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Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. Juli 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten E. vom 20. April 1993 wird aufgehoben, soweit darin folgende Kosten geltend gemacht worden sind:
60,- DM für einen Wagen für den Pfarrer
73,- DM für Decke und Kissen
244,- DM für Kapellenbenutzung.
Weiter wird der Leistungsbescheid hinsichtlich der Geltendmachung von 836,- DM für den Sarg und 123,- DM als Pauschale für Erledigung und Besorgung von Formalitäten geändert und aufgehoben, soweit darin Sargkosten, die über die Kosten für einen zur Erdbestattung geeigneten Sarg ohne Auspolsterung und Beschläge hinausgehen, und Kosten für die Terminabsprache mit dem Pastor enthalten sind. Dem Beklagten wird anheimgestellt, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts der Klägerin das Ergebnis der Neubescheidung formlos mitzuteilen und ihr nach Rechtskraft dieses Urteils den Leistungsbescheid mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Der Bruder der Klägerin, N. M. , verstarb am 19. Mai 1992. Die Klägerin lehnte gegenüber dem Polizeipräsidenten E. eine Bestattung des Verstorbenen ab. Daraufhin veranlaßte der Beklagte die Beisetzung des Verstorbenen durch ein Bestattungsunternehmen. In der Rechnung dieses Unternehmens über einen Gesamtbetrag von 1.514,- DM waren neben den Kosten für Einbetten und Ankleiden, ein Hemd und die Überführung auch Kosten für einen Sarg mit Auspolsterung und Beschlägen von 836,- DM, für Decke und Kissen von 73,- DM, eine Pauschale für "Erledigung und Besorgung von Formalitäten" von 123,- DM sowie Kosten von 60,- DM für einen Wagen für den Pfarrer enthalten. Das Garten- und Friedhofsamt des Beklagten erstellte einen Gebührenbescheid über 1.974,- DM, in dem folgende Positionen enthalten waren:
3Erwerb des Nutzungsrechts 890,- DM
4Kapellenbenutzung 244,- DM
5Zellenbenutzung/Sargannahme 220,- DM
6Beisetzung 620,- DM.
7Verfügbarer Nachlaß des Verstorbenen war nicht festzustellen.
8Durch Leistungsbescheid vom 14. Juli 1992 forderte der Beklagte von der Klägerin die Zahlung von 3.488,00 DM für die Kosten der Bestattung. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe die Erbschaft ausgeschlagen und sei nicht verpflichtet, die Kosten für die Bestattung ihres Bruders zu tragen. Den Widerspruch wies der Regierungspräsident E. durch Bescheid vom 20. April 1993 zurück.
9Zur Begründung ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht:
10Sie sei zur Zahlung der Bestattungskosten nicht verpflichtet, da nicht sie, sondern der Beklagte einen privatrechtlichen Bestattungsauftrag erteilt und sie zudem die Erbschaft ausgeschlagen und zu ihrem Bruder keinen Kontakt gehabt habe. Abgesehen davon sei die Bestattung nicht mit dem geringstmöglichen Aufwand durchgeführt worden; insbesondere zu beanstanden sei die Inrechnungstellung der Kosten für den Sarg, Decke und Kissen, den Wagen für den Pfarrer und für die Erledigung von Formalitäten. Schließlich stehe dem Erlaß des auf nordrhein-westfälisches Landesrecht gestützten Leistungsbescheides auch entgegen, daß sie, die Klägerin, nicht in Nordrhein-Westfalen wohne.
11Die Klägerin hat beantragt,
12den Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. Juli 1992 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten E. vom 20. April 1993 aufzuheben.
13Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht E. hat die Klage durch Urteil vom 29. Mai 1995, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
16Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und zusätzlich vorträgt:
17Die ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen bestimme zwar die Bestattungspflichtigen, stelle aber keine Rechtsgrundlage für die Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme dar. Wer die Bestattungskosten zu tragen habe, sei nach dem Zivilrecht zu bestimmen, das eine solche Pflicht nur für Erben und Unterhaltsverpflichtete vorsehe; dazu zähle sie, die Klägerin nicht. Im übrigen seien nur die absolut notwendigen Kosten zu ersetzen. Das seien hier die Kosten für eine Feuerbestattung und Beisetzung in einem anonymen Reihengrab.
