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In dem Rechtsstreit
wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 31.10.2022 (33 O 478/22) auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Oberlandesgericht Köln
2B E S C H L U S S
3In dem Rechtsstreit
4wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 31.10.2022 (33 O 478/22) auf ihre Kosten
5zurückgewiesen.
6G r ü n d e :
7Das statthafte und zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.
81. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TabakerzV als verbraucherschützende Produktionskennzeichnungsvorschrift rügt, weil der Nikotingehalt unrichtig angegeben sei, hat sie bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Nikotingehalt der von der Antragsgegnerin vertriebenen E-Zigarette tatsächlich niedriger liegt als der auf der Packung deklarierte Gehalt von 20 mg/ml. Im Übrigen dürfte diese Frage aber auch nicht entscheidungserheblich sein.
9a. Es kann bereits nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die von der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren angeführten Prüfungen tatsächlich an Produkten vorgenommen worden sind, die von der Antragsgegnerin stammen. Der Vortrag der Antragstellerin ist insoweit in sich widersprüchlich und mithin unbeachtlich:
10Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin unter dem 06.10.N06 abgemahnt (Anlage AS 21). Die Abmahnung nimmt Bezug auf Testkäufe in Z. und Prüfergebnisse für aus diesen Testkäufen stammende L.-Zigaretten mit der Chargennummer N01. Die in der Abmahnung vom 06.10.N06 angeführte Tabelle
11„Bilddarstellung wurde entfernt“
12ist identisch mit der Tabelle, die die Antragstellerin auch in die Abmahnungen gegenüber der S. (I.) GmbH vom 30.09.N06 (Anlage AG 11 zur Schutzschrift) und der D. vom 07.10.N06 (Anl. AG 12 zur Schutzschrift) eingefügt hat. Die Antragstellerin hatte zu der Tabelle jeweils ausgeführt:
13„Unsere Mandantin ist darauf aufmerksam geworden, dass die von der … [importierten und] vertriebenen Einweg-E-Zigaretten (Disposables) der Marke „L“ hinsichtlich des Nikotingehalts falsch deklariert sind und außerdem gegen Produktkennzeichnungsvorschriften der CLP-Verordnung verstoßen. Zudem verstößt die ebenfalls von der … unter der Marke „L.“ vertriebene E-Zigarette gegen die nach dem TabakerzG vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen. Im Einzelnen:
14I. Rechtsverstöße
151. Unsere Mandantin hat an verschiedenen Orten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, u.a. in Z., Testkäufe der von der … [importierten und] vertriebenen Einweg-E-Zigaretten der Marke „L.“ durchgeführt. Unsere Mandantin erwarb insbesondere die Produkte „L. V. 20 mg/ml“, „L. U. 20 mg/ml“ und „L. C. 20 mg/ml, auf welchen jeweils ein Nikotingehalt i. V. 20 v. 20 mg/ml angegeben wurde.
16Die in den vorgenannten Produkten enthaltenen E-Liquids wurden daraufhin von unserer Mandantin auf ihren wirklichen Nikotingehalt hin untersucht. Bei keinem der untersuchten Exemplare stimmte der tatsächliche Nikotingehalt mit dem auf der Verpackung angegebenem Nikotingehalt überein. Bei den vorgenannten E-Liquids, die aus einem Testkauf in Z. stammen, ergaben die Untersuchungen tatsächliche Nikotingehalte i. V. 20 v. 18,60 mg/ml, 19,20 mg/ml und 17,67 mg/ml, mithin eine Abweichung des Nikotingehalts von bis zu 2,33 mg/ml und damit etwa eine Abweichung von 12,25%. Die Prüfergebnisse sind in nachfolgender Tabelle zusammengefasst: …“.
