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Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.11.2022 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 82/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Beide Parteien vertreiben Halal-Produkte in Deutschland, die Klägerin ganz überwiegend über rd. 1800 türkischen Einzelhandelsgeschäfte, wobei ihre Produkte aber auch in Filialen von REWE und EDEKA erhältlich sind, die Beklagte vorwiegend über SB-Märkte wie EDEKA, Netto, REWE, Penny, Lidl, Kaufland etc. Die Klägerin ist mit einem Marktanteil von rd. 70 % Marktführerin im Bereich der türkischen Halal-Produkte in Deutschland.
4Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und die üblichen Annexansprüche in Anspruch wegen folgender Produktausstattungen einer Halal-Truthahnsalami mit Rindfleisch:
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a) |
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b) |
Die Klägerin erachtet diese als lauterkeitswidrige Nachahmungen ihrer Produktausstattung für die Halal-Truthahnsalami mit Rindfleisch „ÖZLEM“ (übers. „Sehnsucht“) :
7 8Bei der ÖZLEM-Salami handelt es sich um das Hauptprodukt der Klägerin. Die Kläger verkauft mindestens 80 % ihrer Halal-Truthahnsalami mit Rindfleisch in türkischen Lebensmittelgeschäften in Deutschland.
9Die Klägerin hat vorgetragen, ihre Salami sei von höherer Qualität als das Produkt der Beklagten. Ihre Produktaufmachung als solche habe aufgrund hoher Bekanntheit bei den Kunden türkischer Lebensmittelgeschäfte Markencharakter erlangt. Insoweit handele es sich um einen Fall unzulässiger vergleichender Werbung. Die Beklagte stelle eine Gleichwertigkeitsbehauptung auf. Außerdem bestehe Verwechslungsgefahr. Auch nutze die Beklagte unangemessen den guten Ruf des klägerischen Produktes aus und beeinträchtige diesen. Schließlich sei die nachahmende Aufmachung irreführend. Die Beklagte täusche über die betriebliche Herkunft und die Beschaffenheit ihres Produktes.
10Mit Urteil vom 24.11.2022, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der in erster Instanz gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Ein Werbevergleich nach § 6 UWG liege nicht vor. Außerdem wäre ein solcher, zu Gunsten der Klägerin unterstellt, jedenfalls nicht lauterkeitsrechtlich unzulässig. Aufgrund der Herstellerangaben bestehe weder Verwechslungsgefahr i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG oder des § 5 Abs. 2 UWG a.F. / § 5 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. noch die Gefahr einer Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG oder des § 4 Abs. 3 lit. b) UWG noch die Gefahr einer Herkunftstäuschung i.S.d. § 4 Abs. 3 lit. a) UWG. Auch eine Irreführung über die betriebliche Herkunft und Beschaffenheit des Produktes nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG sei nicht gegeben.