18Die Klägerin beantragt,
19das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Dazu trägt er unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor:
23Die Geltendmachung der Bestattungskosten sei der Höhe nach gerechtfertigt. Eine Erdbestattung in einem Einzelgrab sei in E. die günstigste Bestattungsform. Zudem könne eine Einäscherung nicht vorgenommen werden, wenn eine diesbezügliche Willensbekundung des Verstorbenen oder die Einverständniserklärung eines nahen Angehörigen - wie hier - nicht vorlägen. Die Pauschale von 123,- DM werde in Rechnung gestellt für die Terminabsprache mit dem Friedhof, Mitteilung an das Standesamt, Einholung der Sterbeurkunde als Voraussetzung für die Bestattung, Information an Angehörige, Nachbarn und Freunde sowie - bei Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft - Terminabsprache mit dem Pastor. Bei der Kostenstelle "Wagen für den Pfarrer" handele es sich um einen pauschalierten Kostenbetrag, der durch den Bestatter an den Pfarrer ausgezahlt werde.
24Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
25Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
26Entscheidungsgründe:
27Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Der angefochtene Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. Juli 1992 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben bzw. zu ändern. Im übrigen ist der Leistungsbescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
28Der Beklagte durfte dem Grunde nach von der Klägerin die notwendigen Kosten für die Bestattung ihres verstorbenen Bruders im Wege des Erlasses eines Leistungsbescheides fordern.
29Rechtsgrundlage für den die Bestattungskosten des Bruders der Klägerin von ihr fordernden Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. Juli 1992 ist § 77 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen - VwVG -, wonach für Amtshandlungen nach diesem Gesetz nach näherer Bestimmung einer Kostenordnung von dem Vollstreckungsschuldner oder dem Pflichtigen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben werden. Zu den Auslagen gehören gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz - KostO NW - Beträge, die u. a. bei der Ersatzvornahme an Beauftragte oder Hilfspersonen zu zahlen sind, sowie Kosten, die der Vollzugsbehörde durch die Ersatzvornahme entstehen.
30Der Beklagte hat - als Ordnungs- und Vollzugsbehörde - die Bestattung des verstorbenen Bruders der Klägerin, N. M. , auch im Wege der Ersatzvornahme durch einen Bestatter ausführen lassen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von §§ 55 Abs. 2, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 3, 64 Satz 2 VwVG für die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzugs lagen vor, da die Klägerin als Schwester des Verstorbenen entgegen § 2 Abs. 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Leichenwesen vom 7. August 1980 (GV NW S. 756), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. November 1984 (GV NW S. 670) - VOL - dessen Bestattung nicht besorgt hat und die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr - vgl. § 4 VOL - notwendig war.
31Die zivilrechtlichen Regelungen darüber, wer die Kosten der Beerdigung zu tragen hat, (vgl. etwa §§ 1968, 1615 Abs. 2 BGB) stehen der Heranziehung der Klägerin im Hinblick auf ihre Ausschlagung der Erbschaft und des Fehlens eines Unterhaltsanspruchs des Verstorbenen ihr gegenüber nicht entgegen. Diese Bestimmungen haben unmittelbare Wirkung nur für das Innenverhältnis zwischen den in Frage kommenden Personen, nicht aber für die öffentlich-rechtliche Abwicklung der Ersatzvornahme.
32Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NW), Beschluß vom 19. April 1994 - 19 A 2644/92 - und Urteil vom 10. Mai 1996 - 19 A 4829/95 -.
33Die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, ist nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Beerdigungskosten zu tragen. Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Kostentragungspflicht enthalten keine rechtliche Vorgabe für den Kreis der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflichtigen.
34Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluß vom 19. August 1994 - 1 B 149.94 - NVwZ-RR 1995, 283 und OVG NW aaO.
35Die Ausschlagung der Erbschaft durch die Klägerin und das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs ihres Bruders ihr gegenüber machen ihre Inanspruchnahme entgegen ihrer Ansicht auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft.
36Für die Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme als Auslagen im Sinne von § 77 Abs. 1 VwVG iVm § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KostO NW gilt die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 KostO NW, wonach diese Auslagen vom Vollstreckungsschuldner oder vom Pflichtigen zu erstatten "sind" und der Vollstreckungsbehörde bei der Anforderung solcher Auslagen - grundsätzlich - kein Ermessen eingeräumt ist.
