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Das Verfahren wird ausgesetzt. Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:
1. Ist das Merkmal „Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“ aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG dahin auszulegen, dass es auch internetbasierte E-Mail-Dienste erfasst oder erfassen kann, die über das offene Internet bereitgestellt werden und selbst keinen Internetzugang vermitteln?
a) Ist das Merkmal insbesondere dahin auszulegen, dass bereits die informationstechnische Verarbeitungsleistung, die der Erbringer eines solchen E-Mail-Dienstes über seine E-Mail-Server erbringt, indem er den E-Mail-Adressen die IP-Adressen der beteiligten physischen Anschlüsse zuordnet und die in Datenpakete zerlegten E-Mails auf der Basis verschiedener Protokolle der Internetprotokollfamilie in das offene Internet einspeist bzw. – umgekehrt – empfängt, als „Übertragung von Signalen“ anzusehen ist, oder stellt erst die Übermittlung dieser Datenpakete über das Internet, die durch die Internet (Access) Provider erbracht wird, eine „Übertragung von Signalen“ dar?
b) Ist das Merkmal insbesondere dahin auszulegen, dass die Übermittlung der in Datenpakete zerlegten E-Mail über das offene Internet, die durch die Internet (Access) Provider erbracht wird, dem Erbringer eines solchen E-Mail-Dienstes zugerechnet werden kann, so dass auch dieser insoweit einen Dienst erbringt, der in der „Übertragung von Signalen“ besteht? Unter welchen Voraussetzungen ist eine solche Zurechnung gegebenenfalls möglich?
c) Für den Fall, dass der Erbringer eines solchen E-Mail-Dienstes entweder selber Signale überträgt oder ihm jedenfalls die Signalübertragungsleistung der Internet (Access) Provider zugerechnet werden kann: Kann das Merkmal insbesondere dahin ausgelegt werden, dass ein solcher E-Mail-Dienst ungeachtet etwaiger zusätzlicher Funktionen des Dienstes wie das Editieren, Speichern und Ordnen von E-Mails oder das Verwalten von Kontaktdaten und ungeachtet des durch den Erbringer hinsichtlich einzelner Funktionen betriebenen technischen Aufwandes auch „ganz oder überwiegend“ in der Übertragung von Signalen besteht, weil bei einer funktionalen Betrachtung aus der Sicht der Nutzer die Kommunikationsfunktion des Dienstes im Vordergrund steht?
2. Für den Fall, dass das unter Ziffer 1 genannte Merkmal dahin auszulegen ist, dass es internetbasierte E-Mail-Dienste, die über das offene Internet bereitgestellt werden und selbst keinen Internetzugang vermitteln, grundsätzlich nicht erfasst: Kann das Merkmal gleichwohl ausnahmsweise dann erfüllt sein, wenn der Erbringer eines solchen Dienstes zugleich einige eigene mit dem Internet verbundene elektronische Kommunikationsnetze betreibt, die jedenfalls auch für die Zwecke des E-Mail-Dienstes genutzt werden können? Unter welchen Voraussetzungen ist dies gegebenenfalls möglich?
3. Wie ist das Merkmal „gewöhnlich gegen Entgelt erbracht“ aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG auszulegen?
a) Erfordert das Merkmal insbesondere die Entrichtung einer Gebühr durch die Nutzer oder kann das Entgelt auch in der Erbringung einer anderen Gegenleistung der Nutzer bestehen, die für den Erbringer des Dienstes von wirtschaftlichem Interesse ist, etwa indem die Nutzer personenbezogene oder sonstige Daten aktiv zur Verfügung stellen oder diese durch den Erbringer des Dienstes auf andere Weise bei der Nutzung des Dienstes erfasst werden?
b) Erfordert das Merkmal insbesondere, dass das Entgelt zwingend von demjenigen erbracht wird, dem auch die Leistung des Dienstes zugutekommt oder kann auch eine anteilige oder vollständige Finanzierung des Dienstes durch Dritte, etwa durch auf der Webseite des Diensterbringers geschaltete Werbung, ausreichend sein?
c) Bezieht sich insbesondere der Begriff „gewöhnlich“ in diesem Zusammenhang auf die Umstände, unter denen der Erbringer eines konkreten Dienstes diesen Dienst erbringt, oder auf die Umstände, unter denen identische oder vergleichbare Dienste im Allgemeinen erbracht werden?
G r ü n d e :
2I.
31 Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika und der breiten Öffentlichkeit primär durch die von ihr betriebene Internetsuchmaschine „H. “, aber auch durch andere IT-Dienste bekannt. Sie betreibt in Deutschland zudem eine eigene mit dem Internet im Übrigen verbundene Netzinfrastruktur, insbesondere einige Hochleistungsverbindungen zwischen Metropolregionen.
