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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 12. November 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu voll-streckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Inhaberin der „C. -Apotheke“ in D. . Im November 2013 und im Januar 2014 gab sie Werbeflyer heraus, mit denen sie für die Abgabe eines Rezeptes einen Gutschein für eine Rolle Geschenkpapier (November 2013) bzw. ein Paar Kuschelsocken (Januar 2014) anbot.
3Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr Verhalten gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens - Heilmittelwerbegesetz (HWG) - sowie gegen § 19 Nr. 3 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (BO) verstoße.
4Mit Ordnungsverfügung vom 1. April 2014 gab die Beklagte der Klägerin gestützt auf § 6 Abs. 1 Nr. 6 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG NRW), § 19 Nr. 3 BO auf, es ab sofort zu unterlassen, in von ihr „ betriebenen Apotheken gekoppelt mit dem Erwerb von verschreibungspflichtigen und/oder sonstigen preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile wie z.B. eine Rolle Geschenkpapier, ein Paar Kuschelsocken oder Gutscheine hierfür, zu gewähren oder gewähren zu lassen sowie dafür zu werben oder werben zu lassen.“ Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung und ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- Euro für den Fall der Zuwiderhandlung an.
5Zur Begründung führte sie aus, § 19 Nr. 3 BO verbiete das Abgehen von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreis, insbesondere das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen sowie die Werbung hierfür. Die aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG - folgende sog. „wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsschwelle“ sei auf die Beurteilung der berufsrechtlichen Zulässigkeit der im Zusammenhang mit dem Erwerb von preisgebundenen Arzneimitteln gewährten Zuwendungen bzw. Werbegaben nicht übertragbar. Der Gesetzgeber habe mit dem Dritten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013 (BGBl. I 2012, 3108) in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG klargestellt, dass Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel unzulässig seien, wenn sie gegen Preisbindungsvorschriften verstießen. Europarechtlich sei dies nicht zu beanstanden.
6Die Klägerin verstoße zudem gegen § 1 Abs. 2 BO. Danach seien Apothekerinnen und Apotheker verpflichtet, die für ihre Berufsausübung geltenden Gesetze zu beachten. Bei den Bestimmungen über die Gewährleistung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises nach § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV handele es sich um Bestimmungen, die die Berufsausübung der Apothekerinnen und Apotheker regelten.
7Sie, die Beklagte, sehe sich zu einem Einschreiten veranlasst. Sie könne nicht darauf verwiesen werden, einen Berufspflichtverstoß der Klägerin im berufsgerichtlichen Verfahren zu ahnden.
8Den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 10. Juni 2014 - 5 L 347/14 - ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 9. Oktober 2014 zurück - 13 B 757/14 -.
9Bereits am 30. April 2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Dazu hat sie vorgetragen:
10Dem angefochtenen Bescheid fehle es schon an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Gewährung einer Sachzugabe stelle keinen Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht dar. Die mit Wirkung vom 13. August 2013 eingetretene Änderung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG sei irrelevant, weil sie für eine Sachzugabe keine Rolle spiele, zumal das Geschenkpapier wie auch die Kuschelsocken einen Wert von unter 0,50 Euro hätten und somit in den Bereich der geringwertigen Kleinigkeiten fielen. Die von der Beklagten vertretene Auslegung des § 19 Nr. 3 BO gehe über das hinaus, was nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG untersagt sei. Es sei offensichtlich, dass die Vorschrift europarechtswidrig sei. § 7 HWG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur eine Werbemaßnahme für unzulässig erklärt werden könne, die geeignet sei, die Kunden unsachlich zu beeinflussen und hierdurch zumindest mittelbar eine Gesundheitsgefährdung zu bewirken.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 1. April 2014 aufzuheben.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Mit Urteil vom 12. November 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
16Nach Erlass des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (Europäischer Gerichtshof) vom 19. Oktober 2016 in der Rechtssache C-148/15 - Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. gegen die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. (NVwZ 2016, 1793 = PharmR 2016, 494) - hat der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2017 die Berufung zugelassen.
17Zur Begründung der rechtzeitig eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor:
18Dem angefochtenen Bescheid fehle die nach § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes NRW - VwVfG NRW - erforderliche Bestimmtheit. Es sei schon nicht erkennbar, was unter dem Begriff des Vorteils zu verstehen sei, etwa ob davon auch Warenproben erfasst seien.
19Der Bescheid sei auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage gestützt. Es fehle an den Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung. Zugaben, insbesondere solchen mit einem Werbeaufdruck der Apotheke oder eines Arzneimittelherstellers, messe der Kunde keinen in Geld zu bemessenden Wert bei. Deshalb fehle es an einem Verstoß gegen die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel. Die Annahme, die Klägerin verstoße gegen berufsrechtliche Vorschriften, stehe auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Apotheker die Möglichkeit haben müsse, wie andere Kaufleute für sein Randsortiment zu werben.
20Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen gegeben seien, sei zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Preisbindung für Arzneimittel verfassungswidrig seien. Deshalb sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erforderlich, die ausdrücklich beantragt werde. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs habe dazu geführt, dass die Vorschriften über die Preisbindung die deutschen Apotheker in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verletzten. Bereits unmittelbar im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 hätte eine Vielzahl von ausländischen Versandapotheken damit begonnen, sich mit massiven Werbungen für die Einlösung von Verschreibungen an deutsche Verbraucher zu wenden. Beispielhaft werde verwiesen u.a. auf die Versandapotheke DocMorris, die pro Rezept einen Preisnachlass bis zu 15,00 Euro verspreche sowie auf die Europa Apotheke Venlo, die sogar bis zu 30,00 Euro pro Verschreibung in Aussicht stelle. Die Versandapotheke DocMorris bewerbe seit spätestens Anfang November 2016 täglich ihr Bonusmodell auf den Fernsehsendern RTL, SAT.1 und ProSieben. Die Nachfrage komme gerade von chronisch kranken Patienten, bei denen der Arzneimittelbedarf absehbar sei und die regelmäßige Bestellungen vornähmen. Auch seien erste Kooperationen zwischen Krankenkassen und Versandapotheken entstanden. Ferner seien weitere Entwicklungen zu berücksichtigen, die auf der Hand lägen. Hierzu gehöre, dass es bereits in der Vergangenheit Modelle deutscher Präsenzapotheken gegeben habe, die es auch deutschen Apotheken ermöglicht hätten, Arzneimittel auf holländischem Preisniveau abzugeben. Zu verweisen sei insoweit auf das Modell „Vorteil 24". Dieses Modell, dessen prinzipielle Zulässigkeit vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgerichtshof bejaht worden sei, habe vorgesehen, dass die Verbraucher in deutschen Präsenzapotheken wählen könnten, ob sie das Arzneimittel sofort mitnähmen oder aber am Folgetag in der Präsenzapotheke abholten, damit es in der Zwischenzeit über eine holländische Versandapotheke geliefert werden könne. Der Vorteil für den Kunden habe darin bestanden, dass er geldwerte Vorteile habe erhalten können, wie dies beim unmittelbaren Bezug über eine holländische Versandapotheke der Fall sei. Nach dem Wegfall der Arzneimittelpreisbindung für ausländische Apotheken könne wieder auf dieses Modell zurückgegriffen werden.
