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Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin betreibt im Gebäude B. N. 46-48 in L. die „D. K. von X. “. Sie beabsichtigt die Erweiterung ihres Angebots um einen Außer-Haus-Verkauf von Eis an einem Ausgabeschalter.
2Am 7. Februar 2019 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Schalterverkaufs und der Anbringung von drei Markisen. Durch Bescheid vom 3. Juli 2019 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab: Das beantragte Vorhaben liege im räumlichen Bereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans. Das Gebäude grenze unmittelbar an eine Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung - „N. , Fläche mit Gehrecht im EG zugunsten der Allgemeinheit“. Gemäß der gestalterischen Festsetzung Nr. 1 des Bebauungsplans seien Markisen und Vordächer vor Türen und Fenstern an Fassaden, die unmittelbar an die Verkehrsfläche grenzten, unzulässig. Die beantragten Markisen verstießen gegen diese Vorschrift und seien deshalb unzulässig. Der Schalterverkauf solle unmittelbar auf der Grundstücksgrenze bzw. in der bestehenden Fassade des Gebäudes errichtet werden. Das bedeute, dass sich die Kunden zwangsläufig und mit dem Betrieb des Schalterverkaufs untrennbar auf dem öffentlichen Straßenland aufhielten. Hierdurch werde der Tatbestand der Sondernutzung erfüllt. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis bestehe nicht. Vor dem Hintergrund der mit Schalterverkaufsstellen verbundenen (ordnungsrechtlichen) Auswirkungen werde daher keine Sondernutzungserlaubnis als notwendige Grundlage für die Inbetriebnahme des Schalterverkaufs erteilt. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Vermeidung von Präzedenzfällen könne auch keine „Ausnahme“ erfolgen. Da der Betrieb des Schalterverkaufs nicht möglich sei bzw. andernfalls unmittelbar dauerhaft einen ordnungswidrigen Zustand (Verstoß gegen § 18 StrWG NRW i. V. m. § 2 Sondernutzungssatzung) verursache, werde der Bauantrag abgelehnt.
3Am 5. August 2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Bereich „B. N. “ zähle in der L1. Altstadt zu den zentralen städtischen Plätzen, dem nicht nur die Funktion der Abwicklung von Verkehrsvorgängen zukomme, sondern der gerade auch eine erhebliche Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion erfüllen solle. Im Rahmen dieser Aufenthaltsfunktion sei auch die Reichweite des Gemeingebrauchs zu sehen. Der Platz solle und dürfe dazu genutzt werden, um dort zu flanieren und auch für eine kurze Zeit vor den Geschäften zu verweilen. Sie habe daher einen Anspruch auf die beantragte Feststellung. Die Ablehnungsentscheidung im Übrigen wolle sie nicht anfechten, sondern bestandskräftig werden lassen und bei einer für sie positiven Entscheidung dann gegebenenfalls erneut einen Bauantrag stellen.
4Die Klägerin hat beantragt,
5festzustellen, dass sie für den Außer-Haus-Verkauf von Eis an einem Ausgabeschalter im Gebäude B. N. 46-48 (Standort des Schalters gemäß Bauantragsunterlagen zum Az. 63/B21/0769 der Beklagten) keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis dafür bedarf, dass die Kunden zwecks Erwerbs der Eisprodukte den Platz „B. N. “ unmittelbar vor dem Ausgabeschalter benutzen,
6hilfsweise,
7die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids vom 3. Juli 2019 zu verpflichten, ihr eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis dafür zu erteilen, dass Kunden die Fläche des Platzes „B. N. “ vor dem Ausgabeschalter im Gebäude B. N. 46-48 (Standort des Schalters gemäß Bauantragsunterlagen zum Az. 63/B21/0769 der Beklagten) dazu benutzen, um die Eisprodukte zu erwerben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt: Der Verkauf von einer ortsfesten Stelle aus zur Straße hin stelle eine Sondernutzung dar, wenn sich zumindest eine Vertragspartei zur Abwicklung des Verkaufsgeschäfts