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Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 06.01.2023 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 145/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
G r ü n d e
2I.
3Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen des Vertriebs eines ihrer Ansicht nach unzulässigen Nachahmungsproduktes auf Unterlassung in Anspruch.
4Die Antragstellerin stellt unter ihrer Marke „P.“ seit 2006 Smoothies in verschiedenen Sorten her. Sie vertreibt diese in folgenden beispielhaft wiedergegebenen Ausstattungen:
5„Bilddarstellung wurde entfernt“ (250 ml Glasflasche)
6„Bilddarstellung wurde entfernt“ (750 ml Glasflasche)
7„Bilddarstellung wurde entfernt“ (99 ml Glasflasche, sog. Shots).
8In unregelmäßigen Abständen gibt die Antragstellerin zudem sog. „Limited Editions“ ihrer Smoothies in begrenzter Stückzahl heraus, die mitunter zu bestimmten Anlässen erscheinen und teilweise nur regional erhältlich sind, z.B. in folgenden Aufmachungen:
9„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
Die Anfang des Jahres 2020 gegründete Antragsgegnerin tritt als Partnerin für verschiedene Getränkemarken im Verkehr auf. U.a. produziert sie selbst Getränke im Bereich des sog. Modern Lifestyle in Kooperation mit bekannten Persönlichkeiten. Aktuell kooperiert sie mit dem deutschen Fernsehkoch Q. I.. Sie hat den streitgegenständlichen Smoothie „I. N.“ vermarktet, dessen 250 ml Flaschen wie folgt gestaltet sind:
11„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
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Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die von der Antragsgegnerin verwendete Weißglasflasche eine nahezu identische Nachahmung der bekannten P.-Glasflasche sei. Neben einer unlauteren Nachahmung liege auch ein Fall der Rufausbeutung durch unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung ihrer Flaschenform vor.
13Das Landgericht hat der Antragsgegnerin unter dem 06.12.2022 im Wege einer einstweiligen Verfügung antragsgemäß untersagt, bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel geschäftlich handelnd in der Bundesrepublik Deutschland Smoothies und/oder Fruchtsäfte und/oder Gemüsesäfte in Glasflaschen - so wie oben mit den drei Abbildungen der einzelnen Flaschen in Vorderansicht wiedergegeben - anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu vertreiben und/oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen.
14Auf Widerspruch der Antragsgegnerin hat die Kammer nach mündlicher Verhandlung, in der Originalprodukte der Parteien in Augenschein genommen wurden, die Beschlussverfügung bestätigt. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das Urteil vom 06.01.2023 Bezug genommen. Die Kammer, die von einer erheblichen Steigerung der wettbewerblichen Eigenart der Produkte der Antragstellerin und einer nachschaffenden Nachahmung ausging, sah den Unlauterkeitstatbestand einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im weiteren Sinne als erfüllt an.
15Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt. Die Antragsgegnerin rügt, dass das erlassene Verbot zu weitgehend sei, weil zur konkreten Verletzungsform nur die Vorderseiten der Produkte gehörten, ohne Rücksicht darauf, was auf den Rückseiten stehe. Insoweit würden auch Ausstattungen untersagt, bei denen z.B. aufgrund einer Klarstellung auf der Rückseite jede Art von Herkunftstäuschung beseitigt wäre. In der Sache selbst habe das Landgericht zwar zutreffend eine unmittelbare Herkunftstäuschung verneint, jedoch trotz der unterschiedlichen Herstellerangaben auf den Produkten und obwohl es keinen Anhaltspunkt für eine mittelbare Beziehung zwischen den Beteiligten gebe eine mittelbare Herkunftstäuschung angenommen. Dies sei fehlerhaft. Auch eine - vom Landgericht nicht thematisierte - Rufausbeutung liege nicht vor. Ihr Produkt sei teurer und qualitativ mindestens gleichwertig. Außerdem habe die Antragstellerin zur Qualität oder einem qualitätsbezogenen Image ihrer Smoothies nicht substantiiert vorgetragen. Schließlich meint die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin nach den Ausführungen in der Berufungserwiderung die Dringlichkeitsvermutung durch ihr eigenes Verhalten widerlegt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 03.02.2023 sowie den Schriftsatz vom 09.03.2023 Bezug genommen.