21Ausländische Versandhändler könnten nicht nur die Erstattung des Herstellerrabattes verlangen, sondern sogar günstiger einkaufen als deutsche Apotheker.
22Infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs sei davon auszugehen, dass nicht nur die Preisbindungsvorschriften für ausländische Versandapotheken unanwendbar seien, sondern auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG.
23Nach der jüngst veröffentlichten Sempora-Studie sei ein Großteil der Patienten bei einem Bonus von 2,00 Euro bereit, Arzneimittel im Internet zu bestellen. Da die Angebote der niederländischen Versandapotheken über diesem Betrag lägen, seien sie geeignet, sich auf das Verhalten der Kunden auszuwirken.
24Nachdem der Europäische Gerichtshof keine Rechtfertigung für die Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit habe feststellen können, fehle es zwangsläufig auch an der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ein einheitlicher Apothekenabgabepreis in der Gestalt, dass nicht einmal geringwertige Zuwendungen zulässig seien, einen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln leisten könne.
25Der Europäische Gerichtshof habe umfassend und abschließend widerlegt, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht erforderlich sei, um eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Er habe eine Rechtfertigung auch nicht nur aufgrund mangelnder Nachweise verneint. So habe er in seinem Urteil ausgeführt, dass ganz im Gegenteil einige Unterlagen, auf die sich die Kommission gestützt habe, nahelegten, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln dadurch fördern würde, dass Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten. Ohnehin dürfte die flächendeckende Versorgung nicht durch die Gewährung von Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Einlösung von Verschreibungen gefährdet werden. Die flächendeckende Versorgung werde, so es denn eine Gefährdung gebe, wohl vor allem dadurch in Frage gestellt, dass in ländlichen Gebieten keine Ärzte, insbesondere keine Hausärzte mehr ansässig seien.
26Inländische Apotheken würden in unzulässiger Weise diskriminiert. Die Inländerdiskriminierung beeinflusse die Prüfung der Erforderlichkeit und Angemessenheit einer an Art. 12 Abs. 1 GG zu messenden Maßnahme. Der Rechtfertigungsdruck für den Gesetzgeber erhöhe sich deutlich. Dieser könne sich bei seinen Überlegungen nicht mehr allein auf eine rein nationale Betrachtung beschränken. Während die deutschen Gerichte zurückhaltend seien, habe der österreichische Verfassungsgerichtshof wiederholt entschieden, dass sich aus der Inländerdiskriminierung eo ipso eine Unanwendbarkeit der Vorschrift auf die nationalen Rechtssubjekte ergebe. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum Art. 3 Abs. 1 GG nicht ebenso auszulegen sei, nämlich als ein Verbot, den eigenen Bürger gegenüber Bürgern anderer Staaten zu diskriminieren. Auch in wettbewerbsrechtlichen Verfahren seien in der Vergangenheit Situationen, in denen es zu einer Inländerdiskriminierung gekommen sei, dahingehend gelöst worden, dass die Vorschriften in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt worden seien, um so die Ungleichbehandlung zu vermeiden.
27Der angefochtene Bescheid sei von Anfang an ermessensfehlerhaft gewesen und könne nunmehr auch infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr rechtmäßig sein. Das Urteil habe erhebliche Auswirkungen auf die zu treffende Ermessensentscheidung. Die Beklagte habe ihr Ermessen zu korrigieren und dahingehend auszuüben, von einem Vorgehen gegen die Klägerin durch Rücknahme des Verwaltungsaktes gem. § 48 VwVfG NRW Abstand zu nehmen, denn das Vorgehen gegen eine Apothekerin aufgrund einer Vorschrift, die eigentlich den Sinn und Zweck habe, Preiswettbewerb zu unterbinden, während andere, mächtige Mitbewerber ohne Weiteres Preiswettbewerb betreiben dürften, sei grob ermessensfehlerhaft.
28Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Handlungen der Klägerin die wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsschwelle nicht überschritten. Dies sei auch im Rahmen aufsichtsbehördlicher Ermessenserwägungen zu berücksichtigen.
29Das angegriffene Urteil weise auch ohne Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs wesentliche Mängel auf. So werde etwa nicht dargetan, warum durch die streitgegenständlichen Gutscheine die Schlüssel- und Beratungsfunktion der Apotheke bei der Abgabe von Arzneimittel an Endverbraucher gefährdet werde.
30Die Klägerin beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 12. November 2015 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2014 aufzuheben.
32Die Beklagte beantragt,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Sie trägt unter ergänzender Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen vor, der angefochtene Bescheid sei weiterhin rechtmäßig.
35Dass die ausländischen EU-Versandapotheken im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 intensiv mit einer Bonusgewährung bei der Rezepteinlösung Werbung betrieben, sage nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang Verbraucher bei diesen preisgebundene Arzneimittel bezögen. Die Angaben in der von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichung des Internetportals Apotheke Adhoc, die auf eine forsa-Umfrage im Auftrag der AOK Baden-Württemberg aus dem vergangenen Jahr zurückgehe, spreche nicht für eine feststellbare Umorientierung der Verbraucher hin zu ausländischen Versandapotheken. Nach einer aktuelleren forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes der Ersatzkassen e. V. im Erhebungszeitraum 20. bis 22. März 2017, also etwa fünf Monate nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016, hätten gerade einmal 3 % der Befragten überhaupt ein rezeptpflichtiges Arzneimittel im (in- wie ausländischen) Versandhandel bezogen und nur 11 % der Befragten hätten angegeben, diesen Vertriebsweg überhaupt in Betracht zu ziehen. Es sei daher festzuhalten, dass die Möglichkeit ausländischer Versandapotheken, Preisnachlässe oder andere wirtschaftliche Vorteile beim Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu gewähren, sich noch nicht auf die mit der Preisbindung verfolgten Ziele der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Form einer spürbaren Konkurrenz auswirke. Dem Vertriebsweg Versandhandel komme generell keine große Bedeutung zu. Bestätigt werde dies dadurch, dass sich die deutschen Präsenzapotheken über einen zurückgehenden Zulauf an Kunden auch nicht beklagten.