17Die Antragsschrift vom 27.10.N06 nimmt dagegen Bezug auf folgende Tabelle zu anderen Chargennummern mit anderen Messergebnissen:
18„Bilddarstellung wurde entfernt“
19Eine nachvollziehbare Erklärung für diesen Widerspruch gibt die Antragstellerin nicht. Sie trägt zwar in der Antragsschrift vor:
20Die Antragstellerin hat daher an verschiedenen Orten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Testkäufe der von der Antragsgegnerin vertriebenen Einweg-E-Zigaretten der Marke „L.“ durchgeführt. So hat sie zunächst am 22.09.N06 bei der Tankstelle G., W., M.-straße N02, N03 P., unter anderem die Produkte „L. V. 20 mg/ml“, „L. U. 20 mg/ml“ und „L. C. 20 mg/ml“ erworben, auf welchen jeweils ein Nikotingehalt in Höhe von 20 mg/ml angegeben wurde.
21Die Antragsgegnerin war jedoch ausweislich der Verpackung dieser in P. gekauften Produkte nicht deren Importeurin, was die Antragstellerin zunächst nicht bemerkte. Daher hat sich die Antragstellerin entschieden, die vorgenannten Produkte, bei denen die Antragsgegnerin auf den Verpackungen als deren Importeurin ausgewiesen ist, erneut zu erwerben. So hat sie am 19.10.N06 bei der A., K., X. N04, in N05 O. die vorgenannten Produkte und weitere Einweg-E-Zigaretten der Marke „L.“ erworben, bei denen die Antragsgegnerin auf den Verpackungen als deren Importeurin ausgewiesen ist.
22und stützt sich zur Glaubhaftmachung auf die als Anlage AS 1 vorgelegte eidesstattlichen Versicherung des Herrn Q., Vorstandsvorsitzender der F. / Muttergesellschaft der Antragstellerin, sowie eine als Anlage As 7 vorgelegte Kaufquittung der A. in O., es bleibt jedoch unklar, in welchem Zusammenhang die am 22.09.N06 in P. erworbenen L.-Zigaretten mit den in Z. erworbenen Testprodukten stehen soll, auf die die Antragstellerin ihre Abmahnung gegenüber der Antragsgegnerin gestützt hat. Die Antragstellerin räumt außerdem selbst ein, mindestens einmal Testkäufe nicht richtig zugeordnet zu haben. Dies begründet zusätzlich Zweifel an der Richtigkeit und Verlässlichkeit der nunmehr behaupteten Zuordnung.
23Darüber hinaus meldet die Antragsgegnerin erhebliche Zweifel bezüglich der methodischen Richtigkeit der von der Antragstellerin im eigenen Analyse- und Prüflabor durchgeführten Untersuchung an. Die Antragstellerin stützt sich insoweit auf die als Anlage AS 9 vorgelegte eidesstattliche Versicherungen des bei ihr angestellten Chemikers R., der vom 24.10.N06 bis 26.10.N06 die Prüfung der drei streitgegenständlichen Produkte durchgeführt hat, sowie den als Anlage AS AS 10 vorgelegte Prüfbericht. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass der Prüfbericht eingangs 18 verschiedene Analyse-Nummern ausweist, in den Analysenergebnissen aber lediglich auf sechs Analysen-Nummern Bezug nimmt und offen lässt, welche Ergebnisse die zwölf übrigen Analysen-Nummern ergeben haben. Diese Unklarheit wird auch durch den von der Antragstellerin als Anlage AS 34 vorgelegten weiteren Prüfbericht nicht geklärt. Weiter trägt die Antragsgegnerin gegen die vorgenommene Prüfung als solche vor:
24„Im Prüfbericht der Antragstellerin werden verschiedene Angaben inkl. Rohdaten zu den Kalibrationen und messtechnischen Parametern gelistet. Zu den Probenmessungen an sich erfolgen bis auf die Listung der finalen Ergebnisse keine Angaben. Relevant sind hier Angaben wie die Anzahl der Probenaufarbeitungen (Wiederholungen), Einwaagen, integrierte Flächen der Analyten und die Flächen der zugehörigen internen Standards (entsprechend den Angaben zu den Kalibrationen). Die Plausibilität der festgestellten Messwerte kann ohne diese Daten nicht verifiziert werden.