42 Seit dem Jahr 2007 bietet die Klägerin den weltweit genutzten Dienst „H1. “ an, der in Deutschland vorrübergehend unter dem Namen „H. Mail“ betrieben wurde. Bei H1. handelt es sich um einen internetbasierten E-Mail-Dienst, den die Klägerin über das offene Internet bereitstellt, ohne den Nutzern dabei selbst einen Internetzugang zu vermitteln, weshalb die Klägerin H1. in Anknüpfung an technische Fachtermini auch als „Webmail-Dienst“ und in einem weiteren Sinne als „Over-the-top-Dienst“ oder abkürzend als „OTT-Dienst“ bezeichnet. Wie andere internetbasierte E-Mail-Dienste ist H1. ein Dienst zum Versenden und Empfangen von Nachrichten und Dateien über das Internet. Im Rahmen dieses Dienstes werden die Nachrichten und Dateien inhaltlich unverändert, aber in einzelne Datenpakete zerlegt, vom Absender zum Empfänger mittels für den E-Mail-Dienst standardisierter Protokolle der Internetprotokollfamilie zugestellt. Der Nutzer erhält dabei nach der Eröffnung eines sogenannten E-Mail-Kontos eine E-Mail-Adresse, die ihn ähnlich einer Postadresse als Absender und Empfänger von E-Mails ausweist. Darüber hinaus werden dem Nutzer auf der Weboberfläche von H1. weitere Funktionen angeboten, beispielsweise das Editieren, Speichern und Ordnen von E-Mails oder das Verwalten von Kontaktdaten. Zur Nutzung des Dienstes ruft der Nutzer entweder über einen auf einem internetfähigen Endgerät installierten Webbrowser die von der Klägerin betriebene Webseite (https://mail.H. .com/) auf, wo ihm eine Oberfläche zur Nutzung der verschiedenen Funktionen zur Verfügung steht, oder er bedient sich eines auf dem Endgerät installierten lokalen E-Mail-Programms, eines sogenannten „E-Mail-Client“. Nach der Erstellung des Inhaltes und der Bestimmung einer oder mehrerer Ziel-E-Mail-Adressen erfolgt in beiden Fällen die Übermittlung der E-Mail an die Klägerin durch ein gezieltes Absenden, ausgelöst durch den Absender. Hierdurch wird ein Leistungsfluss zur weiteren Bearbeitung des Übermittlungsvorgangs durch die Klägerin initiiert. Um die mit einer Zieladresse versehene E-Mail nach Einleitung des Sendevorgangs durch den Absender an die Empfängeradresse zustellen zu können, betreibt die Klägerin E-Mail-Server, die die E-Mail verwalten und gegebenenfalls zwischenspeichern. Im Rahmen eines informationstechnischen Verarbeitungsprozesses werden in automatisierter Form die vom Nutzer verwendeten Domainnamen mittels des „Domain Name System“ – DNS – der regelmäßig dynamischen IP-Adresse des physischen Anschlusses zugeordnet, um dem Ausgangs-Server die Identifikation des Ziel-Servers der Domain, die in der E-Mail-Adresse als Empfänger angegeben ist, zu ermöglichen. Zwecks Versands bringt die Klägerin dann die in Datenpakete zerlegte E-Mail auf den Weg über das offene Internet. Zum Einspeisen und Weiterleiten der E-Mail wird dabei auf verschiedene Protokolle der Internetprotokollfamilie zurückgegriffen, u.a. das „Simple Mail Transfer Protocol“ – SMTP – sowie das „Transmission Control Protocol“ – TCP –. Auf dem Weg zum Ziel-Server muss der Datenverkehr verschiedene Teilnetze des Internets passieren, die von Dritten betrieben werden. Das Internetrouting ist dabei dynamisch und kann sich stetig verändern, ohne dass die Partei, deren Datenverkehr transportiert wird, davon Kenntnis hätte oder eine Kontrolle hierüber ausüben könnte. Nach dem Empfang der Daten beim Ziel-Server wird die E-Mail in der Regel dort gespeichert und für den Empfänger in einem elektronischen Postfach vorgehalten, auf das dieser dann mittels verschiedener Techniken zugreifen kann. Werden E-Mails zwischen Nutzern desselben Anbieters versendet, kann der Weg, den die E-Mail nimmt, auch kürzer sein oder die Server des Dienstanbieters gar nicht erst verlassen.
53 Die für die Regulierung des Telekommunikationsmarktes zuständige Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen – Bundesnetzagentur – ist im Gegensatz zur Klägerin der Auffassung, dass es sich bei H1. um einen Telekommunikationsdienst im Sinne von § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes – TKG – handelt, der der dort geregelten Meldepflicht gegenüber der Bundesnetzagentur unterliegt. Mit einem auf die in § 126 TKG geregelten Befugnisse gestützten Bescheid vom 2. Juli 2012 stellte die Bundesnetzagentur förmlich fest, dass die Klägerin mit H1. einen Telekommunikationsdienst betreibt, und forderte die Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes dazu auf, der gesetzlichen Meldepflicht nachzukommen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Bundesnetzagentur mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2014 als unbegründet zurück.
64 Am 23. Januar 2015 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheides der Bundesnetzagentur vom 2. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bundesnetzagentur vom 22. Dezember 2014 erstrebt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. November 2015 abgewiesen und dabei die Auffassung der Bundesnetzagentur im Ergebnis bestätigt. Nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG seien Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Dass hiernach zentrale Merkmal der „Übertragung von Signalen“ stehe in einem engen Zusammenhang mit dem durch § 3 Nr. 22 TKG definierten Begriff der Telekommunikation, als dem technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen. Telekommunikationsanlagen wiederum seien nach § 3 Nr. 23 TKG technische Einrichtungen und Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können. Diese Voraussetzungen seien im Fall von H1. erfüllt. Mit H1. ermögliche die Klägerin den Nutzern des Dienstes, über ein Web-Interface oder mittels eines auf ihren internetfähigen Endgeräten installierten E-Mail-Client über das Internet per E-Mail zu kommunizieren. Der Einordnung von H1. als Telekommunikationsdienst stehe dabei nicht entgegen, dass die „Übertragung von Signalen“ im Wesentlichen über das offene Internet erfolge und damit nicht von der Klägerin selbst, sondern von den Internet (Access) Providern erbracht werde. Der Klägerin sei die Signalübertragungsleistung der Internet (Access) Provider zurechenbar, weil sie sich diese Signalübertragungsleistung für ihre Zwecke faktisch zu eigen mache und insbesondere mit ihren informationstechnischen Verarbeitungsleistungen selbst einen essentiellen Beitrag für das Funktionieren des Telekommunikationsvorgangs erbringe. Auf eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin für die Signalübertragungsleistung durch die Internet (Access) Provider gegenüber den Nutzern von H1. komme es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Die Signalübertragungsleistung bilde zudem den Schwerpunkt von H1. . Für die Frage, ob ein Dienst ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehe, sei keine rein technische Betrachtung vorzunehmen. Bei einer wertenden Betrachtung stünden die raumüberwindende Kommunikation mit anderen Nutzern und damit der Telekommunikationsvorgang selbst im Vordergrund, während andere inhaltsbezogene Komponenten des Dienstes keine eigenständige Bedeutung hätten. Im Übrigen erbringe die Klägerin H1. auch gewerblich und gegen Entgelt. Zwar würden E-Mail-Dienste jedenfalls in einer Basisversion für den Nutzer kostenlos angeboten, sie finanzierten sich jedoch üblicherweise und so auch H1. durch Werbung oder andere indirekte Einnahmen.