36Die Preisbindungsvorschriften seien ebenso wie die Regelungen der Berufsordnung, die die Beachtung der Preisbindung durch den Apotheker sicherstellten, verfassungsgemäß.
37Ein Verstoß gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Apothekers liege nicht vor. Aus dem Unionsrecht ergäben sich keine formellen oder materiellen Anforderungen an nationale Gesetze, deren Verletzung die Rechtmäßigkeit der Vorschriften der Arzneimittelpreisbindung in Frage stellen könnten. Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 lasse sich ebenso wie aus Art. 34 AEUV kein Verstoß gegen das Grundgesetz ableiten. Nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden habe, hätten sich lediglich die rechtlichen Umstände geändert. Eine damit mög-licherweise einhergehende sogenannte Inländerdiskriminierung führe nicht zu einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der mit der Geltung der Arzneimittel-preisbindung für inländische Apotheken verbundene Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG sei durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die Beachtung des festgelegten, einheitlichen und verbindlichen Apothekenabgabepreises für die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an die Verbraucher solle die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln unter Ausschluss eines entgegenwirkenden ruinösen Wettbewerbs sicherstellen. Ferner sei die Festsetzung nach der Vorstellung des Gesetzgebers geboten, um der Schlüssel- und Beratungsfunktion des Apothekers gerecht zu werden. Schließlich ziele sie darauf ab, Verbrauchern einen der schnellen Arzneimittelversorgung abträglichen mühsamen Preisvergleich zu ersparen. Es stehe außer Frage, dass der Gesetzgeber damit legitime Zwecke verfolge. Auch in Ansehung der Entscheidung des Urteils vom 19. Oktober 2016 fehle es weder § 19 Abs. 3 BO noch § 78 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AMG i. V .m. § 3 AMPreisVO an der Geeignetheit zur Erreichung der verfolgten Zwecke. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe der Europäische Gerichtshof keineswegs die Geeignetheit der genannten Bestimmungen zur Zweckerreichung widerlegt. Er habe lediglich Vermutungen angestellt, etwa, dass ein Preiswettbewerb den Patienten Vorteile bringen könne. Er habe sich zu seinen eigenen Ausführungen aber in Widerspruch gesetzt, wenn er einerseits prognostiziere, dass Apotheken in Regionen mit geringerer Apothekendichte ihre Existenz durch höhere Preise sichern könnten, und andererseits schlussfolgere, dass mehr Preiswettbewerb den Patienten Vorteile durch günstigere Preise bringe. Die Eignung einer gesetzgeberischen Maßnahme liege schon dann vor, wenn eine Maßnahme die Möglichkeit der Zweckerreichung in sich berge und den gewünschten Erfolg fördere. Es verbleibe zudem dabei, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich der Preisbindungsvorschriften und deren Zielsetzung und der Beklagten hinsichtlich § 19 Nr. 3 BO eine Einschätzungsprärogative zur Frage der Geeignetheit der fraglichen Regelungen zur Erreichung der angestrebten Zwecke zustehe.
38Es sei zwar belegt, dass ausländische Versandapotheken die ihnen nunmehr gegebene Möglichkeit, Preisnachlässe oder andere wirtschaftliche Vorteile beim Bezug rezeptpflichtiger Arzneimittel zu gewähren, in Anspruch nehmen wollten, so dass es im Umfang dieser Inanspruchnahme zu einem (einseitigen) Preiswettbewerb zwischen den ausländischen und inländischen Apotheken kommen könne. Sie, die Beklagte, sei auch der Auffassung, dass der Gesetzgeber, der bereits einen Gesetzesentwurf zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf den Weg gebracht habe, zum Handeln verpflichtet sei. In Anbetracht des geringen Marktanteils, der bei der Abgabe von preisgebundenen Arzneimitteln im Wege des Versandhandels generell festzustellen sei, und aufgrund des Umstandes, dass die weitaus bedeutsamere Notfall-, Akut- und Vorortversorgung dem Versandhandel entzogen sei, lasse sich durch eine mögliche Konkurrenz aus dem EU-Ausland aber bislang keine so erhebliche Veränderung der Umstände feststellen, die die Zumutbarkeit der Bindung der inländischen Präsenz- und Versandapotheken an die Bestimmungen zur Gewährleistung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimitteln in Frage stelle. Es stehe außer Frage, dass die Arzneimittelpreisbindung, auch wenn ihr Schutz nunmehr nicht mehr die ausländischen EU-Versandapotheken umfasse, weiterhin den Preiswettbewerb zwischen den inländischen Apotheken ausschließe und identische Abgabebedingungen schaffe.
39Die von der Klägerin angeführte Inländerdiskriminierung sei nicht an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen, denn es fehle bereits an einer Ungleichbehandlung durch denselben Normgeber. Lege man die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zugrunde, führe der Wegfall der Arzneimittelpreisbindung für ausländische EU-Versandapotheken nicht zu einer Besserstellung dieser Apotheken im Sinne einer Diskriminierung inländischer Apotheken, sondern zu einer Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen ausländischen EU-Versandapotheken und inländischen Apotheken. Aus diesem Grunde sei die von der Klägerin geforderte Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 19 Nr. 3 BO und der gesetzlichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes zur Gewährleistung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises, den die Rechtsprechung in Einzelfällen bei der Anwendung nationaler Vorschriften auf Inländer zur Ausschaltung eine Ungleichbehandlung gewähre, nicht angezeigt.
40Sie, die Beklagte, habe bei der Ausübung des ihr zustehenden Entschließungsermessens keine wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsschwelle zu beachten.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Untersagungsverfügung der Beklagten ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
44A. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist derjenige der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. In der Rechtsprechung ist entschieden, dass sich der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht richtet.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2011 - 8 C 12.10 ‑, juris, Rn. 15, m.w.N.
46Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8.
48Es ist aber auch anerkannt, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Dauerverwaltungsakten - um einen solchen handelt es sich hier - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen haben, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt.
49Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2015 - 3 C 7.14 -, juris, Rn. 10, und vom 22. Januar 1998 ‑ 3 C 6.97 - , juris, Rn. 18.
50Das ist hier nicht der Fall.
51B. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
52I. Ihm fehlt es nicht bereits an der erforderlichen Bestimmtheit i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW erfordert, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Darüber hinaus muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 -, juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 4 A 2913/15 -, juris, Rn. 5 ff.
54Diesen Vorgaben genügt der angefochtene Bescheid. Der Klägerin wird mit Ziffer 1 des Bescheides das mit dem Erwerb preisgebundener Arzneimittel gekoppelte Gewähren oder Gewährenlassen von Vorteilen sowie die Werbung oder das Werbenlassen hierfür untersagt.