25Es ist unklar, ob die Probenmessungen von Kalibrationsmessungen geklammert wurden. Dies ist notwendig und üblich, um eine Veränderung von Kalibrationsfaktoren im Laufe der Messsequenz zu überwachen und zu berücksichtigen. Bei chromatographischen Messsystemen sind die Kalibrationsfaktoren nicht statisch aufgrund sich verändernder Bedingungen am Injektionsapparat, der Säule und dem Detektor.
26Um die Validität von Analysenergebnissen glaubhaft zu machen, insbesondere solcher, die eine Überschreitung von Grenzwerten oder Unterschreitung von Sollwerten anzeigen, ist eine Dreifachbestimmung, mindestens jedoch eine Doppelbestimmung (zwei verschiedene Einwaagen, Aufarbeitungen und Analysen), vorzugsweise mit einer Wiederholung des gesamten Verfahrens an einem separaten Tag, Stand der Technik und gute Laborpraxis. Dies ist hier nicht gegeben.
27Die Konzentration des internen Standards Hexadecane (HD) ist bei der Kalibrationsprobe „Cal-21-1 O" mit 0,23016 mg/ml abweichend zu allen anderen Kalibrationsproben mit 0,22588 mg/ml. Das ist unüblich und nicht nachvollziehbar. Die Konzentrationen von internen Standards werden bei allen Proben und Standards zur Normierung stets in gleicher Konzentration eingesetzt.
28Ergebnisse analytischer Messungen unterliegen stets einer Unsicherheit, der Messunsicherheit. Gemäß Norm ISO 20714:2019-08 „E-Liquid - Bestimmung von Nikotin, Propylenglykol und Glycerin in Flüssigkeiten, die in elektronischen Nikotinabgabegeräten verwendet werden - Gaschromatographisches Verfahren" wurde in einer internationalen Ringversuchsstudie mit 19 Laboren für einen Nikotin Funktionsmittelwert von 15,12 mg/g ein Repeatability limit (Wiederholgrenze r) von ±1,17 mg/g und ein Reproducibility limit (Vergleichsgrenze R) von ±3, 18 mg/g ermittelt. Es handelt sich um statistische Angaben zur Messicherheit der Methode.
29Die auf Seite eins des Prüfberichtes angegebenen Messergebnisse für Nikotin werden mit vier signifikanten Stellen angegeben. Das täuscht eine Genauigkeit vor, die üblicherweise, insbesondere auch unterer Berücksichtigung der Fehlerfortpflanzung, bei einer quantitativen Bestimmung von Nikotin nicht erreicht wird. Die angegebenen Messunsicherheiten erscheinen desgleichen mit Bezug auf die Daten der Norm ISO 20714:2019-08 und allgemeinen Erfahrungen aus Ringversuchsvergleichsauswertungen außergewöhnlich niedrig.
30Die Angabe des Messgerätes erscheint inkonsistent. Gemäß Eidesstattlicher Versicherung wurde ein „Shimadzu, GCMS-QP2020-System mit Flammenionisationsdetektor" verwendet. Das Shimadzu GCMS-QP2020 ist jedoch ein Single Quadrupole GC System mit einem Massenspektrometer (MS) als Detektor. Das steht im Widerspruch zur Angabe, es würde mit einem Flammenionisationsdetektor (FID) detektiert.“.
31Sie stützt sich insoweit auf die als Anlage AG 26 vorgelegte sachverständige Stellungnahme des Labors T. betreffend eine vergleichbare Prüfung von L.-Zigaretten durch Herrn R. (Anlage AG 26). Der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters der Antragstellerin R. und dem von ihn erstellten Prüfbericht kommt kein größerer Beweiswert zu als der Stellungnahme des von der Antragsgegnerin beauftragten Labors. Aufgrund der von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Bedenken kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der inhaltlichen Richtigkeit des Vortrags der Antragstellerin zu den Nikotinwerten ausgegangen werden.
