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Das angefochtene Urteil wird geändert:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin mit ihrem Grundstück X. 25 in X. hinsichtlich des Niederschlagswassers nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang nach der Entwässerungssatzung der Beklagten zu 1. unterliegt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Beklagte zu 1.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin betreibt seit 1980 auf einer Vielzahl von Flurstücken unter der Anschrift X. 25 ihr Zentrallager. Das Grundstück ist an die öffentliche Abwasseranlage der Beklagten zu 1. angeschlossen. Es wird im Trennsystem entwässert. Das Niederschlagswasser wird in den öffentlichen Regenwasserkanal eingeleitet, der nach Passieren eines Rückhaltebeckens etwa 230 m vom Grundstück der Klägerin entfernt in den Reitbach mündet, der seinerseits in die M. fließt. Mit Wirkung für das Jahr 1997 veränderte die Beklagte zu 1. ihre Entwässerungsgebührenregelung, indem sie eine von der befestigten Fläche abhängige Niederschlagswassergebühr einführte. Daraufhin erhöhte sich die Entwässerungsgebührenbelastung der Klägerin deutlich um das Fünf- bis Zehnfache auf über 200.000,-- DM jährlich. Unter dem 11. September 1998 beantragte die Klägerin beim Beklagten zu 2., sie nach § 9 Abs. 6 der seinerzeit geltenden Entwässerungssatzung hinsichtlich des Niederschlagswassers vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien. Sie führte aus, dass sie beabsichtige, nach Erstellung der notwendigen Entwässerungseinrichtungen, insbesondere eines Regenrückhaltebeckens, das Niederschlagswasser in den südwestlich am Grundstück vorbeilaufenden H. bach, der in die M. münde, einzuleiten. Die Untere Wasserbehörde habe die erforderliche wasserrechtliche Genehmigung dazu in Aussicht gestellt. Den Befreiungsantrag lehnte der Beklagte zu 2. mit Bescheid vom 3. Februar 1999 ab und führte zur Begründung aus: Ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang sei nach der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Entwässerungssatzung der Beklagten zu 1. nicht gegeben. Die Ausnahmen vom Grundsatz des Anschluss- und Benutzungszwanges nach § 9 Abs. 5 dieser Satzung lägen nicht vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte zu 2. mit Bescheid vom 1. Juni 1999 zurück.
3Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Befreiungsbegehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen: Die Tatsache, dass die geltende Entwässerungssatzung keine Befreiungsmöglichkeit vom Anschluss- und Benutzungszwang vorsehe, verstoße gegen das Landeswassergesetz. Danach solle Niederschlagswasser dem natürlichen Wasserkreislauf zugeführt werden. Dieser Intention widerspreche die Nichtgewährung einer Befreiungsmöglichkeit nach der Entwässerungssatzung. Soweit sich der Beklagte zu 2. darauf berufe, dass für die Stichtagsregelung des § 51a des Landeswassergesetzes zur Pflicht des Grundstückseigentümers zu ortsnaher Niederschlagswasserbeseitigung Gründe der Refinanzierung getätigter Abwasseranlageninvestitionen der Gemeinden maßgeblich seien, sei dies unzutreffend. Die Stichtagsregelung habe vor allem dem Zweck gedient, eine Rückwirkung der Abwasserbeseitigungspflicht der Grundstückseigentümer für Grundstücke, die bereits an eine öffentliche Abwasseranlage angeschlossen seien, zu vermeiden. Daraus ergebe sich, dass § 51a des Landeswassergesetzes einer freiwilligen Entsorgung des Niederschlagswassers durch die Grundstückseigentümer nicht entgegenstehe. Die Entwässerungsabsicht der Klägerin stehe somit dem Landeswassergesetz nicht entgegen, sodass die Entwässerungssatzung eine Befreiungsmöglichkeit einräumen müsse. Im Übrigen stehe die fehlende Befreiungsmöglichkeit in der Entwässerungssatzung der Gebührensatzungsregelung entgegen, dass für die Gebührenpflicht hinsichtlich des Niederschlagswassers Flächen ausgenommen seien, auf denen der Niederschlag versickere. Daraus ergebe sich, dass die Beklagte zu 1. selber ein mögliches fiskalisches Interesse zu Gunsten einer Versickerungsmöglichkeit zurückgestellt habe. Im Übrigen sei der Beklagte zu 2. jedenfalls zur Neubescheidung verpflichtet, wenn ihm bezüglich einer Befreiungsmöglichkeit ein Ermessen eingeräumt sei. Er sei nämlich in dem Bescheid von einer Rechtsbindung ausgegangen, den Antrag ablehnen zu müssen.