551. Bereits nach der Formulierung der Anordnung erstreckt sich das Verbot auf jegliche Vorteile und nicht nur auf solche, die den genannten Kuschelsocken oder dem Geschenkpapier im Wert vergleichbar sind. Die Bezugnahme auf Kuschelsocken oder Geschenkpapier erfolgt - auch für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar - lediglich in Anknüpfung an das von ihr im November 2013 und Januar 2014 praktizierte und von der Beklagten zuvor beanstandete Verhalten.
56Vom Verbot umfasst ist damit grundsätzlich auch die Abgabe sonstiger geringwertiger Sachen, wie etwa einer Packung Papiertaschentücher, Halsbonbons oder Cremes, sofern die Voraussetzungen der Untersagungsverfügung im Übrigen erfüllt sind.
572. Hinreichend bestimmt ergibt sich aus der Verfügung weiter, dass sich die Untersagungsverfügung allein auf die mit dem Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gekoppelte Abgabe des Vorteils bezieht. Nicht untersagt wird die Abgabe von Vorteilen, soweit sie an den Erwerb nicht preisgebundener Arzneimittel gekoppelt ist.
583. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht unbestimmt, weil er den Begriff der „Kopplung“ nicht näher definiert. Der Begriff entstammt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
59vgl. Urteile vom 24. November 2016 - I ZR 163/15 -, juris, Rn. 37 (Freunde werben Freunde), vom 8. Mai 2013 – IZR 98/12 -, WRP 2013, 1264 = juris, Rn.13 (RezeptBonus), vom 9. September 2010 - I ZR 98/12 -, = juris, Rn. 15 (RezeptBonus), vom 9. September 2010 - I ZR 193/07 -, NJW 2010, 3721 = juris, Rn. 20 (UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE), vom 9. September 2010 - I ZR 98/08 -, PharmR 2011, 18, = juris, Rn. 15 (Bonuspunkte), vom 9. September 2010 - I ZR 26/09 -, MPR 2010, 206 = juris, Rn. 16 (Bonus-Taler) und vom 9. September 2010 - I ZR 37/08 -, MPR 2010, 201 = juris, Rn. 15 (Einkaufsgutschein),
60wonach ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann vorliegt, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden danach auch verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt an den Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt. Für die Annahme einer Kopplung ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung,
61vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - I ZR 83/14 -, juris, Rn. 12 (Gutscheinaktion beim Buchankauf), zur wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung bei der Prüfung von Preisbindungsverstößen,
62auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, der mit den Marktgegebenheiten vertraut ist.
63In welchen Sachverhaltskonstellationen eine Kopplung vorliegt, lässt sich in einem Bescheid nicht verallgemeinerungsfähig festlegen, zumal das Verbraucherleitbild und die das Verbraucherleitbild prägenden geschäftlichen Gepflogenheiten einem stetigen Wandel unterliegen.
64Vgl. insoweit auch die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Rabattgesetzes BT-Drs. 14/5441, S. 7.
65An einer Koppelung fehlt es jedenfalls dann, wenn der Vorteil nicht für den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels, sondern aus anderem Anlass gewährt wird, etwa weil der Kunde Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss, wie etwa im Fall der Nachlieferung eines Präparats, weil dies nicht vorrätig ist, oder im Fall des Auftretens längerer Wartezeit bei der Zubereitung eines Arzneimittels.
66Vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 = juris, Rn. 13 (RezeptBonus), sowie Urteile vom 9. September 2010 - I ZR 98/08 -, PharmR 2011, 18 = juris, Rn. 16 (Bonuspunkte), - I ZR 193/07 -, NJW 2010, 3721 = juris, Rn. 18 (UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE); Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 26. Juli 2007 - 3 U 21/07 -, NJW-RR 2008, 61 = juris, Rn. 41.
67Allein die bloße - wohl regelmäßig bestehende - Absicht des Apothekers, durch die Abgabe eines (geringwertigen) Vorteils eine Bindung des Kunden an seine Apotheke herbeizuführen, rechtfertigt die Annahme einer Kopplung nicht. Sie ist auch nicht stets schon dann zu bejahen, wenn eine zur Kundenbindung ausgegebene Zugabe oder ein Rabatt gemessen an § 19 Nr. 7 BO, § 7 HWG unzulässig, insbesondere geeignet ist, den Kunden unsachlich zu beeinflussen (vgl. dazu auch II. 2.). Die Annahme eines Verstoßes gegen Preisbindungsvorschriften erfordert vielmehr in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung, dass der Vorteil gerade für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels gewährt wird und er zudem ‑ aus der maßgebenden Sicht des verständigen Verbrauchers - den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels günstiger erscheinen lässt. An diesen Voraussetzungen dürfte es nach Auffassung des Senats, dessen Mitglieder zu den verständigen Verbrauchern gehören, regelmäßig fehlen, wenn dem Kunden nach Abschluss des Kaufs preisgebundener Arzneimittel zum Zwecke der Kundenbindung und in Erfüllung einer auf Grund der allgemeinen Üblichkeit existierender Kundenerwartung nicht zuvor ausgelobte geringwertige Sachzuwendungen (etwa Warenproben, Papiertaschentücher, Traubenzucker, Halsbonbons) mitgegeben werden. Letztlich ist die Frage nach dem Vorliegen einer Kopplung aber anhand der Umstände des Einzelfalls zu klären.
68II. Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung sind § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG, § 19 Nr. 3 BO sowie § 1 Abs. 2 BO i. V. m. § 78 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AMG, § 3 AMPreisVO.
691. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW ist es Aufgabe der Beklagten, für die Erhaltung eines hoch stehenden Berufsstandes zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen; hierzu kann sie auch belastende Verwaltungsakte erlassen.
70Die Berufsordnung der Beklagten, die als Kammersatzung auf der Grundlage der Ermächtigung in §§ 31 Abs. 3, 32 HeilBerG NRW erlassen wurde, verbietet dem Apotheker durch § 19 Nr. 3 BO das Abgehen von dem sich aus der Arzneimittel preisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreis (§ 78 AMG, § 3 AMPreisVO), insbesondere durch das Gewähren von Rabatten oder sons-tigen Preisnachlässen sowie von Zuwendungen und Werbegaben und die Wer-bung hierfür. § 1 Abs. 2 Satz 2 BO verpflichtet den Apotheker zudem, die für seine Berufsausübung geltenden Gesetze und Verordnungen zu beachten. Hier-zu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Preisbindung von Arznei-mitteln, die in einer inländischen Apotheke abgegeben werden.