16Die Antragsgegnerin beantragt,
17das Urteil des LG Köln vom 06.01.2023, Az.: 84 O 145/22, aufzuheben und den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
18Die Antragstellerin beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Soweit die Antragsgegnerin nunmehr einen Wegfall der Dringlichkeitsvermutung rüge, sei ihr der Inhalt des Schriftwechsels vom 04. / 05.01.2023 entgegenzuhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 27.02.2023 und den Schriftsatz vom 09.03.2023 Bezug genommen.
21II.
22Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
231. Der Verfügungsgrund wird vermutet, § 12 Abs. 1 UWG. Außerdem hat die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin V. glaubhaft gemacht, dass sie erstmals am 03.11.2022 von den Produkten der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt hat. Der Eilantrag vom 02.12.2022 ist noch am gleichen Tag beim Landgericht eingegangen.
24Die Antragstellerin hat die Dringlichkeitsvermutung auch nicht durch ihr eigenes Verhalten während des laufenden Verfahrens widerlegt. Zwar hat sie in der Berufungserwiderung ausgeführt, dass die Smoothies der Antragsgegnerin am 03.01.2023 und 11.01.2023 im D.-Markt in A. zum Verkauf angeboten worden seien, und sie ist in der Folgezeit nicht gegen die Antragsgegnerin aus der vollzogenen Beschlussverfügung im Wege eines Ordnungsmittelverfahrens vorgegangen. Dies hatte jedoch ausweislich der als Anlagen BE 9 und BE 10 vorgelegten Schreiben einen einleuchtenden Grund, so dass durch den Verzicht auf die Vollstreckung die Dringlichkeit nicht nachträglich verloren gegangen ist. Die Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 04.01.2023 die Vermutung geäußert, dass die Antragsgegnerin nach Zustellung der einstweiligen Verfügung weiterhin insbesondere C.-Märkte beliefert habe, und die Antragsgegnerin zur Stellungnahme sowie zur sofortigen Beachtung des gerichtlichen Verbots aufgefordert. Hierauf erklärte die Antragsgegnerin mit Antwortschreiben vom 05.01.2023, nicht erst nach dem Empfang der einstweiligen Verfügung am 08.12.2022, sondern bereits nach dem 07.12.2022 die streitgegenständlichen Getränke nicht mehr ausgeliefert zu haben; es sei überhaupt nur eine Charge mit einem einzigen Mindesthaltbarkeitsdatum produziert worden. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin datierte dieses Mindesthaltbarkeitsdatum auf den 11.02.2023, so dass die Antragstellerin allein schon insoweit keine Veranlassung hatte, nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist ein Ordnungsmittelverfahren einzuleiten, um einen bereits seit dem 11.02.2023 nicht mehr drohenden weiteren Vertrieb der Smoothies zu verhindern.
252. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG. Danach kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr von den nach § 3 Abs. 3 UWG Berechtigten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
26a. Bedenken bezüglich des Verfügungsantrags bestehen nicht. Insbesondere sind Antrag und Tenor nicht als zu weitgehend zu beanstanden, nur weil die als konkrete Verletzungsform eingeblendeten Abbildungen lediglich die Vorderseite der Produktaufmachungen zeigen. Der Ansicht der Antragsgegnerin, mit dem Verbot werde ihr eine Vermarktung der angegriffenen Smoothies selbst dann untersagt, wenn sie den gesamten Platz auf der Rückseite für einen eine etwaige Irreführung beseitigenden Hinweis nutze, kann nicht beigetreten werden.