32Hinzu kommt, dass sich Nikotin im Liquid jedenfalls dann abbaut, wenn es nicht luft- und wasserdicht verschlossen verpackt ist, nach dem Vortrag der Antragstellerin allerdings in einem geringeren Maße als von der Antragsgegnerin vorgetragen (höchstens 0,2 % über einen Zeitraum von sechs Monaten - was die Antragsgegnerin durch die von der Antragstellerin als Anlage AS 13 in Bezug genommene Studie nicht als belegt sondern widerlegt erachtet). Die Antragstellerin vertritt allerdings die Ansicht, eine luft- und wasserdicht verpackte E-Zigarette könne kein Nikotin verlieren. Insoweit steht zu vermuten, dass das Alter und die Lagerung der Ware bei der Überprüfung in ihrem hauseigenen Labor keine Rolle gespielt haben. Die Antragsgegnerin hat dagegen durch eidesstattliche Versicherung der Herstellerin der streitgegenständlichen „L.s“ (Anlage AG 29) glaubhaft gemacht, dass der Nikotingehalt der E-Zigarette mit der Zeit abnimmt, weil es technisch nicht möglich sei, den zum Zeitpunkt der Herstellung und Abfüllung enthaltenen Nikotingehalt während der Lagerung über die gesamte Haltbarkeitsdauer zu halten. Der von der Antragstellerin als Anlage AS 33 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn R., wonach ein Zurückgang des Nikotins ausgeschlossen sei, wenn die Einweg-E-Zigarette z.B. - wie die streitgegenständliche - mit einer Sachet-Folie luft- und wasserdicht verpackt ist, kommt kein größerer Beweiswert zu als der eidesstattlichen Versicherung der Herstellerin. Die Frage, ob die Verpackung eine Reduzierung des Nikotingehaltes vollständig verhindern kann, ist ungeklärt.
33Die Antragstellerin kann sich als Beleg für ihre Behauptung zum Nikotingehalt schließlich auch nicht mit Erfolg auf die im Beschwerdeverfahren als Anlage AS 35 vorgelegte eidesstattliche Versicherung Herrn H., Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens, sowie die Testergebnisse der E. berufen. Zur Klärung der Frage, welchen Nikotingehalt die von der Antragsgegnerin importierten und vertriebenen L.s haben, bedürfte es vielmehr der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, was im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nicht in Betracht kommt.
34b. Die von der Antragstellerin vorgetragene Unterschreitung der angegebenen Nikotinwerte dürfte indes in der Sache selbst nicht geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstiger Marktteilnehmer oder Wettbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
35Soweit die Antragstellerin sich auf einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz 2 TabakerzV beruft, dient diese Vorschrift dem Verbraucherschutz in Form des Gesundheitsschutzes. Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, soll die Angabe sicherstellen, dass der Verbraucher über die Konzentration des abhängig machenden und toxischen Bestandteils Nikotin informiert wird. Die Angabe zu hoher Nikotinwerte gefährdet die Gesundheit der Verbraucher aber gerade nicht. Der Ansicht der Antragstellerin, durch die Überkennzeichnung werde die Gefahr hervorgerufen, dass die Verbraucher anderen richtigerweise mit 20 mg/ml gekennzeichneten E-Zigaretten nicht die schädliche Wirkung zumessen würden, die diese tatsächlich haben, so dass die Warnfunktion der Nikotinangabe durch die Überkennzeichnung verwässert werde, kann nicht beigetreten werden.
36Soweit sich die Antragstellerin auf eine Irreführung der Verbraucher über die Zusammensetzung des Produktes i.S.d. § 5 UWG beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass der informierte Durchschnittsverbraucher bei Nikotinangaben mit Abweichung im üblichen Toleranzbereich rechnet. Der übliche Toleranzbereich ergibt sich aus der veröffentlichten und insoweit gültigen DIN EN 17648:N06, die ungeachtet ihrer fehlenden Gesetzeskraft die Vermutung in sich trägt, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergibt und insoweit auch die Verkehrserwartung prägt. Ob die DIN EN 17648:N06 auch bei der Auslegung der CLP-Verordnung zu berücksichtigen ist, kann dahinstehen.