4Die Klägerin hat beantragt,
5den Beklagten zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 1999 zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich des Grundstücks X. 25 in X. von dem Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser zu befreien.
6Der Beklagte zu 2. hat beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Er hat vorgetragen: Der Ausschluss einer Befreiungsmöglichkeit nach der Entwässerungssatzung sei mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Landeswassergesetz vereinbar. Sollte die Klägerin vom Anschluss- und Benutzungszwang befreit werden, wäre die Refinanzierung der getätigten Investitionen in die Abwasseranlage hinsichtlich des Niederschlagswassers gefährdet, sodass negative Auswirkungen auf das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 7 des Wasserhaushaltsgesetzes zu befürchten seien. Im Übrigen sei selbst nach der Entwässerungssatzung von 1991 eine Ablehnung des Antrags auf Befreiung möglich gewesen, da kein begründetes Interesse an einer anderweitigen Beseitigung des Niederschlagswassers durch die Klägerin bestehe. Sie habe ein ausschließlich wirtschaftliches Interesse, von der Gebührenpflicht befreit zu werden. Darüber hinaus strebe sie keine anderweitige Beseitigung des Niederschlagswassers, sondern eine Beseitigung in gleicher Weise an, nämlich die Einleitung in einen Vorfluter nach Durchleitung über ein Regenrückhaltebecken.
9Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
10Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin, mit der sie vorträgt: Die satzungsrechtliche Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs für Niederschlagswasser finde schon keine Ermächtigung in der Gemeindeordnung oder dem Landeswassergesetz und sei daher nichtig. Ihr Fall weise gegenüber sonstigen zu entwässernden Grundstücken die Besonderheiten auf, dass sie auf der einen Seite ihr Grundstück nicht, wie es nach der Entwässerungsgebührensatzung zur Minderung der Gebührenbelastung möglich sei, entsiegeln könne, da das Grundstück ständig von Lastkraftwagen angefahren werde und daher asphaltiert sein müsse. Auf der anderen Seite bestehe bei ihr die Möglichkeit, das Niederschlagswasser unmittelbar in den H. bach einzuleiten, also eine der öffentlichen Entwässerung vergleichbare Entwässerung vorzunehmen. Zu Unrecht gehe der Beklagte zu 2. davon aus, dass er wegen der wasserrechtlichen Abwasserbeseitigungspflicht gehindert sei, eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang einzuräumen. Das Landeswassergesetz statuiere nur eine Pflicht der Gemeinde, ihr überlassenes Niederschlagswasser zu entsorgen. Eine Überlassungspflicht des Grundstückseigentümers bestehe jedoch - etwa im Unterschied zum Kreislauf- und Abfallwirtschaftsgesetz - nicht. Auch § 51a des Landeswassergesetzes schließe eine Beseitigung des Niederschlagswassers durch die Grundstückseigentümer nicht aus. Die dort geregelte Stichtagsregelung führe dazu, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die Grundstückseigentümer das Niederschlagswasser selbst zu beseitigen hätten, für den Zeitraum davor treffe das Landeswassergesetz keine Regelung in dem Sinne, dass eine Niederschlagswasserbeseitigung durch den Grundstückseigentümer nicht zulässig sei. Daher sei die Einräumung einer Befreiungsmöglichkeit zulässig. Dem entspreche auch § 3 Abs. 3 der Gebührensatzung, der für den Fall der Versickerung oder ähnlicher Beseitigung des Niederschlagswassers die Gebührenpflicht entfallen lasse. Die Regelung wäre widersprüchlich, wenn ein Anschluss- und Benutzungszwang bestünde.