auf der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße aufhalte. Der durch die Klägerin beabsichtigte Schalterverkauf von Eisprodukten stelle keinen straßenrechtlichen Gemeingebrauch dar. Der Verkauf von Eis über einen Schalter außer Haus führe dazu, dass die Kunden den öffentlichen Straßenraum vor diesem Verkaufsschalter in Beschlag nehmen würden. Der Gemeingebrauch öffentlichen Straßenlands sei eng an dessen Widmung geknüpft. Das hier in Frage kommende öffentliche Straßenland sei dem allgemeinen Fußgängerverkehr gewidmet. Nach § 14 Abs. 3 StrWG NRW liege kein Gemeingebrauch mehr vor, wenn die Straße nicht vorliegend zu dem Verkehr genutzt werde, dem sie zu dienen bestimmt sei. Für die Qualifizierung der beabsichtigten Tätigkeit der Klägerin als genehmigungsbedürftige Sondernutzung genüge es demnach, dass die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs Dritter möglich sei. Dabei stehe bei einem Warenverkauf über die Straße nicht die Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion im Vordergrund, sondern es werde die gewerbliche Nutzung der Klägerin auf das öffentliche Straßenland erweitert. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis. Die Versagung der Sondernutzungserlaubnis sei nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW ermessensfehlerfrei erfolgt. Nach der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts könnten bei einer Regelung der Berufsausübung bereits Zweckmäßigkeitserwägungen einen entsprechenden Grundrechtseingriff rechtfertigen. Hierzu gehöre auch die angestrebte Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in dem betroffenen Bereich. Im Übrigen erteile sie für derartige Schalterverkaufsstellen grundsätzlich keine straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmeerlaubnisse. Bei der Vielzahl der hierzu in Frage kommenden Einzelhandels- und Gaststättengewerbe in L. würde der öffentliche Straßenraum in einem nicht mehr hinnehmbaren Ausmaß für gewerbliche Zwecke in Anspruch genommen, die entsprechende Auswirkungen auf den widmungsgemäßen Gemeingebrauch hätten. Des Weiteren sei die beantragte Sondernutzung der Örtlichkeit dadurch ausgeschlossen, dass sie den Bereich „B. N. “ im Rahmen ihrer städtebaulichen Gestaltungskompetenz als „Flaniermeile“ ausgewiesen habe. Dies habe zur Folge, dass die Gebäudefronten in einer Breite von 3,50 m jederzeit freizuhalten seien.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 4. Dezember 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Hauptantrag sei unbegründet, denn der Verkauf von Speiseeis aus einem Ladenlokal heraus, der in einer Weise erfolge, dass die Kunden auf öffentlichem Straßenland anstünden bzw. das Eis kauften, stelle eine Nutzung über den Gemeingebrauch hinaus dar. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass das Abstellen von Altkleidercontainern auf privatem Straßenland dann eine Sondernutzung darstelle, wenn das Befüllen des Containers nur von öffentlichem Straßenland aus erfolgen könne. Auch solle das öffentliche Straßenland über den Gemeingebrauch hinaus für wirtschaftliche und nicht für verkehrliche Zwecke genutzt werden. Der Hilfsantrag könne ebenfalls keinen Erfolg haben. Die Beklagte habe in nachvollziehbarer Weise dargetan, dass sie Sondernutzungserlaubnisse für solche Verkaufsstellen nicht erteile, weil aus Gründen der Gleichbehandlung dann an sehr vielen Stellen derartige Genehmigungen erteilt werden müssten. Die Grundentscheidung, solche Erlaubnisse mit Rücksicht hierauf zu versagen, sei ermessensgerecht. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Bereich „B. N. “ als „Flaniermeile“ ausgewiesen und bestimmt habe, dass die Gebäudefronten in einer Breite von 3,50 m jederzeit freizuhalten seien. Die daraus folgende Ablehnung von Anträgen auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis sei rechtlich nicht zu beanstanden.