27Streitgegenstand sind die Produkte der Antragsgegnerin als solche, so wie sie von der Antragsgegnerin Ende des Jahres 2022 auf den Markt gebracht worden sind, und wie sie sich als Asservate bei der Akte befinden. Dies ergibt sich eindeutig sowohl aus der Antragsschrift als auch aus dem angefochtenen Urteil. Die an erster und zweiter Stelle des Antrags abgebildeten Flaschen hatte die Antragstellerin bereits mit der Antragsschrift für das Gericht als Originale zur Akte gereicht, weitere Originalprodukte der beiden Beteiligten in vollem und entleerten Zustand sind im Termin zur mündlichen Verhandlung zur Akte gereicht worden. Dass die zur Kenntlichmachung der konkreten Verletzungsform antragsgemäß in den Tenor eingeblendeten Abbildungen die Flaschen nur in der Frontansicht zeigen, führt zu keiner Ausweitung des Streitgegenstandes in dem Sinne, dass der Antragsgegnerin der Vertrieb der angegriffenen Produkte unabhängig von der Gestaltung der Rückseite untersagt werden soll. Auch das angefochtene Urteil ist insoweit eindeutig, s. Ziffer 4 der Urteilsgründe („streitgegenständliche Flasche“). Dem entsprechend hat das Landgericht in den Tatbestand auch Abbildungen von der Rückseite der streitbefangenen Verletzungsprodukte aufgenommen. Zur Gestaltung der angegriffenen Flaschen hat die Kammer nicht nur auf die drei Fotografien mit den Abbildungen der Frontseiten verwiesen, sondern ausdrücklich ergänzend auf die zur Akte gereichten Originalprodukte Bezug genommen.
28b. Dass die Beteiligten Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sind, ist unstreitig.
29c. Anbieten, Bewerben, Inverkehrbringen und Vertreiben der streitbefangenen S.-Smoothies stellen geschäftliche Handlungen i.S.d. § 3, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Auch dies steht außer Frage.
30d. Nach § 3 Abs. 1 UWG sind geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie unlauter sind. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, kann der Vertrieb einer Nachahmung nach § 4 Nr. 3 UWG unlauter sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (lit. a) oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (lit. b) – hinzutreten, aus denen die Wettbewerbswidrigkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.
31Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 3 lit. a UWG erfüllt ist, allerdings bereits in der Form einer unmittelbaren Herkunftstäuschung.
32aa. Die ausführlichen und überzeugenden Feststellungen des Landgericht dazu, dass und warum die P. - Glasflasche von erheblich gesteigerter wettbewerblicher Eigenart ist, werden von der Antragsgegnerin in zweiter Instanz nicht beanstandet. Die wettbewerbliche Eigenart folgt aus der Kombination folgender Gestaltungsmerkmale der oben abgebildeten Standardausstattung:
33- Glasflasche (zumeist aus Weißglas), die die Farbe des Smoothies erkennen lässt (bzw. verstärkt – Grünglas für den grünen Smoothie)
34- die Flasche hat eine eigens für die Antragstellerin entwickelte Form: zylindrischer Korpus annähernd über die gesamte Flaschenhöhe, der sich oben über einen ca. 45-GradWinkel zu einem sehr kurzen Flaschenhals verjüngt
35- Beschriftung mit hochwertigem Keramikdruck, vornehmlich in weiß
36- puristische, wortbetonte Etikettengestaltung: Vorderseite mit vertikal angebrachtem Schriftzug „P.“ in weißer Schrift, daneben filigrane weiße Messleiste mit den Zutatenanteilen; auf der Rückseite neben den Pflichtangaben launige Texte
37- flacher Deckel aus Weißblech mit Griffmulden, vornehmlich in silber.