11Die Klägerin beantragt,
12dass angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass sie, die Klägerin, mit ihrem Grundstück X. 25 in X. hinsichtlich des Niederschlagswassers nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang nach der Entwässerungssatzung der Stadt X. unterliegt,
13hilfsweise,
14den Beklagten zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 1999 zu verpflichten, sie, die Klägerin, hinsichtlich des Grundstücks X. 25 in X. von dem Anschluss- und Benutzungszwang nach der Entwässerungssatzung der Stadt X. für Niederschlagswasser zu befreien.
15Die Beklagten beantragen,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Sie tragen vor: Der Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser rechtfertige sich aus § 9 der Gemeindeordnung, der dafür lediglich ein öffentliches Bedürfnis verlange. Ein solches liege in der Gebührenstabilität auf Grund des Solidargedankens und der Berechenbarkeit der Abwasserplanung. Auch Gründe der Volksgesundheit sprächen für einen Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser, da insbesondere auf gewerblich genutzten Grundstücken anfallendes Niederschlagswasser häufig verschmutzt sei und einer Behandlung bedürfe, um in ein Gewässer eingeleitet werden zu können. Darüber hinaus diene es der Volksgesundheit, dass im Sinne einer wasserwirtschaftlichen Vorsorgestrategie eine Vielzahl punktueller Einleitungen durch eine zentrale gemeindliche Einleitung unterbunden werde. Die Gemeinden hätten das anfallende Abwasser zu beseitigen, daraus ergebe sich eine Pflicht, einen Anschluss- und Benutzungszwang zu statuieren. Die Gesetzgebungsgeschichte des § 51a des Landeswassergesetzes spreche für eine solche Festschreibung des Anschluss- und Benutzungszwangs ohne Befreiungsmöglichkeit. Die Vorschrift habe den § 51 Abs. 2 Nr. 3 des Landeswassergesetzes in alter Fassung abgelöst, der eine Ausnahme von der Abwasserbeseitigungspflicht für Niederschlagswasser vorgesehen habe, das auf überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebieten anfalle und ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit versickert, verregnet, verrieselt oder in ein Gewässer eingeleitet werden könne. Auch die Ausnahmetatbestände von der Beseitigungspflicht des Grundstückseigentümers nach § 51a Abs. 4 des Landeswassergesetzes seien nicht durchsetzbar, wenn es eine Anschluss- und Benutzungspflicht nicht gäbe. Die Stichtagsregelung bezwecke, wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe, eine Gebührenstabilität sicherzustellen. Ein Widerspruch zur Entwässerungsgebührensatzung bestehe nicht, da die dortige Regelung über die Nichtberücksichtigung von Flächen, auf denen das Niederschlagswasser versickere, ausschließlich eine Regelung über den Gebührenmaßstab sei.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Berufung ist begründet, weil die zulässige Klage begründet ist.
21Die in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vorgenommene Klageänderung von einem Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zu einem - gegen den Rechtsträger, also die Beklagte zu 1., gerichteten - Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens eines Anschluss- und Benutzungszwangs und einem nur hilfsweise verfolgten - gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 5 Abs. 2 Satz 1 des nordrhein- westfälischen Ausführungsgesetzes zur VwGO gegen den Beklagten zu 2. als Behörde der Beklagten zu 1. gerichteten - Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich und damit zulässig. Mit dem geänderten Klageantrag wird der Kern des Rechtsstreites weiter verfolgt, nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang unterlegen zu sein, nunmehr jedoch auch in der Weise, dass bereits eine wirksame satzungsrechtliche Regelung des Anschluss- und Benutzungszwanges in Abrede gestellt wird. Das Feststellungsinteresse gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ergibt sich daraus, dass sich der Beklagte noch in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung berühmt, die Klägerin unterliege dem streitigen Anschluss- und Benutzungszwang.
22Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die Klägerin unterliegt mit den Flurstücken, aus denen das Grundstück ihres Zentrallagers X. 25 besteht, nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Abwasseranlage für das Niederschlagswasser. Zwar schreibt § 9 Abs. 1, 2 und 5 Satz 1 der Satzung zur Entwässerung der Grundstücke und deren Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage - Entwässerungssatzung - der Stadt X. vom 14. Oktober 1998 in der Fassung der Satzung vom 28. Dezember 2001 (EWS) einen solchen Anschluss- und Benutzungszwang vor. Diese Regelung erweist sich jedoch, soweit sie einen Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser in eine im Trennsystem betriebene öffentliche Abwasseranlage anordnet, als mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und daher nichtig.
23Nach § 9 Abs. 1 und 2 EWS ist jeder Grundstückseigentümer vorbehaltlich der Einschränkungen nach der Entwässerungssatzung verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, sobald Abwasser auf dem Grundstück anfällt, und das gesamte auf dem Grundstück anfallende Abwasser in die öffentliche Abwasseranlage einzuleiten. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EWS besteht der Anschluss- und Benutzungszwang auch für das Niederschlagswasser.
24Ausnahmetatbestände von diesem so begründeten Anschluss- und Benutzungszwang greifen nicht ein: Nach §§ 9 Abs. 5 Satz 2, 5 Abs. 2 EWS besteht der Zwang nicht für Grundstücke, bei denen die Pflicht zu Beseitigung des Niederschlagswassers gemäß § 51a Abs. 2 Satz 1 des Landeswassergesetzes (LWG) dem Nutzungsberechtigten des Grundstücks obliegt. Das ist hier nicht der Fall. Nach dieser wasserrechtlichen Vorschrift hat der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks Niederschlagswasser, das nach Abs. 1 der Vorschrift auf den Grundstücken, auf denen es anfällt, versickert, verrieselt oder ortsnah in ein Gewässer eingeleitet werden kann, zu beseitigen. Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift besagt, dass Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1. Januar 1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, vor Ort zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah in ein Gewässer einzuleiten ist, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist. § 51a Abs. 2 Satz 1 LWG verschiebt also, soweit die Voraussetzungen des Abs. 1 der Vorschrift vorliegen, die nach § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG grundsätzlich die Gemeinde treffende Abwasserbeseitigungspflicht auf den Nutzungsberechtigten des Grundstücks. Hier ist die Abwasserbeseitigungspflicht nicht auf die Klägerin übergegangen, weil das Grundstück bereits vor 1996 bebaut war.
25Weitere satzungsrechtliche Ausnahmetatbestände vom Anschluss- und Benutzungszwang liegen nicht vor: § 9 Abs. 5 Satz 3 EWS betrifft die Aufrechterhaltung von nach altem Recht ausgesprochenen Befreiungen, die hier nicht erteilt worden sind. § 9a EWS regelt zwar eine Begrenzung des Benutzungszwangs für Niederschlagswasser, jedoch gilt nach Satz 2 der Vorschrift diese Regelung nicht für im Trennsystem entwässerte Gebiete, wie es vorliegend der Fall ist. § 10 EWS enthält keinen Ausnahme-, sondern einen Befreiungstatbestand, der darüber hinaus auf Schmutzwasser beschränkt ist.
26Nach alledem unterliegt also das klägerische Grundstück nach den Regelungen der Entwässerungssatzung der Stadt X. hinsichtlich des Niederschlagswassers einem Anschluss- und Benutzungszwang.
