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Bei einer Klage gegen die Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit ist das Gericht verpflichtet, die Spruchreife der Sache herzustellen und ggf. zu diesem Zweck Beweis zur Frage der Dienstunfähigkeit des Beamten bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu erheben.
Verweigert sich ein Beamter ohne Angabe von Gründen einer solchen Beweiserhe-bung, kann dies zu seinen Lasten gewertet werden.
Bei seiner Beweisanordnung braucht das Gericht nicht die formalen Anforderungen zu beachten, die für die vom Dienstherrn angeordnete Untersuchung der Dienst¬fähigkeit gelten.
§ 46 VwVfG ist im Zurruhesetzungsverfahren bei fehlender Beteiligung des Personal¬rates oder der Gleichstellungsbeauftragten anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte einer gerichtlichen Beweisanordnung unentschuldigt nicht nachkommt und deshalb – bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt – von einer Dienstunfähigkeit ausgegangen werden kann.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Der am 5. März 1976 geborene Kläger stand bis zu der hier streitigen Versetzung in den Ruhestand zum 1. April 2010 als Amtsrat (BesGr. A 12) in den Diensten der Beklagten.
3Am 6. Februar 2006 erlitt der Kläger im privaten Bereich einen Unfall mit dem Bruch dreier Brustwirbel. Seit dem 7. Februar 2006 leistet er keinen Dienst mehr. Zumindest bis zum 15. Mai 2009 war er durchgehend dienstunfähig erkrankt, abgesehen von einer Woche Urlaub im März 2009.
4Eine amtsärztliche Untersuchung und eine Untersuchung durch den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) J. aus dem Jahre 2008 führten jeweils zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand des Klägers eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell zulasse. Im Januar 2009 wurde sogar eine volle Dienstfähigkeit ohne Wiedereingliederung festgestellt, nachdem der Facharzt für Orthopädie, Herr Dr. L. in N. , in einem orthopädischen Gutachten vom 19. Januar 2009 zu der Einschätzung gelangt war, die vom Kläger angegebenen linksseitigen Schmerzen im Bereich der Beckenwirbelsäule mit Ausstrahlung zur Brustwirbelsäule seien als solche durch die Unfallfolgen nicht zu erklären. Es sei davon auszugehen, dass eine funktionelle Überlagerung vorliege. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger mit sofortiger Wirkung für seinen Beruf als Diplomverwaltungsfachwirt arbeitsfähig.
5Dennoch klagte der Kläger weiterhin über orthopädische Beschwerden, die ihm die Dienstaufnahme unmöglich machten, und blieb dem Dienst fern. Er legte ärztliche Atteste zu seiner Dienstunfähigkeit vor.
6Die Beklagte forderte den Kläger mehrfach erfolglos auf, seinen Dienst wiederaufzunehmen und sich bei weiteren Erkrankungen vom Amtsarzt bzw. vom Sozialmedizinischen Dienst untersuchen zu lassen.
7Im Februar und März 2009 begab sich der Kläger jeweils einmal zur Untersuchung durch den Amtsärztlichen Dienst N. . Dieser konnte ihn jedoch nach seiner – des Klägers – Darstellung nicht fachorthopädisch untersuchen.
8Im März 2009 lehnte die Beklagte es auf telefonische Nachfrage ab, dem Kläger so lange unbezahlten Sonderurlaub zu genehmigen, bis dieser wieder vollständig gesundet sei. Zur Begründung führte die Beklagte an, der Kläger sei nach den amtsärztlichen Untersuchungen dienstfähig.
9Der Kläger wandte sich im April 2009 an den Personalrat und bat um Unterstützung wegen der Weisungen seiner Dienststelle, den Dienst anzutreten bzw. amtsärztliche Atteste vorzulegen. Nachdem sich Herr H. , stellvertretender Vorsitzender des Personalrates, über die Sachlage informiert hatte, sprach er mit dem Kläger. Einem Vermerk der Beklagten vom 28. April 2009 zufolge hat Herr H. vorgeschlagen, einen Vertreter der Wahl des Klägers zu einem Gespräch mit der Dienststelle beizuziehen. Daraufhin habe der Kläger das Gespräch beendet. Herr H. habe daraufhin keine weiteren Hilfsmöglichkeiten von Seiten des Personalrates mehr gesehen.
10Am 11. Mai 2009 wurde der Beklagten aufgrund von Kontakten zu den Eltern des Klägers bekannt, dass dieser seit dem vorvergangenen Wochenende verschwunden war. Als der Vater des Klägers diesen in L1. fand, stellte sich die Frage nach einer erheblichen psychischen Erkrankung des Klägers.
11Am 18. Mai 2009 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und der Beklagten statt. Nach einem Vermerk der Beklagten darüber erklärte der Kläger, wegen großer Schmerzen nicht arbeiten zu können. Er wolle mindestens zwei Jahre beurlaubt werden, um vollständig gesund zu werden. Danach werde er wieder in Vollzeit arbeiten. Die Dienststelle habe eine solche Beurlaubung abgelehnt. Vorschläge mit dem Ziel einer Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell habe der Kläger vehement abgelehnt.