37Eine Ausnahme von der Pflicht zur Erhebung der Kosten ist jedoch in § 14 Abs. 2 KostO NW vorgesehen, wonach die Vollstreckungs- oder Vollzugsbehörde von der Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen u. a. dann ganz oder teilweise absehen kann, wenn nach Begleichung der Hauptschuld die Beitreibung der Kosten für den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde. Das ist bei der Klägerin jedoch nicht der Fall mit der Folge, daß der Beklagte das ihm durch § 14 Abs. 2 KostO NW eingeräumte Ermessen nicht auszuüben brauchte. Nach den von der Klägerin bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides geltend gemachten Gründen ist eine unbillige Härte ihrer Inanspruchnahme nicht festzustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie lediglich geltend gemacht, daß sie die Erbschaft ausgeschlagen habe. Dies hat jedoch, wie bereits ausgeführt, keine Auswirkungen auf die öffentlich- rechtliche Pflicht zur Tragung der Kosten der Bestattung im Wege der Ersatzvornahme. Da die Bestattungspflicht in § 2 Abs. 1 VOL und damit die Bestattungskostentragungspflicht als öffentlich-rechtliche Verpflichtung lediglich auf den Status als Angehöriger abstellt und daher gerade unabhängig von der Nähe der persönlichen Verbundenheit mit dem Verstorbenen und einer Unterhaltspflicht ihm gegenüber ist, kann auch aus dem bei den heutigen Lebensverhältnissen vielfach anzutreffenden Fehlen einer solchen Verbundenheit unter Angehörigen eine unbillige Härte der Bestattungskostentragungspflicht nicht hergeleitet werden.
38Der Rechtmäßigkeit des auf nordrhein-westfälischen Landesrecht beruhenden Leistungsbescheides steht auch nicht der Umstand entgegen, daß die Klägerin nicht in Nordrhein- Westfalen wohnt. Der Anspruch des Beklagten als Vollstreckungsbehörde auf Ersatz ihrer Auslagen in Form der Kosten der Ersatzvornahme, der durch § 77 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 11 Abs. 2 KostO NW begründet wird, beschränkt sich nicht auf Vollstreckungsschuldner oder Pflichtige, die in Nordrhein- Westfalen wohnhaft sind. Eine solche Beschränkung gilt auch nicht für die durch § 2 Abs. 1 VOL begründete Bestattungspflicht. Eine Beschränkung der Landesstaatsgewalt auf das Landesgebiet kann aus dem Grundgesetz insbesondere für den Fall nicht entnommen werden, daß es - wie hier - nicht darum geht, die Geltung landesrechtlicher Vorschriften - in einer die Staatsgewalt anderer Bundesländer beeinträchtigenden Weise - über die Landesgrenzen hinaus zu erstrecken, sondern lediglich um die Möglichkeit, auf den Landesbereich beschränkte Vorschriften wirksam zu vollziehen.
39BVerwG, Urteil vom 5. November 1965 - VII C 119/64 -, NJW 1966, 1282 (1284) und Urteil vom 19. Mai 1988 - 7 C 37/87 -, NJW 1988, 1924 (1925).
40Ein im Landesbereich wurzelnder Regelungsgegenstand, der für Vollzug und Verwirklichung Auswirkungen, die die Landesgrenzen überschreiten, durchaus entfalten kann,
41vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1988 aaO.,
42ist hier für die Klägerin dadurch gegeben, daß der ihre Bestattungspflicht auslösende Tod ihres Bruders in Nordrhein- Westfalen eingetreten ist und sie daher Handlungen zur Erfüllung ihrer Bestattungspflicht in Nordrhein-Westfalen bewirken mußte.
43Von der Berechtigung des Beklagten zum Erlaß des die Kostentragungspflicht der Klägerin begründenden Leistungsbescheides ist die Frage zu unterscheiden, ob der Beklagte auch die Kompetenz hätte, die durch den Leistungsbescheid begründete Geldforderung von der Klägerin - etwa im Wege der Pfändung gemäß § 40 VwVG - beizutreiben.