27Der hier in Rede stehende satzungsrechtliche Anschluss- und Benutzungszwang ist jedoch unwirksam, da er mit höherrangigem Recht nicht in Einklang steht. Es fehlt nämlich an einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer solchen satzungsrechtlichen Regelung. Der aus den Grundrechten oder dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ableitbare Vorbehalt des Gesetzes erfordert in Fällen eines Eingriffs in "Freiheit und Eigentum", dass dies nur durch oder auf Grund eines Gesetzes geschieht.
28Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 1958 - 2 BvL 37/56, 11/57 -, BVerfGE 8, 155 (166 f.); Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. Art. 20 Rn. 53.
29Der Anschluss- und Benutzungszwang stellt einen solchen Eingriff in die grundrechtliche Sphäre des Bürgers dar, da von ihm im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums eine Handlung gefordert wird, sodass ein Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG vorliegt.
30Vgl. zum für den Anschluss- und Benutzungszwang bei Grundstücken einschlägigen grundrechtlichen Schutzbereich BVerwG, Beschluss vom 10. September 1975 - VII B 35.75 -, VerwRspr. Bd. 27, 481.
31Dem Vorbehalt des Gesetzes ist nicht deshalb genügt, weil die Entwässerungssatzung selbst Rechtsnorm ist und damit als Gesetz im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes anzusehen wäre, da es sich beim Satzungserlass nur um eine Normsetzung der Verwaltung handelt. Deshalb bedürfen gemeindliche Satzungen ebenso einer gesetzlichen Ermächtigung zu Eingriffen in Freiheit und Eigentum wie Verwaltungsakte.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. März 1986 - 2 A 2750/84 -, StuGR 1986, 430 (431).
33§ 9 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) gibt hier keine Ermächtigung, einen Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich des Niederschlagswassers für die im Trennsystem betriebene Abwasseranlage der Beklagten zu 1. anzuordnen. Danach können die Gemeinden bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen sowie an Einrichtungen zur Versorgung mit Fernwärme (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen und der Schlachthöfe (Benutzungszwang) vorschreiben. Dem Wortlaut nach erlaubt die Vorschrift den Anschluss- und Benutzungszwang für die "Kanalisation", ohne dass zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser unterschieden würde. Jedoch ergibt sich aus dem die Begriffe Wasserversorgung und Kanalisation im Folgenden zusammenfassenden Oberbegriff "und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen", dass der Anschluss- und Benutzungszwang nur im Interesse der Volksgesundheit und einem hieran orientierten öffentlichen Bedürfnis, nicht aus anderen, insbesondere gebührenrechtlichen Erwägungen angeordnet werden darf. Entgegen dem Vortrag der Beklagten zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verdrängt also das Erfordernis "bei öffentlichem Bedürfnis" nicht das u.a. für die Kanalisation in § 9 Satz 1 GO NRW weiter vorausgesetzte Merkmal "Volksgesundheit". Das zu verstehende Erfordernis der Rechtfertigung des Anschluss- und Benutzungszwangs aus der Volksgesundheit erfasst auch dessen Umfang.
34Vgl. - jeweils zum Begriff "Wasserversorgung" - OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 -, S. 13 des amtlichen Umdrucks; Urteil vom 9. Januar 1969 - III A 483/62 -, OVGE 24, 219 (222 f.); Urteil vom 5. Dezember 1962 - III A 800/60 -, OVGE 18, 153 (156); Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., § 10 I 3; s. auch die Anerkennung dieser Beschränkung durch den Gesetzgeber aus Anlass der Einführung der Möglichkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs für Einrichtungen zur Versorgung mit Fernwärme, LT-Drs. 9/3021, S. 6.