12Nachdem der sozialpsychiatrische Dienst der Stadt L1. zweimal vergeblich versucht hatte, den Kläger zu Hause zu besuchen, forderte die Beklagte den Kläger unter dem 19. Oktober 2009 und unter dem 27. Oktober 2009 jeweils auf, sich beim sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes der Stadt L1. zur sozialpsychiatrischen Untersuchung einzufinden. Der Kläger nahm diese Termine nicht wahr.
13Unter dem 10. Februar 2010 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit an. Sie führte an, der Kläger sei seit Februar 2006 erkrankt und habe die Angebote einer Wiedereingliederung abgelehnt. Trotz entsprechender Aufforderungen habe er keine amtsärztlichen Atteste vorgelegt. Personalgespräche seien erfolglos verlaufen. Untersuchungstermine beim SMD und zur sozialpsychiatrischen Untersuchung habe der Kläger unentschuldigt versäumt. Eine Rückkehr in den aktiven Dienst sei nicht in absehbarer Zeit zu erwarten. Die Beklagte wies den Kläger nicht auf das Recht hin, den Personalrat an dem Verfahren zu beteiligen.
14Mit Verfügung vom 15. März 2010 versetzte die Beklagte den Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Der Bescheid wurde dem Kläger am 17. März 2010 zugestellt.
15Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er halte sich derzeit für etwa 4 Stunden täglich für dienstfähig und strebe eine Wiedereingliederung für ca. 4 Stunden an. Er sei bereit, sich einer amtsärztlichen Untersuchung auf orthopädischem Gebiet zu stellen. Für eine sozialpsychiatrische Untersuchung bestehe kein Anlass. Die Beklagte habe für den Untersuchungstermin am 23. Oktober 2009 nicht begründet, warum eine solche Untersuchung nötig sei. Die Aufforderung zur Untersuchung am 4. November 2009 habe er nie erhalten.
16Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2010, zugestellt am 14. September 2010, zurück. Zur Begründung gab sie an, sie halte den Vorschlag auf Wiedereingliederung nicht für zielführend. Seit Februar 2006 habe der Kläger alle Wiedereingliederungsvorschläge abgelehnt, sich sämtlichen dienstlichen Weisungen widersetzt und sich seit Mai 2009 dem Dienst trotz wiederholter Aufforderung zum Dienstantritt entzogen. Sein Verhalten habe zu einer grundsätzlichen und nachhaltigen Vertrauensstörung zwischen ihm und der Dienststelle beigetragen. Das renitente und nicht nachvollziehbare Verhalten habe darüber hinaus zu dem Verdacht geführt, dass hier eine schwerwiegende psychologische oder psychiatrische Erkrankung vorliege. Nur dieser Verdacht habe die Dienststelle bewogen, kein Disziplinarverfahren mit Ziel der Entfernung aus dem Dienst einzuleiten. Da der Kläger sich ebenfalls geweigert habe, sozialpsychiatrisch untersucht zu werden, sei die Versetzung in den Ruhestand hier der einzig mögliche Weg.
17Am 7. Oktober 2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er ausgeführt, sämtliche ärztlichen Gutachten, die die Beklagte in Auftrag gegeben habe, gingen von seiner Dienstfähigkeit aus, so dass sich die Versetzung in den Ruhestand aus Gesundheitsgründen verbiete. Er sei bereit gewesen, sich orthopädisch untersuchen zu lassen. Zudem habe die Beklagte ihn nicht auf sein Recht hingewiesen, den Personalrat zu beteiligen. § 46 VwVfG sei hier nicht anwendbar.
18Der Kläger hat beantragt,
19den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2010 in Form des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 aufzuheben.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat vorgetragen, die aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Umstände ließen nur den Schluss zu, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen dauernd dienstunfähig sei. Die Gutachten über dessen Dienstfähigkeit seien veraltet. Sie habe sich nicht auf ein ärztliches Gutachten beziehen können, weil der Kläger die Begutachtung verweigert habe. Deshalb habe sie das Verhalten des Klägers umfassend selbstständig bewerten müssen. Der Kläger könne auch nicht nach § 44 Abs. 2 bis 4 BBG anderweitig verwendet werden. Der fehlende Hinweis auf die Beteiligungsmöglichkeit des Personalrats sei nach dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG unerheblich, weil es sich um eine gebundene Entscheidung handele. Außerdem sei nach Aktenlage auszuschließen, dass der Kläger den Antrag überhaupt gestellt hätte.
23Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Zurruhesetzung des Klägers nach § 44 Abs. 1 BBG sei formell rechtswidrig. Denn die Beklagte habe den Kläger nicht gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 2 BPersVG darauf hingewiesen, dass der Personalrat am Zurruhesetzungsverfahren beteiligt werden könne. Das Fehlen dieses Hinweises sei nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Es sei hier nicht auszuschließen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Unterrichtung die Beteiligung des Personalrates beantragt, dieser gegen die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand Einwendungen erhoben und die Beklagte aufgrund dessen von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen hätte. Denn die Beklagte habe ihre Entscheidung über die dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers nicht auf ein ärztliches Gutachten gestützt. Denkbar wäre auch gewesen, den Kläger tatsächlich einem mehrfach angedrohten Disziplinarverfahren zu unterwerfen, um ernsthaften Druck auf ihn auszuüben.
24Hiergegen hat die Beklagte fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen wie folgt begründet: § 46 VwVfG sei auf Fehler des personalvertretungsrechtlichen Verfahrens anwendbar. Wenn ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werde, stehe der Behörde kein Ermessensspielraum zu. Raum für Ermessen bestehe nur im Rahmen des § 44 Abs. 3 und 4 BBG. Die Beklagte habe den Kläger mehrfach aufgefordert, sich amtsärztlich und sozialpyschologisch untersuchen zu lassen. Dieser habe sich jedoch geweigert mitzuwirken. Der Akteninhalt, insbesondere die Vermerke über Gespräche mit dem Kläger betreffend, lege eine akute psychische Erkrankung nahe. Danach sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens das Verhalten des Klägers hätte positiv beeinflussen können. Außerdem belaste eine Versetzung in den Ruhestand den Kläger weniger als ein Disziplinarverfahren, das wohl mit der Entfernung aus dem Dienst geendet hätte. Dies habe die Beklagte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht beachten müssen. Der Kläger habe seinen Dienst bis heute nicht wieder aufgenommen. Wenn der Personalrat beteiligt worden wäre, hätte er mutmaßlich der Zurruhesetzung des Klägers nicht widersprochen.
25Der Beklagte hat eine Erklärung des Vorsitzenden des Personalrates des BMBF, Herrn H. , vom 19. Oktober 2012 vorgelegt. Danach sei der Personalrat vor und während des Zurruhesetzungsverfahrens umfänglich informiert gewesen. Auch bei einer erneuten Konsultation des Personalrats durch den Kläger hätte der Personalrat die Position der Dienststelle gegenüber dem Kläger vertreten, dass infolge der langzeitigen Verweigerung jeglicher Kooperation von dem Kläger mit der Dienststelle keine Alternative zur Durchführung des "Zwangspensionierungsverfahrens" bestanden habe.
26Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
27das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
28Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Er trägt im Wesentlichen vor: Schon aus den ärztlichen Gutachten ergebe sich, dass er nicht dienstunfähig sei. Er habe sich auch nicht ärztlichen Untersuchungen entzogen. Die Beklagte habe ihn im Februar 2009 aufgefordert, Dienstunfähigkeitszeiten durch amtsärztliche Untersuchungen bestätigen zu lassen. Ende Februar 2009 sei er deswegen beim Amtsarzt des Kreises N. gewesen. Der Amtsarzt sei aber nicht tätig geworden, weil ein entsprechender Auftrag der Beklagten gefehlt habe. Auch in der Folgezeit habe die Beklagte seine amtsärztlichen Untersuchungen nicht ordnungsgemäß organisiert. Die Beklagte führe keine sachlich begründeten Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung an. Er hätte jedenfalls den Personalrat im Zurruhesetzungsverfahren beteiligt. Ein Disziplinarverfahren hänge von ganz anderen Voraussetzungen als ein Zurruhesetzungsverfahren ab und sei keine Alternative zu diesem. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass sie nicht hätte anders handeln können.
31Der Senat hat am 25. Oktober 2012 beschlossen, durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens des Amtsarztes der Stadt L1. Beweis zu erheben zur Frage, ob der Kläger bezogen auf den 14. September 2010 (Datum der Zustellung des Widerspruchsbescheides) wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 BBG war. Den daraufhin ergangenen beiden Aufforderungen des Gesundheitsamtes der Stadt L1. , sich ärztlich untersuchen zu lassen, ist der Kläger nicht nachgekommen.
32Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Beiakten (6 Hefte) Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
35Der angefochtene Bescheid ist zwar formell rechtswidrig (1.). In materieller Hinsicht ist die Versetzung des Klägers in den Ruhestand dagegen rechtmäßig (2.). In Anwendung der Vorschrift des § 46 VwVfG besteht trotz der formellen Rechtswidrigkeit kein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides (3.).
361. Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich zum einen daraus, dass die Beklagte den Kläger nicht auf dessen Recht hingewiesen hat, gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 2 BPersVG den Personalrat während des Zurruhesetzungsverfahrens zu beteiligen.
37Nach den genannten Vorschriften wirkt der Personalrat bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand mit, wenn der Beschäftigte dies beantragt. Der Dienstherr ist verpflichtet, den Beschäftigten über dessen Recht zu belehren, die Beteiligung der Personalvertretung zu verlangen.
38Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 1999 – 2 C 4.99 –, BVerwGE 110, 173 = ZBR 2000, 242 = juris, Rn. 23 ff., und vom 24. November 1983 – 2 C 27.82 –, BVerwGE 68, 197 = RiA 1984, 117 = juris, Rn. 19.
39Der Zurruhesetzungsbescheid der Beklagten ist weiter deswegen formell rechtswidrig, weil die Beklagte die Gleichstellungsbeauftragte entgegen § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BGleiG nicht beteiligt hat.
40Nach dieser Bestimmung ist die Gleichstellungsbeauftragte frühzeitig zu beteiligen, insbesondere u. a. bei vorzeitiger Beendigung der Beschäftigung.
41Zur notwendigen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Februar 2010 – 6 A 1978/07 –, DVBl. 2010, 981 = juris, Rn. 42 ff. = NRWE, und Beschluss vom 22. Juni 2010 – 6 A 699/10 –, juris, Rn. 7 = NRWE (jeweils zu § 17 Abs. 1 Nr. 1 LGG NRW).
422. Die Versetzung in den Ruhestand ist jedoch materiell-rechtlich rechtmäßig erfolgt.
43Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand ist derjenige der letzten Verwaltungsentscheidung.
44BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 1997 – 2 C 7.97 –, BVerwGE 105, 267 = DVBl. 1998, 201 = juris, Rn. 16, und vom 26. März 2009 – 2 C 73.08 –, BVerwGE 133, 297 = ZBR 2009, 415 = juris, Rn. 12 ff.; OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2010 – 1 A 2211/07 –, juris, Rn. 32 = NRWE.
45Dies ist hier der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Dieser ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. September 2010 zugestellt worden und damit seitdem wirksam.
46Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. $ 44 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass als dienstunfähig auch angesehen werden kann, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst mehr getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
47Bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen. Vielmehr sind die Auswirkungen seiner körperlichen Gebrechen oder der Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt dabei nicht nur auf Art und Ausmaß der einzelnen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die objektiven ärztlichen Befunde und deren medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte auf Grund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist.
48Vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2011 – 1 A 440/10 –, PersV 2011, 456 = juris, Rn. 87 ff. = NRWE, m. w. N.
49Bestehen Zweifel über die Dienstfähigkeit, ist der Beamte nach § 44 Abs. 6 BBG u. a. verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 BBG kann die zuständige Behörde in den Fällen der §§ 44 bis 47 die ärztliche Untersuchung nur einer Amtsärztin oder einem Amtsarzt übertragen oder einer Ärztin oder einem Arzt, die oder der als Gutachterin oder Gutachter zugelassen ist.
50Verweigert ein Beamter eine vom Dienstherrn angeordnete ärztliche Untersuchung, kann sich dies nach einem aus § 444 ZPO abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz zu seinem Nachteil auswirken. Nach diesem Rechtsgrundsatz kann das Verhalten einer Partei, welche die Benutzung eines bestimmten Beweismittels schuldhaft vereitelt, im Rahmen freier Beweiswürdigung als ein Umstand bewertet werden, der für die Richtigkeit des Vorbringens des Gegners zeugt, auch wenn dieser Schluss nicht notwendigerweise gezogen werden muss. Danach kann im Rahmen freier Beweiswürdigung auf die Dienstunfähigkeit geschlossen werden, wenn der Beamte durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert.
51Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 – 2 C 17.10 –, IÖD 2012, 170 = NVwZ 2012, 1483 = juris, Rn. 12 ff., und vom 18. September 1997 – 2 C 33.96 –, DVBl. 1998, 197 = juris, Rn. 21.
52Diese für den Beamten nachteilige Schlussfolgerung setzt jedoch eine rechtmäßige Untersuchungsanordnung voraus. Diese muss sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig. Der Aufforderung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen. In formeller Hinsicht muss die Anordnung aus sich heraus verständlich sein. Der betroffene Beamte muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag. Insbesondere darf die Behörde nicht nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, "worum es gehe". Dem Beamten bekannte Umstände müssen in der Anordnung von der zuständigen Stelle zumindest so umschrieben sein, dass für den Betroffenen ohne Weiteres erkennbar wird, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird. Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann dieser Mangel nicht dadurch "geheilt" werden, dass die Behörde nachträglich im Behörden- oder Gerichtsverfahren darlegt, objektiv hätten zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächlich Umstände vorgelegen, die ausreichenden Anlass zu Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten hätten geben können.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 17.10 –, IÖD 2012, 170 = NVwZ 2012, 1483 = juris, Rn. 13 ff.
54Nach diesen Maßstäben muss der Kläger sich so behandeln lassen, als sei er zum maßgeblichen Zeitpunkt am 14. September 2010 dienstunfähig gewesen. Dies folgt zwar nicht schon daraus, dass er während des behördlichen Verfahrens den Untersuchungsanordnungen der Beklagten überwiegend nicht gefolgt ist. Denn die entsprechenden Aufforderungen der Beklagten genügten nicht den dargestellten Anforderungen (dazu a). Der Kläger hat aber ohne Angabe von Gründen die Beweiserhebung im Rahmen eines gerichtlichen Beweisbeschlusses vereitelt. Dies geht zu seinen Lasten (dazu b).