11Mit der Berufung hält die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren aufrecht. Die Kammer habe die Voraussetzungen einer unzulässigen vergleichenden Werbung nach § 6 UWG fehlerhaft in Abrede gestellt. Das Landgericht habe zu Unrecht ausschließlich auf die Auffassung der deutschen Verkehrskreise abgestellt und nicht auf den abgrenzbaren und insoweit maßgeblichen türkischen Verkehrskreis. Dass dieser eine abgrenzbare Verbrauchergruppe sei, folge zunächst daraus, dass es sich bei den gegenüberstehenden Produkten um spezielle Halal-Wurstwaren handele, die bestimmungsgemäß nur die türkischen Verkehrskreise ansprächen, in deutlich geringerem Umfang hingegen die deutschen. Außerdem adressierten die Verpackungen mit der Verwendung der türkischen Produktbeschreibungen und Wörter („Sigir Etli Hindi Sala“, „Kamar Salare“ und „Halal“ bzw. „Macar Tipi Hindi Dilim Salam“ und „Özlem“) gezielt den türkischen Verkehrskreis. Schließlich sei in einem vergleichbaren Fall der Europäische Gerichtshof von zwei abgrenzbaren Verkehrskreisen ausgegangen. Das Landgericht habe daher auch verkannt, dass aufgrund des vorgelegten Verkehrsgutachtens fest stehe, dass der türkische Durchschnittsverbraucher erstens ihrer Özlem-Produktausstattung einen Hinweis auf die Eigenschaften der darin enthaltenen Salami entnehme, zweitens beim Anblick der Aufmachung der Beklagten die Özlem-Salami erkenne und drittens einer Herkunftstäuschung unterliege. Der Verbraucher stelle nicht nur eine betriebliche Verbindung zwischen den Produkten her, sondern auch eine eigenschaftsbezogene Verbindung zumindest im Sinne der Gleichwertigkeit. Insoweit sei von einer Herkunftstäuschung sowie einer unzulässigen Rufausnutzung und Rufbeeinträchtigung auszugehen. Zudem sei die Produktausstattung unter dem Gesichtspunkt der Imitationswerbung unzulässig. Die Verwechslungsgefahr i.S.d. § 6 UWG sei durch die Herstellerkennzeichnung nicht ausgeräumt. Die vom Landgericht herangezogenen Grundsätze aus der Knoblauchwürste-Entscheidung des BGH seien auf den Verwechslungstatbestand der vergleichenden Werbung nicht übertragbar, da die Ausstattung neben der Herstellermarke ein eigenes starkes Kennzeichen sei, dem eine erhöhte Schutzwirkung zukomme. Die hier geringeren Raum einnehmende und nicht prägende Marke KAMAR SALARE beseitige daher nicht per se die unmittelbare wettbewerbsrechtliche Verwechselungsgefahr. Jedenfalls bestehe mittelbare Verwechslungsgefahr. In keinem Fall könne die Herstellerkennzeichnung ohne eine Vorlage an den EuGH vorrangig berücksichtigt werden. Das Merkmal der Verwechslungsgefahr im Rahmen von Art 4 (h) der RL 2006/114/EG sei ein unionsrechtlicher Begriff, der einheitlich auszulegen und anzuwenden sei. Mit dem von der Kammer angewendeten Grundsatz würde der Tatbestand der unzulässigen vergleichenden Werbung in einer dem Wortlaut der Vorschrift und dem Regelungszusammenhang widersprechenden Weise eingeengt. Aus den Erwägungsgründen ergebe sich, dass Verwechslungsgefahr auch im Fall einer deutlich erkennbaren unterschiedlichen Herstellerangabe bei einem ansonsten in sehr großer Weise übereinstimmenden Gesamteindruck einer Ausstattung nicht ausgeschlossen werden könne. Insoweit gebe es eine der Auslegung der Kammer entgegenstehende Rechtsprechung in anderen Mitgliedsstaaten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 27.03.2023 Bezug genommen.
12Die Klägerin beantragt sinngemäß,
13unter Abänderung des angefochtenen Urteils
14I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren
15zu unterlassen,
16a) Halal Truthahn Salami mit Rindfleisch in Deutschland in der nachfolgend abgebildeten Aufmachung anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen,
17 18b) Halal Truthahn Salami mit Rindfleisch in Deutschland in der nachfolgend abgebildeten Aufmachung anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen:
19 20II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin durch Vorlage eines gegliederten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Vertriebsweg von Halal Truthahn Salami mit Rindfleisch in den unter Ziff. I a. und b. bezeichneten Aufmachungen, und zwar unter Angabe,
21a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
22b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen, sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
23c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
24III. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz allen Schadens verpflichtet ist, welcher dieser durch Handlungen gemäß Ziff. I.a) und b) entstanden ist und/oder zukünftig entstehen wird;
25IV. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der in Klageantrag zu I. a) und b) beschriebenen Handlungen sowie darüber Rechnung zu legen, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergibt:
26die mit den im Klageantrag zu I. a) und b) genannten Handlungen erzielten Umsätze und die Gestehungskosten einschließlich aller Kostenfaktoren, jeweils aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, sowie Art und Umfang der betriebenen Werbung, gegliedert nach Werbeträger, Auflagenzahl, Erscheinungszeit und Verbreitungsgebiet;
27V. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.171,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 05.06.2023 Bezug genommen.