71Gemäß § 78 AMG ist für die verschreibungspflichtigen (Fertig-) Arzneimittel und die zwar nicht verschreibungs-, aber apothekenpflichtigen (Fertig-) Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis anzusetzen. Die Einzelheiten der Preisberechnung sind in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt.
722. Auf § 19 Nr. 7 BO, welche dem Apotheker das Überschreiten der sich aus dem allgemeinen Wettbewerbsrecht Heilmittelwerbegesetz ergebenden Grenzen beim Gewähren von Zugaben, Warenproben, Zuwendungen und sonstigen Werbegaben verbietet, hat sich die Beklagte nicht gestützt. Zwar weisen die Anwendungsbereiche von § 19 Nr. 1 und 3 BO in Verbindung mit den sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden Preisbindungsvorschriften und § 19 Nr. 7 BO Überschneidungen auf, weil ein gegen die Preisbindung verstoßendes Verhalten im Sinne des § 19 Nr. 3 BO zugleich dem § 19 Nr. 7 BO i. V. m. § 7 HWG zuwiderlaufen kann. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes und die Preisbindungsvorschriften unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelungen besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen. Die Bestimmung der Preisbindungsvorschriften verhindert dagegen den (Preis-) Wettbewerb unter den Apotheken,
73vgl. BGH, Urteile vom 24. November 2016 - I ZR 163/15 -, juris, Rn. 16 (Freunde werben Freunde), juris, Rn. 16, und vom 9. September 2010 - I ZR 193/07 -, GRUR 2010, 1136 = WRP 2010, 1482 -, juris, Rn. 21 m. w. N. (UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE),
74mit dem Ziel, auf diese Weise für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln Sorge zu tragen (vgl. im Einzelnen III. 1.).
75III. An der Verfassungsmäßigkeit der für inländische Apotheken geltenden Preisbindungsvorschriften der § 78 AMG, § 3 AMPreisVO, § 19 Nr. 3 BO bestehen auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 in der Rechtssache C-148/151 keine Bedenken. Dieser hatte entschieden, dass die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs in der Europäischen Union darstellt und damit gegen Art. 34 AEUV verstößt. Auf Grund dieses Urteils sind Apotheken aus dem EU-Ausland nunmehr in der Lage, Rabatte und Boni auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zu gewähren und hierdurch in einen Preiswettbewerb mit inländischen Apotheken zu treten.
761. Einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG begründet dies nicht.
77a) Zwar stellen die Regelungen über die Preisbindung der Apotheker einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dar. Zum Schutzbereich gehören die Bedingungen, unter denen sich die berufliche Tätigkeit vollzieht, sowie die Modalitäten, in denen sie abläuft. Gesetzliche Vorgaben für die Bildung von Preisen, zu denen das in Ausübung des Berufs hergestellte und vertriebene Erzeugnis verkauft wird, sind geeignet, sich auf die Berufsausübung auszuwirken.
78Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1990 - 1 BvR 1418/90, 1 BvR 1442/90 -, DVBl 1991, 205 = juris, Rn. 10.
79b) Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist aber weiterhin gerechtfertigt.
80Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Die gesetzlichen Grundlagen sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88; 1 BvR 60/89; 1 BvR 1519/91 -, NJW 1996, 3067 = juris, Rn. 84 (Werbeverbot für Apotheker).
82Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
83(1) Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienen vernünftigen Gründen des Gemeinwohls.
84Zweck des festgelegten, einheitlichen und verbindlichen Apothekenabgabepreises an die Endverbraucher ist die Sicherstellung der im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.
85Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373, S. 27.
86(2) Zur Herbeiführung dieses Zwecks sind die Preisbindungsvorschriften geeignet.
87Vgl. als offenkundig unterstellt BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 98/08 -, PharmR 2011, 18, = juris, Rn. 18 (Bonuspunkte); zurückhaltend mit Blick auf die Anforderungen des EuGH, BGH, Urteil vom 24. November 2016 - IZR 163/15 -, A&R 2017, S. 125 = juris; vgl. auch Dettling, Gesundheit und Preiswettbewerb, A&R 2017, 111 (113).
88Bei der Frage, ob die Preisbindung nationalen verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend zum Schutz (gefährdeter) Rechtsgüter geeignet ist, sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers zu berücksichtigen. Für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der nationalen Regelung gelten die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs, der in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Regelungen mit Art. 34 AEUV einen strengen Prüfungsmaßstab angelegt und für die Gefährdung der zu schützenden Rechtsgüter „hinreichende Nachweise“, „genaue Angaben“ bzw. „Beweise“ gefordert hat, nicht.
89Vgl. auch geringere Anforderungen stellend EuGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - C-159/12 ‑, Venturini, PharmR 2014, S. 24, Rn. 48 ff.: „Es lässt sich, wie der Gerichtshof festgestellt hat, nicht ausschließen, dass sich ohne jede Regulierung Apotheken in als attraktiv beurteilten Ortschaften konzentrieren, so dass die Gefahr besteht, dass bestimmte andere, weniger attrak-tive Ortschaften unter einem Mangel an Apothe-ken, die einen sicheren und qualitativ hochwer-tigen pharmazeutischen Dienst gewährleisten können, leiden.“
90Dem nationalen Gesetzgeber kommt bei der Regelung der Berufsfreiheit insbesondere auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Auch in Bezug auf die Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele verbleibt ihm ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum, der erst dann überschritten ist, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können.
91Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2013 ‑ 1 BvR 2402/12, 1 BvR 2684/12 -, MedR 2014, 159 = juris, Rn. 24, und vom 20. Dezember 1990 -1 BvR 1418/90, 1 BvR 1442/90 -, DVBl. 1991, 205 = juris, Rn. 17.
92Ausgehend hiervon ist die Einschätzung des Gesetzgebers, die Preisbindung sei zur Sicherstellung der im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln geeignet, nicht zu beanstanden, weil die Preisbindung den Preiswettbewerb unter den Apotheken für das nicht frei verkäufliche Sortiment unterbindet.
93Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2002 - 1 BvR 1385/01 -, NJW 2002, 3693 = juris, Rn. 23.
94Sie trägt, indem sie den freien Preiswettbewerb einschränkt, dafür Sorge, dass sich Apotheken gerade auch in unattraktiven Lagen keinen ruinösen Preiskampf liefern (können), und sich angesichts der im Bundesgebiet bestehenden Niederlassungsfreiheit nicht nur an Orten niederlassen, die für sie als am rentabelsten und attraktivsten gelten.