55a) Die Dienstunfähigkeit des Klägers kann nicht schon damit begründet werden, der Kläger habe Aufforderungen der Beklagten, sich ärztlich untersuchen zu lassen, grundlos ignoriert. Denn die Beklagte hat diese nicht ausreichend begründet.
56Die Aufforderungen der Beklagten vom 19. Oktober 2009 und vom 27. Oktober 2009 an den Kläger, sich sozialpsychiatrisch untersuchen zu lassen, enthalten keine Begründungen, warum die Beklagte die genannten Untersuchungen für erforderlich hielt. Solche Gründe lagen zwar nach Aktenlage vor, die Beklagte hat sie aber nicht genannt. Der Kläger konnte daher den Anordnungen nicht entnehmen, was konkret ihr Anlass war und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermochte. Außerdem war nur mittelbar in der jeweiligen Belehrung der Aufforderungen die Rede davon, die Untersuchungen könnten sich auf eine etwaige Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit auswirken. Die Beklagte kündigte nämlich an, die Dienstunfähigkeit des Klägers zu unterstellen und unmittelbar das Pensionierungsverfahren einzuleiten, wenn dieser den Termin unentschuldigt nicht wahrnehme.
57Eine Dienstunfähigkeit des Klägers ist auch nicht daraus herzuleiten, dass er den vor Oktober 2009 ergangenen Weisungen der Beklagten, sich sozialmedizinisch untersuchen zu lassen, nicht in der von der Beklagten gewünschten Weise nachgekommen ist. Denn auch diese Anordnungen genügen nicht den an sie zu stellenden, oben dargestellten Anforderungen. In den Begründungen für diese Anordnungen wird nämlich nicht deutlich, dass es um die generelle Klärung der Dienstfähigkeit des Klägers ging. Die Beklagte hatte diese Aufforderungen damit begründet, dass die Widersprüche zwischen den amtsärztlichen bzw. sozialmedizinischen Untersuchungsergebnissen, wonach der Kläger wieder dienstfähig sei, und den vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Krankschreibungen aufzuklären seien. Es ging dabei nicht um eine generelle Klärung der allgemeinen Dienstfähigkeit des Klägers mit Blick auf ein etwaiges Zurruhesetzungsverfahren. Dies ergibt sich schon aus den Androhungen der Beklagten, ein Disziplinarverfahren wegen des Fernbleibens vom Dienst einzuleiten. Denn einem Dienstunfähigen ist das Fernbleiben vom Dienst nicht vorzuwerfen. Dass die Beklagte bis Mai 2009 davon ausging, dass der Kläger grundsätzlich dienstfähig war, ergibt sich auch aus ihren Vermerken über Gespräche mit dem Kläger oder dessen früherem Prozessbevollmächtigten: Im März und Mai 2009 lehnte die Beklagte es nämlich jeweils ab, dem Kläger unbezahlten Sonderurlaub zu genehmigen, weil er nach den amtsärztlichen Untersuchungen dienstfähig sei.
58b) Der Kläger ist aber nach freier Beweiswürdigung durch den Senat gemäß den §§ 108 Abs. 1 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO deswegen als am 14. September 2010 dienstunfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 BBG anzusehen, weil er die gerichtlich angeordnete Beweiserhebung zur Frage seiner Dienstfähigkeit schuldhaft vereitelt hat.
59Der entsprechende Beweisbeschluss des Senats vom 25. Oktober 2012 diente der Aufklärung der Frage, ob der Kläger bezogen auf den 14. September 2010 (Datum der Zustellung des Widerspruchsbescheides) wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 BBG war. Dabei hat der Senat klargestellt, dass zunächst untersucht werden sollte, ob der Kläger aus orthopädischen oder anderen physischen Gründen dienstunfähig war. Nur wenn dies nicht der Fall sein sollte, sollte geklärt werden, ob der Kläger aus psychischen Gründen dienstunfähig war.
60Der Senat war verpflichtet, zur Frage der Dienstunfähigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt Beweis zu erheben. Aus § 86 Abs. 1, 87 und 108 VwGO und im Umkehrschluss auch aus § 113 Abs. 2 und 3 VwGO ist nämlich abzuleiten, dass das Gericht verpflichtet ist, durch seine Tätigkeit die Spruchreife der Sache herzustellen. Richtet sich eine Anfechtungsklage – wie hier im Fall der Zurruhesetzung eines Beamten nach § 44 Abs. 1 BBG – gegen eine gebundene Entscheidung, so können unzureichende Ermittlungen der Behörde allein mithin die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes noch nicht rechtfertigen.
