Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat sowohl hinsichtlich des nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Hauptantrags als auch hinsichtlich der hilfsweise gestellten Anträge keinen Erfolg.
3Die Einwände gegen die Ablehnung des nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Antrags, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Juni 2012 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, greifen nicht durch.
4Soweit die Antragstellerin anführt, die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO und der Antragsgegner hätte insbesondere ihr Interesse an der Erfüllung ihrer laufenden Verbindlichkeiten berücksichtigen müssen, führt dies nicht zum Erfolg. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die – sei sie sprachlich oder gedanklich auch noch so unvollkommen – zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob sie erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Mai 2012 13 B 427/12 , juris, vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, DVBl. 2008, 1262, vom 9. November 2007 - 13 B 1192/07 -, MedR 2008, 229, und vom 28. März 2007 - 13 B 2254/06 -, LRE 54, 348 mit weiteren Nachweisen.
6Die betreffenden Ausführungen in der angefochtenen Verfügung genügen diesen Anforderungen. Sie zeigen, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Der Hinweis auf den Vorrang des Verbraucherschutzes gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der Erfüllung ihrer laufenden Verbindlichkeiten macht deutlich, wo die Behörde den Schwerpunkt ihrer Abwägung gesetzt hat. Dass dieser Aspekt zugleich das Erlassinteresse an der Verfügung begründet, stellt die Begründung in formeller Hinsicht nicht in Frage. Denn das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können gerade im Ordnungsrecht – durchaus zusammenfallen.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, a. a. O., mit weiteren Nachweisen.
8Auch in der Sache greifen die von der Antragstellerin dargelegten Einwände gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zu Recht den Vorrang eingeräumt, weil sich die angefochtene Verfügung nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung als rechtmäßig erweist und die vor diesem Hintergrund vorzunehmende Interessenabwägung zum Nachteil der Antragstellerin ausfällt.
9Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Inverkehrbringens des in Rede stehenden Produkts unter der Verkehrsbezeichnung "E. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." ist § 39 Abs. 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Nach
10§ 39 Abs. 2 S. 1 LFGB treffen die zuständigen Behörden – unter anderem – die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Täuschung. Insbesondere können sie nach § 39 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 LFGB das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Mai 2012 13 B 427/12 , a. a. O., vom 8. August 2008 13 B 1022/08 -, a. a. O. und vom 29. Oktober 2008 - 13 B 1317/08 -, juris.
12Bei summarischer Prüfung ist vorliegend ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 11 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 1 LFGB gegeben. § 11 Abs. 1 LFGB setzt Art. 2 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 (Abl. Nr. L 109, S. 29) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür in nationales Recht um.
13Vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: März 2012, C 102, § 11 LFGB, Rn. 20.
14Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist es unter anderem verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung verwendet werden (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB).
15Bei der Beurteilung, ob die betreffende Bezeichnung des Lebensmittels geeignet ist, den Käufer irrezuführen, ist maßgeblich darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher eine Aussage oder Aufmachung wahrscheinlich auffassen wird, was sich in der Regel ohne ein Sachverständigengutachten und eine Verbraucherbefragung feststellen lässt.
16Vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - C-210/96 -,
17Slg. I 1998, S. 4657; BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 1 B 45.00 -, LRE 40, 166; BayVGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - 25 B 97.3555 -, LRE 38, 400; VG München, Urteile vom 24. September 2008 - M 18 K 06.1469 - und vom 22. Oktober 2008 - M 18 K 07.3394 -, OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2009 – 13 B 1910/08 , jeweils juris.
18Dabei beurteilt sich eine mögliche Irreführung nach der Gesamtaufmachung des Lebensmittels.
19Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 102, § 11 LFBG, Rn. 90.
20Eine wichtige Auslegungshilfe bei der Feststellung der Verkehrsauffassung über ein bestimmtes Lebensmittel stellen die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs dar, in denen auf der Grundlage des § 15 LFGB Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale von Lebensmitteln, die für die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel von Bedeutung sind, beschrieben werden. Diese haben zwar keine Rechtsnormqualität, begründen aber eine Vermutungswirkung dafür, was der Verbraucher von einem in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel erwartet.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 3 C 18/87 -, LRE 22, 35, und Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 1 B 45/00 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, a. a. O.; Zipfel/ Rathke, a. a. O., C 102, § 11 LFGB, Rn. 287.
22Gegen die Berücksichtigung der Leitsätze als Auslegungsregel bestehen auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken, wenn sie sich auf die Feststellung der Verkehrsauffassung beschränken. Die Verkehrsauffassung ist ein Kriterium für die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Irreführungsverbote. Insbesondere bei der Etikettierung gemäß Art. 5 der Richtlinie 2000/13/EG ist auf die Verkehrsauffassung im Bestimmungsland abzustellen, so dass deren sachverständige Feststellung nicht unzulässig sein kann.
23Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 102, § 15 LFGB, Rn. 6a.
24Es kann mit der Antragstellerin davon ausgegangen werden, dass als Bezeichnung des in Rede stehenden Produkts
25die Angaben
26"Vorderschinken
27Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt,
28ohne Speck und Schwarte, gekocht.
29(...)"
30anzusehen sind. Zwar ist nur der Begriff "E1. Vorderschinken" deutlich hervorgehoben. Die optische Gesamtaufmachung des Produkts ergibt aber, dass die weiteren Angaben "Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." in direktem Zusammenhang mit dem Begriff "E2. Vorderschinken" stehen. Sie sind daher nicht nur als zusätzliche beschreibende Angaben, sondern als Teil der Bezeichnung anzusehen. Im Übrigen ist es ohne Bedeutung, dass oftmals unklar ist, ob eine Formulierung, die aus mehreren Worten zusammengesetzt ist, eine Bezeichnung oder eine Kombination aus (beschreibenden) Angaben und Bezeichnung ist. Denn sämtliche Angaben unterliegen dem Verbot der Irreführung.
31Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 102, § 11 LFGB, Rn. 79.
32Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Bezeichnung "E2. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." irreführend ist. Sie entspricht nicht den Vorgaben der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) und erweist sich als zur Täuschung geeignet.
33Die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels in Fertigpackungen, die zu den obligatorischen Kennzeichnungselementen eines Lebensmittels gehört, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, ist die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung oder, wenn sie wie hier - fehlt, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV) oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV). Abweichend davon gilt als Verkehrsbezeichnung für ein Lebensmittel ferner die Bezeichnung, unter der das Lebensmittel in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in den Verkehr gebracht wird (§ 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV).
34Die Verkehrsbezeichnung "E3. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." stellt keine nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV dar. Nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs für Fleisch und Fleischerzeugnisse sind zwar die Begriffe "Vorderschinken" (Ziffern 2.341 und 2.341.2) und "Formfleischerzeugnisse" (vgl. Ziffer 2.19) für sich betrachtet übliche Bezeichnungen. Sie werden aber für unterschiedliche Erzeugnisse verwendet und schließen sich daher aus. Die Bezeichnung "Schinken" wird für (gegarte) Kochpökelwaren von gehobener Qualität verwendet, wobei der Schinken aus der Vorderextremität als Vorderschinken (Schulterschinken) bezeichnet wird. "Formfleischerzeugnisse" werden hingegen aus Fleischstücken nach mechanischer Vorbehandlung hergestellt, die zu einer größeren Einheit (Stückware) zusammengefügt und einem Erzeugnis aus gewachsenem Fleisch nachgebildet sind. Zur Vermeidung einer Verwechslung von Formfleischerzeugnissen mit vergleichbaren Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch wird in der Verkehrsbezeichnung das Wort "Formfleisch-" vorangestellt und außerdem in unmittelbarer Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen, dass Fleischstücke zusammengesetzt sind (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenstücken zusammengefügt).