35Diese Voraussetzung des Schutzes der Volksgesundheit trifft zwar für den Anschluss- und Benutzungszwang beim Schmutzwasser zu, an das die ausdrückliche Aufzählung der "Kanalisation" anknüpft. Die Beseitigung des Niederschlagswassers durch die öffentliche Abwasseranlage erfolgt hier jedoch, jedenfalls soweit diese Abwasserbeseitigung im Trennsystem vorgenommen wird, nicht aus Gründen der Volksgesundheit. Die von der Beklagten zu 1. insoweit vorgetragenen Gründe tragen die Annahme nicht, es bestehe ein an der Volksgesundheit orientiertes Bedürfnis nach einem Anschluss- und Benutzungszwang für die im Trennsystem betriebene Abwasseranlage hinsichtlich des Niederschlagswassers.
36So liegen keine besonderen Umstände in Bereich der Beklagten zu 1. vor, die aus Gründen des Schutzes des Grundwassers vor Verunreinigung und einer daraus drohenden Gefahr für die Volksgesundheit den genannten Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigten.
37Vgl. zu einem Fall der Bejahung des Anschluss- und Benutzungszwangs für Niederschlagswasser aus Gründen der Volksgesundheit im Einzelfall nach bayerischem Wasserrecht Bay. VGH, Urteil vom 28. Oktober 1994 - 23 N 90.2272 -, NVwZ-RR 1995, 345.
38Das ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte zu 1. selbst das gesammelte Niederschlagswasser ohne eine gesonderte Behandlung - abgesehen von einem Regenrückhaltebecken - in einen Vorfluter einleitet. Ob im Einzelfall das Niederschlagswasser, wie die Beklagte zu 1. geltend macht, wegen des Verschmutzungsgrades einer gesonderten Behandlung bedarf, ist kein Umstand, der die Einführung eines generellen Anschluss- und Benutzungszwangs aus Gründen der Volksgesundheit rechtfertigen könnte, sondern eine Frage des jeweils wasserrechtlich zulässigen Umgangs mit dem verschmutzten Niederschlagswasser. Nach § 51a LWG ist die Niederschlagswasserbeseitigung durch Versickern, Verrieseln oder ortsnahe Gewässereinleitung heutzutage sogar - vorbehaltlich des Wohls der Allgemeinheit - wasserrechtlich erwünscht. Der von der Beklagten zu 1. weiter vorgetragene Gesichtspunkt der Vermeidung einer Vielzahl punktueller Einleitungen wird nicht von § 9 Satz 1 GO NRW erfasst, sondern ist ein wasserwirtschaftlicher Gesichtspunkt, der möglicherweise bei der Frage der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zu ortsnaher Niederschlagswasserbeseitigung eine Rolle spielt. Insbesondere trifft die Folgerung der Beklagten zu 1. nicht zu, ohne einen Anschluss- und Benutzungszwang könne jeder Grundstückseigentümer nach freiem Belieben das auf seinem Grundstück anfallende Niederschlagswasser den Flüssen und Bächen zuführen. Dazu bedarf es einer wasserrechtlichen Erlaubnis. Sollte es zu Missständen bei der Grundstücksentwässerung kommen, etwa durch illegale Gewässerbenutzung oder bauordnungsrechtliche Gefahren, ist es Sache der zuständigen Wasser- oder Bauordnungsbehörden, dagegen einzuschreiten, nicht aber der insoweit nicht zuständigen Gemeinde als Betreiberin einer öffentlichen Entwässerungsanlage, derartige Missstände durch Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs zu bekämpfen.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. September 1997 - 22 A 4029/96 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks.
40Dazu ist sie nach § 9 Satz 1 GO NRW nur befugt, wenn gerade Gründe der Volksgesundheit den Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigten. Soweit das erkennende Gericht in einer älteren Entscheidung,
41vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 1982 - 2 A 150/80 -, S. 7 des amtlichen Umdrucks,
42den Anschluss- und Benutzungszwang für das Niederschlagswasser aus der Vorgängervorschrift zu § 9 Satz 1 GO NRW (§ 19 Abs. 1 GO NRW a.F.) gebilligt hat, kann dem in dieser Allgemeinheit aus den vorgenannten Gründen nicht gefolgt werden.