75 Hiergegen richtet sich die durch das Verwaltungsgericht zugelassene und von der Klägerin eingelegte Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht, mit der die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Die Klägerin bestreitet, mit H1. einen Telekommunikationsdienst im Sinne von § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG zu betreiben. Anders als von den genannten Vorschriften vorausgesetzt übertrage die Klägerin mit H1. keine Signale. Der Begriff der Signalübertragung sei ein technischer Begriff, der, wie § 3 Nr. 22 TKG zeige, kumulativ das Aussenden, Übermitteln und Empfangen von Signalen über Telekommunikationsnetze erfordere. Als reiner Webmail-Dienst setze H1. zwar wie andere OTT-Dienste, etwa Online-Banking, eine Signalübertragung in diesem Sinne voraus. Die Signalübertragung erfolge aber nicht durch die Klägerin selbst, sondern sowohl für die Datenübermittlung zwischen den Nutzern von H1. und den E-Mail-Servern der Klägerin als auch für die Datenübermittlung zwischen den E-Mail-Servern der Klägerin und den E-Mail-Servern anderer E-Mail-Dienstes durch die Internet Access Provider bzw. Internet Provider. Anders als das Verwaltungsgericht meine, sei deren Signalübertragungsleistung der Klägerin auch nicht zurechenbar, weil die Signalübertragung über das offene Internet nach dem „Best-Effort-Prinzip“ erfolge und die Klägerin damit weder eine tatsächliche, noch eine rechtliche Kontrolle über den Übermittlungsvorgang ausüben könne. Darin unterscheide sich der von der Klägerin angebotene Webmail-Dienst von „E-Mail-Übertragungsdiensten“ im herkömmlichen Sinne, die ihren Kunden zugleich auch den Internetzugang vermittelten. Die durch das Verwaltungsgericht gebilligte Auslegung von § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG stelle eine unzulässige Analogiebildung dar, allzumal Webmail-Dienste wie H1. sowie andere OTT-Dienste auch nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts, dessen Umsetzung die genannten Vorschriften dienten, noch nicht als Telekommunikationsdienste anzusehen seien. Die Rechtsauffassung der Beklagten weiche daher auch von der Rechtspraxis in allen anderen Mitgliedstaaten ab. Der Umstand, dass die Klägerin selbst eine eigene Netz-infrastruktur als Teil des Internets betreibe, sei in diesem Zusammenhang tatsächlich und rechtlich ohne Bedeutung. Diese Infrastruktur sei maßgeblich für die Erbringung datenintensiver Dienste wie „H. -Suche“ und „YouTube“ aufgebaut worden; für den Betrieb von H1. sei diese Infrastruktur nicht erforderlich, auch wenn sie mitge-nutzt werde. Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, dass eine eigene oder ihr zuzurechnende Signalübertragung jedenfalls nicht den Schwerpunkt der mit „H1. “ erbrachten Leistungen darstelle, sondern inhaltliche Aspekte der Kommunikation im Vordergrund stünden. Zudem werde H1. nicht in der Regel gegen Entgelt erbracht, weil H1. den Nutzern kostenlos zur Verfügung stehe und lediglich zu einem kleinen Teil durch auf der Webseite von H1. geschaltete Werbung querfinanziert werde.
86 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts. Voraussetzung für die Annahme eines Telekommunikationsdienstes sei, dass der erbrachte Dienst in seiner technischen Funktionsweise überwiegend eine Signalübertragung zum Gegenstand habe. Dies sei bei H1. der Fall, weil eine Übermittlung von E-Mails vom Absender zum Empfänger nur mittels Signalübertragung möglich sei. Darüber hinaus sei es hingegen nicht erforderlich, dass der Erbringer des Dienstes selbst die Signalübertragung übernehme oder zumindest eine Kontrolle über die durch Dritte übernommene Signalübertragung ausübe. Entscheidend sei allein, dass die Signalübertragung als technisches Element überhaupt gegeben sei. Selbst wenn mit der Rechtsauffassung der Klägerin jedenfalls eine Kontrolle über die durch Dritte vorgenommene Signalübertragung zu verlangen sei, sei diese aufgrund des Betriebs der eigenen E-Mail-Server gegeben. Die E-Mail-Server ordneten den E-Mail-Adres-sen die physischen IP-Adressen zu. Die Klägerin authentifiziere den Absender und ggf. auch den Empfänger einer E-Mail mittels Passwort, E-Mail-Adresse oder Nutzer-kennung und steuere mittels der eingesetzten Internetprotokolle in einem für die Annahme einer Kontrolle hinreichenden Maße die Signalübertragung. Außerdem betreibe die Klägerin selbst eine eigene mit dem Internet zusammengeschaltete Netzinfrastruktur, die jedenfalls auch für die Zwecke der Signalübertragung für H1. eingesetzt werde. Einen Widerspruch zum Unionsrecht sieht die Beklagte nicht.