31II.
32Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
331. Der Klägerin steht wegen der im Antrag unter I. a) angeführten Produktausstattung kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegenüber der Beklagten zu. Die Verwendung der angegriffenen Produktausstattung stellt zwar eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 3 UWG dar und die Parteien sind auch Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, die Beklagte hat jedoch keinen der von der Klägerin geltend gemachten Unlauterkeitstatbestände erfüllt.
34a. Einen Anspruch aus § 6 UWG hat das Landgericht zu Recht bereits mangels eines für eine vergleichende Werbung naturgemäß erforderlichen Vergleichs verneint (zu diesem Erfordernis sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH als auch der des BGH s. z.B. KBF/Köhler, UWG, 41. Aufl., § 6 Rn. 44 ff., m.w.N.; Lopez Ramos in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 6 Rn. 101 ff., m.w.N.). Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung kann Bezug genommen werden. Die Berufungsbegründung gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Anmerkungen Anlass:
35Wie bereits das Landgericht dargelegt hat, erfüllt das bloße Angebot einer Produktnachahmung für sich allein nicht den Tatbestand der vergleichenden Werbung. Es fehlt insoweit an dem Erfordernis der Erkennbarkeit des Mitbewerbers. Zwar kann auch die Verwendung ähnlicher, auf das Originalprodukt anspielender Produktbezeichnungen und Produktaufmachungen eine mittelbare Erkennbarkeit des Mitbewerbers oder seiner Produkte begründen, Voraussetzung ist jedoch, dass sich aus der Werbung ergibt, dass das beworbene Produkt das Produkt des Mitbewerbers substituieren soll. Dies kann bei einer Gleichwertigkeitsbehauptung der Fall sein - z.B. aufgrund der Übernahme der Bestellnummern des anderen Unternehmens, von Duftvergleichslisten oder der Verwendung von Produktbeschreibungen mit Bezug auf das Konkurrenzpro-dukts - oder wenn das Produkt als eine Imitation oder Nachahmung des Produktes des Mitbewerbers beworben wird (s. EuGH, Urteil vom 25.10.2001, C-112/99 - Toshiba/Katun, juris, Tz. 38 f.; EuGH, Urteil vom 23.02.2006, C-59/05 - Siemens/VIPA, juris, Tz. 12 ff.; EuGH, Urteil vom 18.06.2009, C-487/07 - L´Oréal/Bellure, juris, Tz. 52 ff.; BGH, Urteil vom 04.12.2008, I ZR 3/06 - Ohrclips, juris, Tz. 31; BGH, Urteil vom 01.10.2009, I ZR 94/07 - Oracle, juris, Tz. 28 ff.; BGH, Urteil vom 19.05.2010, I ZR 158/08 – Markenheftchen I, juris, Tz. 33; KBF/Köhler, UWG, 41. Aufl., § 6 Rn. 55a, m.w.N.; Lopez Ramos in Bü-scher, UWG, 2. Aufl., § 6 Rn. 98, m.w.N.).
36Im vorliegenden Fall folgt entgegen der Ansicht der Klägerin aus der Anlehnung an ihre Produktausstattung noch kein Vergleich im Sinne einer Gleichwertigkeits- oder Imitationsbehauptung. Die Beklagte bewirbt mit der angegriffenen Produktausstattung ausschließlich die eigene Salami, auch wenn es ihr Ziel sein mag, mit der Annäherung an die Aufmachung der Klägerin Aufmerksamkeit für ihr Produkt zu erheischen.
