhoben wird (allgemein: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 244 Rz. 82 m. N.). Aus den Urteilsgründen ergibt sich hier, dass das Tatgericht die begehrte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit als nicht erforderlich angesehen hat. Der Sache nach hat es daher den Ablehnungsgrund des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG zur Anwendung gebracht, sich mit dem sachlichen Vorbringen jedoch – wie dargelegt - in den Urteilsgründen auseinandergesetzt. Insoweit hat das Tatgericht daher – im Unterschied zu der der Entscheidung OLG Jena VRS 108, 360 zu Grunde liegenden Sachgestaltung – das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und dieses in den Entscheidungsgründen verarbeitet. Es hätte daher – wie im Verfahren über Verkehrsordnungswidrigkeiten weithin üblich – den Beweisantrag mit der Kurzbegründung des § 77 Abs. 3 OWiG ablehnen können. Bei einer solchen Sachgestaltung könnte – dem Informationszweck der Bescheidungspflicht entsprechend – eine Gehörsverletzung nur noch darin gefunden werden, dass weiteres – also über das bereits unterbreitete Beweisbegehren nebst Begründung hinausgehendes – Vorbringen des Betroffenen unberücksichtigt bleibt. Das entspricht dem in der Rechtsprechung anerkannten Satz, dass der Betroffene sich bei der Erhebung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs regelmäßig dazu verhalten muss, was er im Falle der Gewährung des Gehörs vorgebracht hätte (dazu im Einzelnen – auch zu Ausnahmen – Senat NStZ-RR 2015, 385). Hier ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, was der Betroffene in dem Falle, dass das Tatgericht den Beweisantrag mit der Kurzbegründung des § 77 Abs. 3 OWiG in der Hauptverhandlung abgelehnt hätte, zur Weiterverfolgung seines Begehrens hätte vorbringen können. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher insoweit nicht zulässig erhoben (in diese Richtung auch OLG Schleswig SchlHA 2002, 169 [L]; KG B. v. 04.06.1997 – 2 Ss 115/93 – bei Juris; s. zur Vortragslast im Übrigen SenE v. 24.04.2020 – III-1 RBs 114/20 – bei Juris).
292.
30Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf.
31a)
32Das gilt zunächst, soweit die Rechtsbeschwerde die Frage aufwerfen könnte, ob es beim Übergang von elektronischer Aktenführung (bei der Bußgeldstelle) zur Papierakte (beim Amtsgericht) hinsichtlich der Datenzeile des Messfeldes eines Vermerks darüber bedarf, welches Ergebnis die Prüfung der Authentizität und Integrität des Ausgangsdokuments erbracht hat (sog. Übertragungsvermerk – BT-Drs. 18/9416 S. 52). Gemäß § 32e Abs. 3 S. 2 StPO, der über § 110c S. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren Geltung beansprucht, bedarf es eines solchen Vermerks, wenn das (elektronische) Ausgangsdokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder auf einem sicheren Übertragungswege eingereicht worden ist. Die sicheren Übertragungswege werden dabei in § 32a Abs. 4 StPO näher bestimmt. Diesbezüglichen Klärungsbedarf über die so dargestellte Gesetzeslage hinaus zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.
33b)
34Eine Verfahrensrüge, mit der die fehlende Einführung eines etwa erforderlichen Übertragungsvermerks in die Hauptverhandlung beanstandet würde, ist nicht erhoben. Entsprechende Ausführungen finden sich lediglich (Angriffsrichtung des Rechtsbeschwerdevorbringens) im Zusammenhang mit der beanstandeten Behandlung des auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Übereinstimmung des Messergebnisses mit dem in der Datenzeile Ausgedruckten (S. 20 unten der Rechtsbeschwerdebegründung). Der Senat muss sich daher auch nicht zu der von der Verteidigung insoweit gezogenen Parallele zum Urkundenbeweis durch Verwendung unbeglaubigter Fotokopien (dazu vgl. MüKo-StPO-Kreicker, § 249 Rz. 14 m. N.) verhalten. Hinzuweisen bleibt in diesem Zusammenhang lediglich darauf, dass § 32e Abs. 2 StPO nach dem Willen des Gesetzgebers weder die gerichtliche Amtsaufklärungspflicht, noch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung begrenzt. Dem Gericht bleibt es unbenommen, in Zweifelsfällen die Vorlage eines beweiserheblichen Dokuments in Form des Ausgangsdokuments anzuordnen, um eine bildliche und inhaltliche Übereinstimmung zu prüfen oder das Ausgangsdokument selbst zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen (BT-Drs. 18/9416, S. 53).
353.
36Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist gegeben, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen würden. Das ist der Fall, sofern elementare Verfahrensgrundsätze verletzt sind oder das Urteil mit materiell-rechtlichen Fehlern behaftet ist und entweder die Gefahr der Wiederholung besteht oder - vor allem bei Fehlern des materiellen Rechts - der Fortbestand der Entscheidung zu krassen und augenfälligen, nicht hinnehmbaren Unterschieden in der Rechtsanwendung führen würde (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 180 [181] = VRS 98, 371 [372 f.] = NZV 2001, 47; OLG Düsseldorf DAR 1998, 318 [319]; SenE v. 02.05.2000 - Ss 198/00 Z -; SenE v. 05.05.2000 - Ss 131/00 Z -; Göhler a.a.O. § 80 Rz. 4-8 m. w. Nachw.). Falls sich das Amtsgericht lediglich infolge eines Versehens nicht an anerkannte Rechtsgrundsätze gehalten hat, liegt ein Rechtsfehler im Einzelfall vor, der eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gebietet, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Davon ausgehend liegt im vorliegenden Fall auch der Zulassungsgrund der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung nicht vor.
37III.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.