95Das nicht freiverkäufliche Sortiment ist für den Umsatz der Apotheken von wesentlicher Bedeutung. So sollen nach den Feststellungen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. - ABDA -,
96vgl. „Die Apotheke - Zahlen, Daten, Fakten 2016“, Seite 54, (Quelle: IMS Health GmbH & Co. OHG, Insight Health GmbH & Co.KG, ABDA-Statistik); vgl. auch Gutachten 2014 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen - Bedarfsgerechte Versorgung - Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, BT-Drs. 18/1940 -, S. 116 ff.,
9793,3 % des Umsatzes der Apotheken auf die Abgabe von Arzneimitteln entfallen und lediglich 6,7 % auf das apothekenübliche Ergänzungssortiment. 83,3 % des Umsatzes resultieren danach aus verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die ein Arzt oder Zahnarzt verordnet hat.
98Dass die Preisbindung der Sicherstellung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung nicht abträglich ist, bestätigt die bestehende Apothekendichte, die ungeachtet regionaler Unterschiede nach Einwohnerzahl, Ausdehnung und Struktur von Städten und Landkreisen die Versorgung gewährleistet.
99Vgl. „Die Apotheke - Zahlen, Daten, Fakten 2016“, Seite 12: Apothekendichte von ca. 25 Apotheken pro 100.000 Einwohner.
100(3) Die Preisbindung ist auch erforderlich und angemessen.
101Dabei ist zu Grunde zu legen, dass die Entscheidung, wie und auf welchem Niveau der Gesetzgeber die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen beabsichtigt, ebenso wie die Frage, auf welche Weise sie sichergestellt werden soll, gesundheitspolitischer Natur ist. Der Gesetzgeber hat bei seiner Entscheidung eine Vielzahl von Interessen in den Blick zu nehmen. Von Bedeutung für seine Entscheidung ist nicht nur ein etwaiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Apothekers, erheblich sind auch die Konsequenzen für die Sozialsysteme, die Folgen für das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Folgen für den Verbraucher. Die Entscheidung gehört deshalb dem Bereich an, in dem der Gesetzgeber die Möglichkeit zu freier Gestaltung hat.
102Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1990 - 1 BvR 1418/90, 1 BvR 1442/90 -, DVBl 1991, 205 = juris, Rn. 12.
103Dass er andere in Betracht kommende Lösungen zur Erreichung des angestrebten Zwecks wählen könnte, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung ohne Belang, solange die tatsächlich gewählte Lösung sich im Rahmen des Grundgesetzes hält.
104Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 1990 - 1 BvR 1418/90, 1 BvR 1442/90 -, DVBl 1991, 205 = juris, Rn. 14, und vom 13. Februar 1964 -1 BvL 17/61, 1 BvR 494/60, 1 BvR 128/61 -, BVerfGE 17, 232 = juris, Rn. 44 (Mehrbetrieb von Apotheken).
105Daraus folgt, dass selbst wenn ein Preiswettbewerb unter Apotheken geeignet wäre, die gleichmäßige Versorgung in ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten zu fördern,
106in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016, Rn. 38; Gutachten 2014 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen - Bedarfsgerechte Versorgung - Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, BT- Drs. 18/1940, S. 116 ff.,
107der Gesetzgeber unter Abwägung und Gewichtung widerstreitender Interessen nicht zwangsläufig gehalten wäre, die Preisbindung aufzugeben.
108In Anwendung dieses Maßstabes ist die für inländische Apotheken fortbestehende Preisbindung nicht zu beanstanden. Sie ist insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Inländerdiskriminierung infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 nicht unverhältnismäßig (geworden). Den Apothekern, denen die Vorteile des im Bundesgebiet bestehenden Apothekenmonopols zugutekommen, ist eine Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit durch die Preisbindung auch unter Berücksichtigung des gegenwärtig in Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs bestehenden Preiswettbewerbs mit EU-Versandapotheken noch zumutbar (vgl. insoweit auch die Ausführungen zu V.). Vor dem Hintergrund des derzeit noch geringen Umsatzanteils ausländischer Versandapotheken an rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist jedenfalls derzeit nicht zu beanstanden, wenn dem Ziel der Bekämpfung eines innerhalb Deutschlands geführten Preiskampfes Vorrang vor der Ermöglichung eines - mit nicht konkret absehbaren Folgen verbundenen - Preiswettbewerbs mit ausländischen Versandapotheken zukommt.
109Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 2. August 2017 - 13 ME 122/17 -, juris, Rn. 17.
1102. Die Preisbindung steht auch mit Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang. Die aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 folgende Inländerdiskriminierung ist nicht an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen, da es schon an einer Ungleichbehandlung durch denselben Normgeber fehlt und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Gesetzgeber nur verpflichtet ist, in seinem eigenen Herrschaftsbereich den Gleichheitssatz zu wahren.
111Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1960 - 1 BvR 239/52 -, BVerfGE 10, 354, juris, Rn. 62.
112Im Übrigen dürfte, ausgehend vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 (Rn. 24) ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung bestehen. Danach seien die im Bundesgebiet ansässigen Präsenzapotheken grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung sicherzu-stellen. Für Versandapotheken stelle der Preiswettbewerb deshalb einen wichtigeren Wettbewerbsfaktor dar als für die traditionellen Apotheken.
113Fehlt es an Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Preisbindung für inländische Apotheken, bedarf es der von der Klägerin begehrten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht.
114IV. Die für inländische Apotheker geltenden nationalen Regelungen über die Preisbindungsvorschriften stehen ebenso wie die berufsrechtlichen Regelungen der Beklagten im Einklang mit Europäischem Recht.
115Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel berühren die Bestimmungen der Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen. Danach bleiben nationale Vorschriften zur Preisbindung und – aus Gründungen der praktischen Wirksamkeit – auch Vorschriften zur Einhaltung der Preisbindung durch die Richtlinie unangetastet.
116V. Die Voraussetzungen für den Erlass der berufsrechtlichen Ordnungsverfügung liegen vor.
1171. Die Klägerin verstößt, indem sie dem Kunden nur für den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels eine Sachzuwendung verspricht und gewährt, gegen die genannten arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften.
118Wie ausgeführt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
119vgl. Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 = juris, Rn. 13 (RezeptBonus), sowie Urteile vom 9. September 2010 - I ZR 193/07 - NJW 2010, 3721 = juris, Rn. 20 (UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE), - I ZR 98/08 -, PharmR 2011, 18, = juris, Rn. 15 (Bonuspunkte), - I ZR 26/09 -, MPR 2010, 206 = juris, Rn. 16 (Bonus-Taler), - I ZR 37/08 -, MPR 2010, 201 = juris, Rn. 15 (Einkaufsgutschein),
120der der Senat folgt, und die durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Oktober 2016 nicht in Frage gestellt wird, geklärt, dass ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann vorliegt, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden danach auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt an den Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.
121Eine solche Kopplung liegt in der von der Beklagten beanstandeten Konstellation vor. Die Klägerin gewährt den Vorteil - so die Ausführungen auf dem Gutschein im Werbeflyer - nur für die Einlösung eines Rezepts. Der Apothekenkunde erhält deshalb im Falle der Abgabe des Rezepts für ein preisgebundenes Arzneimittel nicht nur das Arzneimittel, sondern zugleich auch die Sachzugabe. Die Abgabe der Sachleistung ist kein selbstständiges Geschenk oder eine freundliche Aufmerksamkeit der Klägerin, sondern dient allein der Erfüllung des zugesagten Versprechens, den Gutschein bei Abgabe des Rezepts einzulösen.
122Die Gewährung der im Gutschein benannten Sachzuwendungen lässt den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels für den Kunden günstiger erscheinen. Auch Sachzugaben, wie etwa das von der Klägerin mitgegebene Geschenkpapier oder die Kuschelsocken, haben einen - wenn auch geringen - Geldwert. Aus der Sicht des Kunden macht es hier keinen relevanten Unterschied, ob die an den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gekoppelte finanzielle Vergünstigung in Form eines geldwerten Einkaufsgutscheins oder in Form einer vorab bestimmten Sachzuwendung gewährt wird. Mit dem über einen bestimmten Geldbetrag lautenden Gutschein können zwar der von der Pflicht zur Zuzahlung befreite Kassenpatient sowie der Privatpatient Geld „verdienen“ und der Kassenpatient immerhin einen Teil der Zuzahlung sparen, indem mit dem Gutschein Waren des täglichen Bedarfs in der Apotheke erworben werden.
123Vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 = juris, Rn. 13 (RezeptBonus).
124Der Kunde spart aber - wenn auch nur geringfügig - auch in der hier vorliegenden Konstellation eigene Aufwendungen, weil er gegen Abgabe des Gutscheins eine Ware des (täglichen) Bedarfs „erwirbt“.
125Der (geldwerte) Vorteil entfällt auch nicht deshalb, weil der Kunde die Sachzuwendung nicht aus einem Sortiment frei wählen kann. Die fehlende Wahlmöglichkeit ist für den objektiv zu bestimmenden geldwerten Vorteil der Zuwendung ohne Belang. Unerheblich ist ferner, ob der den Gutschein einlösende Kunde im konkreten Einzelfall eine sinnvolle Verwendung für die Sachzuwendung hat oder ihr ‑ bezogen auf seine konkreten subjektiven Bedürfnisse - überhaupt einen relevanten finanziellen Wert beimisst. Dies erschließt sich schon aus dem Umstand, dass Grundlage des auch aus der Sicht der Klägerin funktionierenden Werbekonzepts ist, dass der Kunde für die im Gutschein ausgelobte Sachzuwendungen jedenfalls im Regelfall eine Verwendung hat.
126Dass es sich bei den Sachzugaben nach den Ausführungen der Klägerin um solche von geringem Wert handelt (weniger als 0,50 €), ist für die Annahme eines Verstoßes gegen die Preisbindungsvorschriften unerheblich. Eine Bagatellgrenze für zulässige Abweichungen enthalten die Preisbindungsvorschriften nicht.
1272. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass der Untersagungsverfügung vor, leidet der Bescheid auch nicht an Ermessensfehlern (§ 114 VwGO).
128a) Der - wenn auch nur geringfügige - wirtschaftliche Vorteil, der dem Kunden erwächst, ist geeignet, den nach dem Arzneimittelgesetz unerwünschten Wettbewerb zwischen inländischen Apotheken entstehen zu lassen, weil der Gutschein die Kaufentscheidung des Patienten beeinflussen kann. Dies läuft der mit der Preisbindung verbundenen Zielsetzung, einen Preiswettbewerb unter den Apothekern zu verhindern, entgegen. Die angefochtene Verfügung ist geeignet und erforderlich, die Einhaltung der mit den geltenden Preisbindungsvorschriften verfolgten Ziele zu gewährleisten.
129b) Ermessensfehlerhaft ist die Entscheidung auch nicht mit Blick auf die Regelungen im Heilmittelwerbegesetz. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG ist durch Artikel 1a des Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3108) mit Wirkung zum 13. August 2013 geändert worden. Die Regelung stellt in ihrem 2. Halbsatz nunmehr klar, dass Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel - ohne dass es auf eine Gering-fügigkeitsgrenze ankommt - unzulässig sind, soweit sie entgegen den Preisvor-schriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten.
130Vgl. hierzu BT-Drucks. 17/13770, S. 20.
131Vgl. auch Nieders. OVG, Beschluss vom 2. August 2017 - 13 ME 122/17 -, juris, Rn. 22; zur Ermessensrelevanz der Wertung des HWG a.F. noch OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2011 - 13 B 1136/11 -, juris, Rn. 4 ff.; Nieders. OVG, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 13 ME 111/11 -, NVwZ 2011, 1394 = juris, Rn. 15.
132Dass die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 16. Oktober 2016 entsprechend auf § 7 HWG übertragbar sein dürften, mit der Folge, dass die Regelung für ausländische Versandapotheken grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt,
133vgl. dazu LG Köln, Urteil vom 22. März 2017 - 84 O 90/13 -, juris, Rn. 47; Mand, Wo liegen die Grenzen der Bonus-Reklame, Deutsche Apotheker Zeitung, 2017, S. 30,
134ändert an dieser Einschätzung nichts.
135c) Ermessensfehler sind gegenwärtig mit Blick auf die auf dem Markt agierenden EU-Versandapotheken ebenfalls noch nicht zu erkennen. Ein substantiell veränderter Sachverhalt, auf den die Beklagte vor der Entscheidung des eigentlich zu einer Entscheidung berufenen Gesetzgebers zwingend zu reagieren hätte, hat sich hieraus bislang nicht ergeben. Handlungsoptionen für die Zukunft hat sie sich in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich vorbehalten.
136aa) Die Preisbindung ist für inländische Apotheken nach wie vor geltendes Recht. Ob, wann und wie der nationale Gesetzgeber auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs reagieren wird (diskutiert werden etwa ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Aufhebung der Preisbindung, Zulassung beschränkter Boni, Höchstpreisregelungen, Verbesserung der Honorierung von Not- und Nachtdiensten oder Beratungsleistungen), um die Inländerdiskriminierung zu beseitigen, aber gleichwohl die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten, ist angesichts verfassungs- und europarechtlicher Bedenken gegen einzelne Maßnahmen,
137vgl. etwa Koenig, Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel - Ein Frontalzusammenstoß mit der Rechtsprechung des EuGH, PharmR 2017, 85 ff., sowie Verbot der Bonusgewährung an Versicherte als EU-rechtskonforme Alternative zu einem RX-Arzneimittel-Versandhandelsverbot, PharmR 2017, S. 233 ff.; Wodarz, Wiedereinführung des Rx-Versandhandelsverbotes - verfassungsrechtlich zulässig?, PharmR 2017, 131; Dettling, Arzneimittelpreisregulierung und Arzneimittelversorgung, A&R 2016, 251; European Association of Mail Service Pharmacies (EAMSP) vom 12. Mai 2017, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)257(5.1),
138gegenwärtig völlig offen.