37aa. Die Produkte der Parteien richten sich an den Endverbraucher in Deutschland. Beide Parteien vertreiben ihre Produkte u.a. über die üblichen SB-Märkte wie EDEKA und REWE. Beide Verpackungen sind in türkischer und deutscher Sprache beschriftet (Sigir Etli Hindi Salam / Truthahn Salami mit Rindfleisch bzw. Macar Tipi Hindi Dilim Salam / Truthahnsalami mit Rindfleisch in Scheiben), so dass auch der nicht türkisch sprechende Verbraucher eindeutig weiß, um welches Produkt es sich handelt. Dass „KAMAR“ ebenso wie „EGETÜRK“ Marken sind, die auf den Hersteller verweisen, ist aufgrund der äußeren Gestaltung und prominenten Platzierung auf den Produktverpackungen offensichtlich. Beurteilungsmaßstab ist daher gemäß dem Unionsrecht der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Das Verständnis dieses mündigen Verbrauchers kann der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, ohne weiteres selbst fest-stellen.
38Aus dem Abstellen auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers folgt, dass sich eine Differenzierung innerhalb eines angesprochenen Verkehrskreises grundsätzlich verbietet. Innerhalb eines einzigen Verkehrskreises kommt die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung nicht in Betracht. Die Ansicht der Klägerin, es sei (auch) auf die Gruppe der türkischen Verbraucher abzustellen, geht fehl. Eine Differenzierung wäre nur dann möglich, wenn sich die Werbung an verschiedene Kreise richtete, die sich objektiv voneinander abgrenzen ließen, wie z.B. Allgemeinheit und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise (s. KBF/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 5 Rn. 1.78, 1.64, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Es gibt in Bezug auf die Produkte der Parteien keine objektiv abgrenzbaren Verkehrskreise. Beim Kauf der Produkte bedarf es aufgrund der auch deutschen Angaben keiner türkischen Sprachkenntnisse. Aus der Werbung mit „Halal“ auf dem Produkt der Beklagten kann die Klägerin nichts für eine gespaltene Verkehrsauffassung herleiten. Die Salami der Parteien richtet sich nicht nur an türkisch sprechende Muslime, die die islamischen Speisevorschriften einhalten. Halal-Produkte können von jedermann erworben werden, aus religiösen Gründen auch von nicht-türkisch sprechenden Verbrauchern, die nicht in türkischen Lebensmittelgeschäften einkaufen, aber auch von Verbrauchern, denen selbst nicht daran gelegen ist, dass Speisen den islamischen Vorgaben entsprechen. Solche Verbraucher können – unabhängig davon, ob sie mit der Bezeichnung Halal überhaupt eine konkrete Vorstellung verbinden – die Salami z.B. aus reiner Neugierde kaufen oder im Hinblick auf Geschmack oder Qualität oder mit Rücksicht auf Familienmitglieder oder Gäste. Die Beklagte, die ganz überwiegend über die üblichen Supermärkten wie EDEKA, Netto, REWE, Penny, Lidl, Kaufland pp. vertreibt, bewirbt ihre Produkte damit, dass für jeden Geschmack etwas dabei sei.
39Aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des EuGH vom 25.06.2015 (EL BENNA/EL BNINA/EL BAINA) kann die Klägerin nichts für die Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise im vorliegenden Fall herleiten. Die Entscheidung betraf die Verwechslungsgefahr zwischen einer Gemeinschaftsmarke und einem Zeichen, die beide ein arabisches Wort enthielten, das in lateinischer und arabischer Schrift dominierend war, wobei diese Wör-ter einander in bildlicher Hinsicht ähnlich waren. Der EuGH hat entschieden, dass Bedeutung und Aussprache dieser Wörter in den Fällen berücksichtigt werden müssen, in denen die hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke und des betreffenden Zeichens maßgeblichen Verkehrskreise Grundkenntnisse des geschriebenen Arabisch besitzen. Der EuGH ist dabei in tatsächlicher Hinsicht von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ausgegangen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise aus muslimischen Verbrauchern arabischer Herkunft bestehen, die in der Europäischen Union Halal-Lebensmittel verzehren und zumindest Grundkenntnisse des Arabischen besitzen (EuGH, Urteil von 25.06.2015, C-147/14, juris, Tz. 14, 22). Dass bei Halal-Produkten stets auf eine solche gesonderte Gruppe abzustellen ist, folgt aus der Entscheidung des EuGH mithin nicht, weder für das Markenrecht und erst Recht nicht für das Wettbewerbsrecht.