44Vgl. dazu der von der Klägerin zitierte Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. August 1985 - 16 K 3232/84 - NVwZ 1986, 861 f.
45Diese Frage kann im vorliegenden Verfahren, in dem allein der die Forderung begründende Leistungsbescheid vom 14. Juli 1992, nicht aber eine Maßnahme zu seiner Vollstreckung im Streit steht, offenbleiben.
46Der nach alledem zu Recht gegenüber der Klägerin erlassene Leistungsbescheid vom 14. Juli 1992 ist jedoch der Höhe nach teilweise rechtswidrig.
47Dieser Bescheid ist in Höhe eines Betrages von 377,- DM rechtswidrig und gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. In diesen Umfang ist die Erhebung von Auslagen als Kosten der Ersatzvornahme durch § 14 Abs. 1 KostO NW ausgeschlossen, wonach Kosten, die durch unrichtige Behandlung der Sache entstanden sind, nicht erhoben werden.
48Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 14 Abs. 1 KostO NW, die zur Verursachung der in dem Leistungsbescheid geltend gemachten Kosten geführt hat, liegt dann vor, wenn der Beklagte bei der Durchsetzung der ordnungsbehördlichen Bestattungspflicht mit dem Zwangsmittel der Ersatzvornahme offensichtlich gegen den in § 58 Abs. 1 Satz 2 VwVG und § 15 Abs. 1 OBG normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, wonach von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen bei der Zwangsmittelanwendung diejenige zu bestimmen ist, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt.
49Ein solcher Verstoß des Beklagten liegt hier vor, soweit der in Rechnung gestellte Betrag über die notwendigen Mindestkosten der Bestattung hinausgeht.
50Angesichts dessen, daß die Klägerin nicht bestattungswillig war, erscheint es unangemessen und unverhältnismäßig, den für eine den rechtlichen Vorschriften genügende Bestattung nicht notwendigen Aufwand als Kosten der Ersatzvornahme der nicht bestattungswilligen Klägerin aufzubürden.
51Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung
52vgl. Beschluß vom 29. August 1995 - 19 E 617/95 -, Beschluß vom 4. März 1996 - 19 A 194/96 - und Urteil vom 10. Mai 1996 aaO.
53unabhängig davon, ob der Aufwand zu den im Sinne von § 15 BSHG "erforderlichen" Kosten einer Bestattung zählt, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und der Nähe der Beziehung des Anspruchsberechtigten zum Verstorbenen zu bemessen sind.
54Vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG-Kommentar, § 15 Rdnr. 7 m.w.N.; Knopp/Fichtner, BSHG-Kommentar, 6. Aufl., § 15 Rdnr. 3.
55In diesem Sinne "erforderlich" mag auch ein den Wünschen beisetzungswilliger, ihre Bestattungspflicht anerkennender, aber nicht kostentragungsfähiger Angehöriger entsprechender Aufwand sein, der letztlich von der Sozialhilfe getragen wird, wohingegen im Falle einer Bestattung im Wege der Ersatzvornahme beisetzungswillige Angehörige, die ihre Bestattungspflicht anerkennen, gerade nicht vorhanden sind und ihnen daher nur ein notwendiger Mindestaufwand in Rechnung gestellt werden kann, der sie kostenmäßig "am wenigsten beeinträchtigt" (vgl. § 15 Abs. 1 OBG, § 58 Abs. 1 Satz 2 VwVG). Daß der notwendige, den Bestattungspflichtigen kostenmäßig am wenigsten beeinträchtigtende Mindestaufwand nicht mit dem Begriff "erforderliche Kosten der Bestattung" übereinstimmt, ergibt sich bereits daraus, daß § 15 BSHG gegenüber der bis dahin geltenden Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. Dezember 1924 (RGBl 1924 I S. 765), wonach der Bestattungsaufwand "nötigenfalls" aus Fürsorgemitteln zu bestreiten war und sich daher auf den notwendigen Mindestaufwand für ein einfaches Begräbnis ohne Beerdigungsfeierlichkeiten beschränkte,
56vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1959 - V C 316.58 -, DVBl. 1960, 246 f.,
57eine erweiternde Regelung darstellt.
58Vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, aaO., § 15 Rdnr. 1; Schellhorn/Jirasek/ Seipp, BSHG-Kommentar, 12. Aufl., § 15 Rdnr. 2.
59Über den notwendigen Mindestaufwand für ein einfaches Begräbnis ohne Beerdigungsfeierlichkeiten gehen hier zunächst folgende in dem Leistungsbescheid für kirchliche Beerdigungsfeierlichkeiten geltend gemachte Positionen hinaus:
6060,- DM für den Wagen für den Pfarrer (aus der Bestatterrechnung)
61244,- DM für die Kapellenbenutzung (aus dem Friedhofsgebührenbescheid).
62Ein einfaches Begräbnis mit einem Mindestaufwand ohne Beerdigungsfeierlichkeiten verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze,
63vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1959 aaO.; OVG NW, Beschluß vom 4. März 1996 aaO. und Urteil vom 10. Mai 1996 aaO.
64Durch die Nichtveranlassung religiöser Beerdigungsfeierlichkeiten seitens der die Ersatzvornahme anordnenden Ordnungsbehörde werden derartige Aufwendungen nicht verhindert und damit weder die Religionsfreiheit noch die Gebote der Frömmigkeit und Ehrfurcht verletzt. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 1959 aaO. zufolge bleibt es vielmehr den Angehörigen oder der Religionsgemeinschaft des Verstorbenen überlassen, religiöse Beerdigungsfeierlichkeiten, die sie für erforderlich halten, ohne behördliche Beauftragung auf eigene Kosten durchzuführen. Insofern gibt es einen Konflikt weder mit den Religionsgemeinschaften, die an der Ausübung religiöser Handlungen nicht gehindert werden, noch mit den - nicht bestattungs- und kostentragungswilligen - Angehörigen. Hier kommt hinzu, daß sich aus den Akten des Beklagten nicht ergibt, daß der Verstorbene oder seine Angehörigen eine religiöse Bestattung gewünscht haben.
65Da es Rechtsvorschriften, die den Aufwand für religiöse Beerdigungsfeierlichkeiten als notwendig bezeichnen, nicht gibt und die Klägerin, wenn sie die Bestattung des Verstorbenen pflichtgemäß durchgeführt hätte, nicht gehindert gewesen wäre, ein Begräbnis ohne diesen Aufwand zu veranlassen, war auch der Beklagte daran nicht gehindert. Sind die Angehörigen nicht bestattungswillig, so kann die Ordnungs- und Vollstreckungsbehörde von ihnen keine Kosten für eine Bestattung im Wege der Ersatzvornahme fordern, die über den notwendigen Mindestaufwand für eine den Rechtsvorschriften genügende Bestattung hinausgehen.
66Über diesen notwendigen Mindestaufwand geht weiter folgende in dem Leistungsbescheid geltend gemachte Position hinaus:
6773,- DM für Decke und Kissen (aus der Bestatterrechnung), die für eine Erdbestattung nicht unbedingt erforderlich erscheinen.
68Daß durch die Entscheidung des Beklagten für eine Erdbestattung anstelle einer Feuerbestattung weitere Kosten entstanden wären, die über den notwendigen Mindestaufwand hinausgehen und der Klägerin nicht in Rechnung gestellt werden dürften, ist hier nicht festzustellen.