61Vgl. Stuhlfauth, in: Bader, VwGO 5. Aufl. 2011, § 113 Rn. 30 f., und Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 113 Rn. 56 – 66.
62Bei der deshalb durch den Senat zu klären gewesenen Frage der Dienstunfähigkeit handelt es sich um eine Tat-(Beweis‑)frage und gleichzeitig um eine Rechtsfrage, die der vollen Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
63Vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2011 – 1 A 440/10 – PersV 2011, 456 = juris, Rn. 112 f. = NRWE; Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Stand: März 2013, § 26 BeamtStG Rn. 39; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Stand: Jan. 2013, § 42 BBG a. F. Rn. 3; siehe auch Schemmer, in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 46 Rn. 36.1 zur Pflicht der Gerichte, bei rechtlicher Alternativlosigkeit durchzuentscheiden.
64Die Behörde hat kein Ermessen etwa dahingehend, die Dienstunfähigkeit eines Beamten zu ignorieren oder statt der Zurruhesetzung ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn ein dienstunfähiger Beamter nicht zum Dienst kommt.
65Bei gerichtlichen Beweisbeschlüssen zur Aufklärung der Dienstfähigkeit eines Beamten gelten die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Aufforderung einer Behörde gegenüber einem Beamten, sich auf Dienstunfähigkeit untersuchen zu lassen, nicht. Denn behördliche Untersuchungsanordnungen, über die das Bundesverwaltungsgericht in seinem oben zitierten Urteil vom 26. April 2012 zu entscheiden hatte, beruhen auf den §§ 44 Abs. 6, 48 BBG oder den entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze. Demgegenüber stützen sich gerichtliche Beweisbeschlüsse, die eine ärztliche Untersuchung anordnen, auf die §§ 86 Abs. 1 Satz 1, 98 VwGO i. V. m. den §§ 358 bis 370 und 402 bis 414 ZPO. Diese Vorschriften haben andere rechtliche Voraussetzungen und sind mit den §§ 44 Abs. 6, 48 BBG nicht vergleichbar. Gerichtliche Beweisanordnungen dienen nicht dazu, die Arbeit der Behörde zu übernehmen, sondern dazu, die anhängige Sache spruchreif zu machen und eine richtige Entscheidung zu treffen. Im Übrigen dürfte dem Betroffenen bei einem gerichtlichen Beweisbeschluss typischerweise klar sein, welche konkreten Anhaltspunkte für eine Dienstunfähigkeit gegeben sind. Denn wenn es zu einem Gerichtsverfahren gekommen ist, liegen zumindest ein Zurruhesetzungsbescheid der Behörde und in der Regel auch ein Widerspruchsbescheid vor.
66Gleichwohl hat der Senat vorsorglich seinen Beweisbeschluss vom 25. Oktober 2012 umfangreich begründet und diejenigen Anhaltspunkte benannt, aus denen sich nach Aktenlage Zweifel an der Dienstfähigkeit des Klägers ergeben, so dass der Kläger im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erkennen konnte, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte der Senat eine ärztliche Untersuchung zur Klärung der Dienstfähigkeit für erforderlich gehalten hat.
67Der Kläger hat die Beweiserhebung schuldhaft vereitelt. Er ist zweimal den auf den Beweisbeschluss hin ergangenen Einladungen des Gesundheitsamtes der Stadt L1. nicht gefolgt, sich dort ärztlich untersuchen zu lassen. Gründe dafür hat er trotz einer entsprechenden gerichtlichen Aufforderung nicht angegeben. Daher ist davon auszugehen, dass der Kläger die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindern will.
68Der Senat schließt daraus nach dem aus § 444 ZPO abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz auf die Dienstunfähigkeit des Klägers, und zwar zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 14. September 2010.
69Vgl. zur Weigerung von Beamten, sich ärztlich untersuchen zu lassen, BVerwG, Urteil vom 18. September 1997 – 2 C 33.96 –, DVBl. 1998, 197 = juris, Rn. 21; Bay. VGH, Urteil vom 20. September 2000 – 3 B 96.3331 –, juris, Rn. 38.
70Die sinngemäßen Einwände des Klägers in seiner "Gegenvorstellung" vom 25. Oktober 2012, der amtsärztliche Dienst der Stadt L1. könne die Dienstunfähigkeit nicht sachgerecht untersuchen und Frau Dr. N1. vom Gesundheitsamt der Stadt L1. sei voreingenommen, stehen dieser Wertung nicht entgegen. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 14. November 2012, an denen er auch nach Überprüfung festhält. Hinzu kommt Folgendes: Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, wonach es Ärzten in jedem Fall unmöglich sein könnte, nachträglich festzustellen, ob jemand zu einem früheren Zeitpunkt dienstunfähig war. Dies hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Um dies klären zu können, hätte der Kläger sich untersuchen lassen müssen. Hätte sich herausgestellt, dass Ärzte die Dienstunfähigkeit des Klägers bezogen auf den 14. September 2010 nachträglich nicht mehr sicher feststellen können, wäre dies zu Lasten der Beklagten gegangen, die insoweit die Beweislast trifft. Da der Kläger aber jede Untersuchung verweigert, wirkt sich dies nachteilig für ihn aus.
