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Die Beschwerde der Antragstellerin ¬gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 12. April 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.200,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
2Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
3Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den angefochtenen Beschluss vom 12. April 2011 nicht in Frage.
4Gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.
5Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 - VII C 77.74 -, DÖV 1979, 408 = juris Rn. 18, sowie Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 -, DAR 1987, 393 = juris Rn. 2.
7Ungeachtet der Ermittlungspflicht der Behörde bleibt es aber Sache des Fahrzeughalters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dabei obliegt es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert.
8Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. April 1999 8 A 699/97 -, S. 13, insoweit in NJW 1999, 3279 nicht abgedruckt, und vom 30. November 2005 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193.
9Verzögerungen bei der Anhörung des Fahrzeughalters stehen der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage daher nicht entgegen, wenn feststeht, dass sie für die Erfolglosigkeit der Ermittlung des Fahrers nicht ursächlich geworden sind.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193.
11Das gilt namentlich für Fälle, in denen erkennbar ist, dass auch eine frühere Unterrichtung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Lehnt dieser die ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 7 C 3.80 -, BayVBl. 1983, 310; Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104, und vom 9. Dezember 1993 11 B 113.93 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193.
13Gemessen hieran liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit nicht vor. Nach Aktenlage spricht alles dafür, dass die Antragstellerin von vorne herein nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken.
14Die Antragstellerin hat am 7. Dezember 2010 gegenüber den Ermittlungsbeamten der Kreispolizeibehörde nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht erklärt, sie wolle zu dem ihr zur Last gelegten Verkehrsverstoß vom 1. Oktober 2010 keine Angaben machen. Diese Äußerung lässt nur den Rückschluss zu, dass die Antragstellerin nicht gewillt war, an der diesbezüglichen Aufklärung mitzuwirken. Bei dieser Sachlage war die Behörde zu weitergehenden Ermittlungsmaßnahmen nicht verpflichtet. Ob der Antragstellerin das Anhörungsschreiben vom 27. Oktober 2010 zugegangen ist oder nicht, ist vorliegend unerheblich. Denn selbst wenn die Antragstellerin erstmals knapp zwei Monate nach dem Verkehrsverstoß angehört worden sein sollte, war der Zeitablauf für die Unaufklärbarkeit des Verkehrsverstoßes nicht ursächlich. Wie aus dem Beschwerdevorbringen folgt, wusste sie ohnehin, dass sie gefahren ist.
15Ein Ermittlungsdefizit ist entgegen der Beschwerde auch nicht darin zu sehen, dass die Bußgeldbehörde die Antragstellerin nicht anhand eines Abgleich des - unscharfen - Tatfotos mit dem angeforderten Passbild der Antragstellerin identifiziert hat. Die Einstellung des Verfahrens beruhte unter anderem auf der - nach Aktenlage ohne weiteres nachvollziehbaren - Einschätzung der Bußgeldbehörde, dass das beigezogene Ausweisfoto eine für eine Identifizierung der Täterin ausreichende Übereinstimmung mit dem Tatfoto nicht aufweise. Ein konkreter Tatverdacht gegen eine bestimmte Person ergab sich daraus nicht. Auch die Prozessbevollmächtigten haben unter dem 28. Februar 2011 die Bildqualität des Tatfotos als "so schlecht" beurteilt, dass eine Identifizierung durch die Antragstellerin nicht möglich gewesen sei. Weshalb dies der Behörde anhand des beigezogenen Ausweisfotos gleichwohl möglich sein sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Fahrerfeststellung auch dann im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich ist, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2008 8 A 586/08 -, VRS 114, 388 = NZV 2008, 536, vom 3. Juni 2009 - 8 A 395/09 -, vom 24. November 2009 - 8 B 1574/09 -, vom 18. Mai 2010 - 8 A 700/10 -, vom 5. Oktober 2010 - 8 B 1188/10 - und vom 3. Januar 2011 - 8 B 1742/10 -.
17Der Erlass eines Bußgeldbescheides setzt stets voraus, dass die Behörde einen dem Ermittlungsverfahren angemessenen Grad an Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen gewonnen hat. Es ist dem Betroffenen nicht zuzumuten, dass er sich gegen einen an ihn gerichteten Bußgeldbescheid zur Wehr setzen muss, obwohl nicht einmal die Behörde seine Täterschaft für erwiesen hält. Überdies besteht bei verbleibenden Zweifeln an der Täterschaft des Betroffenen das Risiko, dass der Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren aufgehoben und die Kosten des Verfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse auferlegt werden.
18Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2008 8 A 586/08 -, a.a.O., m.w.N.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327) für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400,00 € zu Grunde und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich ergebenden Gesamtbetrages fest.
21Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).