9II.
107 Das Verfahren ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union – Gerichtshof – zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste – Rahmenrichtlinie – (ABl. L 108, S. 33). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.
118 A) Für die rechtliche Beurteilung der im Berufungsverfahren weiterverfolgten Klage sind nach nationalem Recht insbesondere die nachfolgend wiedergegebenen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I, S. 1190), in der im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden und insoweit bis heute unveränderten Fassung von Art. 2 Nr. 133 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I, S. 3154), maßgeblich:
129 § 6 TKG
13(1) Wer gewerblich öffentliche Telekommunikationsnetze betreibt oder gewerblich öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbringt, muss die Aufnahme, Änderung und Beendigung seiner Tätigkeit sowie Änderungen seiner Firma bei der Bundesnetzagentur unverzüglich melden. Die Erklärung bedarf der Schriftform.
14[…]
1510 § 3 TKG
16Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind
17[…]
1817a. "öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste“ der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Telekommunikationsdienste;
19[…]
2022. "Telekommunikation" der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen;
2123. "Telekommunikationsanlagen" technische Einrichtungen und Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können;
2224. "Telekommunikationsdienste" in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen;
23[…]
2427. "Telekommunikationsnetz" die Gesamtheit von Übertragungssystemen und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitigen Ressourcen, einschließlich der nicht aktiven Netzbestandteile, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische und andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen, einschließlich Satellitennetzen, festen, leitungs- und paketvermittelten Netzen, einschließlich des Internets, und mobilen terrestrischen Netzen, Stromleitungssystemen, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netzen für Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetzen, unabhängig von der Art der übertragenen Information;
25[…]
2611 § 126 TKG
27(1) Stellt die Bundesnetzagentur fest, dass ein Unternehmen seine Verpflichtungen nach diesem Gesetz, auf Grund dieses Gesetzes oder nach der Verordnung (EG) Nr. 717/2007 nicht erfüllt, fordert sie das Unternehmen zur Stellungnahme und Abhilfe auf. Sie setzt dem Unternehmen für die Abhilfe eine Frist.
28(2) Kommt das Unternehmen innerhalb der gesetzten Frist seinen Verpflichtungen nicht nach, kann die Bundesnetzagentur die zur Einhaltung der Verpflichtung erforderlichen Maßnahmen anordnen. Hierbei ist dem Unternehmen eine angemessene Frist zu setzen, um den Maßnahmen entsprechen zu können.
29[…]
30(5) Zur Durchsetzung der Anordnungen nach Absatz 2 kann nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ein Zwangsgeld bis zu 500.000 Euro festgesetzt werden.
3112 B) Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin mit ihrem Dienst H1. der Meldepflicht des § 6 Abs. 1 TKG unterliegt. Die Meldepflicht dient dem Zweck, der Bundesnetzagentur die Führung eines Verzeichnisses der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und öffentlicher Telekommunikationsdienste zu ermöglichen, wobei die Meldepflicht auf diejenigen Betreiber beschränkt ist, die gewerblich tätig sind. Sie dient damit weiterhin dem Zweck, der Bundesnetzagentur die Überwachung dieser Tätigkeiten auf dem Telekommunikationsmarkt zu ermöglichen und den Betreibern ggf. weitere Pflichten nach diesem Gesetz aufzuerlegen. Die Klägerin unterliegt mit ihrem Dienst H1. der durch § 6 Abs. 1 TKG angeordneten Meldepflicht indes nur dann, wenn sie „gewerblich öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste“ im Sinne dieser Vorschrift erbringt. Einzelne Elemente dieses Merkmals werden dabei durch § 3 TKG näher definiert. Insbesondere bestimmt § 3 Nr. 24 TKG, dass „Telekommunikationsdienste“ in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste sind, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 TKG ergibt (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2316, S. 59 f.), dient diese Vorschrift der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste – Genehmigungsrichtlinie – (ABl. L 108, S. 21), wonach von Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze oder elektronische Kommunikationsdienste bereitstellen, eine solche Meldung gefordert werden kann. Für die Auslegung des von Art. 3 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie verwendeten Merkmals „elektronische Kommunikationsdienste“ ist dabei nach Art. 2 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie abzustellen. Danach sind „elektronische Kommunikationsdienste“ gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben; nicht dazu gehören die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 98/34/EG, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen. Auch in der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 24 TKG (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2316, S. 58) wird ausgeführt, dass die dortige Definition des Begriffs „Telekommunionsdienste“ derjenigen in Art. 2 Buchst. c) Satz 1 der Rahmenrichtlinie entspricht. Hieraus folgt, dass es für die durch den Senat im vorliegenden Verfahren zu beantwortende Frage, ob die Klägerin der Meldepflicht des § 6 Abs. 1 TKG unterliegt, im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts maßgeblich darauf ankommt, ob die Klägerin mit ihrem Dienst H1. einen „elektronischen Kommunikationsdienst“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie betreibt. In diesem Zusammenhang stellen sich für den Senat die im Beschlusstenor im Einzelnen formulierten Auslegungsfragen.