40bb. Aus der Sicht des informierten Durchschnittsverbrauchers nähert sich die Produktausstattung der Beklagten nicht so dicht an die der Klägerin an, dass daraus eine Gleichwertigkeits- oder Imitationsaussage hergeleitet werden kann. Tatschen, die einen solchen Schluss tragen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Klägerin beruft sich lediglich auf die Feststellungen in dem von ihr vorgelegten Verkehrsgutachten. Dieses ist für den vorliegenden Fall jedoch ohne Belang, weil es nicht auf den hier maßgeblichen allgemeinen Verkehrskreis abstellt. Befragt worden sind nur die Kunden türkischer Lebensmittelgeschäfte. Ob aus dem Gutachten die von der Klägerin angenommene Gleichwertigkeitsaussage und/oder Immitationswerbung hergeleitet werden könnte, wenn tatsächlich nur auf diesen Verkehrskreis abzustellen wäre, kann dahinstehen.
41Dem durchschnittlichen Endverbraucher ist die Verpackungsausstattung der Klägerin nicht sonderlich gut bekannt. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie mindestens 80 % ihrer Truthahnsalami mit Rindfleisch über die türkischen Lebensmittelgeschäfte verkauft. Ihr Produkt ist daneben zwar auch noch bei Filialen von EDEKA und REWE erhältlich, die Ausstattung genießt aus Sicht der informierten Durchschnittsverbraucher aber jedenfalls keinen solchen Bekanntheitsgrad, dass von einer selbständig kennzeichnenden Verpackungsgestaltung ausgegangen werden kann. Die angesprochenen Durchschnittsverbraucher haben keine Veranlassung, von der Verpackungsgestaltung der Beklagten auf einen irgend gearteten Produktvergleich zu schließen.
42cc. Da § 6 UWG im Streitfall bereits mangels eines Vergleichs keine Anwendung findet, scheiden die von der Klägerin geltend gemachten Unlauterkeitstatbestände der Herbeiführung einer Verwechslungsgefahr nach § 6 Abs. 2 Nr. 3, § 5 Abs. 2 UWG, der Rufausnutzung/-beeinträchtigung nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG, der Imitationswerbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG und der Irreführung über die betriebliche Herkunft im Rahmen vergleichender Werbung nach § 5 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1 UWG ebenfalls aus. Es stellt sich insoweit auch weder die Frage, ob die vom BGH im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtli-chen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG / § 4 Nr. 9 lit a) UWG a.F. aufgestellten Grundsätze auf den Tatbestand der Verwechslungsgefahr bei vergleichender Werbung übertragbar sind, noch die Frage einer Vorlage an den EuGH zur Auslegung der Verwechslungsgefahr im Rahmen der vergleichenden Werbung im Hinblick auf die Bedeutung der Ausstattung neben der Herstellermarke als eigenes Kennzeichen bzw. einem Verbot der vorrangigen Berücksichtigung des Herstellerkennzeichens.
