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Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 18.02.2020 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 259/19 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 18.02.2020 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 259/19 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 18.11.2019 (31 O 259/19) wird hinsichtlich des Verbotstenors zu Ziff. 1.c bestätigt.
Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegnerin zu 1/3 auferlegt.
G r ü n d e
2I.
3Die Antragstellerin ist eine auf Medien- und Äußerungsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei. Die Antragsgegnerin ist eine gemeinnützige GmbH, die sich aus Spendengeldern und Fördergeldern öffentlicher Institutionen finanziert. Zu ihren Zielen gehört insbesondere die Beratung von Personen, die im Internet von Hassreden und Beleidigungen betroffen sind. Die Antragsgegnerin bietet Opfern digitaler Gewalt Unterstützung an. Ein Teil des Angebots besteht in einer rechtlichen Beratung, zu der externe Rechtsanwälte hinzugezogen werden. Ergibt eine Vorprüfung, dass ein rechtliches Vorgehen gegen den Schädiger aussichtsreich ist, bietet die Antragsgegnerin den Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen eine Übernahme der Prozesskosten an.
4Wendet sich ein Betroffener an die Antragsgegnerin, so erhält er von dieser drei Dokumente zur Unterzeichnung: erstens eine auf eine Rechtsanwaltskanzlei ausgestellte Prozessvollmacht, zweitens eine auf die Antragsgegnerin selbst ausgestellte Vollmacht zur „Interessenvertretung in außergerichtlichen Verfahren“ und drittens eine „Rahmenvereinbarung über die Finanzierung der Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Straftaten im Internet“. Die Rahmenvereinbarung sieht vor, dass der Betroffene als Vergütung für die Finanzierung der Prozesskosten sämtliche Geldforderungen und sonstige Vermögensvorteile aus der Durchsetzung der Ansprüche (z.B. Schmerzensgeld) an die Antragsgegnerin abtritt. Weiter heißt es unter § 1 Abs. 4 der Vereinbarung u.a.:
5„Die Übernahmeerklärung erfolgt unter der Bedingung, dass Sie eine von uns bei Erteilung der Übernahmeerklärung vorgeschlagene Anwaltskanzlei beauftragen. Wollen Sie stattdessen eine andere Anwaltskanzlei beauftragen, steht die Kostenübernahme unter dem Vorbehalt unserer gesonderten Zustimmung im jeweiligen Einzelfall.“
6Auf ihrer Webseite warb die Antragsgegnerin im September 2019 damit, dass sie für die Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche „mit spezialisierten Jurist*innen, unter anderem der L. Kanzlei Frankfurt“ zusammenarbeite.
7Unter dem 18.11.2019 erwirkte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde,
81.a im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Abschluss eines Vertrages zur Finanzierung der Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Straftaten im Internet sich bei im Übrigen positiver Kostenübernahmeerklärung vorzubehalten, einen Rechtsanwalt zur Rechtsvertretung selbst zu benennen, ohne an die Benennung eines vom Vertragspartner ausgewählten Rechtsanwalts gebunden zu sein, wie geschehen unter § 1 des Vertrages gem. Anlage Ast 7 und nachstehend wiedergegeben:
9„Die Übernahmeerklärung erfolgt unter der Bedingung, dass Sie eine von uns bei Erteilung der Übernahmeerklärung vorgeschlagene Anwaltskanzlei beauftragen. Wollen Sie stattdessen eine andere Anwaltskanzlei beauftragen, steht die Kostenübernahme unter dem Vorbehalt unserer gesonderten Zustimmung im jeweiligen Einzelfall.“
101.b im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs mit der Aussage
11„Für die Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche arbeiten wir mit spezialisierten Jurist*innen, unter anderem der L. Kanzlei Frankfurt, zusammen.“
12zu werben, ohne darauf hinzuweisen, dass die L. Kanzlei Frankfurt die einzige Kanzlei ist, mit der die Antragsgegnerin bei der Durchsetzung von rechtlichen Ansprüchen Betroffener von Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede im Internet zusammenarbeitet, wenn dies geschieht wie in der nachfolgend eingeblendeten Anlage AST 3.