38Die Aufmachung vermittelt einen werthaltigen, eleganten und stilvollen Gesamteindruck. Die P. - Flaschen in ihrer stylischen Aufmachung sind gleichsam „zu schade zum Wegschmeißen“. Anknüpfend an das edel wirkende Design hat die Antragstellerin ein erfolgreiches Upcycling-Programm entwickelt, durch das die leeren Glasflaschen in nicht unerheblichem Umfang weiterverwendet werden, nicht nur als einfache Aufbewahrungsbehältnisse, sondern auch mittels besonderer Aufsätze gleichsam als Designprodukte. Darüber hinaus sind insbesondere die Sondereditionen begehrte Sammlerobjekte.
39Die P. - Flasche in ihrer konkreten Aufmachung ist im wettbewerblichen Umfeld einmalig. Dies belegt auch das von der Antragsgegnerin vorgetragene Produktumfeld. Die meisten Smoothies und Obst-/Gemüsesäfte werden in PET-Flaschen angeboten. Soweit Glas verwendet wird, weist keine der von der Konkurrenz verwendeten Flaschen die für das Produkt der Antragstellerin typische zylindrische Form mit einem kurzem und breiten Flaschenhals in Verbindung mit weißem Keramikdruck statt der üblichen Papier- oder Kunststoffetikett auf, auch nicht die Produkte „W.“ und „H.“, die dem Original der Antragstellerin noch am nächsten kommen, die aber jeweils in unverwechselbar anders geformten Glasflaschen vertrieben werden (und zu deren Marktbedeutung überdies nichts vorgetragen ist).
40Der Smoothie der Antragstellerin wird dem Verbraucher flächendeckend nahezu in allen Supermärkten und einer Vielzahl von Tankstellen pp. angeboten. Die P. - Flasche ist dabei aufgrund ihres einmaligen Gesamtdesigns im wettbewerblichen Umfeld von einem besonders hohen Wiedererkennungswert. Ihre Bekanntheit ist aufgrund der von der Antragstellerin u.a. durch eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin V. und ihres Vertriebsleiters J. glaubhaft gemachten Gesamtumstände - langjährige Marktpräsenz, erfolgreiche Marketingstrategie, hoher Marktanteil (von Ende 2022 rund 70 %), hohe Absatz- und Umsatzzahlen, diverse Auszeichnungen für das Flaschendesign, provokative und reichweitenstarke Werbekampagnen, umfassende Presseberichterstattungen - als weit überdurchschnittlich zu bewerten.
41Allein schon der eigens für die Antragstellerin entwickelten Glasflasche in Verbindung mit dem Keramikdruck kommt für Smoothies eine gewisse herkunftshinweisende Funktion zu, die dazu führt, dass der Verkehr die Sondereditionen auch dann ohne weiteres der Antragstellerin zuordnet, wenn sich auf ihnen kein Hinweis auf „P.“ befindet, und das selbst dann noch, wenn die Gestaltung des Flaschenaufdrucks als solche keine Ähnlichkeit mehr zu dem „normalen“ puristischen Design der Standardausstattung ausweist, s. z.B:
42„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
Soweit die Antragstellerin vorträgt, die von ihr verwendete Flasche sei eine allgemein erhältliche Standardflasche, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, in welchem Umfang die Flasche in Deutschland vertrieben wird (ausweislich der Anlage AG 14 wird sie nur in bestimmten Regionen verkauft) und für welche Produkte sie überhaupt Verwendung findet. Es ist von der Antragstellerin bestritten und weder schlüssig dargelegt noch mit geeigneten Mitteln glaubhaft gemacht, dass die von der Antragsgegnerin verwendete Flasche im Bereich der Vermarktung von Fruchtsäften/Gemüsesäften/Smoothies eine nennenswerte Rolle spielt, erst Recht nicht in Kombination mit einem weißen puristischen Keramikdruck. Nach dem von den Beteiligten vorgetragenen Produktumfeld wird die von der Antragsgegnerin verwendete Standardflasche von keinem anderen Hersteller für Smoothies oder ähnliche Produkte benutzt.