35Mit Blick darauf erweist sich worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat die in Rede stehende Verkehrsbezeichnung als widersprüchlich und damit irreführend. Denn für den aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ist nicht erkennbar, welcher Produktart (gewachsener Schinken oder aus Fleischstücken zusammengesetztes Erzeugnis) das in Rede stehende Lebensmittel tatsächlich zuzuordnen ist. Dem Einwand der Antragstellerin, aufgrund der Hervorhebung der Bezeichnung "Formfleisch-Vorderschinken, zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht" erkenne der Verbraucher, dass es sich um ein Formfleischerzeugnis handele, ist nicht zu folgen. Die genannte Bezeichnung ist in im Verhältnis zum Begriff "Vorderschinken" deutlich verkleinerter Schrift gedruckt, während der Begriff "Vorderschinken" zugleich durch Fettdruck noch weiter optisch hervorgehoben wird. Dies könnte dem Verbraucher sogar zu Unrecht suggerieren, es handele sich bei dem Produkt um Kochpökelware von gehobener Qualität. Ungeachtet dessen erschließt sich aber auch einem Verbraucher, der gewissenhaft die Gesamtaufmachung des Produkts in den Blick nimmt, angesichts der widersprüchlichen Beschreibung nicht, um welche Art von Fleischerzeugnis es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt konkret handelt.
36Auch ist dem Einwand der Antragstellerin nicht zu folgen, dem Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 26. Oktober 2009 – 3 K 3516/08 – sei zu entnehmen, dass von den Vorgaben der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse abgewichen werden könne, sofern dies ausreichend kenntlich gemacht werde. Zwar hat das Verwaltungsgerichts Arnsberg in der zitierten Entscheidung die Zulässigkeit der Verkehrsbezeichnung "Wiener Schnitzel, vom Schwein" bejaht, obwohl nach der Ziffer 2.508.1 der Leitsätze ein "Wiener Schnitzel" ausschließlich ein paniertes Kalbsschnitzel ist. Diese Sachlage ist mit der vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat nämlich entscheidend darauf abgestellt, dass die Mehrzahl der Verbraucher mit dem Begriff "Wiener Schnitzel" ein paniertes Schnitzel schlechthin verbinde und mit dem Zusatz "vom Schwein" eine Irreführung ausgeschlossen sei. Vorliegend ist jedoch weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich die Erwartung des Verbrauchers bezüglich eines Vorderschinkens als Kochpökelware von gehobener Qualität so entscheidend verändert hat, dass er darunter auch Formfleischerzeugnisse minderer Qualität fasst.
37Ebenso greift der Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 19. März 2012 – 19 L 145/12 – nicht durch, mit dem das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Bezeichnung eines Erzeugnisses als "Schnitzel fleischfrei" unter Berücksichtigung der weiteren Angaben "Panierter Bratling aus Milch" bejaht hat. Angesichts dieser weiteren, zur Aufklärung des Verbrauchers beitragenden Angaben ist auch dieser Fall mit der vorliegenden Sachlage nicht vergleichbar.
38Die Anwendbarkeit der Leitsätze und die auf ihrer Grundlage getroffene Feststellung der Irreführung durch die in Rede stehende Verkehrsbezeichnung werden auch nicht durch gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkte in Frage gestellt. Dies gilt zunächst mit Blick auf das von der Antragstellerin zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Februar 1999 – C-383/97 – . Zwar können die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs mittelbar die Berücksichtigung der Leitsätze der Lebensmittelbuch-Kommission betreffen.
39Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 102, § 15 LFGB,
40Rn. 12.
41Der Europäische Gerichtshof hat aber entgegen der Auffassung der Antragstellerin in jenem Verfahren nicht die grundsätzliche Anwendbarkeit der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse in Frage gestellt, sondern lediglich die Feststellung des Fleischeiweißgehalts im fettfreien Anteil und des BEFFE-Gehalts,
42vgl. Ziffer 1.72 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse: "bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß" (BEFFE),
43für Formfleisch-Vorderschinken in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse nicht anerkannt. Gegenstand dieser Entscheidung waren Formfleischerzeugnisse aus Vorderschinken, die aus Holland nach Deutschland verbracht und hier unter anderem unter der Bezeichnung "Holländischer Vorderschinken ohne Speck und Schwarte" in Verkehr gebracht worden und u. a. mit der Begründung beanstandet worden waren, der Fleischeiweißgehalt im fettfreien Anteil und der BEFFE-Gehalt lägen mit 15 % bis 18,2 % bzw. 87,9 % und 88,19 % erheblich unter den in den Leitsätzen bezifferten Mindestwerten (19 % bzw. 90 %).