69§ 2 Abs. 5 des in Nordrhein-Westfalen noch geltenden Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (RGBl I S. 380) - GFG - hätten zwar einer Entscheidung des Beklagten für die Feuerbestattung nicht entgegengestanden. Die Bestattungsart richtet sich gemäß § 2 Abs. 1 GFB nach dem Willen des Verstorbenen oder, wenn dessen Wille nicht bekundet ist, nach der Bestimmung seiner Angehörigen (§ 2 Abs. 2 GFB). Wenn - wie hier - weder eine Willensbekundung des Verstorbenen noch eine Willensbekundung von Angehörigen über die Bestattungsart vorliegt, ist die Ordnungsbehörde bei der Bestattung im Wege der Ersatzvornahme hinsichtlich der Bestattungsart nicht gebunden. Ein Fall des genehmigungsbedürftigen, nur in Übereinstimmung mit dem bekundeten Willen des Verstorbenen zu stellenden Antrags eines Dritten (§ 2 Abs. 5 GFB) liegt nicht vor, wenn - wie hier - die Ordnungsbehörde anstelle von bestattungspflichtigen Angehörigen im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung ausführt bzw. in Auftrag gibt. Durch die Weigerung, ihrer Bestattungspflicht nachzukommen, verzichten die bestattungspflichtigen Angehörigen auf ihr Recht, die Bestattungsart zu bestimmen und zwischen der Feuerbestattung und der Erdbestattung zu wählen, die einander gemäß § 1 GFB grundsätzlich gleichgestellt sind. Mit der Ersatzvornahme "ersetzt" die Ordnungsbehörde das pflichtwidrig unterlassene Handeln des Pflichtigen - und damit hier die Wahl der Bestattungsart - durch eigenes Handeln und tut damit etwas, was einer Auftragserteilung (bzw. hier einer Antragstellung) im Namen des Pflichtigen entspricht.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1984 - 4 C 31.81 -, DVBl. 1984, 1172 = Buchholz 345 § 10 VwVG Nr. 4; OVG NW, Beschluß vom 2. Februar 1996 aaO. und Urteil vom 10. Mai 1996 aaO.
71Hinzu kommt, daß die Ordnungsbehörde die gemäß § 3 Abs. 1 GFB vorgesehene Genehmigung der Polizeibehörde von dieser in Form der Vollzugshilfe zur Durchsetzung der ihr obliegenden Maßnahme gemäß § 47 Abs. 1 des Polizeigesetzes fordern kann, sofern die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 - 3 GFB bezeichneten Urkunden vorliegen, die im vorliegenden Fall ohne Zweifel hätten beschafft werden können.
72In der Stadt E. war jedoch zur Zeit der Beisetzung des Verstorbenen die Feuerbestattung nicht kostengünstiger als die Erdbestattung. Zwar wären gemäß Tz. 2.24 des zur Zeit der Bestattung gültigen Gebührentarifs zur Gebührensatzung für die Friedhöfe der Landeshauptstadt E. vom 20. September 1991 für die Urnenbeisetzung nur 245,- DM und damit 375,- DM weniger als die in Tz. 2.21 für die Sargbeisetzung in eine Einzelgrabstätte vorgesehenen 620,- DM angefallen. Zusätzlich entstanden wären jedoch die Einäscherungskosten einschließlich der Kosten für die Urne von 675,- DM (Tz. 3.12), die Kosten für die Überführung der Urne vom Krematorium des Friedhofs T. zur Beisetzung auf einem anderen städtischen Friedhof in Höhe von 55,- DM (Tz. 3.23) sowie 100,- DM, um die die Kosten für den Erwerb einer Urneneinzelgrabstätte von 990,- DM (Tz. 1.13) die Kosten für den Erwerb des Nutzungsrechts an einer Einzelgrabstätte für die Erdbestattung von 890,- DM (Tz. 1.12.1) übersteigen. Die vorstehend bezeichneten Kostenpositionen für die Feuerbestattung von 1.965,- DM übersteigen die entsprechenden Positionen für die Erdbestattung von 1.510,- DM erheblich.
73Zu der - mit Friedhofsgebühren von insgesamt 1.183,- DM kostengünstigsten - Bestattung des Verstorbenen in einem anonymen Urnengrabfeld war der Beklagte entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verpflichtet. Gemäß § 16 Abs. 5 der Satzung für die Friedhöfe der Landeshauptstadt E. vom 8. Mai 1989 ist die Bestattung einer Urne in einer als Rasenfläche angelegten anonymen Urnengrabstätte nur dann zulässig, wenn die anonyme Bestattung dem Willen des Verstorbenen entspricht. Daß der Verstorbene den Willen geäußert habe, anonym bestattet zu werden, und daß diese Willensäußerung dem Beklagten zur Kenntnis gelangt sei, hat die Klägerin nicht dargetan.
74Der Leistungsbescheid vom 14. Juli 1992 ist über den vorstehend erläuterten Betrag von 377,- DM hinaus in Höhe eines weiteren rechtswidrig in Rechnung gestellten Betrages zu ändern und aufzuheben, dessen Ermittlung dem Gericht nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht möglich ist und einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern würde. Daher macht der Senat von der durch § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Änderung des Leistungsbescheides insoweit durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten rechtlichen Verhältnisse so zu bestimmen, daß der Beklagte den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann.