44bb. Die S.-Smoothie-Reihe der Antragsgegnerin stellt eine nachschaffende Nachahmung der Produkte der Antragstellerin in der Standardausstattung dar. Sie nähert sich dem Original in seinen die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmalen erkennbar an, auch wenn deutlich sichtbare Abweichungen im Gesamteindruck bestehen. Dass sie das Produkt der Antragstellerin nachschaffend nachgeahmt hat, stellt die Antragsgegnerin im Berufungsverfahren auch nicht in Abrede.
45Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin die Flaschenform nahezu identisch übernommen. Der Durchmesser der Flaschenkörper (Zylinder) und der Flaschenöffnungen (Deckel) sowie die Flaschenhöhe unterscheiden sich so minimal, dass die Unterschiede selbst bei einem direkten Vergleich kaum wahrgenommen werden können. Der etwas längere Hals des Nachahmungsproduktes fällt zwar bei einem direkten Vergleich und schärferem Hinsehen ins Auge, im maßgeblichen Erinnerungseindruck bleibt dieser Unterschied indes nicht haften. Gleiches gilt für die geringfügigen Abweichungen in der Gestaltung des Deckels (Rand mit / ohne Griffmulden; schwarz statt silber oder grün).
46Eine deutlich sichtbare Abweichung liegt in der Gestaltung der Etiketten, auch wenn die Antragsgegnerin insoweit ebenfalls die wettbewerbliche Eigenart besonders prägende Gestaltungselemente übernommen hat, nämlich den Keramikdruck und die Beschriftung in der Farbe Weiß sowie das wortbetonte Layout. Gleichwohl ist das Design der Etiketten gerade in der Frontansicht insoweit deutlich abweichend, als die Flasche der Antragsgegnerin nicht die typische „Messlatte“ der Antragstellerin übernimmt, sondern mit „I. N. S. Smoothie“ beschriftet ist. Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe (Rote Beete, Brombeere, Karotte, Aprikose pp.) ergibt sich beim Produkt der Antragsgegnerin erst aus der Auflistung am Fuß der Flasche, ohne die jeweiligen Anteile kenntlich zu machen. Außerdem ist das Etikett der Antragsgegnerin mit filigranen schwarzen Strichzeichnungen der im Smoothie enthaltenen Gemüse und Früchte hinterlegt.
47Das Produkt der Antragsgegnerin gliedert sich mit seiner von der Standardausstattung der P. – Smoothies abweichenden Gestaltung jedoch gut in die Sonderausstattungen der Antragstellerin ein, wie z.B. die folgenden Vergleiche zeigen:
48„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“ |
„Bilddarstellung wurde entfernt“
50cc. Unter Berücksichtigung der gesteigerten wettbewerblichen Eigenart der Flaschengestaltung der Antragstellerin hält die nachschaffende Nachahmung der Antragsgegnerin nicht den nach der Wechselwirkungslehre lauterkeitsrechtlich erforderlichen Abstand. Es besteht die vermeidbare Gefahr einer unmittelbaren Herkunftstäuschung.
51(1) Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn der angesprochene Verkehr den unzutreffenden Eindruck gewinnt, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originalprodukts oder von einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen. Sofern Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr deshalb beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, muss das nachgeahmte Produkt eine gewisse Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt haben (Wille in Büscher, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 Rn. 66, 67, m.w.N.). Letzteres ist hier aufgrund der hohen Bekanntheit des Produkts der Antragstellerin ohne weiteres der Fall.
52Für die Beurteilung der Herkunftstäuschung ist auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen, hier also auf den Endverbraucher, dessen Sichtweise der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis zählen, ohne weiteres selbst beurteilen kann.