12Die Klägerin führt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung aus: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe wegen Überschreitung des Gemeingebrauchs die Notwendigkeit, eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis einzuholen, überzeuge nicht. Bei der Bestimmung, wie weit der Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße oder an einem öffentlichen Platz reiche, müsse auf den jeweiligen konkreten Einzelfall abgestellt werden. Die betroffene Fläche sei als Fußgängerzone bestimmt worden. Das Ziel einer so festgesetzten Fläche sei, dass sich dort aufhaltende Personen auch stehenbleiben könnten. Dies sei vergleichbar mit dem Fall, dass Besuchergruppen auf dieser Platzfläche stünden, um sich historische Gebäudefassaden anzusehen. Zwar stelle eine solche Personengruppe ein Hindernis dar, wodurch andere Personengruppen möglicherweise dazu gezwungen seien, um das Hindernis einen Umweg zu machen. Dies gehöre aber zum normalen Profil der Nutzung eines solchen historischen Platzes. Dies verhalte sich ähnlich bei Besuchergruppen vor Schaufenstern. Der Inhaber eines solchen Geschäfts stelle gerade darauf ab, dass die Platzbesucher vor den Schaufenstern stehenblieben, ohne dass dies eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstelle. Dies sei der typische Gebrauch einer Fußgängerzone. Das durch das Verwaltungsgericht herangezogene Beispiel des Einwerfens von Altkleidern in entsprechende Container sei nicht stichhaltig. Solche stünden üblicherweise unmittelbar an Gehwegen, welche dazu da seien, damit ihre Nutzer das Ziel rasch, ungehindert und ungefährdet erreichen könnten. Dieses Ziel werde durch das Abstellen und Einwerfen von Kleidersäcken vor dem Container beeinträchtigt. Mit der Einrichtung einer Fußgängerzone verfolge eine Kommune allerdings das Vorhaben, dass sich Nutzer dort u. a. zum Zwecke der Kommunikation und der Freizeitgestaltung aufhielten und nicht so schnell wie möglich wieder verließen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats spiele für die Frage der Definition des Gemeingebrauchs eine Rolle, ob die anderen Verkehrsteilnehmer in einer Weise beeinträchtigt würden, welche die Erheblichkeitsschwelle überschreite. Die Erheblichkeitsbeurteilung müsse dabei von dem zur Verfügung stehenden Raum und von der dem Straßenraum zugedachten Funktion abhängig gemacht werden. Der betroffene Platz „B. N. “ sei ohne weiteres dazu geeignet, eine große Nutzerfrequenz aufzunehmen, sodass das Anstehen von einigen Kunden an einem Ausgabeschalter nicht auffalle. Die Erheblichkeitsschwelle sei damit nicht überschritten. Aufgrund der konkreten Gegebenheiten und des besonderen Nutzungsprofils des Platzes bewege sich der Außer-Haus-Verkauf von Eis daher innerhalb des Gemeingebrauchs. Jedenfalls sei ihr aber eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis zu erteilen. Der Landesgesetzgeber räume den zuständigen Behörden die Befugnis ein, unter Beachtung der Widmung des Platzes im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung zu prüfen, ob die Sondernutzung mit Blick auf die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erteilt werden könne. Die Beklagte gehe dabei fehlerhaft davon aus, dass im Fall der Erteilung einer solchen Erlaubnis aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten für eine Vielzahl weiterer Einzelhandels- und Gaststättengewerbe eine solche Sondernutzungserlaubnis erteilt werden müsse. Ein Außer-Haus-Verkauf von Eis zeichne sich dadurch aus, dass die Kunden ausgesprochen schnell bedient werden könnten. Im Übrigen verfange das Argument der Gleichbehandlung schon deshalb nicht, weil die Beklagte das Gleichbehandlungsgebot ohnehin ständig verletze. Insbesondere in den Sommermonaten finde eine extensive außengastronomische Nutzung von Platzflächen statt. Das Ziel, wonach am Platz „B. N. “ stets ein Bereich mit einer Breite von 3,50 m freizuhalten sei, werde dabei ständig unterlaufen. Angesichts der hierdurch stattfindenden Platznutzung sowie der sichtbar werdenden Zulassung von Markisen gebe es keine sachliche Rechtfertigung durch den Gleichbehandlungsgrundsatz dafür, dass ein so kleiner Außer-Haus-Verkauf von Eis von der Beklagten abgelehnt werde.
13Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
14in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass sie für den Außer-Haus-Verkauf von Eis an einem Ausgabeschalter im Gebäude B. N. 46-48 (Standort des Schalters gemäß Bauantragsunterlagen zum Aktenzeichen 63/B21/0769 der Beklagten) keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis dafür bedarf, dass die Kunden zwecks Erwerbs der Eisprodukte den Platz „B. N. “ unmittelbar vor dem Ausgabeschalter benutzen,
15hilfsweise,
16die Beklagte unter teilweise Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 3. Juli 2019 zu verpflichten, ihr eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis dafür zu erteilen, dass die Kunden die Fläche des Platzes “B. N. “ vor dem Ausgabeschalter im Gebäude B. N. 46-48 (Standort des Schalters gemäß Bauantragsunterlagen zum Aktenzeichen 63/B21/0769 der Beklagten) dafür benutzen, um die Eisprodukte zu erwerben.