37Dass sich die Antragsgegnerin gegenüber den Wettbewerbern mit einer etwaigen Unterdosierung einen Wettbewerbsvorteil verschafft, ist von der Antragstellerin nicht schlüssig dargetan. Nach der Berechnung der Antragsgegnerin bedürfte es 80.000 Einweg-E-Zigaretten mit jeweils nur 32 mg Nikotin, um unter vollständiger Ausnutzung der Toleranz gemäß der DIN-Norm eine Ersparnis von 480,00 €, dem Kaufpreis für 1 kg Nikotin, erzielen zu können. Eine enorme wirtschaftliche Einsparung ist insoweit nicht erkennbar.
382. Das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin ist ferner insoweit unbegründet, als sich diese gegen die Verwendung des Gefahrenpiktogramms GHS 06 (Totenkopf) wendet. Ob ein Verstoß gegen Art. 17, 19 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) vorliegt, kann dahinstehen. Aus den o.a. Gründen kann weder festgestellt werden, dass sich die Untersuchungsergebnisse überhaupt auf Produkte beziehen, die die Antragsgegnerin vertrieben hat, noch dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Messergebnisse tatsächlich richtig sind. Anzumerken bleibt, dass es für die Richtigkeit der Deklaration des Nikotingehaltes auf den Zeitpunkt der Herstellung ankommt, wobei unstreitig ist, dass bei der Abfüllung des Produkts ein exakter Nikotingehalt gewährleistet werden kann. Die Ansicht der Antragstellerin, die Antragsgegnerin spare dadurch Zeit und Kosten, dass sie ihr Produkt mit dem Totenkopf-Gefahrenpiktogramm kennzeichnet, ist nicht nachvollziehbar.
39Eine etwaige „Überkennzeichnung“ der Einweg-E-Zigaretten mit dem Gefahrenpiktogramm GHS06 (Totenkopf) statt des Gefahrenpiktogramms GHS07 (Ausrufezeichen) wäre im Übrigen nicht geeignet, die Interessen der Betroffenen spürbar zu beeinträchtigen. Wie auch die Antragstellerin vorträgt, dienen die Produktkennzeichnungsvorschriften der CLP-Verordnung dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher (s. Erwägungsgrund 1 der CLP-Verordnung, wonach diese ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen soll). Das Interesse der Verbraucher am Schutz ihrer Gesundheit wird durch eine solche „strengere“ Kennzeichnung nicht beeinträchtigt. Von dem Totenkopf-Zeichen geht – seiner Intention entsprechend – eine abschreckende Wirkung aus. Der Ansicht der Antragstellerin, es bestehe die Gefahr einer Verwässerung der Warnfunktion, kann nicht beigetreten werden.
40Soweit die CLP-Verordnung auch der Gewährleistung des freien Verkehrs von chemischen Stoffen, Gemischen und bestimmten spezifischen Erzeugnissen sowie gleichzeitig der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovation dient (Erwägungsgrund 1), sind diese Interessen der Wettbewerber durch eine etwaige Überkennzeichnung nicht berührt. Die Antragsgegnerin verschafft sich mit dem abschreckend wirkenden Gefahrenpiktogramm GHS06 keinen irgend gearteten Wettbewerbsvorteil.