131.c im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs außergerichtliche Rechtsdienstleistungen anzubieten und/oder zu erbringen, ohne dass eine Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz oder aufgrund eines anderen Gesetzes besteht, wenn dies geschieht wie in der nachfolgend eingeblendeten Anlage AST 6.
14Die Antragstellerin hat gemeint, dass die oben zitierte Klausel der Rahmenvereinbarung unlauter sei. Die Antragsgegnerin verstoße gegen das Recht auf freie Anwaltswahl. Die Klausel erschwere es Betroffenen, einen anderen als den von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Werbung der Antragsgegnerin auf ihrer Website sei ebenfalls wettbewerbsrechtlich unzulässig. Die Werbung suggeriere durch die Wörter „unter anderem“, dass die Antragsgegnerin auch mit anderen Kanzleien als der L. Kanzlei Frankfurt zusammenarbeite. Dies sei jedoch tatsächlich nicht der Fall. Vielmehr sei die genannte Kanzlei die einzige Kanzlei, mit der die Antragsgegnerin bei der Durchsetzung von rechtlichen Ansprüchen Betroffener wegen Hassreden im Internet zusammenarbeite. Schließlich verstoße die Antragsgegnerin gegen § 3 RDG, indem sie sich zur außergerichtlichen Rechtsberatung bevollmächtigen lasse. Eine unentgeltliche Rechtsdienstleistung liege nicht vor, da die Antragsgegnerin sich sämtliche Erstattungsansprüche gegen den Schädiger abtreten lasse.
15Die Antragsgegnerin hat gegen die Beschlussverfügung Widerspruch eingelegt. Sie hat eingewandt, dass durch die streitgegenständliche Klausel in der Rahmenvereinbarung das Recht auf freie Anwaltswahl nicht eingeschränkt sei. Ein Betroffener sei frei darin, auch einen anderen Anwalt als den von ihr vorgeschlagenen zu beauftragen. Die für diesen Fall vorgesehene gesonderte Prüfung sei erforderlich, da die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens auch von der Kompetenz der beauftragten Kanzlei abhingen. Im Übrigen könne der Betroffene sich frei entscheiden, ob er das Angebot auf Finanzierung der Prozesskosten annehme oder nicht. Die Werbung auf ihrer Website sei nicht irreführend. Sie arbeite neben der L. Kanzlei Frankfurt auch mit den Kanzleien K. aus Würzburg und G. Rechtsanwälte aus Berlin zusammen. Kooperationsgespräche gebe es mit der Kanzlei J. aus Düsseldorf. Schließlich biete sie keine unzulässige Rechtsberatung an. Die Vollmacht möge auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit einer anwaltlichen Vollmacht haben, diene aber tatsächlich der Umsetzung der Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung. Die Vollmacht ermächtige nicht zur Erbringung einer Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG. Mit der in dem Formular enthaltenen Formulierung „Beschwerdeführung“ sei lediglich das Melden von missbräuchlichen Inhalten bei sozialen Netzwerken gemeint. Im Übrigen erfolge die Beratung unentgeltlich.
16Mit Urteil vom 18.02.2020, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 18.11.2019 hinsichtlich des Verbotstenors zu Ziff. 1b und Ziff. 1c bestätigt. Zu Ziff. 1a hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.
17Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Beteiligte mit ihren Berufungen.
18Die Antragstellerin rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Der erst-Recht-Schluss des Landgerichts aus der BGH-Rechtsprechung zu § 127 VVG als lex specialis auf den vorliegenden Fall sei systematisch verfehlt. § 3 Abs. 3 BRAO schütze allgemein die freie Anwaltswahl gerade im vorgelagerten Zeitraum vor Eingehung des Mandatsverhältnisses und unterscheide sich insoweit grundlegend von der für § 127 VVG relevanten Voraussetzung des Bestehens eines Dauerschuldverhältnisses. Der Gewährleistung einer freien Anwaltswahl stehe nach der Rechtsprechung des BGH aus seinem Urteil vom 04.12.2013 (IV ZR 215/12) entgegen, wenn die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts nicht beim Rechtssuchenden liege und die Grenze unzulässigen psychischen Drucks überschritten sei. Die psychische Drucksituation wiege im vorliegenden Fall schwerer als in dem vom BGH entschiedenen Fall. Im Übrigen komme es im Rahmen des § 3 Abs. 3 BRAO nicht darauf an, ob ein Anspruch auf kostenlose Prozessführung bestehe, sondern darauf, ob das Wettbewerbsverhältnis zwischen ihr und den von der Antragsgegnerin geförderten Rechtsanwaltskanzleien tangiert sei.
19Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
20unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung vom 18.11.2019 zu Ziff. 1a wiederherzustellen.
21Die Antragsgegnerin beantragt,
22die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.
23Im Rahmen der eigenen Berufung beantragt sie sinngemäß,
24unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung vom 18.11.2019 hinsichtlich des Verbotstenors zu Ziff. 1b und Ziff. 1c aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag auch insoweit zurückzuweisen.
25Die Antragsgegnerin rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung und Tatsachenwürdigung. Bezüglich des Antrags zu Ziff. 1.b habe das Landgericht das Verkehrsverständnis falsch beurteilt und dem Begriff der Zusammenarbeit eine überzogene Bedeutung beigemessen. Der Verkehr erwarte aufgrund der beanstandeten Aussage, dass ihr spezialisierte Juristen zur Verfügung stünden, die im Bedarfsfall Betroffenenmandate übernehmen könnten. Dies sei tatsächlich der Fall. Das Landgericht habe seine Entscheidung auf widerlegte Indizien gestützt. Bezüglich des Antrags zu Ziff. 1.c sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie eine Rechtsdienstleistung erbringe. Alle Meldungen von Betroffenen würden nach einem einheitlichen Schema bearbeitet. In erster Linie biete sie als Anlaufstelle Schutz und emotional-stabilisierende Hilfe an, zweitens eine Sicherheitsberatung und als dritten Bereich eine Beratung dazu, wie sich die Betroffenen gegen Inhalte im Internet verhalten könnten. Dies umfasse auch die Unterstützung bei der Meldung der Inhalte gegenüber den jeweiligen Social-Media-Plattformen. Eine rechtliche Prüfung der Inhalte werde dabei nicht vorgenommen. Der vierte Bereich betreffe schließlich die Finanzierung von Zivilprozessen. Hier prüfe sie intern, ob die Einleitung rechtlicher Schritte in Betracht komme, um eine Prozesskostenfinanzierung für offensichtlich aussichtslose Fälle zu vermeiden. Dabei handele es sich nicht um „fremde“ sondern eine eigene Angelegenheit. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit gegenüber den Betroffenen, etwa eine Beratung bezüglich der möglichen rechtlichen Vorgehensweisen leiste sie nicht. Eine solche erfolge erst durch die externe Rechtsanwaltskanzlei, die vom Betroffenen mandatiert werde. Außerdem sei das Übersenden der Vollmacht keine „Erbringung“ von Rechtsdienstleistungen. Dass sie tatsächlich Rechtsdienstleistungen gegenüber Dritten erbracht habe, habe die Antragstellerin nicht dargelegt. Die Antragstellerin beantragt,
26die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
27Beide Beteiligten verteidigen die angefochtene Entscheidung, soweit diese für sie günstig ist, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
28II.
29Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
301. Fragen zur örtlichen Zuständigkeit stellen sich im Berufungsverfahren nicht mehr, § 513 Abs. 2 ZPO.
312. Die Ausführungen des Landgerichts zum Vorliegen eines Verfügungsgrundes sind von der Antragsgegnerin nicht angegriffen.
323. Ein Verfügungsanspruch besteht - nur - bezüglich des Antrags zu 1.c.
33a) Die Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet. Ihr steht der zu Ziff. 1.a geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG, §§ 3, 3a UWG, § 3 Abs. 3 BRAO nicht zu. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 3 BRAO als Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG liegt nicht vor.
34Nach § 3 Abs. 3 BRAO hat jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gericht vertreten zu lassen. Dieses Recht wird durch das freiwillige Prozessfinanzierungsangebot der Antragsgegnerin nicht eingeschränkt. Wenn ein Betroffener das Angebot der Antragsgegnerin annehmen möchte, muss er sich zwar an die von der Antragsgegnerin für speziell diesen Fall vorgegebenen Regeln halten, d.h. er kann einen Anwalt seiner Wahl nur dann auf Kosten der Antragsgegnerin mandatieren, wenn die Wahl zuvor von der Antragsgegnerin gebilligt wird, da die Antragsgegnerin das finanzielle Risiko der Prozessführung übernimmt. Jedoch ist diese Einschränkung weder treuwidrig noch interessenwidrig noch führt das Angebot der Antragsgegnerin den Betroffenen in eine psychische Drucksituation. Die Betroffenen sind im Zeitpunkt ihrer Anwaltswahl frei. Sie haben einerseits keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihren Prozess finanziert, sind andererseits aber auch nicht auf die Antragsgegnerin angewiesen, um überhaupt einen Prozess führen zu können. Insbesondere wird das Recht der einzelnen Betroffenen auf Wahl eines Anwalts nicht durch eine vertragliche Vereinbarung im Voraus ausgeschlossen. Die Betroffenen können sich bis zur Mandatierung des Anwalts jederzeit gegen das Angebot der Antragsgegnerin entscheiden und einen Prozess auf eigene Kosten und eigenes Risiko, aber auch zum ausschließlich eigenen Nutzen mit dem Anwalt ihrer Wahl führen, ggf. mit den vom Staat zur Verfügung gestellten Finanzierungshilfen. Sie sind insoweit weder durch wirtschaftlichen noch psychischen Druck von außen in ihrer Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinflusst. Dass das Angebot der Antragsgegnerin für die Betroffenen attraktiv sein mag, genügt für einen solchen Vorwurf nicht. Soweit die Betroffenen sich in einer psychischen Drucksituation befinden, beruht diese nicht auf Umständen, die der Antragsgegnerin anzulasten sind, sondern darauf, dass Hassangriffe im Internet persönlich belastend sind und die Rechtsverteidigung gegen solche Angriffe – wie jede andere Rechtsverteidigung auch - mit Aufwand und Risiken verbunden ist. Andererseits liegt es auf der Hand, dass die Antragsgegnerin das Finanzierungsrisiko nicht unabhängig von der Person des Anwalts tragen kann. Dieses berechtigte Interesse der Antragsgegnerin ist für die Betroffenen ohne weiteres erkennbar.
35Dass durch die Finanzierung eines konkurrierenden Anwalts die Antragstellerin im Wettbewerb berührt werden kann, ist für die Feststellung, ob die Betroffenen in ihrem Recht auf freie Anwaltswahl verletzt werden, ohne Belang.
36Aus der von den Beteiligten und dem Landgericht angeführten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 04.12.2013, IV ZR 215/12 – Freie Anwaltswahl; Urteil vom 26.10.1998, I ZR 242/87 – Anwaltswahl durch Mieterverein) kann für das vorliegende Verfahren zu Gunsten der Antragstellerin nichts hergeleitet werden, da vor der Mandatierung des von der Antragsgegnerin benannten bzw. gebilligten Anwalts gerade keine bindende vertragliche Beziehung zwischen dem Betroffenen und der Antragsgegnerin besteht.
37b) Das auf § 8 Abs. 1 UWG, §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG gestützte Unterlassungsbegehren gemäß Ziff. 1.b ist ebenfalls unbegründet. Insoweit hat die Berufung der Antragsgegnerin Erfolg. Die Antragstellerin hat nicht schlüssig vorgetragen und hinreichend glaubhaft gemacht, dass eine irreführende Werbung vorliegt.
38Die angegriffene Werbeaussage ist im Gesamtkontext dahin zu verstehen, dass die Antragsgegnerin im Bereich der Durchsetzung rechtlicher Ansprüche mit mehreren Rechtsanwälten / Rechtsanwaltskanzleien zusammenarbeitet. Dies ist nicht nur auf die unmittelbare Tätigkeit vor Gericht bezogen, sondern umfasst auch die vorgerichtliche Prüfungs-/Beratungstätigkeit, wobei eine Zusammenarbeit schon dann vorliegt, wenn die Antragsgegnerin aufgrund vertraglicher Absprachen auf mehrere Rechtsanwälte / Anwaltskanzleien zurückgreifen kann. Die vom Landgericht geforderte „ernsthafte“ Zusammenarbeit in dem Sinn, dass die Antragsgegnerin in ständiger Geschäftsbeziehung zu den verschiedenen Kanzleien stehen und diese bereits regelmäßig tatsächlich mit gerichtlichen Verfahren mandatiert haben muss, geht über das hinaus, was der angesprochene Verkehr unter „Zusammenarbeit“ im Kontext der Werbung versteht. Dies kann der Senat ohne weiteres selbst beurteilen.
39Die Antragstellerin hat in erster Instanz verschiedene Indizien dafür vorgetragen, dass die Antragsgegnerin im September 2019 nur mit der L. Kanzlei Frankfurt zusammengearbeitet hat. Diese Indizien sind vom Landgericht zutreffend zusammengetragen worden.
40Die Antragsgegnerin hat allerdings durch eidesstattliche Versicherungen ihrer Geschäftsführerin U. vom 30.10.2019 und 18.12.2019 glaubhaft gemacht, dass sie bei der juristischen Ersteinschätzung mit externen Rechtsanwälten zusammenarbeitet, derzeit mit Dr. T. und Fr. C., und dass sie neben der L. Kanzlei Frankfurt auch mit den Kanzleien K. und G. Vereinbarungen über eine Zusammenarbeit hinsichtlich der Übernahme der rechtlichen Vertretung von durch digitale Gewalt betroffenen Personen geschlossen hat, mit der Kanzlei K. bereits seit dem 05.12.2018 und mit der Kanzlei G. im Anschluss an ein Telefonat am 18.03.2019. Dass die Kanzlei K. seit dem 05.12.2018 mit der Antragsgegnerin kooperiert, wird zudem durch die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts K. vom 17.12.2019 bestätigt. Durch diese ist ferner glaubhaft gemacht, dass die Kanzlei K. im Januar 2019 zu einem ersten Sachverhalt eine rechtliche Einschätzung abgegeben hat und die Antragsgegnerin im März 2019 auf Vorschlag der Kanzlei K. die Finanzierung eines Musterfalles zugesagt hatte.
41Allein schon vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerin in erster Instanz vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen spricht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragsgegnerin Anfang Oktober 2019 tatsächlich nur mit der L. Kanzlei Frankfurt zusammengearbeitet hat. Dieser Befund wird durch die im Berufungsverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin vom 24.04.2020 weiter verfestigt. Durch diese ist außerdem glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin inzwischen nicht nur mit der L. Kanzlei Frankfurt, der Kanzlei K. und der Kanzlei G. zusammenarbeitet, sondern auch noch mit den Kanzlei J. (seit Februar 2020 in drei Fällen mandatiert; aus der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin vom 30.10.2019 ergab sich, dass mit der Kanzlei J. schon damals Kooperationsgespräche geführt worden waren) und der Kanzlei E. (im Februar 2020 in einem umfangreichen Verfahren mandatiert).
42Anhaltspunkte dafür, dass die eidesstattlichen Versicherungen der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin unrichtig und damit wertlos sind, liegen nicht vor. Die Angaben sind in sich stimmig. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann kein ernsthafter Widerspruch darin gesehen werden, dass Fr. U. einerseits unter dem 18.12.2019 angegeben hat, die Kanzlei G. sei erstmalig nach dem 04.10.2019 durch Betroffene mandatiert worden (Bl. 134 GA „jedoch erstmalig nach dem …“) und andererseits unter dem 24.04.2020, dass die Kanzlei erstmals „am“ 04.10.2019 mandatiert worden sei.
43Die Antragstellerin bestreitet den Vortrag der Antragsgegnerin zur Zusammenarbeit mit inzwischen fünf Kanzleien lediglich mit Nichtwissen.
44c) Bezüglich des Antrags zu 1.c hat die Berufung der Antragsgegnerin keinen Erfolg. Der Unterlassungsanspruch folgt aus den vom Landgericht dargelegten Gründen aus § 8 Abs. 1 UWG, §§ 3, 3a UWG und § 3 RDG als Marktverhaltensvorschrift.
45Gegen die Feststellungen des Landgerichts dazu, dass die Beteiligten Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sind und das gerügte Verhalten eine geschäftliche Handlung darstellt, wendet sich Antragsgegnerin mit ihrer Berufung nicht.
46Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Das Verbot des § 3 RDG erfasst zwar nach seinem Wortlaut nur das Erbringen von Rechtsdienstleistungen, allerdings genügt bereits das Angebot einer solchen, um einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG auszulösen (s. Hohlweck in Büscher, UWG, § 3a Rn. 533).
47Die als konkrete Verletzungsform angegriffene „Vollmacht Interessenvertretung in außergerichtlichen Verfahren“ enthält das Angebot einer Rechtsdienstleistung. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert, § 2 Abs. 1 RDG. Die Antragsgegnerin erklärt sich bereit, als Bevollmächtigte „für die Interessenvertretung in außergerichtlichen Verfahren“ tätig zu werden, und bietet u.a. die „Beschwerdeführung“ an. Im Formular ist ferner vermerkt „Die Vollmacht erlischt mit der Beendigung des Beratungsverhältnisses“. Die Vollmacht umfasst damit aus Sicht der Angesprochenen jedenfalls auch Tätigkeiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordern können. Dass die Vollmacht sich ausschließlich auf Belange erstreckt, die keiner irgend gearteten rechtlichen Prüfung bedürfen, lässt sich dem beanstandeten Formular nicht entnehmen.
48Dass die Antragsgegnerin auch tatsächlich Rechtsdienstleistungen erbringt, ergibt sich für das vorliegende Verfahren aus dem bindenden Tatbestand der angefochtenen Entscheidung. Das Landgericht hat als unstreitig festgestellt: „Die Antragsgegnerin bietet … Opfern digitaler Gewalt Unterstützung an. Ein Teil des Angebots besteht in einer rechtlichen Beratung, zu der externe Rechtsanwälte hinzugezogen werden. Ergibt eine Vorprüfung, dass ein rechtliches Vorgehen gegen den Schädiger aussichtsreich ist, bietet die Antragsgegnerin den Betroffenen … eine Übernahme der Prozesskosten an.“ Danach erbringt die Antragsgegnerin als eigene Leistung (Teil ihres Angebotes) eine rechtliche Beratung im Vorfeld einer etwaigen Kostenübernahme. Die angebotene Beratung erfolgt gegenüber dem Opfer und damit jedenfalls auch in einer konkreten fremden Angelegenheit. Dass die Antragsgegnerin sich bei der rechtlichen Beratung eines zugelassenen Rechtsanwalts bedient, macht ihre Rechtsdienstleistung nicht zulässig.
49Ob eine lediglich interne juristische Vorprüfung zur Abklärung, ob eine Prozessfinanzierung zugesagt werden kann, und/oder eine Vertretung in Beschwerdeverfahren gegenüber den Plattformbetreibern (ebenfalls) als Rechtsdienstleistung i.S.d. § 3 RDG anzusehen ist, kann dahinstehen.
50Darauf, dass sie lediglich eine Nebenleistung i.S.d § 5 Abs. 1 RDG erbringe, kann sich die Antragsgegnerin nicht berufen. Nach der Außendarstellung liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit gerade in der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen der Betroffenen. Nach dem Berufungsvorbringen ist die Finanzierung von Zivilprozessen einer der vier Haupttätigkeitsbereiche der Antragsgegnerin. Nach den Angaben der Antragsgegnerin münden immerhin 20 % der Fälle in einer rechtlichen Auseinandersetzung. Damit hat die rechtsberatende Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung der Antragsgegnerin, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann.
51Die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass und warum das Angebot der Antragsgegnerin nicht kostenlos i.S.d. § 6 RDG ist, sind in zweiter Instanz nicht angegriffen.
52III.
53Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
54Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 18.06.2020 gibt zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung.
55Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 12.000 € (Berufung der Antragstellerin 4.000 €, Berufung der Antragsgegnerin 8.000 €).