53Bei einer unmittelbaren Herkunftstäuschung hält der angesprochene Verkehr die Nachahmung für das Originalprodukt. Bei der Beurteilung der Übereinstimmung und Ähnlichkeit von Produkten ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln. Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, sodass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt. Eine Herkunftstäuschung scheidet aus, wenn der Verkehr bereits bei geringer Aufmerksamkeit die Unterschiedlichkeit von Original und Nachahmung wahrnimmt. Bei einer identischen Leistungsübernahme wird in der Regel eine Herkunftstäuschung bestehen, weil der interessierte Betrachter zwangsläufig davon ausgeht, die beiden Produkte würden von demselben Hersteller stammen. Im Übrigen kann es darauf ankommen, ob und aus welchen Blickwinkeln der unbefangene Betrachter das angefochtene Produkt typischerweise sieht. Die Herkunftstäuschung setzt nicht voraus, dass alle Gestaltungsmerkmale des Produkts eines Mitbewerbers übernommen werden. Vielmehr kommt es darauf an, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (Köhler in K/B/F, UWG, 41. Aufl., § 4 Rn. 3.43, m.w.N.).
54Dass die Produkte der Beteiligten immer gleichzeitig im Kühlregal zum Verkauf angeboten werden, kann nicht festgestellt werden. Die Antragsgegnerin hat ihre entsprechende pauschale Behauptung auch auf das ausdrückliche Bestreiten der Antragstellerin hin nicht näher konkretisiert und kein geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Bei der Beurteilung der Gefahr einer Herkunftstäuschung verbleibt es daher dabei, dass es maßgeblich auf den Erinnerungseindruck ankommt und der angesprochene Verbraucher die beiden Produkte in der Erwerbssituation nicht unmittelbar miteinander vergleicht.
55Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass Smoothies wie andere Lebensmittel auch ohne besonders sorgfältiges Studium aller Angaben auf der Produktverpackung gekauft werden, sondern regelmäßig im Vorbeigehen durch einen schnellen Griff in das Regal. Für die Beurteilung der Herkunftstäuschung kann daher in erster Linie auf die Schauseite der Flaschen abgestellt werden.
56Dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher drängt sich beim Betrachten der Vorderseite der Eindruck auf, das angegriffene Produkt stamme von der Antragstellerin, die dieses in Zusammenarbeit mit dem Fernsehkoch Q. I. entwickelt habe, und den neuen XX-Smoothie mit dessen Erlaubnis unter Nutzung des werbewirksamen Namens vertreibe. Als Herstellerkennzeichen wird die Aufschrift „I. N.“ dabei nicht wahrgenommen. Es liegt auf der Hand, dass der Fernsehkoch nicht in eigener Person einen Smoothie produziert und vertreibt. Die Vorstellung, Herr I. sei Hersteller des angegriffenen Produkts, ist noch fernliegender als die Vorstellung, dass ein Handelsunternehmen eine eigene Lebensmittelproduktion betreibt (dass im Lebensmittelbereich die Kennzeichnung mit einer Handelsmarke ungeeignet ist, eine Herkunftstäuschung auszuschließen, ist allgemein anerkannt). Die Aufschrift „I. N.“ wird vielmehr als das verstanden, was sie tatsächlich ist, nämlich als ein Hinweis auf das gemeinschaftliche Projekt des Fernsehkochs mit einer Lebensmittelherstellerin auf der Grundlage einer geschäftsvertraglichen Beziehung. Vor diesem Hintergrund nähert sich die Antragsgegnerin mit ihrer Produktausstattung zu dicht an das Original an. Für die wettbewerbliche Eigenart des Originals prägend ist in erster Linie die Kombination von Flaschenform und Etikettengestaltung (puristischer wortbetonter weißer Keramikdruck). Diese im wettbewerblichen Umfeld einzigartige Kombination weist deutlich auf eine Herkunft aus dem Hause der Antragstellerin hin. Durch die nahezu identische Übernahme der eigens für die Antragstellerin entwickelten Flaschenform in Verbindung mit dem hochwertigen Keramikdruck und der ausschließlich in weißen gehaltenen Beschriftung wird ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher – auch vor dem Hintergrund der regelmäßig aufgelegten Sondereditionen – davon ausgehen, dass die Antragstellerin eine weitere Kooperation mit einer werbewirksamen Größe eingegangen ist und z.B. eine neue Sonderedition mit dem Schwerpunkt regionale Garten-Gemüse/Früchte aufgelegt hat oder mit Hilfe des Fernsehkochs das Sortiment dauerhaft in diese Richtung erweitern möchte. Eine solche Annahme liegt jedenfalls deutlich näher als die Vorstellung, dass das angegriffene Produkt durch die Antragsgegnerin in Kooperation mit dem Fernsehkoch hergestellt wird.