3213 1. Die erste Vorlagefrage betrifft das Merkmal „Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“ aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie. Zur Auslegung dieses Merkmals hat der Gerichtshof in der Rechtssache „UPC Nederland“ bereits ausgeführt, dass die Rahmenrichtlinie klar zwischen der Produktion von Inhalten, die eine redaktionelle Kontrolle voraussetzt, und der Übertragung von Inhalten ohne jede redaktionelle Kontrolle unterscheidet. Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof entschieden, dass ein aus der Bereitstellung eines über Kabel zugänglichen Basisangebots an Hörfunk- und Fernsehprogrammen bestehender Dienst, für den Übertragungskosten sowie die an Rundfunkanstalten und kollektive Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Inhalte gezahlten Gebühren in Rechnung gestellt werden, unter den Begriff „elektronischen Kommunikationsdienst“ fällt (vgl. Urteil vom 7. November 2013 – C-518/11 – Rn. 41 ff., ECLI:EU:C:2013:709). Außerdem hat der Gerichtshof in der Rechtssache „UPC DTH Sàrl“ entschieden, dass der Umstand, dass die Übertragung eines Signals über eine Infrastruktur erfolgt, die nicht dem Erbringer des Dienstes gehört, für die Einordnung der Art der Dienstleistung unerheblich ist. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob der Erbringer des Dienstes gegenüber den Endnutzern für die Übertragung des Signals, die diesen die Bereitstellung des Dienstes, den sie abonniert haben, gewährleistet, verantwortlich ist (vgl. Urteil vom 30. April 2014 – C-475/12 – Rn. 43 f., ECLI:EU:C:2014:285). Ob das Merkmal dahin auszulegen ist, dass es auch internetbasierte E-Mail-Dienste erfasst oder erfassen kann, die über das offene Internet bereitgestellt werden und selbst keinen Internetzugang vermitteln, hat der Gerichtshof allerdings bislang noch nicht entschieden. Für die Beantwortung dieser Vorlagefrage können nach Auffassung des Senats insbesondere die unter den Buchstaben a) bis c) formulierten Teilfragen von Bedeutung sein.
3314 So könnte der Qualifizierung von H1. als Telekommunikationsdienst zunächst der Umstand entgegenstehen, dass es sich bei H1. um einen E-Mail-Dienst handelt, der über das offene Internet erbracht wird und selbst keinen Internetzugang vermittelt. Die Klägerin ermöglicht zwar den Nutzern über ihre Webseite oder mittels eines auf dem Endgerät des Nutzers installierten E-Mail-Client einen Übermittlungsvorgang zu initiieren bzw. eine eingehende E-Mail in Empfang zu nehmen. Darüber hinaus ist sie mit ihrem Dienst H1. in technischer Hinsicht an der Übermittlung einer E-Mail vom Absender zum Empfänger auch dadurch beteiligt, dass sie über die von ihr betriebenen E-Mail-Server bestimmte informationstechnische Verarbeitungsschritte durchführt, zu denen insbesondere eine automatisierte Zuordnung der E-Mail-Adres-sen zu den IP-Adressen der beteiligten physischen Anschlüsse und eine Einspeisung der in Datenpakete zerlegten E-Mail in das offene Internet bzw. – umgekehrt – deren Empfang gehört. Die internetprotokollbasierte Übermittlung der in Datenpakete zerlegten E-Mail von den Internetanschlüssen der Endkunden zu den Internetan-schlüssen der Klägerin sowie von dort zu den Internetanschlüssen weiterer betei-ligter E-Mail-Dienste wird hingegen grundsätzlich nicht durch die Klägerin, sondern durch die Internet (Access) Provider erbracht, wobei der Umstand, dass die Klägerin auch selbst Teilnetze des Internets betreibt, hier erst im Rahmen der zweiten Vor-lagefrage behandelt wird. Für die Einordnung von H1. als „elektronischer Kommu-nikationsdienst“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie kommt es daher zunächst darauf an, ob der Begriff „Übertragung von Signalen“ dahin verstanden werden kann, dass er auch eine derartige Beteiligung der Klägerin am Übermittlungs-vorgang erfasst oder ob als „Übertragung von Signalen“ in einem engeren Sinne nur die internetprotokollbasierte Übermittlung der Datenpakete durch die Internet (Access) Provider anzusehen ist. Die Beklagte hat in ihrem Widerspruchsbescheid u.a. das der Beschreibung von Kommunikationsvorgängen im Internet dienende OSI-Schichtenmodell („Open Systems Interconnection Reference Model“) herangezogen, um zu begründen, dass die informationstechnischen Verarbeitungsleistungen eines E-Mail-Dienst-Erbringers, insbesondere die Verwendung des TCP zum zuverlässigen Versenden von Datenpaketen zwischen zwei Netzwerkteilnehmern, den transport-orientierten und nicht den anwendungsorientierten Schichten zuzuordnen sei, weshalb die informationstechnische Verarbeitungsleistung der Klägerin schon der Signalübertragung zuordnen sei. In einem technischen Sinne könnte eine Abgren-zung zwischen inhaltsbezogenen Leistungen und telekommunikationsrechtlichen Übertragungsleistungen im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie aller-dings auch an den Netzwerkterminierungspunkten („Network Termination Points“) der Netzbetreiber als Schnittstellen zwischen dem Internet und dem jeweiligen lokalen Rechnernetz („Local Area Network“) festzumachen sein. Hiernach wären nur die Aktivitäten zwischen den Netzwerkterminierungspunkten als „Übertragung von Signalen“ anzusehen, nicht hingegen die informationstechnischen Verarbeitungs-leistungen auf den Servern der E-Mail-Dienst-Erbringer. Hierauf zielt der erste Teil der ersten Vorlagefrage (a).
3415 Falls dieser Teil der Vorlagefrage dahin zu beantworten sein sollte, dass Erbringer von E-Mail-Diensten wie H1. mit diesen Diensten selbst keine eigene „Übertragung von Signalen“ erbringen, könnten sie gleichwohl als „elektronische Kommunikationsdienste“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie anzusehen sein, wenn ihnen die Signalübertragungsleistung der Internet (Access) Provider unter funktionalen oder wertenden Gesichtspunkten zugerechnet werden kann. Nach der Auffassung der Beklagten soll es in diesem Zusammenhang bereits ausreichend sein, dass H1. eine Signalübertragung als technisches Element voraussetzt und zwar unabhängig davon, wer die Signalübertragung erbringt. Allerdings setzen auch andere über das offene Internet erbrachte Dienste, wie Online-Banking, in diesem Sinne eine Signalübertragung voraus. Demgegenüber könnte es ausgehend von der vorstehend zitierten Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache „UPC DTH Sàrl“ für die Qualifizierung von E-Mail-Diensten wie H1. als „elektronische Kommunikationsdienste“ maßgeblich darauf ankommen, ob der Erbringer dieser Dienste nach den mit den Nutzern vereinbarten Vertragsbedingungen für eine Übermittlung der E-Mail vom Absender bis zum Empfänger rechtlich einsteht. Dies hätte allerdings zur Folge, dass der Erbringer eines E-Mail-Dienstes über die konkrete Ausgestaltung seiner Vertragsbedingungen selbst die Entscheidung in der Hand hätte, ob er dem unionsrechtlichen Regulierungsregime für elektronische Kommunikationsnetze- und ‑dienste unterfällt oder nicht. Das Verwaltungsgericht ist diesem Auslegungsansatz daher mit dem Argument entgegengetreten, dass er die praktische Wirksamkeit des unionsrechtlichen Regulierungsregimes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste beeinträchtige. Stattdessen hat das Verwaltungsgericht eine Zurechnung der Signalübertragung damit begründet, dass sich die Klägerin die Signalübertragungsleistung der Internet (Access) Provider faktisch für ihre Zwecke zu eigen mache und jedenfalls einen eigenen, für den Übermittelungsvorgang unverzichtbaren technischen Beitrag leiste. Die Klägerin lehnt auch diese Begründung ab. Sie ist vielmehr der Ansicht, dass eine Zurechnung eine tatsächliche und rechtliche oder zumindest eine rechtliche Kontrolle über die Signalübertragung erfordere, die die Erbringer von E-Mail-Diensten wie H1. – anders etwa als sog. Wiederverkäufer (Reseller) von Telekommunikationsdienstleistungen oder Anbieter qualitätsgesicherter Spezialdienste im Sinne von Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 (ABl. L 310, S. 1) – nicht hätten. Die Beklagte hält es allerdings für möglich, einen hinreichend Grad an Kontrolle über die Signalübertragung schon deshalb zu bejahen, weil die Klägerin den Absender und ggf. auch den Empfänger einer E-Mail mittels Passwort, E-Mail-Adresse oder Nutzerkennung authentifiziere und mittels der eingesetzten Internetprotokolle, insbesondere TCP und SMTP, den Prozess der Signalübertragung steuere. Dies ist der Hintergrund des zweiten Teils der ersten Vorlagefrage (b).
3516 Für den Fall, dass E-Mail-Dienste wie H1. , die ihre Leistung über das offene Internet erbringen, ohne dem Endkunden dabei einen Internetzugang vermitteln, dem Grunde nach unter den Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie fallen können, wenn und weil sie entweder selber Signale übertragen oder ihnen jedenfalls die Signalübertragung der Internet (Access) Provider zugerechnet werden kann, kommt es für die weitere Subsumtion unter den Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ schließlich darauf an, ob sie als Dienste auch „ganz oder überwiegend“ in der Übertragung von Signalen bestehen. Im vorliegenden Zusammenhang kann die Frage, worin der Schwerpunkt eines solchen E-Mail-Dienstes zu sehen ist, jedoch unterschiedlich zu beantworten sein, je nachdem, ob eine funktionale Betrachtung aus der Sicht der Nutzer oder eine eher technische Betrachtung vorzunehmen ist. So könnte auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung aus der Sicht der Nutzer die raumüberwindende Kommunikation mit anderen Nutzern im Vordergrund stehen und damit die eigene bzw. zugerechnete Signalübertragung der Klägerin den Schwerpunkt des Dienstes darstellen, während die sonstigen, teilweise inhaltsbezogenen Funktionen des Dienstes wie das Editieren, Speichern und Verwalten elektronischer Post sowie das Verwalten von Kontaktdaten eine lediglich untergeordnete Bedeutung haben. Aus einer eher technischen Sicht könnte hingegen die Softwareentwicklung durch die Klägerin den Schwerpunkt des Dienstes bilden. Hierauf zielt der dritte Teil der ersten Vorlagefrage (c).