413. Soweit die Antragstellerin Unterlassung wegen fehlender Kindersicherung begehrt, fehlt es bereits an einem Verfügungsanspruch, so dass dahinstehen kann, ob eine Kindersicherung nach § 14 Abs. 3 TabakerzG und/oder der CLP-Verordnung überhaupt erforderlich ist. Die Dringlichkeitsvermutung das § 12 Abs. 1 UWG ist durch das Verhalten der Antragstellerin widerlegt. Wenn es der Antragstellerin wirklich eilig gewesen wäre, hätte sie veranlassen können und müssen, dass dem/den bei ihr für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Zuständigen sofort nach Erwerb der ersten „L.“- Einweg-E-Zigaretten – nach eigenem Vortrag am 22.09.N06 – ein Muster vorgelegt wurde, um dieses äußerlich auf die Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach erforderliche Kindersicherung. Sollten der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr B., und Herr Q. gemäß deren als Anlagen AS 25, As 28 und AS 29 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen tatsächlich erstmals am 28.09.N06 ein ausgepacktes Exemplar einer im Handel erhältlichen L. in den Händen gehalten haben (was mit der Tatsache, dass die Antragstellerin die Fa. S. bereits am 30.09.N06 abgemahnt hatte, kaum zu vereinbaren ist), wäre der Antragstellerin jedenfalls vorzuwerfen, sich dringlichkeitsschädlich einer früheren Kenntnis trotz Vorliegens insoweit bestehender konkreter Anhaltspunkte bewusst verschlossen zu haben. Es liegt auf der Hand, dass die L.-Zigaretten technisch gleich ausgestaltet sind, unabhängig vom Importeur und/oder der Geschmacksrichtung. Der Antragstellerin musste sich daher bereits bei Erwerb der ersten L.-Testprodukte am 22.09.N06 ein aus ihrer Sicht drohender Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin aufdrängen. Dass die Antragstellerin schon vor dem Kauf eines von der Antragsgegnerin importierten Produktes am (nach ihren Angaben) 19.10.N06 wusste, dass die Antragsgegnerin diese Zigaretten vertreibt, belegt die Tatsache, dass sie die Antragsgegnerin bereits Wochen zuvor unter dem 06.10.N06 abgemahnt hatte. Die Antragstellerin trifft zwar keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht, sie hatte jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin L.-Einweg-E-Zigaretten ohne eine besondere Kindersicherung auf den Markt bringen würde:
42Die Antragsgegnerin hat durch eidesstattliche Versicherung des Herrn ET. (Anlage AG 7 zur Schutzschrift), der für die N., einen Hersteller für elektronische Zigaretten mit Hauptsitz in Y., arbeitet, glaubhaft gemacht, das dieser in einem Gespräch am 30.09.2021 Herrn Q. (sowie dessen „Mitarbeiter“ Herrn B.) und ihrem eigenen Geschäftsführer mehrere Einweg-E-Zigaretten gezeigt und entsprechende Warenmuster mitgegeben hatte, die in Funktion und Anwendung identisch mit anderen, derzeit im Markt befindlichen Geräten und auch der L.-Einweg-E-Zigarette gewesen waren, und dass Herr Q. die Produkte grundsätzlich interessant gefunden, aber die fehlende Kindersicherung als kritisch angesehen hatte. Dieses Geschehen wird von der Antragstellerin letztlich auch nicht in Abrede gestellt.
43Durch eidesstattliche Versicherung des Herrn MH. (Anlage AG 8 zur Schutzschrift), einem in der E-Zigaretten-Branche aktiven Händler, hat die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, dass sich Herr Q. in einem Video-Call am 11.02.N06 auch gegenüber diesem kritisch über Einweg-E-Zigaretten geäußert, die aus seiner Sicht fehlende Kindersicherung erwähnt und erklärt hat, ihm seien diese Einweg-E-Zigaretten ein Dorn im Auge und er stelle die Verkehrsfähigkeit dieser Produkte in Frage. Die Antragstellerin bestreitet nicht, dass ein solches Gespräch stattgefunden hat. Sie bestreitet nur, dass – wie von Herrn MH. weiter ausgeführt – Herr Q. mitgeteilt hat, er habe zu diesem Zeitpunkt seinen Außendienst unter anderem damit beauftragt, entsprechende Produkte bzw. Produktmuster bei den Kunden (Kioske, Tankstellen usw.) einzusammeln, um die Inhaltsstoffe zu analysieren. Auch aus der als Anlage AS 28 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn Q. ergibt sich nur eine entsprechende Erklärung.