57Soweit eine Herkunftstäuschung ausscheiden kann, wenn die Nachahmung an dem Produkt selbst, in den Angebotsdokumenten oder in der Werbung mit einer vom Originalprodukt abweichenden, deutlich sichtbaren Kennzeichnung versehen ist, ist Voraussetzung hierfür, dass der angesprochene Verkehr die Produkte einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer äußeren Gestaltungsmerkmale, sondern auch anhand der Herstellerangabe zuordnet. Außerdem muss der angesprochene Verkehr die Kennzeichnung der Nachahmung als Hinweis auf einen Hersteller auffassen, der mit dem Hersteller des Originalprodukts nicht in geschäftlichen oder organisatorischen Verbindungen steht (Wille in Büscher, a.a.O., § 4 Nr. 3 Rn. 70, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich wie Lebensmittel in Haushaltspackungen in der äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von einer Fülle ähnlicher Produkte nur wenig unterscheiden, im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bei der Beurteilung der vermeidbaren Herkunftstäuschung im allgemeinen davon auszugehen, dass der Verkehr sich in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe orientiert und die verschiedenen Erzeugnisse nicht ausschließlich nach der äußeren Gestaltung der Ware oder der Verpackung unterscheidet (BGH, Urteil vom 19.10.2000, I ZR 225/98 – Viennetta). Die Bezeichnung „I. N.“ wird vom angesprochenen Verbraucher jedoch gerade nicht als eine Herstellerangabe verstanden, sondern als Hinweis auf eine Kooperation des Smoothie-Herstellers mit dem bekannten Fernsehkoch. Der einzige Hinweis auf die Antragsgegnerin als Herstellerin des Smoothies ergibt sich aus dem relativ kleinen Aufdruck auf der Rückseite der Flasche „Hergestellt für: G. …“, wobei die Formulierung „.. für …“ nicht einmal eindeutig darauf schließen lässt, dass das Produkt von der Antragsgegnerin hergestellt wird. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher wird jedenfalls keine konkreten Vorstellungen davon haben, welche juristische(n) Person(en) überhaupt hinter der Marke „P.“ steht/stehen und wissen, dass die G. tatsächlich in keinen geschäftlichen oder organisatorischen Verbindungen zur Antragstellerin steht. Eine Herstellerangabe, die - wie hier - nur im Zuge der Pflichtangaben erfolgt, ist grundsätzlich ungeeignet, aus einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG herauszuführen.
58Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin fällt das Gesamtdesign der angegriffenen Produktserie nicht so aus dem Rahmen des für die P. - Smoothies Üblichen, dass der angesprochene Verkehr sofort klar erkennen wird, dass das angegriffene Produkt nicht aus dem Haus der Antragstellerin stammt. So steht der Vertrieb eines S.-Smoothies mit Fruchtanteilen keineswegs per se gegen das Marketing-Konzept der Antragstellerin, die u.a. einen Frucht-Smoothie mit Gemüseanteilen anbietet. Dies gilt auch und gerade vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin ihren grünen Smoothie erkennbar scherzhaft früher einmal mit „Gemüsehasser“ beworben hat. Das Etikett des angegriffenen Produkts ist ebenso wie die normale puristische Aufmachung des Produkts der Antragstellerin wortbetont. Die schwarze, floral wirkende Strichzeichnung tritt hinter die weiß hervorgehobenen Worte zurück. Die Bezeichnung „I. N.“ lässt ebenso wie die Produktbeschreibung auf der Rückseite der Flasche
59(„XXX“)
60einen verhaltenen Sprachwitz erkennen, der sich den betont lockeren Sprüchen / Texten der Antragstellerin auf den P. – Flaschen in der Standardausstattung annähert. Ein unverkennbarer Gegensatz zwischen einer biederen Produktausstattung der Antragsgegnerin und einer frechen Produktausstattung der Antragstellerin besteht jedenfalls nicht, zumal der Fernsehkoch I. persönlich weniger für Biederkeit als für flotte Sprüche und lockere Unterhaltung bekannt ist (auch der Titel des von der Antragsgegnerin angeführten „Schnelle Nummer“-Sortiments des Fernsehkochs zeugt von einer gewissen Frechheit). Die Sondereditionen der Antragstellerin beschränken sich entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin nicht auf Parodien bekannter Marken oder Produkte (Senf, Kölsch, Sonnenmilch pp.) mit entsprechenden Pointen. Die Antragstellerin hat bereits Anfang des Jahres 2022 mit dem T. X. kooperiert und dessen Modelabel „U.“ – ohne besondere Pointe und auch nicht sonderlich frech – in einen Smoothie im Zigarettendesign umgesetzt.
61Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass nicht nur eine Flasche angegriffen sei, sondern eine ganze Serie, bestehend aus drei parallel verkauften Smoothies, und rügt, das Landgericht habe nicht geprüft, ob der Verkehr angesichts dieser ganzen Serie davon ausgehe, es handele sich hierbei um eine „Limited Edition“, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Antragstellerin bei der Kooperation mit „L.“ bereits eine Serie mit drei Geschmacksrichtungen als Sonderedition herausgebracht hat.
62Dass die Herstellerangabe für ihre Produkte stets auf den Preisschildern in der maßgeblichen Erwerbssituation angegeben ist, hat die Antragsgegnerin zwar unter Vorlage einiger Beispiele behauptet, jedoch nicht mit geeigneten Mitteln glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat Belege vorgelegt, die die Behauptung der Antragsgegnerin widerlegen. Schließlich unterscheiden sich die Produkte der Beteiligten auch im Preis nicht so deutlich, dass der angesprochene Verbraucher Veranlassung hat, sich in besonderer Weise über die Hersteller zu informieren.
63Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint es schließlich sogar möglich, dass ein Teil der angesprochenen Verbraucher die Flaschen aus der streitbefangenen Serie der Antragsgegnerin in der Vorstellung kaufen wird, eine P. - Sonderedition oder die „Erstausgabe“ einer neuen P. Gartengemüse-Smoothie-Line zu erwerben.
64(2) Die Herkunftstäuschung ist vermeidbar. Das einen deutlichen Abstand zu der Aufmachung der Antragstellerin wahrende Produktumfeld belegt, dass eine abweichende Gestaltung ohne weiteres möglich ist, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Öffnung einer Smoothie-Flasche wegen des dickflüssigen Inhalts relativ groß sein muss und für die Verwendung von entsprechend gestalteten Glasflaschen ein Freihaltebedürfnis besteht. Durch den ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz kann weder eine schlanke, nahezu durchgehend zylindrische Flaschenform mit kurzem Flaschenhals und breiter Öffnung monopolisiert werden, noch die abstrakte Grundidee einer mit Keramikdruck beschrifteten statt mit einer Banderole o.ä. versehenen Glasflasche. Geschützt wird nur das konkrete Leistungsergebnis, die Umsetzung der Grundidee in der wettbewerblich eigenartigen Kombination von Flaschenform und Etikettengestaltung für Smoothies. An dieses schutzfähige Leistungsergebnis hat sich die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu dicht angenähert, obwohl es ihr zumutbar ist, eine Produktausstattung zu wählen, durch die die Gefahr einer Herkunftstäuschung vermieden wird.
65e. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr folgt aus der bereits vorgenommenen Verletzungshandlung.
66III.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
68Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
69Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 100.000,00 €