3617 Die erste Vorlagefrage lässt sich weder ohne weiteres anhand von Art. 2 Buchst. c) oder sonstigen Bestimmungen der Rahmenrichtlinie beantworten, noch ist sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt. Den beigezogenen Verwaltungsakten kann entnommen werden, dass die im Verwaltungsverfahren durch die Bundesnetzagentur konsultierte Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Europäischen Kommission mit Schreiben vom 13. Februar 2014 eine von der Beklagten abweichende Rechtsauffassung vertreten hat (Bl. 490). Mit Blick auf die europäische Rechtspraxis ist zudem feststellbar, dass Dienste wie H1. in anderen Mitgliedstaaten jedenfalls überwiegend nicht als Telekommunikationsdienste eingeordnet werden (vgl. mit weiteren Nachweisen BEREC, Report on OTT Services, BoR (16) 35, Januar 2016, Ziffern 3.2 und 4.2.2, abrufbar unter: http://berec.europa.eu/eng/document_register/subject_matter/berec/reports/5751-berec-report-on-ott-services). Für die durch die Beklagte vertretene und durch das Verwaltungsgericht bestätigte Auffassung ließe sich zwar im Ausgangspunkt der 10. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie anführen. Dieser stellt klar, dass neben Sprachtelefonie auch „E-Mail-Übertragungsdienste“ von der Rahmenrichtlinie erfasst werden sollen. Möglicherweise liegt der Rahmenrichtlinie insoweit jedoch – wie von der Klägerin angenommen – eine technische Unterscheidung zwischen „E-Mail-Übertragungsdiensten“, die selber einen Internetzugang vermitteln, und solchen E-Mail-Diensten zugrunde, die wie H1. Kommunikation über das offene Internet anbieten, ohne selbst einen Internetzugangsdienst zu betreiben. Hierfür könnte jedenfalls retrospektiv auch der durch die Europäische Kommission unter dem 12. Oktober 2016 vorgelegte Entwurf für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den europarechtlichen Kodex für die elektronische Kommunikation (vgl. Dokument COM(2016) 590 final, interinstitutionelles Dossier 2016/0288(COD)) sprechen, der das bisherige Regelwerk einschließlich der Rahmenrichtlinie ablösen soll. Im Einzelnen sollen dabei der bislang verwendete Begriff „E-Mail-Übertragungsdienste“ im 10. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie durch den Begriff der „E-Mail-Dienste“ ersetzt (vgl. den 10. Erwägungsgrund des o. g. Richtlinienentwurfs) und zugleich die Begriffsbestimmung „elektronische Telekommunikationsdienste“ aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie dahin erweitert werden, dass künftig Internetzugangsdienste, interpersonelle Kommunikationsdienste und Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, umfasst werden (vgl. Art. 1 Ziffern 4 und 5 des o.g. Richtlinienentwurfs). Den weiteren Erwägungen hierzu lässt sich entnehmen, dass die beabsichtigte Änderung der Begriffsbestimmung auf der Feststellung beruht, dass sich die für Kommunikationszwecke genutzten Dienste und die technischen Mittel zu ihrer Bereitstellung erheblich erweitert hätten und die Endnutzer die herkömmlichen Sprachtelefon-, Textmitteilungs- und Übertragungsdienste vermehrt durch in der Funktionsweise gleichwertige Online-Dienste wie Internet-Telefonie, Mitteilungsdienste und Web-gestützte E-Mail-Dienste ersetzten. Um einen wirksamen und gleichwertigen Schutz der Endnutzer bei der Nutzung von in der Funktionsweise gleichwertigen Diensten zu gewähren, solle eine zukunftsorientierte Definition „elektronischer Kommunikationsdienste“ nicht allein auf technischen Parametern fußen, sondern eher auf einem funktionalen Ansatz aufbauen. Obwohl „Signalübertragung“ ein wichtiger Parameter für die Bestimmung der unter die Richtlinie fallenden Dienste bleibe, solle die Begriffsbestimmung auch andere Dienste erfassen, die Kommunikation ermöglichen, weil es aus der Sicht der Endnutzer keine Rolle spiele, ob ein Anbieter die Signale selbst übertrage oder ob die Kommunikation über einen Internetzugangsdienst übermittelt werde (vgl. zum Ganzen insbesondere den 15. Erwägungsgrund des o.g. Richtlinienentwurfs). Außerdem sieht der Richtlinienentwurf mitunter nach den einzelnen Unterkategorien elektronischer Telekommunikationsdienste differenzierende Regelungen vor (vgl. hierzu etwa den 42. Erwägungsgrund des o.g. Richtlinienentwurfs). Dies könnte als deutliches Indiz dafür verstanden werden, dass Webmail-Dienste wie H1. nach dem bisherigen Stand des Unionsrechts noch nicht als elektronische Kommunikationsdienste anzusehen sind. Allerdings wird in diesem Zusammenhang auch ausgeführt, dass die erweiternde Begriffsbestimmung der „elektronischen Kommunikationsdienste“ Unklarheiten beseitigen solle, die bei der Umsetzung der bisherigen Begriffsbestimmung festgestellt worden seien (vgl. auch insoweit den 15. Erwägungsgrund des o.g. Richtlinienentwurfs). Es ist mithin nicht gänzlich eindeutig, ob der vorgelegte Richtlinienentwurf gegenüber der Rahmenrichtlinie auch in der Sache eine Neuregelung beinhaltet oder ob er lediglich eine Klarstellung zur bereits heute geltenden Rechtslage bewirken soll.
3718 2. Die zweite Vorlagefrage ist nur für den Fall relevant, dass das Merkmal „Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“ aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass es internetbasierte E-Mail-Dienste, die über das offene Internet bereitgestellt werden und selbst keinen Internetzugang vermitteln, nicht erfasst. Für diesen Fall hat die Beklagte nämlich auf den Umstand hingewiesen, dass die Klägerin in Deutschland eine eigene mit dem übrigen Internet über ein sogenanntes „Peering“ verbundene Netzinfrastruktur betreibt, die sie auch für den Betrieb von H1. nutze. Jedenfalls aus diesem Grund sei daher von einer Signalübertragung auszugehen. Die Klägerin bestreitet diesen Umstand nicht, macht aber geltend, dass diese Infrastruktur maßgeblich für die Erbringung datenintensiver Dienste wie „H. -Suche“ und „Z. “ aufgebaut worden und für den Betrieb von H1. nicht erforderlich sei. Für den Senat stellt sich daher in diesem Zusammenhang zunächst die Frage, ob der Betrieb dieser Netzinfrastruktur überhaupt dem Dienst H1. zugeordnet werden kann. Jedenfalls scheint dem Senat zweifelhaft, ob der weltweit erbrachte Dienst H1. schon allein aufgrund dieses Umstands im Sinne von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie „ganz oder überwiegend“ in der Übertragung von Signalen bestehen kann.