75Aufzuheben und einer Neuberechnung durch den Beklagten anheimzustellen sind die folgenden - eine Gesamtsumme von 959,- DM ausmachenden - in den Leistungsbescheid eingegangenen Positionen:
76836,- DM für einen Sarg mit Auspolsterung und Beschlägen (aus der Bestatterrechnung)
77123,- DM für Erledigung und Besorgung von Formalitäten (aus der Bestatterrechnung).
78Rechtswidrig ist die Inrechnungstellung von Kosten, die über die Kosten für einen zur Erdbestattung geeigneten Sarg ohne - der Schaffung eines gefälligen Eindrucks dienende und funktionslose - Auspolsterung und Beschläge (im Unterschied zu notwendigen Griffen) hinausgehen.
79Zu den mit einer Pauschale von 123,- DM in Rechnung gestellten, vom Bestatter getätigten "Erledigungen und Besorgung von Formalitäten" zählt den Angaben des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 11. September 1995 zufolge u. a. die Terminabsprache mit dem Pastor. Die Kosten für die Veranlassung religiöser Beerdigungsfeierlichkeiten - hier für die Absprachen mit dem Pastor - zählen, soweit sie über die Kosten einer Benachrichtigung des Pastors hinausgehen, die diesem Gelegenheit gibt, von sich aus religiöse Handlungen (auf Kosten der Religionsgemeinschaft des Verstorbenen) zu veranlassen, wie oben bereits ausgeführt, nicht zu den dem Bestattungspflichtigen in Rechnung zu stellenden Kosten für ein einfaches Begräbnis. Insoweit wird eine Ermittlung der einzelnen tatsächlich angefallenen Kosten für die im vorliegenden Fall konkret erfolgte Erledigung und Besorgung von Formalitäten" erforderlich sein, die gegebenenfalls ergeben kann, daß die Pauschale um weitere tatsächlich gar nicht angefallene Kosten zu kürzen ist. Insoweit fällt auf, daß die Pauschale von 123,- DM im Vergleich zu anderen Pauschalen für die bei Ausführung eines Auftrags entstandenen Post- und Fernmeldegebühren (z. B. 40,- DM in § 26 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte) recht hoch angesetzt ist.
80Dem Beklagten wird gemäß § 113 Abs. 2 Satz 3 VwGO anheimgestellt, der Klägerin das unter Beachtung der vorstehend dargestellten Rechtsauffassung des Senats gefundene Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen und ihr nach Rechtskraft dieses Urteils den Leistungsbescheid mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
81Zu diesem "eigentümlichen" Verfahren und zur Tenorierung vgl. Redeker-von Oertzen, VwGO-Kommentar, 11. Aufl. § 113 Rdn. 11, 13.
82Über den vorstehend bezeichneten Umfang der Aufhebung bzw. Änderung des Leistungsbescheides hinaus ist dieser rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Soweit die Klägerin eine weitergehende Aufhebung des Leistungsbescheides begehrt, ist ihre Berufung unbegründet. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der übrigen von der dem Grunde nach zahlungspflichtigen Klägerin geforderten Bestattungskosten sind nicht ersichtlich. Die der Klägerin in Rechnung gestellten Friedhofsgebühren, soweit ihre Geltendmachung nicht vorstehend aufgehoben worden ist, ergeben sich der Höhe nach aus dem bereits erwähnten Gebührentarif zur Gebührensatzung für die Friedhöfe der Landeshauptstadt E. und wären auch ohne die Ersatzvornahme von der bestattungspflichtigen Klägerin zu entrichten gewesen.
83Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Für die Berechnung des Maßes des Obsiegens der Klägerin erscheint es gerechtfertigt, zu dem aufgehobenen Betrag von 377,- DM mangels einer genaueren Bezifferbarkeit die Hälfte des Betrages von 959,- DM, der der Neuberechnung unterliegt, also 479,50 DM hinzuzurechnen. Bei dem so errechneten Betrag von 856,50 DM handelt es sich etwa um 1/4 des durch den angefochtenen Leistungbescheid geforderten Betrages von 3.488,00 DM.
84Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
85Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
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