43Auch § 7 Abs. 1 Satz 1 GO NRW stellt die erforderliche Ermächtigung nicht dar. Nach dieser Vorschrift können die Gemeinden ihre Angelegenheiten durch Satzung regeln, soweit Gesetze nichts anderes bestimmen. Mit dieser Generalermächtigung ist jedoch keine Ermächtigung verbunden, Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Bürgers durch oder auf Grund von Satzungen zu regeln.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1958 - VII C 84.57 -, BVerwGE 6, 247 (250); OVG NRW, Urteil vom 23. Februar 1987 - 2 A 2394/85 -, NVwZ 1988, 272 (273); Urteil vom 18. März 1986 - 2 A 2750/84 -, StuGR 1986, 430 (431); Erichsen, Kommunalrecht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., § 8 A m.w.N.
45Schließlich ergibt sich die Ermächtigung zum Anschluss- und Benutzungszwang auch nicht aus den Vorschriften des Landeswassergesetzes. Allerdings regelt § 53 Abs. 1 LWG, dass die Gemeinde eine Abwasserbeseitigungspflicht trifft. Zu diesen Abwässern gehört auch das Niederschlagswasser, also das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (§ 51 Abs. 1 Satz 1 LWG). Der Beklagte ist jedoch zu Unrecht der Auffassung, dass sich aus dieser Abwasserbeseitigungspflicht eine Überlassungspflicht desjenigen ergibt, bei dem Abwasser anfällt. Eine solche Überlassungspflicht ist im Landeswassergesetz nicht geregelt.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. April 1998 - 20 A 3189/96 -, ZfW 1999, 114 (115); Urteil vom 26. Mai 1982 - 19 A 2560/81 -, StuGR 1983, 69 f.; Urteil vom 9. Juni 1981 - 11 A 1268/80 -, StuGR 1981, 355 (356); Honert/Rüttgers, Sanden, Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., § 53 Anm. 3; Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 201.
47Zwar ordnet die Mehrzahl der anderen Landeswassergesetze eine solche Überlassungspflicht an, das nordrhein-westfälische Landesrecht tut dies jedoch nicht. Wenn dennoch ein Anschluss- und Benutzungszwang eingeführt werden soll, muss dies auf der Grundlage der genannten Bestimmung der Gemeindeordnung erfolgen.
48Vgl. Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 7. Aufl., § 18a Rn. 15.
49Die Gemeindeordnung erlaubt jedoch, wie oben bereits ausgeführt, lediglich die satzungsrechtliche Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwanges an die Kanalisation aus Gründen der Volksgesundheit, was in erster Linie für Schmutzwasser zutrifft, nicht aber ohne Weiteres für Niederschlagswasser. Damit wird die wasserrechtliche Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden hinsichtlich des Niederschlagswassers nicht undurchführbar. Sie greift ein, wenn Niederschlagswasser anfällt und der Grundstückseigentümer dieses der Gemeinde überlässt. Dazu wird er faktisch gezwungen sein, wenn er selbst keine Verwertungsmöglichkeiten dafür hat und es auch mangels entsprechender wasserrechtlicher Erlaubnis nicht in ein Gewässer einbringen kann. Der möglicherweise häufige faktische Zwang zur Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungsanlage für Niederschlagswasser ermächtigt aber nicht dazu, einen Rechtszwang zum Anschluss und zur Benutzung zu begründen.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
51Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
52Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
53Dem schriftsätzlich gestellten Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, konnte nicht stattgegeben werden, da hinsichtlich des allein im Verwaltungsrechtsstreit zum Zuge gekommenen Feststellungsantrags ein Vorverfahren nicht geschwebt hat.
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