3819 3. Die dritte Vorlagefrage betrifft die Auslegung des Merkmals „gewöhnlich gegen Entgelt erbracht“ aus Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie. Sie beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin ihren Dienst H1. für die Nutzer kostenlos anbietet. Für den Senat stellt sich daher zunächst die Frage, ob der Begriff „gegen Entgelt erbracht“ auch Fälle erfasst, in denen die Nutzer eines Dienstes eine andere Gegenleistung als die Entrichtung einer Gebühr erbringen, die für den Erbringer des Dienstes von wirtschaftlichem Interesse ist, etwa in dem die Nutzer im Rahmen des Anmeldeprozesses personenbezogene oder sonstige Daten aktiv zur Verfügung stellen oder diese Daten durch den Erbringer des Dienstes auf andere Weise, z.B. durch Nutzung sog. Cookies, bei der Inanspruchnahme des Dienstes erfasst werden. Hierauf zielt der erste Teil der dritten Vorlagefrage (a). Auf diese Frage käme es allerdings möglicherweise nicht entscheidend an, wenn der Begriff „gegen Entgelt erbracht“ auch dahin ausgelegt werden kann, dass das „Entgelt“ nicht zwingend von demjenigen erbracht werden muss, dem auch die Leistung des Dienstes zugutekommt, so dass auch eine (Quer-) Finanzierung des Dienstes durch Dritte ausreichend wäre. Denn die Klägerin schaltet auf ihrer durch die Nutzer von H1. in Anspruch genommenen Webseite durch Dritte bezahlte Werbung. Hierauf zielt der zweite Teil der dritten Vorlagefrage (b). Abhängig davon, wie der erste und der zweite Teil der dritten Vorlagefrage zu beantworten sind, kann es schließlich auch darauf ankommen, was Bezugspunkt des in diesem Zusammenhang zu beachtenden Begriffs „gewöhnlich“ ist. Die Prüfung dieses Merkmals kann nämlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob darauf abzustellen ist, ob die Klägerin den Dienst H1. gegenüber den Nutzern dieses Dienstes in der Regel gegen Entgelt erbringt, oder darauf, ob identische oder jedenfalls vergleichbare Dienste wie H1. in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, ohne dass dies zwingend auch für H1. selbst gelten müsste. Hierauf zielt der dritte Teil der dritten Vorlagefrage (c).
3920 Auch die dritte Vorlagefrage lässt sich dabei weder unmittelbar anhand von Art. 2 Buchst. c) oder sonstigen Bestimmungen der Rahmenrichtlinie beantworten, noch ist sie im vorliegenden Regelungskontext in der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt. Im Ausgangspunkt dürfte zu beachten sein, dass der Wortlaut von Art. 2 Buchst. c) der Rahmenrichtlinie im Gesetzgebungsverfahren (vgl. interinstitutionelles Dossier 2000/0184(COD)) gewissen Änderungen unterworfen war. Während der ursprüngliche Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission eine Erbringung des Dienstes ausnahmslos „gegen Entgelt“ verlangte (vgl. Dokument KOM(2000)393 endg.), sollte nach dem Willen des Europäischen Parlaments eine Erbringung des Dienstes „auf einer kommerziellen Basis“ genügen. Begründet wurde dieser Änderungsvorschlag des Europäischen Parlaments damit, dass elektronische Kommunikationsdienste auch ohne Entgelt, aber dennoch auf kommerzieller Basis angeboten werden könnten, so dass eine Anwendung der Vorschriften dieser Richtlinie angezeigt sei (vgl. Dokument A5-0053/2001). Der Änderungsvorschlag des Parlaments wurde jedoch nicht übernommen. Die endgültige Fassung mit der Einfügung des Wortes „gewöhnlich“ vor dem Merkmal „gegen Entgelt“ geht stattdessen auf einen mutmaßlich als vermittelnde Position konzipierten Vorschlag des Europäischen Rates zurück (vgl. Dokumente ST 10420 2002 REV1 und ST 6969 2001 INIT). Dies könnte – in Abgrenzung zum Vorschlag des Parlaments – auf ein in der Tendenz eher enges Begriffsverständnis schließen lassen. Demgegenüber hat der Gerichtshof dem Merkmal „gegen Entgelt“ im Zusammenhang mit der Erbringung anderer Dienstleistungen im Sinne von Art. 57 AEUV bislang ein eher weites, dem Sinn und Zweck nach möglicherweise auch hier maßgebliches Begriffsverständnis zu Grunde gelegt, nach dem es etwa nicht erforderlich ist, dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugutekommt, so dass auch eine (Quer-) Finanzierung durch Werbung ausreichend ist (vgl. Urteile vom 26. April 1988 – C-352/85 – „Bond van Adverteerders u.a.“, Rn. 16, ECLI:EU:C:1988:196, und vom 11. September 2014 ‑ C-291/13 - „Sotiris Papasavvas“, Rn. 27 ff., ECLI:EU:C:2014:2209).