43b. Auf den Unlauterkeitstatbestand einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 lit a) UWG beruft sich die Klägerin letztlich selbst nicht. Dies zu Recht. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung ist aufgrund der deutlichen Kennzeichnung des Produkts der Beklagten mit der Herstellermarke „KAMAR“ ausgeschlossen. Insoweit findet die ständige Rechtsprechung des BGH (s. z.B. die ebenfalls zu einem Produkt der Klägerin ergangene Knoblauchwürste-Entscheidung, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 144/06, juris, Tz.14) ohne weiteres Anwendung. Die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung ist ebenfalls nicht feststellbar. Der angesprochene Verkehr hat aufgrund der unterschiedlichen Herstellerkennzeichen keine Veranlassung, das angegriffene Produkt für ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt der Klägerin zu halten. Die Beklagte ist bereits seit über zehn Jahren mit ihrer Marke KAMAR im Markt präsent. Für geschäftliche oder organisatorische Beziehungen zwischen den Parteien fehlen jegliche tatsächliche Anhaltspunkte. Allein die Übereinstimmungen der Produktverpackungen reichen nicht aus, um ungeachtet der unterschiedlichen Herstellerangabe eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu bejahen. Die gestalterische Grundidee, die keinem Sonderrechtsschutz zugänglich ist, darf nicht im Wege des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für einen Wettbewerber monopolisiert werden. Um eine solche gestalterische Grundidee handelt es sich, wenn bestimmte Tiere und eine bestimmte Landschaft auf der Verpackung eines Produkts dargestellt werden, um auf wesentliche Zutaten und auf die regionale Herkunft des Produkts hinzuweisen. Dementsprechend kann eine Herkunftstäuschung nicht schon damit begründet werden, dass auf der beanstandeten Verpackung ebenso wie auf der Verpackung des Produkts der Klägerin Tiere in türkischer Landschaft abgebildet sind. Ebenso wenig können Übereinstimmungen im Stil die Herkunftstäuschung begründen. Nicht ausreichend ist es daher, dass auf beiden Verpackungen Tiere und Landschaft naiv-naturalistisch dargestellt sind (s. BGH, Urteil vom 02.04.2009, I ZR 144/06 – Knoblauchwürste, juris, Tz. 21). Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz kommt nur für die konkrete Umsetzung der gestalterischen Grundidee in Betracht. Insoweit besteht auch im vorliegenden Streitfall keine hinreichende Ähnlichkeit der Produktausstattungen, um einen Unterlassungsanspruch der Klägerin zu begründen. Der Gesamteindruck der Produktausstattung der Klägerin ist geprägt von der einheitlichen Hinter-grundfarbe Gelb, der davon randscharf getrennten, teilweise hinter dem Sichtfeld verschwindenden Landschaft mit einem leuchtend blauen Himmel und der beiden vor die Landschaft und das Sichtfenster gesetzten, symmetrisch angeordneten und einander zugewandten Truthähne. Der Gesamteindruck der Produktausstattung der Beklagten ist dadurch geprägt, dass das Gelb im oberen Teil fließend in die nur mit Grüntönen gehaltene Landschaft übergeht, die sich ohne Andeutung eines Himmels auch noch über das Sichtfenster zieht, sowie die davor gesetzte asymmetrische Tiergruppe (bestehend aus einem Truthahn und einer deutlich größeren Kuh), die voneinander abgewandt steht. Die Beschriftung ist bei der Klägerin in Blau gehalten, bis auf die rot/weiße Herstellerkennzeichnung, und bei der Beklagten in Rot, bis auf die Bezeichnungen KAMAR und HALAL, die jeweils in Weiß vor ein rechteckiges rotes bzw. rundes grünes Feld gesetzt sind. Die Unterschiede in der Gestaltung treten nicht geringfügig zurück, sondern sind insbesondere im Hinblick auf den leuchtend blauen / nicht vorhandenen Himmel, den randscharfen / fließenden Übergang in die Landschaft und die Symmetrie der Tiergruppen unverkennbar. Die Übereinstimmungen beschränken sich letztlich auf die quadratische Verpackungsform mit einem runden Klarsichtfenster, die Verwendung der Farben Gelb, Grün und Rot in unterschiedlichen Anteilen sowie darauf, dass im unteren Bereich eine in das Klarsichtfenster hineinragende, wirklichkeitsnah dargestellte Tiergruppe in türkischer Landschaft abgebildet ist. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Herstellerangabe reichen diese Übereinstimmungen nicht aus, um eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu begründen.
44c. Die Gefahr einer Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung i.S.d. § 4 Nr. 3 lit b) UWG besteht ebenfalls nicht.