44Die Antragsgegnerin hat durch die Anlagen AG 38 (Bericht in der Tabakzeitung DTZ vom 05.10.N06) und AG 39 (eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers RN.) glaubhaft gemacht, dass sowohl sie als auch die Antragstellerin auf der Messe BD., die vom 15. bis 17.09.N06 in GZ. stattgefunden hat, anwesend gewesen waren, und dass beide mit dem sog. OA. Preis N06 ausgezeichnet wurden, wobei die Antragsgegnerin den Preis für den Erfolg der L.-Zigarette erhielt. Herr RN. hat ferner an Eides statt versichert, dass sich in dem Raum, in dem die Preisverleihung stattgefunden hatte, auch Herr Q. befunden und ihn gegrüßt hatte.
45Außerdem hat die Antragsgegnerin durch die Anlagen AG 41 glaubhaft gemacht, dass sich Herr Q. in der Ausgabe 3/N06 der Zeitschrift „BZ.“ mit (gemäß Anlage AG 42) Redaktionsschluss am 16.09.N06 als Geschäftsführer der Antragstellerin u.a. unter dem Gesichtspunkt Jugendschutz kritisch zu Einweg-E-Zigaretten geäußert hat.
46Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände - die Kenntnis des Herrn Q. ist der Antragstellerin ausgehend von ihrem eigenen Tatsachenvortrag u.a. zur Aktivlegitimation zurechenbar - kann mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die Antragstellerin schon vor dem 22.09.N06 um den Vertrieb die L.-Zigarette durch die Antragsgegnerin wusste und spätestens im Anschluss an die Messe BD. Ende November N06 konkrete Veranlassung gehabt hatte, das Produkt zu überprüfen. Die Antragstellerin hätte sich in jedem Fall sofort nach dem ersten Testkauf ein Exemplar vorlegen lassen können und müssen, um die äußere Gestaltung auf ihre Lauterkeitsrechtlichkeit und insbesondere die Kindersicherung hin zu überprüfen. Der Eilantrag ist am 27.10.N06 bei Gericht eingegangen und mithin erst nach Ablauf eines Monats von der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen der äußeren Gestaltung und des Fehlens einer besonderen Kindersicherung.
474. Soweit sich die Antragstellerin gegen das ihrer Ansicht nach unzureichende Kennzeichnungsetikett direkt auf der E-Zigarette wendet und einen Verstoß gegen Art. 31 der CLP-Verordnung rügt, fehlt es ebenfalls an der Dringlichkeit. Die Antragstellerin hatte spätestens aufgrund der Fachmesse BD. vom 15. bis 17.09.N06 wenn schon nicht Kenntnis von der Aufmachung des Produktes der Antragsgegnerin so doch zumindest konkrete Veranlassung, sich unverzüglich ein von der Antragsgegnerin vertriebenes Produkt zu beschaffen und dessen Aufmachung zu überprüfen. Es lag auf der Hand, dass – auch – die Antragsgegnerin die von ihr vertriebenen L.-Zigaretten selbst nicht mit allen nach Art. 17 CLP-Verordnung vorgeschriebene Kennzeichnungselementen beklebt, was gemäß der von der Antragstellerin als Anlage AS 37 vorgelegten Fotografien dazu führen würde, dass für eine Bezeichnung des Produkts pp. kaum Raum mehr bliebe und aufgrund der nahezu vollflächigen Beklebung eine insgesamt unattraktive Gesamtanmutung erzielt würde. Ob die Antragsgegnerin zu der von der Antragstellerin verlangten Kennzeichnung verpflichtet ist und ggf. vor dem Hintergrund des durch die CLP-Verordnung intendierten Gesundheitsschutzes überhaupt ein spürbarer Verstoß vorliegt, kann dahinstehen.
48Beschwerdewert: 175.000,00 €