Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Soweit der Kläger seinen Antrag zurückgenommen hat, wird das Berufungszulassungsverfahren auf Kosten des Klägers eingestellt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird ebenfalls auf 4000,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e
2I. Die Erklärung des Klägers im Schriftsatz vom 28. Januar 2004, er nehme die Berufung .... zurück, soweit die Klage gegen das Präsidium des Amtsgerichts I. .... zurückgewiesen worden ist", ist sachgerecht als entsprechend eingeschränkter Antrag auf Rücknahme des Antrags auf Zulassung der Berufung auszulegen, welcher zunächst ohne Einschränkung mit Schriftsatz vom 2. Januar 2004 angebracht worden ist. Zum Zeitpunkt der Erklärung war eine (teilweise) Rücknahme der Berufung nicht möglich, da die Berufung nicht zugelassen war. Aufgrund der Rücknahmeerklärung ist das Verfahren, soweit es den Beklagten zu 1. betrifft, entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3II. Im Übrigen hat der Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg. Die mit ihm geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen nicht (1.). Die Rechtssache weist zudem weder besondere tatsächliche noch besondere rechtliche Schwierigkeiten auf (2.). Die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung ist nicht ordnungsgemäß dargelegt (3.). Schließlich liegt auch der gerügte Verfahrensmangel nicht vor (4.).
4Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers,
5festzustellen, dass bei der Geschäftsverteilung der richterlichen Geschäfte beim Amtsgericht I. für das Geschäftsjahr 2003 und 2004 der Pensenschlüssel für den richterlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen" gemäß den Grundsätzen für die Personalbedarfsberechnung im richterlichen Dienst der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht angewendet werden darf,
6im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt: Die Anwendung des Pensenschlüssels zum Zwecke der Geschäftsverteilung sei nicht zu beanstanden. Zwar möge dieser Schlüssel nicht vollkommen sein. Jedoch sei er nicht grundsätzlich ungeeignet, um die Arbeitslast gleichmäßig auf die vorhandenen Richter zu verteilen. Dies gelte insbesondere dann, wenn - wie der Vorsitzende des Beklagten zu 1. erklärt habe - bei Anwendung dieses Schlüssels örtliche und persönliche Besonderheiten berücksichtigt würden. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass das dem Kläger für die Jahre 2003 und 2004 auferlegte Pensum rechtswidrig zu hoch sei. Das Pensum selbst lasse keine exakte Aussage über den Umfang der einem Richter zugewiesenen Arbeitsmenge sowie des zu deren Bearbeitung erforderlichen Zeitaufwandes zu. Angaben zu seiner tatsächlichen zeitlichen Belastung habe der Kläger nicht gemacht. Im Übrigen könne ein Richter seiner Überlastung begegnen, indem er sein Dezernat anwachsen lasse. Bezüglich seiner Arbeitszeit dürfe ein Richter sich an der für Beamte geltenden Arbeitszeit orientieren.
71. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine dort getroffene erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.
8Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 ff, und vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 ff, sowie die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats.
9Dies ist aufgrund des insoweit allein maßgeblichen Antragsvorbringens nicht der Fall.
10a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Präsidium eines Gerichts auch ohne ausdrückliche formellgesetzliche Ermächtigung befugt, den Pensenschlüssel seiner Entscheidung über die Verteilung der Geschäfte (§ 21e Abs. 1 Satz 1 GVG) zugrunde zu legen.
11Soweit es an bindenden rechtlichen Regeln fehlt, steht die Verteilung der Geschäfte im pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums.
12Vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - 3 StR 267/99 -, NJW 2000, 1580; Wolf in: MünchKommZPO, Band 3, 2. Auflage 2001, § 21e GVG Rn. 11; Kissel/Mayer, GVG, 4. Auflage 2005, § 21e Rn. 78.
13Für die Verteilung der Geschäfte gilt, dass diese möglichst gleichmäßig auf die an einem Gericht vorhandenen Richter zu verteilen sind.
14Vgl. Wolf, a.a.O., § 21e GVG Rn. 22; Kissel/Mayer, a.a.O., § 21e Rn. 81.
15Nach welchem Maßstab dies zu erfolgen hat, ist rechtlich nicht näher geregelt. Im Rahmen seines diesbezüglichen Ermessens steht es dem Präsidium deshalb grundsätzlich frei, welchen Maßstab es wählt. Es kann sich insbesondere an Pensenschlüsseln oder anderen Methoden der Personalbedarfsberechnung orientieren.
16Vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., § 21e Rn. 85.
17Es könnte daher auch auf die vom Kläger angesprochenen Pebb§y-Werte abstellen oder eigene Maßstäbe entwickeln. Jedoch besteht aufgrund des dem Präsidium zustehenden Ermessens grundsätzlich keine Verpflichtung, dem einen oder anderen Maßstab den Vorzug zu geben.
18b) Die Verwendung des Pensenschlüssels war auch nicht deswegen unzulässig, weil dieser - so die Behauptung des Klägers in der Klageschrift - nach allgemeiner Meinung zur gleichmäßigen Verteilung der richterlichen Geschäfte völlig untauglich" wäre. Allerdings wäre es ermessenswidrig, die Geschäftsverteilung auf einen ersichtlich ungeeigneten Maßstab zu stützen, weil so das Ziel einer gleichmäßigen Geschäftsverteilung nicht erreicht werden könnte. Jedoch hat der Kläger weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Zulassungsschrift ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), aus welchen Gründen der Pensenschlüssel völlig untauglich" sein soll. Der Hinweis auf die Pebb§y-Studie reicht hierfür nicht aus: Aus der Tatsache, dass die Landesjustizverwaltungen bestrebt waren, die Personalbedarfsberechnung sowie die Verteilung der richterlichen Geschäfte auf eine neue Grundlage zu stellen, folgt nicht, dass der alte" Pensenschlüssel zu diesem Zweck ungeeignet ist. Dasselbe gilt, soweit der Beklagte zu 1. selbst darauf hingewiesen hat, dass einige Verfahren nach dem Pensenschlüssel zu gut, andere dagegen zu schlecht bewertet werden. Dies macht den Pensenschlüssel ebenfalls nicht grundsätzlich ungeeignet, zumal der Beteiligte zu 1. - wie dessen erstinstanzlicher Vortrag zeigt - sich dessen bewusst war und dies sowie andere Umstände des Einzelfalls bei seiner Entscheidung über die Geschäftsverteilung berücksichtigt hat.
19c) Das Ermessen des Präsidiums des Amtsgerichts I. war auch nicht dahingehend reduziert, dass es seiner Entscheidung über die Geschäftsverteilung zwingend einen anderen Maßstab als den Pensenschlüssel zugrunde legen musste. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es zum Zeitpunkt der Geschäftsverteilung für die Jahre 2003 und 2004 - nur diese sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - einen anderen Verteilungsmaßstab gegeben hätte, der dem Pensenschlüssel im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit derart überlegen war, dass daneben alle anderen Maßstäbe als ungeeignet anzusehen wären. Dass dies der Fall war, hat der Kläger nicht einmal ansatzweise dargelegt.
20d) Die vom Kläger behauptete dienstliche Überbeanspruchung seiner Person führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Anwendung des Pensenschlüssels. Insofern hat das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden, dass mangels substantiierter Angaben zur tatsächlichen zeitlichen Belastung des Klägers, schon nicht festgestellt werden kann, dass dieser im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich dienstlich überbeansprucht war. Allein aufgrund der Pensenzahl lässt sich dies jedenfalls nicht feststellen, da sich diesem Wert nur die Anzahl der dem einzelnen Richter übertragenen Geschäfte, nicht aber dessen tatsächliche zeitliche Arbeitsbelastung entnehmen lässt. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund es einem Richter nicht möglich sein sollte, seine tatsächliche Arbeitszeit - auch über einen längeren Zeitraum - zu dokumentieren. Dazu muss er - wie jeder andere Beschäftigte auch - lediglich Beginn und Ende der Arbeitszeit von einer Uhr ablesen und diese Zeiten notieren.
21Außerdem ist eine dauerhafte dienstliche Überbeanspruchung, wie sie der Kläger geltend macht, schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen: Ein Richter ist nicht verpflichtet, sämtliche ihm nach der Geschäftsverteilung übertragenen Aufgaben in vollem Umfang sofort und ohne jegliche zeitliche Beschränkung seines Arbeitseinsatzes zu erledigen. Zwar haben Richter sich wie Beamte mit voller Hingabe ihrem Beruf zu widmen (§§ 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG NRW, 57 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW). Jedoch sind sie wie auch Beamte nicht ohne jegliche zeitliche Begrenzung zur Dienstleistung verpflichtet und orientiert sich ihre Arbeitszeit unter Beachtung dienstlicher Notwendigkeiten, die z.B. vorübergehend einen erhöhten Arbeitseinsatz erfordern können, an der für Beamte geltenden Regelarbeitszeit.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 - 2 C 57.86 -, BVerwGE 78, 211; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24. Februar 1992 - 1 W 2/92 -, DRiZ 1993, 157; Plog u.a., BBG/BeamtVG, Stand: Oktober 2005, § 72 Rn. 40a.
23Diejenigen Angelegenheiten, die ein Richter trotz einer so ausgerichteten Arbeitsleistung - nach, wie zu betonen ist, pflichtgemäßer Auswahl unter sachlichen Gesichtspunkten - wegen einer erheblichen Überlastung mit dienstlichen Aufgaben nicht erledigen kann, kann er ohne Pflichtverletzung zurückstellen.
24Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24. Februar 1992 - 1 W 2/92 -, a.a.O.
25Allerdings hat er eine solche, den Justizgewährungsanspruch der Rechtssuchenden berührende Überlastung mit dienstlichen Aufgaben dem zuständigen Präsidium und vor allem den für die Dienstaufsicht zuständigen Stellen anzuzeigen. Erfolgt auf eine solche, ggf. zu wiederholende Anzeige keine Abhilfe, hat der Richter die Folgen, die daraus entstehen, dass er sich wegen einer Überlastung mit dienstlichen Aufgaben den nach pflichtgemäßer Auswahl zurückgestellten Aufgaben nicht (zeitgerecht) widmen kann, nicht zu verantworten.
26Vgl. Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2001 - 1 A 4816/00 -, NJW 2002, 1592; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24. Februar 1992 - 1 W 2/92 -, a.a.O.
27Im Übrigen kann der Geschäftsverteilung durch das Präsidium zwar entgegen gehalten werden, die Geschäfte seien ungleich verteilt. Dies scheint jedoch nicht das Ziel des Klägers zu sein, da er keine(n) Kollegen benannt hat, der bzw. die seiner Meinung nach aufgrund der Geschäftsverteilung für die streitgegenständlichen Jahre besser gestellt war(en) als er selbst. Dagegen kann die Geschäftsverteilung nicht erfolgreich mit dem Argument angefochten werden, sie führe zu einer (gleichmäßigen) Überlastung aller Richter des betreffenden Gerichts. Das Präsidium ist nämlich verpflichtet, alle Geschäfte zu verteilen, die das Gesetz dem betreffenden Gericht zuweist. Das gilt ausnahmslos auch in Zeiten der Not oder des Personalmangels. Es ist rechtswidrig, Geschäfte deswegen unverteilt zu lassen, weil dem Gericht Richter fehlen und die baldige Erledigung der Aufgaben dadurch erschwert ist.
28Vgl. Wolf, a.a.O., § 21e GVG Rn. 21; Kissel/Mayer, a.a.O., § 21e Rn. 92 m.w.N.
292. Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, also dann, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund einer summarischen Prüfung im Zulassungsverfahren als offen erscheint.
30Vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, Stand: Januar 2003, § 124 Rn. 152 m.w.N.
31Dies ist aufgrund des insoweit allein maßgeblichen Antragsvorbringens nicht der Fall. Auf die Ausführungen unter 1. wird verwiesen.
323. Wird der Zulassungsantrag auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützt, so ist die Berufung nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine entscheidungserhebliche Frage aufwirft, die einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist und im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Grund enthalten, der das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll.
33Vgl. Beschluss des Senats vom 6. Oktober 2005 - 1 A 3834/04 -; Seibert in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), § 124a Rn. 91 ff m.w.N.
34Diesen Darlegungsanforderungen wird die Zulassungsbegründung des Klägers offensichtlich nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Frage, sodass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon nicht ordnungsgemäß dargelegt ist.
354. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, zur zeitlichen Belastung des Klägers Beweis zu erheben, weil der Kläger zu diesem Punkt noch nicht einmal ansatzweise konkrete Angaben gemacht hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Damit hat der Kläger seine aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgende Pflicht nicht erfüllt, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. In einem solchen Fall besteht keine Verpflichtung des Gerichts, die Sache von Amts wegen - ggf. durch eine Beweiserhebung - weiter aufzuklären.
36Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 155 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 und 3 GKG in der hier noch anwendbaren bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (§ 72 Nr. 1 GKG n.F.).
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
38