45Auszugehen ist von (allenfalls) durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart der Produktausstattung der Klägerin. Auf die Ausführungen des Landgerichts kann im Wesentlichen Bezug genommen werden, wobei die wettbewerbliche Eigenart durch das Sichtfenster und die gelbe Farbe mitbestimmt wird. Die wettbewerbliche Eigenart eines Produktes ist anhand des Gesamteindrucks der äußeren Gestaltungsmerkmale zu ermitteln, der auch durch ästhetische Merkmale mitbestimmt werden kann, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Insoweit können auch im wettbewerblichen Umfeld vorzufindende Gestaltungsmerkmalen mit in die Betrachtung einfließen (s. Wille in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 Rn. 31). Eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart aufgrund Verkehrsbekanntheit ist nicht feststell-bar. Auf das von der Klägerin vorgelegte Verkehrsgutachten kann insoweit nicht abgestellt werden.
46Die Beklagte hat die Produktausstattung nicht nahezu identisch, sondern nur nachschaffend nachgeahmt. Aufgrund der unübersehbaren Herstellerangaben, an denen sich der Verbraucher beim Erwerb von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs vornehmlich orientiert – auch und gerade dann, wenn die Ware in Sammelkörben angeboten wird –, besteht weder die Gefahr eines Imagetransfers noch hat der angesprochene informierte Durchschnittsverbraucher Veranlassung, eine etwaige schlechtere Qualität des Produkts der Beklagten der Klägerin anzulasten. Die Beklagte nähert sich der Klägerin auch sonst nicht so weit an, dass von einem Anhängen an deren – unterstellt – guten Ruf ausgegangen werden könnte. Die Herstellerkennzeichen „EGETÜRK“ und „KAMAR“ weisen keine Ähnlichkeiten auf. Die Beklagte übernimmt auch nicht die Produktbezeichnung „ÖZLEM“ oder das dahinter stehende Konzept fantasievoller Bezeichnungen (das nur türkischsprachige Verbraucher verstehen), sondern bezeichnet das Produkt schlicht als „SALARE“ (erinnernd an lat. / ital. Salz, gesalzen, Salzfleisch). Die Beklagte mag durch die Annäherung Assoziationen an das Produkt der Klägerin und insoweit Aufmerksamkeit erwecken, dies reicht für den Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 3 lit. b) UWG jedoch nicht aus. Der Verbraucher erkennt die Waren der Parteien als das was sie sind, nämlich eigenständige Konkurrenzprodukte.
47d. Der Unlauterkeitstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist auch insoweit nicht erfüllt, als er außerhalb vergleichender Werbung eine Irreführung über die betriebliche Herkunft und Beschaffenheit der Ware untersagt. Die Gefahr einer Irreführung ist durch die eindeutig von der Marke der Klägerin abweichende Herstellerkennzeichnung KAMAR ausgeschlossen.
48Entsprechendes gilt für den Unlauterkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 UWG, soweit er nicht nur bei vergleichender Werbung, sondern generell das Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers verbietet. Die auf der Produktausstattung unübersehbar angebrachte Herstellermarke schließt auch eine Irreführung im Zusammenhang mit der Produktvermarktung über die betriebliche Zuordnung aus.
49Insoweit ist erst Recht nicht das Per-se-Verbot nach Nr. 13 Anhang zu § 3 UWG als Spezialfall einer Täuschung über die betriebliche Herkunft betroffen. Aus der Produktaufmachung der Beklagten ergibt sich gerade kein Hinweis auf eine Täuschungsabsicht der Beklagten. Die Beklagte hat im Gegenteil ihre Marke gut sichtbar auf der Verpackung angebracht, um auf die Herkunft aus ihrem eigenen Betrieb hinzuweisen.
502. Aus den oben angeführten Gründen ist die mit dem Klageantrag I. b) angegriffene Produktausstattung der Beklagten lauterkeitsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
513. Die Annexansprüche auf Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Erstattung von Abmahnkosten folgen dem Schicksal der Unterlassungsansprüche.
52III.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
54Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
55Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 100.000 €