44Vgl. auch: Zipfel/Rathke, a. a. O., C 102, § 15 LFGB, Rn. 12.
45Die nach den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse vorgenommene Differenzierung zwischen "Vorderschinken" und "Formfleischerzeugnissen" als Ausdruck der üblichen Verkehrsauffassung hat der Europäische Gerichtshof hingegen nicht beanstandet. So hat er in dem zitierten Urteil ebenfalls zwischen einem (gewachsenen) Schinken und einem Formfleisch-Schinken differenziert und entschieden, dass, wenn beide Erzeugnisse unterschiedlicher Art seien und die Bezeichnung des Erzeugnisses es dem Käufer nicht ermögliche, es von einem Erzeugnis zu unterscheiden, das aus einem einzigen Stück Vorderschinken bestehe, diese Bezeichnung nicht im Einklang mit Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 79/112/EWG (nunmehr: RL 2000/13/EG) stehe und geeignet sei, den Verbraucher im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie irrezuführen. Die Bezeichnung des Produkts als "Holländischer Vorderschinken ohne Speck und Schwarte" könne den Eindruck erwecken, als handele es sich um ein gewachsenes, aus einem einzigen Stück Vorderschinken bestehendes Erzeugnis, obwohl es sich in Wirklichkeit um Formfleischschinken handele, der aus mehreren Vorderschinkenteilen zusammengefügt sei.
46Vgl. Urteil vom 9. Februar 1999 – C-383/97 , ZLR 1999, 237.
47Der allgemeine Einwand der Antragstellerin, die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs seien auf das in Rede stehende dänische Produkt nicht anwendbar, verfängt ebenfalls nicht. Die Antragstellerin hat mit diesem Vorbringen die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Zusatz "E4. " lediglich um einen Hinweis auf die Herkunft des Produkts und nicht um einen Hinweis auf eine bestimmte Zusammensetzung und Herstellungsweise handele, die die allgemeine Verkehrsauffassung verändert haben könnte, nicht substantiiert in Frage gestellt. Es hätte weiterer Ausführungen dazu bedurft, aufgrund welcher konkreten Umstände bei einem dänischen, als "Vorderschinken" bezeichneten Formfleischerzeugnis von einer von den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs abweichenden Verkehrsauffassung hinsichtlich der Beschaffenheit von "Vorderschinken" und "Formfleischerzeugnissen" auszugehen ist. Angesichts dessen folgt der Senat auch nicht den Ausführungen des Amtsgerichts Tiergarten in seinem (strafrechtlichen) Urteil vom 2. Februar 2007 (326 Cs) 127 PLs 2733/05 (24/06) –, wonach die Anwendbarkeit der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs ungeachtet konkreter Umstände bereits dann ausgeschlossen sein soll, wenn für den Verbraucher erkennbar ist, dass die Ware nicht in Deutschland, sondern in Polen produziert wurde.