17Die Beklagte beantragt sinngemäß,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22A. Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
23B. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
24I. Die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage hat keinen Erfolg.
251. Die statthafte Feststellungsklage ist zulässig.
26a. Die Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 VwGO liegen vor. Danach kann durch Klage u. a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
27aa. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Klägerin für den geplanten Außer-Haus-Verkauf von Eis an einem Ausgabeschalter im Gebäude B. N. 46-48 in L. einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis bedarf, betrifft ein konkretes Rechtsverhältnis.
28bb. Die Klägerin besitzt das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse. Sie kann ihr Bauvorhaben nicht realisieren, solange die Beklagte davon ausgeht, dass das Vorhaben erlaubnispflichtig ist und es - wie im Ablehnungsbescheid vom 3. Juli 2019 ausgeführt - ablehnen würde, der Klägerin eine Sondernutzungserlaubnis zu erteilen.
29b. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität i. S. d. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die von der Klägerin erstrebte Feststellung, ihr Vorhaben sei nicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW erlaubnispflichtig, kann nicht im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage in gleicher Weise geklärt werden. Eine Klärung könnte sie nicht im Wege einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den Ausgabeschalter erreichen. Denn bei einer Verpflichtungsklage wäre die Entscheidung über die Erlaubnisbedürftigkeit lediglich Vorfrage des Anspruchs auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis und erwüchse deshalb nicht in Rechtskraft. Abgesehen davon bestünde, da die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW im Ermessen der Behörde steht, auch kein durch eine Verpflichtungsklage durchsetzbarer Anspruch auf ihre Erteilung.
30Im Rahmen einer gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Juli 2019 gerichteten Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ihr Vorhaben wäre die Frage der Bedürftigkeit einer Sondernutzungserlaubnis ebenso lediglich Vorfrage. Unabhängig davon könnte die Klägerin die aus Sicht der Beklagten notwendige Sondernutzungserlaubnis auch auf diesem Wege nicht erstreiten. Dem Baugenehmigungsverfahren nach der BauO NRW kommt keine Konzentrationswirkung zu, eine Baugenehmigung würde eine Sondernutzungserlaubnis mithin weder einschließen noch ersetzen.
312. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass es keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis dafür bedarf, dass Kundinnen und Kunden zwecks Erwerb von Eisprodukten den Platz „B. N. “ unmittelbar vor dem geplanten Ausgabeschalter benutzen. Bei dem geplanten Außer-Haus-Verkauf von Eiswaren über einen Ausgabeschalter handelt es sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung.
32Sondernutzung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Nach der Legaldefinition des Gemeingebrauchs in § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW liegt kein Gemeingebrauch vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist.
33Der Verkauf von (Eis-)Waren über einen in einem Gebäude befindlichen Ausgabeschalter zur unmittelbar an das Gebäude angrenzenden öffentlichen Straße ist kein Gemeingebrauch, sondern Sondernutzung. Denn die Nutzung der Straße der sich dort aufhaltenden Kundinnen und Kunden erfolgt nicht vorwiegend zum Zwecke des Verkehrs, sondern um ein Verkaufsgeschäft abzuwickeln.
34a. Ein Verkauf über einen solchen Ausgabeschalter unterscheidet sich nicht wesentlich vom Straßenhandel, also dem gewerblichen Anbieten und dem Verkauf von Waren unmittelbar auf der öffentlichen Straße, der unzweifelhaft als Sondernutzung zu qualifizieren ist.
35Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2020 - 11 B 1459/20 -, NJW 2020, 3797 (3799) = juris, Rn. 39 f., m. w. N.
36Ein Unterschied besteht nur insoweit, als sich bei einem Geschäft über einen Ausgabeschalter zur Straße hin nicht beide, sondern nur eine Vertragspartei auf der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße aufhält. Das ändert aber nichts daran, dass die Straße zur Abwicklung des Verkaufsgeschäfts von einer der Vertragsparteien genutzt wird und werden muss, das Gewerbe also nicht ohne die Nutzung der Straße betrieben werden kann und damit jedenfalls teilweise auf die Straße verlagert wird.
37Vgl. zum Verkauf von einer ortsfesten Stelle aus zur Straße: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Dezember 1994 - 8 S 2251/94 -, VBlBW 1995, 202 = juris, Rn. 20.