139Mit Blick darauf, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil im Wesentlichen bemängelt hat, es sei nicht hinreichend durch statistische Daten oder andere Mittel objektiv untermauert worden, dass die Festsetzung einheitlicher Abgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in ganz Deutschland gewährleiste (Rn. 38), ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass die vom Europäischen Gerichtshof vermissten Feststellungen zur Geeignetheit der deutschen Regelung, die flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, nachgeholt werden können.
140Vgl. zu dieser Möglichkeit auch BGH, Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 163/15 -, juris, Rn. 43 (Freunde werben Freunde); Nieders. OVG, Beschluss vom 2. August 2017 -13 ME 122/17 -, juris, Rn. 17.
141bb) Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Lasten inländischer Apotheken bereits gravierend ausgewirkt hat. Der Anteil des Versandhandels ist gegenwärtig noch gering.
142Vgl. Apothekenwirtschaftsbericht 2017, PHARM.ZTG 2017, S. 20 (26); VdeK, Pressemitteilung vom 29. März 2017: „forsa-Umfrage des vdek zum Versandhandel von Arzneimitteln Versorgung der Versicherten durch Apotheke vor Ort nicht gefährdet“; Stellungnahme der European Association of Mail Service Pharmacies (EAMSP) vom 12. Mai 2017, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)257(5.1); vgl. auch Nieders. OVG, Beschluss vom 2. August 2017 - 13 ME 122/17 -, juris, Rn. 23; Koenig, Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel - Ein Frontalzusammenstoß mit der Rechtsprechung des EuGH, PharmR 2017, 85 (89 f.).
143Zu einem die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln in Frage stellenden Wettbewerb hat er bislang ersichtlich nicht geführt.
144Vgl. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V., ABDA, Pressemitteilung vom 12. Mai 2017 – https:// www.abda.de/pressemitteilung/artikel/nur-noch 19942-apotheken-in-deutschland); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2017 - 20 U 149/13, 20 U 149/13 -, WRB 2017, 843 = juris, Rn. 56, unter Verweis auf die Untersuchung der Strategieberatung Sempora aus Oktober 2016 (Pressemitteilung).
145Massenhafte Apothekenschließungen infolge der Gewährung von Boni ausländischer Versandapotheken, wie sie im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit aus Dezember 2016 (abrufbar auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums) befürchtet werden, sind bislang nicht nachgewiesen worden. Dies wird auch von der Klägerin nicht durchgreifend in Frage gestellt, wenn sie unter Verweis auf die Forsa-Umfrage und die Sempora-Studie vorträgt, 46 % der Befragten hätten angegeben, dass günstigere Preise für sie einen Grund darstellen, Medikamente im Internet zu bestellen und 50 % der befragten Verbraucher bei einem Bonus von nur 2 Euro bereit seien, Versandhandelsapotheken anstelle der Präsenzapotheken in Anspruch zu nehmen. Hieraus folgenden Handlungsbedarf von Seiten des Gesetzgebers stellt auch die Beklagte nicht in Frage.
146Soweit es in der Vergangenheit - vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs - vermehrt in strukturschwachen Regionen zu Apothekenschließungen gekommen ist, sind andere Faktoren ausschlaggebend gewesen, die weiter fortwirken. So ist in ländlichen Regionen allgemein ein Rückgang von Versorgungsstrukturen feststellbar, welcher sich auch im gesundheitlichen Angebot bemerkbar macht. Zu nennen ist der Rückgang von in ländlichen Gebieten tätigen Fachärzten, der in der Folge vielfach mit Umsatzeinbußen bei den Apotheken vor Ort einhergeht.
147Vgl. Verbraucherzentrale, Arzneimittelversand-handel als Ergänzung zu Vor-Ort-Apotheken beibehalten, 15. März 2017, S. 4 f.
148Der Anreiz zur Nutzung des Versandhandels dürfte für einen Teil der Ver-braucher ohnehin begrenzt sein, weil wegen der Lieferfristen keine Akutver-sorgung mit Arzneimitteln erfolgen kann, und der praktische Aufwand bei der Bestellung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus Verbrauchersicht als durchaus hoch einzustufen ist. Zwar ist eine Internetbestellung möglich, aber ein vom Arzt ausgestelltes Originalrezept wird vielfach noch auf dem Postweg an den Versender geschickt. Zudem haben viele Patienten eine Hausapotheke vor Ort, die sie u. a. aufgrund der Möglichkeit des persönlichen Kontakts regelmäßig aufsuchen.
149Vgl. Verbraucherzentrale, Arzneimittelversandhandel als Ergänzung zu Vor-Ort-Apotheken beibehalten, 15. März 2017, S. 4 f.
150Wie der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sich zukünftig entwickeln wird, zumal diese nicht sämtlichst versandgeeignet sind, lässt sich gegenwärtig nicht konkret abschätzen.
151Vgl. Müller-Bohn, Die Lücke geschlossen, Deutsche Apotheker Zeitung 2017, S. 22; vgl. auch May/Bauer/Dettling, Wettbewerbsökonomische und gesundheitspolitische Begründetheit eines Versandverbots für Rx-Arzneimittel, Juni 2017, welche im Gutachten modellmäßig mit Marktanteilen des Versandhandels an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln von 9, 17 und 25 % rechnen.
152Apothekenwirtschaftsbericht 2017, PHARM.ZTG 2017, S. 20 (26).
153Ausgehend hiervon ist die Beklagte nicht gehalten, ihr Ermessen dahingehend auszuüben, von der Bekämpfung objektiv rechtswidriger Zustände bis zu einer möglichen gesetzlichen Neuregelung abzusehen. Dies gilt umso mehr, als für die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung keine Umstände vorgetragen worden sind, die Veranlassung zur Annahme geben könnten, sie sei in einer Weise von den Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs betroffen, die im Wege einer Soforthilfe die Aufhebung des angefochtenen Bescheides geböte.
154Die auf §§ 55 Abs. 1, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen gestützte Zwangsgeldandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
155Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10 sowie 711 der Zivilprozessordnung.
156Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.