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1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.07.2022 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 164/21 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten über die Frage, ob die konkret im Antrag in Bezug genommene Mitteilung gegenüber einer Verbraucherin, ein Widerrufsrecht bestehe nicht, eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.
4Beide Parteien sind jeweils im Bereich der Erbenermittlung tätig und schließen entsprechende Verträge mit Verbrauchern.
5Das Modell der Beklagten stellt sich wie folgt dar: Die Beklagte erhält von einem Nachlasspfleger oder dem Nachlassgericht den Auftrag, einen Erben zu ermitteln, wenn diese Ermittlung sich als besonders schwierig darstellt. Wenn die Beklagte einen Erben gefunden hat, bietet sie diesem den Abschluss eines Erbenermittlungsvertrags an. Hierzu schreibt sie den ermittelten Erben im Regelfall an und macht ein schriftliches Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages. Hierfür wird eine Provision zwischen 20% und 35% der Erbschaft vorgeschlagen, was der angeschriebene Erbe annehmen kann. Im Regelfall erfolgt der Vertragsschluss auf dem schriftlichen Weg.
6Gemäß dieser üblichen Praxis schrieb die Beklagte am 21.05.2021 Frau N. P., eine Verbraucherin, an, um dieser einen Erbenermittlungsvertrag in der Nachlasssache G. Y. anzubieten. Das übersandte Angebot enthielt auch eine Widerrufsbelehrung. In dem Erbenermittlungsvertrag war die Zahlung einer Provision in Höhe von 33,33 % brutto des Erbschaftswertes vorgeschlagen. Aus das Schreiben der Beklagten vom 21.05.2021 (Anlage K2) wird ergänzend Bezug genommen.
7Das Angebot vom 21.05.2021 wurde von Frau P. nicht angenommen. Vielmehr machte sie am 17.06.2021, unter Änderung des ursprünglichen Angebots, in einem Brief ein Gegenangebot, indem sie den Prozentsatz der Vermittlungsgebühr händisch auf 22 % änderte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.06.2021 (Anlage K3) Bezug genommen.
8Dieses Gegenangebot wurde seitens der Beklagten am 18.06.2021 angenommen, indem neben dem neuen Prozentsatz der Vermerk „Neues Honorar bestätigtH., 18. Juni 2021, Unterschrift" angebracht wurde. Dieses Annahmeschreiben wurde auf dem Postweg an Frau P. zurückgeschickt. Auf Anlage K3 wird Bezug genommen.
9Mit Schreiben vom 25.06.2021 erklärte Frau P. den Widerruf des geschlossenen Vertrages (Anlage K 4).
10Mit Schreiben vom 28.06.2021 wies die Beklagte den Widerruf mit folgender Begründung zurück:
11„Bilddarstellung wurde entfernt“
12Ergänzend wird auf das als Anlage K1 vorgelegte Schreiben Bezug genommen, das auch zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemacht worden ist.
13Unter dem 08.09.2021 mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos ab.
14Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, das Schreiben vom 28.06.2021 sei irreführend, weil die Beklagte ein tatsächlich bestehendes Widerrufsrecht nach § 312g BGB, 312d BGB, 312 f BGB leugne.
15Die Klägerin hat beantragt, wie folgt zu erkennen:
161. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern das Bestehen des Widerrufsrechts eines im Fernabsatz geschlossenen Erbenermittlungsvertrags zu leugnen, wenn tatsächlich ein Widerrufsrecht besteht, wenn das geschieht wie in dem Schreiben vom 28.06.2021 gegenüber Frau P. (Anlage K 1).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.002,41 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte ist der Meinung gewesen, die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Jedenfalls sei die Äußerung nicht irreführend, was die Beklagte weiter ausgeführt hat.
22Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Allerdings sei die Klage zulässig. Insbesondere bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Es handele sich nicht um eine privilegierte Äußerung im Vorfeld eines möglichen Rechtsstreits.
23Die Klage sei aber nicht begründet. Eine Irreführung könne nicht angenommen werden. Vielmehr handele es sich bei der aus dem angegriffenen Schreiben ersichtlichen Äußerung um die zulässige Darstellung einer Rechtsansicht. Daher bestünde auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nicht.
24Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Es sei zunächst davon auszugehen, dass Frau P. ein Widerrufsrecht zugestanden habe, was auch das Landgericht nicht in Abrede stelle. In der Sache liege eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG vor, weil bei der Zeugin P. der Eindruck erweckt werde, ein Widerrufsrecht bestehe nicht. Die Äußerung werde von dem maßgeblichen Verbraucher nicht als Rechtsansicht verstanden. Eine entsprechende Kennzeichnung fehle. Auch müsse das Informationsgefälle zwischen der Beklagten als Unternehmen und der Zeugin P. als Verbraucherin berücksichtigt werden. Auf die Entscheidung Prämiensparverträge des BGH (Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17, GRUR 2019, 754) habe sich das Landgericht fälschlicher Weise berufen. Dort hätten andere Voraussetzungen vorgelegen, was die Klägerin im Einzelnen ausführt. Insbesondere sei es dort nicht um das Bestreiten eines dem Verbraucher zustehenden Rechts gegangen.
25Das Landgericht habe auch die Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 lit. g RL 2005/29/EG nicht hinreichend berücksichtigt. Die Vorgaben dieser Vorschrift führten zwingend zur Annahme einer Irreführung. Sollte der Senat zu einer Annahme kommen, müsse die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden.
26Die Klägerin beantragt sinngemäß,
27das Urteil des Landgerichts Köln (84 O 164/21) abzuändern und wie folgt zu erkennen:
281. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern das Bestehen des Widerrufsrechts eines im Fernabsatz geschlossenen Erbenermittlungsvertrags zu leugnen, wenn tatsächlich ein Widerrufsrecht besteht, wenn das geschieht wie in dem Schreiben vom 28.06.2021 gegenüber Frau P. (Anlage K 1).
292. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.002,41 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
33II.
34Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass es sich bei den Ausführungen in dem als Anlage K1 vorgelegten Schreiben um die zulässige Äußerung einer Rechtsansicht handelt. Auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist folgendes zu ergänzen:
351. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag Ziffer 1 (Unterlassungsantrag) hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
36Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (stRspr; vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2021 – I ZR 90/20, GRUR 2021, 1400 – Influencer I).
37Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, aus welchem Grund der Angriff erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2018 – I ZR 118/16, GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II, mwN).
38Im Streitfall hat die Klägerin mit dem auf Unterlassung gerichteten Klageantrag ein Verbot des näher umschriebenen Verhaltens verlangt, „wenn dies geschieht wie in dem Schreiben vom 28.06.2021 gegenüber Frau P. (Anlage K1)“. Damit ist der Streitgegenstand hinreichend bestimmt (vgl. BGH, GRUR 2021, 1400 – Influencer I).
392. Die Klage ist auch nicht aufgrund eines mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wie das Landgericht mit überzeugender Begründung angenommen hat.
403. Ein Unterlassungsanspruch besteht mangels Irreführung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht.
41a) Die Klägerin ist als Mitbewerberin aktivlegitimiert, den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, was die Beklagte nicht bestreitet.
42b) Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG (bzw. dem insoweit identischen § 5 Abs. 1 S. 1 UWG a.F.) hinsichtlich der aus dem Antrag ersichtlichen Äußerung, weil die Äußerung nicht irreführend ist.
43Nach § 5 Abs. 1 UWG n.F. sowie § 5 Abs. 1 S. 1 UWG a.F. handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG a.F.) ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.
44aa. Das angegriffene Schreiben der Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 1 UWG a.F.) dar. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. (entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F.) ist eine geschäftliche Handlung u.a. jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens – auch nach einem Geschäftsabschluss – das mit der Durchführung eines Vertrags über Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Eine geschäftliche Handlung kann auch in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2013 – I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 – Standardisierte Mandatsbearbeitung). Das von der Beklagten versandte Schreiben hängt mit der weiteren Durchführung des Erbenermittlervertrages objektiv zusammen. Ob der Verbraucher den Hinweis auf das fehlende Widerrufsrecht hinnimmt oder diesem Hinweise entgegentritt, stellt eine geschäftliche Entscheidung iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. (entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG a.F.) dar.
45bb. Bei den im angegriffenen Schreiben beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Angaben im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.). Dies sind zum einen objektiv unrichtige, aber auch sonst zur Täuschung geeignete Angaben. Dabei fallen unter den Begriff der „Angabe“ nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern es können bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung auch Meinungsäußerungen darunter fallen. § 5 Abs. 2 UWG n.F. (entspricht § 5 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.) dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG, der als irreführende Geschäftspraxis neben generell unwahren Angaben auch alle Geschäftspraktiken, die in irgendeiner Weise – also sowohl durch wahre Angaben als auch Meinungsäußerungen – zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind, erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17, GRUR 2019, 754 Rn. 26 ff. – Prämiensparverträge). Es werden alle täuschenden oder zur Täuschung geeigneten Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt vom Tatbestand des Irreführungsverbots erfasst (BGH, GRUR 2019, 754 Rn. 28 – Prämiensparverträge).
46cc. Aussagen über die Rechtslage werden allerdings nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst. Dabei ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auffasst. Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung die erforderliche Eignung zur Täuschung. Das folgt aus der Überlegung, dass es dem Unternehmer unbenommen bleiben muss, eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Ob diese Rechtsansicht richtig ist, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht (BGH, GRUR 2019, 754 Rn. 30 – Prämiensparverträge). Dagegen werden Äußerungen erfasst, in denen der Unternehmer eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (BGH, GRUR 2019, 754 Rn. 32 – Prämiensparverträge).
47dd. Nach diesen Grundsätzen werden die beanstandeten Äußerungen der Beklagten in dem angegriffenen Schreiben der Beklagten letztlich nicht von § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG n.F. (§ 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG a.F.) erfasst.
48Die Beklagte hat in den angegriffenen Schreiben unter Bezugnahme auf das Schreiben ihrer Kunden P. vom 28.06.2021 geäußert, dass deren Widerruf zurückgewiesen werde. In dem Schreiben führt die Beklagte weiter aus, dass die Kundin das ursprüngliche Vertragsangebot händisch abgeändert habe. Dies habe die Beklagte angenommen. Insofern sei ein Widerruf der Kunden nicht möglich und werde insofern zurückgewiesen.
49Bereits dieser Wortlaut spricht dafür, dass der Verbraucher die Äußerung als eine solche im Rahmen der Rechtsverfolgung versteht. Dies beruht darauf, dass die Beklagte zunächst Tatsachen vorbringt, indem sie ausführt, dass die Kundin das Angebot abgeändert habe, was die Beklagte angenommen habe. Durch den Begriff „Insofern“ wird für den Verbraucher deutlich, dass dieses Verhalten der Kundin rechtlich bewertet wurde. Dies stellt für den angesprochenen Verkehr erkennbar eine Rechtsansicht dar. Durch die Bezugnahme auf den ausgeübten Widerspruch wird auch deutlich, dass dieses Verhalten bewertet wird, sodass der angesprochene Verbraucher erkennt, dass die Äußerung im Zusammenhang mit einer Rechtsverfolgung, nämlich der Durchführung des Vertrages und den hieraus resultierenden Zahlungsansprüchen erfolgt.
50Eine eindeutige Rechtslage wird hingegen nicht behauptet. In dem vom Bundesgerichthof entschiedenen Fall „Prämiensparverträge“ (GRUR 2019, 754) hatte die dortige Sparkasse angegeben „bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Eine Vertragslaufzeit ist nicht vereinbart.“ Der Bundesgerichtshof hat dort keinen Anlass für die Adressaten des Kündigungsschreibens gesehen anzunehmen, die o.g. Aussage entspräche einer gesicherten Rechtslage. Dies obwohl auch dort die Aussage als objektive Feststellung formuliert und keine subjektive Einschätzung zum Ausdruck gebracht worden war.
51Vor diesem Hintergrund gilt im vorliegenden Fall nichts anderes. Die fehlende Kennzeichnung als Rechtsauffassung, die die Klägerin auch hier anführt, führt daher weder für sich gesehen noch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung des Schreibens zu einem anderen Ergebnis.
52Soweit die Klägerin das Informationsgefälle zwischen der Beklagten als Unternehmen und der Klägerin als Verbraucherin anführt, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich dies auf das Verkehrsverständnis auswirkt. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Verbraucher bei der Darstellung einer Rechtslage grundsätzlich davon ausginge, es handele sich um die Behauptung einer feststehenden Rechtslage. Dass der Unternehmer im Grundsatz im Bereich von Fernabsatzverträgen über die Widerrufsmöglichkeiten umfassend informieren muss, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Information hat die Beklagte unstreitig zutreffend erteilt.
53Ein Widerspruch zwischen den Entscheidungen, in denen die Verletzung einer Informationspflicht durch ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes begründet hat, ist nicht erkennbar. Wie der BGH (GRUR 2019, 754 – Prämiensparverträge) ausgeführt hat, muss ein Unternehmen in der Lage sein, im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seine Rechtsansicht äußern zu können, solange für den Verbraucher erkennbar bleibt, dass die Äußerung in dem vorgenannten Rahmen erfolgt und nicht aus besonderen Gründen als feststehend verstanden wird, sodass der vom BGH für die Beurteilung dargelegte Maßstab zu berücksichtigen ist.
54Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Grundsätze der Entscheidung Prämiensparverträge (GRUR 2019, 754) auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn in beiden Sachverhaltskonstellationen handelt es sich um Äußerungen, die im Zusammenhang mit einer Rechtewahrnehmung erfolgten. Auch vorliegend oblag es der Beklagten, zunächst auf ihre Rechtsansicht hinzuweisen, bevor sie die Beklagte auf Zahlung der vereinbarten Gegenleistung in Anspruch nimmt.
55Soweit die Klägerin meint, dass die Wertungen der Entscheidung Prämiensparverträge (GRUR 2019, 754) bei Verstößen gegen Verbraucherechte nicht zur Anwendung kommen könnten, weil Verbraucher und deren Rechte besonders geschützt seien, kann dem nicht beigetreten werden. Ausdrücklich hat der BGH in der genannten Entscheidung eine Verletzung von Verbraucherrechten nach § 5 Abs. 1 S. 2 Fall 2 Nr. 7 UWG geprüft und darauf hingewiesen, dass die Rechte der Verbrauchers betroffen seien. Diese sind – wie der BGH ausdrücklich ausführt – weit auszulegen. Zu den Rechten zählen sämtliche Rechte des Verbrauchers einschließlich der Voraussetzungen ihrer Ausübung sowie der Gestaltungs- und Kündigungsrechte. Erfasst werden nicht nur Angaben über die Existenz bestimmter Rechte, sondern auch über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung (vgl. BGH, GRUR 2019, 754 Rn. 24 - Prämiensparverträge). Diese lagen der damaligen Entscheidung zugrunde. Auch im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob eine Bindung eines Verbrauchers an eine bestimmten Vertrag besteht und ob insoweit ein Gestaltungsrecht (hier das Widerrufsrecht) wirksam ausgeübt werden konnte.
56Die Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 lit g RL 2005/29/EG führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie der BGH in der Entscheidung Prämiensparverträge (GRUR 2019, 754) ausdrücklich betont hat, ist die vorgenannte Vorschrift bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 UWG berücksichtigt worden. Eine Vorlage an den EuGH hat der BGH nicht für erforderlich gehalten, weil die Rechtslage eindeutig ist.
57Daher kommt auch im vorliegenden Fall eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht. Es kommt hinzu, dass die Fragen, die die Klägerin formuliert hat, letztlich nicht die Auslegung des europäischen Rechts betreffen, sondern die Klägerin eine Entscheidung des konkreten Falls durch den EuGH anstrebt. Dies ist indes nicht die Aufgabe des EuGH, nachdem die Grundsätze der Frage, wann über Rechte des Verbrauchers irregeführt wird, durch die genannte Entscheidung des BGH und das Urteil des EuGH vom 16.04.2015 (C-388/13, GRUR 2015, 600 – Ungarische Verbraucherschutzbehörde/UPC) hinreichend geklärt sind.
58Nicht erheblich ist, dass die Rechtsansicht der Beklagten in Bezug auf das Widerrufsrecht unzutreffend ist. Allerdings handelt es sich bei dem Abschluss des Erbenermittlervertrages um einen Fernabsatzvertrag gemäß § 312c BGB. Nach der Legaldefinition des § 312c BGB sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Diese Voraussetzungen sind ohne weiteres erfüllt. Die Beklagte ist ein Unternehmen, deren Kundin P. eine Verbraucherin. Darüber hinaus werden die Verträge über die Erbenermittlung unstreitig regelmäßig über Fernkommunikationsmittel, zu denen nach § 312 Abs. 2 BGB ausdrücklich auch Briefe zählen, ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen. Dies erfolgt in nahezu sämtlichen Fällen und daher im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Systems. Vor diesem Hintergrund bestand für die Kundin P. ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB. Eine Ausnahmeregelung (§ 312g Abs. 2 BGB) kommt nicht in Betracht und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
594. Der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten besteht aus den vorstehend genannten Gründen ebenfalls nicht. Die Abmahnung war nicht berechtigt.
605. Die Kosten der Berufung sind gemäß § 97 ZPO von der Klägerin zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
616. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Revision zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Entscheidung beruht vielmehr auf der Anwendung der im Urteil dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung und den Grundsätzen zur Irreführung sowie den Feststellungen im Einzelfall.
627. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.