48Gegen die Anwendbarkeit der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse im vorliegenden Fall spricht auch nicht die von der Antragstellerin zitierte Veröffentlichung in der Fachzeitschrift für die Fleischwirtschaft (Heft 1 2012, S. 38 ff.), wonach der geographische Hinweis "E4. " im Zusammenhang mit der Bezeichnung "Kochschinken" mittlerweile ausreiche, um den Konsumenten auf die Zutatenliste zu verweisen, die auch nach dem Deutschen Lebensmittelbuch unzulässige Bestandteile enthalten könne. Ungeachtet der Frage der rechtlichen Verbindlichkeit dieser Feststellung fehlt es bereits an der erforderlichen Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Sachlage. Der Antragsgegner hat das Verbot des Inverkehrbringens des Produkts unter der streitgegenständlichen Verkehrsbezeichnung nicht mit der Verwendung unzulässiger Zutaten, sondern mit der Verwendung einander ausschließender Begriffe für die Verkehrsbezeichnung begründet. Eine von den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse abweichende Verkehrsauffassung für dänische Formfleischerzeugnisse folgt auch nicht aus der geltend gemachten Umsetzung der im Jahr 1998 zwischen Vertretern der ... Fleischwirtschaft, der E12. Botschaft und der betroffenen deutschen Überwachungsbehörden ausgehandelten Kompromisslösung zur Kennzeichnung von dänischen Formfleisch-Vorderschinkenerzeugnissen als "E5. Vorderschinken" mit dem Zusatz "gepökelt, zerkleinert und geformt (alternativ: zusammengefügt), grob entfettet, ohne Schwarte". Ungeachtet der Frage, inwieweit diese Vereinbarung mit Blick auf die Vorschrift des § 4 Abs. 2 LMKV noch Geltung beanspruchen kann, ist nicht ersichtlich, dass die Kompromisslösung für den maßgeblichen Verbraucherkreis eine die (sachverständige) Aussagekraft der Leitsätze in Frage stellende Bedeutung erlangt haben könnte. Der Senat kann dies aus eigener Anschauung und Erfahrung beurteilen, weil seine Mitglieder zu dem Kreis der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher gehören.
49Aus den obigen Erwägungen stellt die streitgegenständliche Verkehrsbezeichnung, die zwei Produkte unterschiedlicher Art erwähnt, auch keine Beschreibung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV dar, die es dem Verbraucher ermöglichte, die Art des Lebensmittels zweifelsfrei zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden.
50Die Bezeichnung "E6. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." ist auch keine Verkehrsbezeichnung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV. Hiernach gilt abweichend von Absatz 1 als Verkehrsbezeichnung für ein Lebensmittel ferner die Bezeichnung, unter der das Lebensmittel in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in den Verkehr gebracht wird. Diese Verkehrsbeschreibung ist durch beschreibende Angaben zu ergänzen, wenn anderenfalls der Verbraucher nicht in der Lage wäre, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden (Satz 2).
51Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, fällt unter § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV schon nach seinem eindeutigen Wortlaut allein die Originalbezeichnung in dem anderen Mitgliedstaat. Dies wird bestätigt durch systematische Überlegungen.
52Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV ist an § 54 LFGB angelehnt. Gemäß § 54 Abs. 1 LFGB dürfen Lebensmittel, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, auch dann in das Inland verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den in Deutschland geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen. § 4 Abs. 2 LMKV ist deshalb so zu verstehen, dass Lebensmittel, die sich in einem anderen Staat der EU bzw. des EWR rechtmäßig in Verkehr befinden, unter der dort rechtmäßigen Verkehrsbezeichnung – bei Einhaltung der Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 2 – auch in Deutschland in Verkehr gebracht werden dürfen.
53Vgl. Zipfel/Rathe, a. a. O., C 110, § 4 LMKV, Rn. 13 i.
54Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 LMKV betrifft demnach ausschließlich den Fall der Verwendung der Originalverkehrsbezeichnung des Ausfuhrmitgliedstaats. Eine entsprechende Auslegung ist auch der Amtlichen Begründung zur Änderungsverordnung vom 14. Oktober 1999 (BGBl. I S. 2053), BR Drs. 375/99 vom 17. Juni 1999, durch deren Artikel 1 Nr. 3 auch die Absätze 2 und 3 des § 4 LMKV eingefügt worden sind, zu entnehmen:
55"Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr kommt es vielfach zu Problemen, wenn ein Lebensmittel unter einer bestimmten, im Ausfuhrmitgliedstaat verwendeten Verkehrsbezeichnung in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wird, dessen Zusammensetzung den im Einfuhrmitgliedstaat für ein so bezeichnetes Lebensmittel gegebenen Anforderungen nicht entspricht. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu derartigen Fallgestaltungen sieht Absatz 2 vor, dass die Verkehrsbezeichnung des Ausfuhrmitgliedstaats grundsätzlich auch im Einfuhrmitgliedstaat verwendet werden darf. Ergänzungen der verwendeten Verkehrsbezeichnung um beschreibende Angaben sind vorgeschrieben, wenn anderenfalls der Verbraucher nicht in der Lage wäre, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden. (...)