713. Aus der nur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides folgt gemäß § 46 VwVfG kein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Vorschrift liegen vor (dazu a), und sie ist hier auch anwendbar (dazu b).
72a) Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
73Von einem fehlenden Einfluss des Verfahrensfehlers in diesem Sinne ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Entscheidung rechtlich und tatsächlich alternativlos gewesen ist. Dann besteht keine Möglichkeit, dass der Verfahrensfehler einen Einfluss auf die Entscheidung gehabt hat.
74Vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2011 – 1 A 440/10 –, PersV 2011, 456 = juris, Rn. 110 = NRWE.
75Dies ist hier der Fall. Die unzureichende Unterrichtung des Klägers über sein Recht, den Personalrat zu beteiligen, und die fehlende Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten sind unbeachtlich, weil offensichtlich ist, dass die Beklagte nicht anders hätte entscheiden können, als den Kläger in den Ruhestand zu versetzen. Aus den unter 2. genannten Gründen ist der Kläger als dienstunfähig zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides anzusehen. In Bezug hierauf sind keine Stellungnahmen des Personalrats oder der Gleichstellungsbeauftragten denkbar, auf deren Grundlage die Beklagte zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Denn bei der Beurteilung der Frage der Dienstfähigkeit steht dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum zu, der Raum für eine Einflussnahme durch den Personalrat oder die Gleichstellungsbeauftragte ließe. Es handelt es sich vielmehr um eine Tatfrage, welche die Verwaltungsgerichte voll überprüfen. Was den Personalrat betrifft, hat dessen Vorsitzender in seiner Stellungnahme vom 19. Oktober 2012 im Übrigen erklärt, der Personalrat sei mit der Entscheidung der Beklagten einverstanden gewesen.
76Ein Handlungsspielraum der Beklagten bestand hier auch nicht dahingehend, dass der Kläger womöglich nur im Hinblick auf bestimmte Dienstposten dienstunfähig gewesen wäre oder in einem anderen Amt hätte weiterverwendet werden können (anderweitige Verwendung im Sinne des § 44 Abs. 2 – 4 BBG oder begrenzte Dienstfähigkeit im Sinne des § 45 BBG). Der Kläger ist aus den oben genannten Gründen vielmehr als (vollständig) dienstunfähig anzusehen. Dafür spricht im Übrigen auch, dass er alle Eingliederungsangebote der Beklagten abgelehnt hat und offenbar zu keiner Dienstleistung als solcher mehr in der Lage gewesen ist.
77Eine Stellungnahme des Personalrats oder der Gleichstellungsbeauftragten hätte auch nicht deswegen Einfluss auf die Entscheidung der Beklagten nehmen können, weil § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG eine Formulierung verwendet, wonach der Beamte als dienstunfähig angesehen werden "kann". Durch diese Formulierung wird dem Dienstherrn aber kein Ermessen im Sinne des § 40 VwVfG eingeräumt, insbesondere kein Ermessen, das die (allein dem § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG zu entnehmende) Rechtsfolge der Versetzung eines dienstunfähigen Beamten in den Ruhestand betrifft. Satz 2 dieser Vorschrift ermöglicht lediglich eine erleichterte Form der Feststellung der Dienstfähigkeit, abhängig von den in ihr aufgestellten Voraussetzungen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist damit zugleich das Tatbestandsmerkmal der (dauernden) Dienstunfähigkeit im Ergebnis gegeben. Das bedeutet wiederum, dass die gesetzesgebundene Entscheidung der vorzeitigen Versetzung des Klägers in den Ruhestand zwingend zu erfolgen hatte.
78Zum fehlenden Ermessen bei Dienstunfähigkeit vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26. April 2012– OVG 6 B 5.12 –, juris, Rn. 40; OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 2011 – 1 A 440/10 –, PersV 2011, 456 = juris, Rn. 115 = NRWE.
79b) § 46 VwVfG ist vorliegend anwendbar.
80(1) Die fehlende ordnungsgemäße Beteiligung eines Personalrats im Rahmen des Verfahrens über die Zurruhesetzung eines Beamten begründet keinen sog. absoluten Verfahrensfehler, der die Anwendung des § 46 VwVfG ausschließt. Denn weder dem Bundespersonalvertretungsgesetz noch sonstigen Vorschriften lässt sich entnehmen, dass der von einer solchen Maßnahme betroffene Beamte unter Berufung allein auf die verfahrensfehlerhafte unzureichende Beteiligung des Personalrats, d. h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung der Zurruhesetzungsverfügung soll durchsetzen können.
81Vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2011 – 1 A 440/10 –, PersV 2011, 456 = juris, Rn. 103 ff. = NRWE.
82Dasselbe gilt für die fehlende Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten.
83Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Februar 2010 – 6 A 1978/07 –, DVBl. 2010, 981 = juris, Rn. 88 ff. = NRWE (zu § 17 Abs. 1 LGG NRW) und nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – 2 B 39.10 –, juris, Rn. 6 f.
84(2) Der Anwendung des § 46 VwVfG steht nicht entgegen, dass der Personalrat oder die Gleichstellungsbeauftragte zum Schutz des Klägers möglicherweise darauf bestanden hätten, vor der Zurruhesetzung ein ärztliches Gutachten einzuholen. Dies dürfte dem üblichen Vorgehen entsprechen. Je nach Ergebnis des Gutachtens wäre das Verhalten des Klägers dann möglicherweise nicht als Dienstunfähigkeit, sondern als Arbeitsverweigerung gewertet worden. Dies hätte eventuell zu einem Disziplinarverfahren und nicht zu einem Zurruhesetzungsverfahren führen können.
85Vgl. zu einem solchen Fall BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2003 – 1 DB 1.03 –, IÖD 2003, 136 = juris.
86Da der Kläger sich aber aufgrund seiner Weigerung, ärztlich untersucht zu werden, als dienstunfähig behandeln lassen muss, kann er sich auf solche hypothetischen Kausalverläufe nicht mit Erfolg berufen. Was den Personalrat betrifft, ist aufgrund dessen Stellungnahme vom 19. Oktober 2012 im Übrigen auszuschließen, dass dieser auf einem neuen ärztlichen Gutachten bestanden hätte.
87(3) Der Anwendung des § 46 VwVfG steht weiter nicht entgegen, dass der Kläger, wenn der Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragte beteiligt worden wären, möglicherweise deswegen zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. später als mit dem Ablauf des Monats März 2010, in den Ruhestand versetzt worden wäre, weil etwaige Stellungnahmen das Verfahren unter Umständen verlängert hätten.
88Vgl. zu diesem Aspekt Nds. OVG, Beschluss vom 19. Juli 2010 – 5 LB 131/10 –, NVwZ-RR 2010, 898 = juris, Rn. 26, zu einem Fall, in dem die Behörde eine von ihr eingeräumte Frist zur Stellungnahme nicht abgewartet hatte.
89Davon ist hier jedoch aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht auszugehen. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass eine Beteiligung des Personalrats oder der Gleichstellungsbeauftragten dazu geführt hätte, dass der Zurruhesetzungsbescheid nicht mehr im März 2010 wirksam geworden wäre. Der angefochtene Bescheid ist dem Kläger am 17. März 2010 zugestellt worden. Bis Ende März wären noch zwei Wochen Zeit gewesen, in denen Stellungnahmen seitens des Personalrates oder der Gleichstellungsbeauftragten hätten abgegeben werden können. Dass dieser Zeitraum dafür nicht ausgereicht hätte, ist nicht anzunehmen. Hinsichtlich der Beteiligung des Personalrats kommt hinzu, dass dessen Vorsitzender in seiner Stellungnahme vom 19. Oktober 2012 erklärt hat, der Personalrat sei über den Sachverhalt informiert und mit der Entscheidung der Beklagten einverstanden gewesen. Schon deswegen ist davon auszugehen, dass eine etwaige Stellungnahme des Personalrats das Zurruhesetzungsverfahren nicht nennenswert verzögert hätte.
90(4) Schließlich wird die Anwendung des § 46 VwVfG nicht dadurch gehindert, dass sich erst nachträglich während des gerichtlichen Verfahrens und zudem in Anwendung des aus § 444 ZPO abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatzes bestätigt hat, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt am 14. September 2010 als dienstunfähig anzusehen ist.
91Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob im Sinne des § 46 VwVfG in der Sache eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können, ist hinsichtlich der dafür maßgeblichen Tatsachen grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts. In den Fällen der rechtlichen Alternativlosigkeit ist jedoch eine weitere Aufklärung dieser Frage durch die Gerichte grundsätzlich zulässig und geboten.
92Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 46 Rn. 38 f.; Schemmer, in Bader/ Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 46 Rn. 36.1; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 46 Rn. 66.
93Demnach musste der Senat über die Frage der Dienstunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 14. September 2010 auch deswegen Beweis erheben, um entscheiden zu können, ob § 46 VwVfG anzuwenden ist. Da es nach dem aus § 444 ZPO abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz zulässig ist, aufgrund der Weigerung des Klägers, sich untersuchen zu lassen, von dessen Dienstunfähigkeit auszugehen, steht rückwirkend fest, dass der Kläger bereits damals dienstunfähig war. Daraus folgt die rechtliche Alternativlosigkeit der Behördenentscheidung im Sinne des § 46 VwVfG. Dann ist es konsequent, die Vorschrift des § 46 VwVfG in diesem Fall ebenso anzuwenden, wie wenn ein Arzt während des gerichtlichen Verfahrens nachträglich positiv festgestellt hätte, dass der Kläger damals dienstunfähig war.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
95Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind.