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Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 610/10

Datum:
22.12.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 A 610/10
ECLI:
ECLI:DE:OVGNRW:2011:1222.19A610.10.00
 
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 1 K 528/09
Leitsätze:

Der Konflikt zwischen der Glaubensfreiheit des Schülers und seiner Eltern und dem Erziehungsrecht der Eltern einerseits und dem staatlichen Bildungs- und Erziehungs¬auftrag andererseits ist durch Erteilung einer Befreiung von einer für den Schüler verbindlichen Schulveranstaltung zu lösen, wenn sonst (objektiv) ein schonender Ausgleich nicht herbeigeführt werden kann und die Schule auch bei Beachtung ihrer Pflicht zur Neutralität und Toleranz Unterrichtsinhalte und -ziele durchsetzt, deren Gewicht hinter demjenigen der grundrechtlich geschützten Interessen einzelner El¬tern und Schüler zurückbleibt.

Bei einem Glaubenskonflikt des Schülers und seiner Eltern und einer Beeinträchti-gung des Erziehungsrechts der Eltern rechtfertigt gemessen am Maßstab praktischer Konkordanz und dem darin angelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht jede wünschenswerte und sinnvolle Intensität staatlicher Bildungs- und Erziehungsarbeit das Zurücktreten der widerstreitenden Glaubens- und Erziehungsrechte.

Die Teilnahme eines Schülers am Besuch des Films „Krabat“ als Schulveranstaltung steht grundsätzlich mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag in Einklang.

Der Schüler kann aber im Einzelfall einen Anspruch auf Befreiung von der Teilnahme an der Schulveranstaltung haben, wenn Teile des Films „Krabat“ mit seinen Glau¬bensüberzeugungen nicht in Einklang stehen und die mit dem Besuch des Films verfolgten Unterrichtsziele der Schule jedenfalls teilweise dadurch erreicht werden, dass der Schüler an der unterrichtlichen Besprechung des Buchs „Krabat“ und an der unterrichtlichen Nachbesprechung des Films teilnimmt.

 
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Es wird festgestellt, dass die Ablehnung der Befreiung des Sohnes U. der Kläger vom Unterricht am 31. 10. 2008 (Vorführung des Films „Krabat“) rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstre¬ckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

 
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