56 57Dieser Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV kann entgegen der Annahme der Antragstellerin auch nicht entgegen gehalten werden, § 4 Abs. 2 Satz 2 LMKV sei eine Ausnahme von § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV, die bei ausschließlicher Verwendung der nicht deutschsprachigen Originalverkehrsbezeichnungen systemwidrig zum Regelfall werde. Aus § 4 Abs. 2 Satz 2 LMKV folgt nicht, dass bei jeder Verwendung einer nichtdeutschsprachigen Originalverkehrsbezeichnung gleichsam "automatisch" zusätzliche beschreibende Angaben erforderlich sind. Vielmehr dürfen Verkehrsbezeichnungen aus anderen Staaten der EU oder des EWR auch ohne zusätzliche Angaben verwendet werden, wenn der Verbraucher etwa aus dem Zutatenverzeichnis - die Art des Lebensmittels erkennen und deshalb das Lebensmittel von anderen Erzeugnissen unterscheiden kann.
58Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 110, § 4 LMKV,
59Rn. 13 n.
60Mit Blick darauf sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV hier schon deshalb nicht gegeben, weil die Antragstellerin das streitgegenständliche Produkt in Deutschland nicht unter der in Dänemark verwendeten Verkehrsbezeichnung "Dansk Svinebov", sondern unter der deutschsprachigen Produktbeschreibung "E7. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." in den Verkehr gebracht hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es auch nicht ausreichend, dass in der deutschsprachigen Produktbezeichnung das Wort "E8. " verwendet wird und das aufgedruckte Identitätskennzeichen "DK 65 EF" sowie die dänische Nationalflagge auf die dänische Herkunft hinweisen. Diese Angaben ersetzen nicht die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV erforderliche Originalverkehrsbezeichnung "Dansk Svinebov".
61Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV ist auch nicht entsprechend anwendbar auf den Fall, dass das Lebensmittel im Einfuhrmitgliedstaat unter der deutschsprachigen Übersetzung der Verkehrsbezeichnung des Ausfuhrmitgliedstaats in den Verkehr gebracht wird. Es ist schon unklar, wie der Begriff "... Schweineschulter" als deutschsprachige Übersetzung von "Dansk Svinebov" mit der streitgegenständlichen Verkehrsbezeichnung "E9. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." in Einklang zu bringen ist. Unabhängig davon ist die Sachlage nicht mit derjenigen der Verwendung der Originalverkehrsbezeichnung vergleichbar. § 4 Abs. 2 LMKV ist Ausdruck des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des freien Warenverkehrs und ermöglicht unter den dort genannten Voraussetzungen das Inverkehrbringen eines aus einem anderem Staat der EU oder des EWR eingeführten Lebensmittels unter erleichterten Bedingungen. Eine vergleichbare Interessenlage besteht aber nicht, wenn das Produkt nicht unter der rechtmäßigen Originalbezeichnung des Ausfuhrstaates, sondern – wie hier - im Bundesgebiet unter einer neuen deutschsprachigen Verkehrsbezeichnung auf den Markt gebracht wird.
62Anders als die Antragstellerin meint, ergibt sich die Zulässigkeit einer deutschsprachigen Übersetzung auch nicht aus § 3 Abs. 3 Satz 1 LMKV. Zwar sind nach dieser Vorschrift die Angaben nach Absatz 1, zu denen auch die Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 bis 4 gehört, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, auf der Fertigpackung oder einem mit ihr verbundenen Etikett an gut sichtbarer Stelle in deutscher Sprache anzubringen. Allerdings findet § 3 Abs. 3 Satz 1 LMKV im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 LMKV keine Anwendung, weil diese Vorschrift eine spezielle Regelung für die Verwendung von Verkehrsbezeichnungen aus anderen Staaten der EU und des EWR enthält.
63Vgl. Zipfel/Rathke, a. a. O., C 110, § 3 LMKV, Rn. 46.
64Ist aber angesichts der verwendeten deutschsprachigen Verkehrsbezeichnung "E10. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV nicht anwendbar, verbleibt es dabei, dass die verwendete Verkehrsbezeichnung den Anforderungen des § 4 Abs. 1 LMKV genügen muss, was nicht der Fall ist.
65Mangels Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV kommt es auch nicht mehr darauf an, ob in der Bezeichnung "Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte, gekocht." eine ausreichende Beschreibung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 LMKV zu sehen ist oder ob die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 LMKV schon nach Absatz 3 ausgeschlossen wäre.
66Das Verbot des Inverkehrbringens des Produkts "E11. Vorderschinken, Formfleisch-Vorderschinken. Zerkleinert und gepökelt, ohne Speck und Schwarte gekocht." ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht unverhältnismäßig. Auch unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechte der Antragstellerin (Art. 12, 14 GG) erscheint die Maßnahme vielmehr vertretbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Rechten der Antragstellerin vorliegend die Rechte der Verbraucher gegenüber stehen. Die Lauterkeit des Handels und der Verbraucherschutz sind zentrale Anliegen des gemeinschaftsrechtlichen wie auch des deutschen Lebensmittelrechts.
67Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, a. a. O., mit weiteren Nachweisen.
68Die Feststellung von Verstößen gegen Vorgaben der Lebensmittel-Deklaration rechtfertigt es, dem Ziel des Verbraucherschutzes den Vorrang einzuräumen und die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin zurückzustellen. Dies gilt umso mehr, als der Antragstellerin nicht grundsätzlich untersagt wird, das in Rede stehende Lebensmittel weiter zu vertreiben, sondern ihr lediglich Vorgaben zu dessen konkreter Kennzeichnung gemacht werden.
69Die streitgegenständliche Verfügung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sich das Produkt nach dem Vorbringen der Antragstellerin schon seit über 10 Jahren auf dem deutschen Markt befindet und es zu keinen Beanstandungen gekommen sein soll. Denn bei der Frage, ob bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften verwendet werden, kommt es nicht darauf an, ob der Verbraucher im Einzelnen tatsächlich irregeführt wird, sondern nur darauf, wie eine Angabe oder Aufmachung auf einen Durchschnittsverbraucher wirkt und ob sie insofern zur Täuschung geeignet ist.
70Vgl. Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke, LFGB, Stand der Bearbeitung: April 2012, § 11, Rn. 20.
71An der Vollziehung des nach alldem rechtmäßigen Verbots des Inverkehrsbringens des Lebensmittels unter der in Rede stehenden Verkehrsbezeichnung besteht auch ein öffentliches Interesse. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung wird vorliegend durch die Interessen der Verbraucher begründet, die vor Täuschungen beim Erwerb von Lebensmitteln geschützt werden sollen. Das Interesse der Antragstellerin, von einer Beeinträchtigung der Beziehungen zu ihren Abnehmern vorläufig verschont zu bleiben, ist demgegenüber von geringerem Gewicht.
72Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht nicht die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der auf die §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW gestützten Androhung eines Zwangsgeldes von 10.000,00 EUR angeordnet. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin musste in der Androhung keine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung gesetzt werden. Gemäß § 63 Satz 2 VwVG NRW ist eine Fristsetzung unter anderem entbehrlich, wenn eine Unterlassung erzwungen werden soll. So liegt der Fall hier. Das Verbot des Inverkehrbringens des Produkts der Antragstellerin unter der streitgegenständlichen Verkehrsbezeichnung ist auf eine Unterlassung gerichtet, da von der Antragstellerin vorrangig ein Untätigbleiben gefordert wird. Soweit dieses mit aktiven Handlungen der Antragstellerin wie etwa der Sperrung bereits disponierter Warenbestände verbunden ist, ändert dieser Umstand nichts daran, dass die Merkmale eines Unterlassens deutlich überwiegen.
73Mit Blick auf die obigen Erwägungen bleibt auch den hilfsweise gestellten Anträgen der Erfolg versagt.
74Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 1 GKG.
75Dieser Beschluss ist unanfechtbar.