38b. Der von der Klägerin geplante Verkauf von Eis über einen Ausgabeschalter kann auch nicht zu dem im innerörtlichen Bereich, besonders in Fußgängerzonen - wie hier - und verkehrsberuhigten Bereichen, von der Widmung erfassten den Gemeingebrauch der Verkehrsteilnahme nicht ausschließenden sog. kommunikativen Verkehr gerechnet werden. Darunter fällt u. a. die Nutzung von innerörtlichen Straßen und Plätzen als Stätten des Informations- und Meinungsaustauschs sowie der Pflege menschlicher Kontakte.
39Vgl. hierzu Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, 24. Kapitel, Rn. 11 ff., m. w. N.
40Das von der Klägerin angesprochene Verweilen auf dem Platz „B. N. “, um sich etwa historische Gebäude - auch in Besuchergruppen - anzusehen oder um Schaufenster oder gastronomische Angebote in den Blick zu nehmen, gehört zur kommunikativen Nutzung. Ein derartiges Verweilen geschieht, anders als der von der Klägerin vorgesehene Aufenthalt ihrer Kundinnen und Kunden an ihrem Ausgabeschalter, nicht zu gewerblichen Zwecken. Das Verweilen vor Schaufenstern oder gastronomischen Betrieben dient zwar ggfls. der Anbahnung von wirtschaftlichen Geschäften, die Straße wird hierbei aber - im Gegensatz zu der von der Klägerin geplanten Nutzung der Straße - nicht zur Abwicklung solcher Geschäfte genutzt.
41c. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Anstellen vor dem Ausgabeschalter von Kundinnen und Kunden zum Zwecke des Eiskaufs nur kurzfristig und/oder wenig raumgreifend geschieht.
42aa. Grundsätzlich ist es unerheblich, wie lange der Straßenraum zur gewerblichen Betätigung in Anspruch genommen wird. Auch eine nur kurzfristig ausschließlich von gewerblichen Interessen bestimmte Tätigkeit stellt eine den Gemeingebrauch überschreitende Sondernutzung der Straße dar.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 1996 - 23 B 2966/95 -, juris, Rn. 16, betreffend den Verkauf von Waren aus einem Bauchladen.
44bb. Auch beim Kauf von Waren aus im öffentlichen Straßenraum befindlichen oder nur in den Luftraum der öffentlichen Straße hineinragenden Warenautomaten, bei denen der jeweilige Kaufvorgang regelmäßig nur kurze Zeit dauert und für den die Kundinnen und Kunden nur wenig Raum in Anspruch nehmen, wird eine Sondernutzung entweder ohne weiteres oder ausdrücklich mit Blick auf den verkehrsfremden Zweck bejaht.
45Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2020 - 11 B 1459/20 -, NJW 2020, 3797 (3799 f.) = juris, Rn. 47 f., m. w. N.
46cc. Etwas anderes kann nach der - auch von der Klägerin zitierten - Rechtsprechung des erkennenden Senats gelten, wenn eine ‑ nur kurzfristige - verkehrsfremde Tätigkeit zu einer lediglich unerheblichen Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs anderer Straßenbenutzer führt.
47(1) So hat der Senat eine unerlaubte Sondernutzung etwa für den Fall verneint, dass ein Altkleidersammelcontainer so auf einem an die Straße angrenzenden Grundstück mit Abstand zur öffentlichen Straße aufgestellt wird, dass sich bei dessen Befüllung „lediglich für den Augenblick“ „ein Arm oder ein Ellenbogen im öffentlichen Verkehrsraum“ befinden kann.
48Vgl. OVG NRW, Urteile vom 3. September 2018 ‑ 11 A 546/15 -, juris, Rn. 51, und vom 25. April 2018 - 11 A 2142/14 -, NWVBl. 2018, 390 (392) = juris, Rn. 50.
49Mit einer solchen den Tatbestand einer Sondernutzung nicht erfüllenden Handlung kann das - auch nur kurzzeitige - Stehen von Kundinnen und Kunden vor einem Ausgabeschalter für Eisverkauf, wie die Klägerin ihn plant, ersichtlich nicht verglichen werden.
50(2) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2019 - 11 B 1033/18 - hinweist, führen auch die darin zur Frage der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs getroffenen Ausführungen nicht zu einer anderen Einschätzung.
51(a) Zunächst betrifft die Entscheidung Schaltkästen, die zu den Telekommunikationslinien i. S. d. Telekommunikationsgesetzes gehören und diesem Gesetz, jedoch nicht dem Straßenrecht unterfallen. Soweit der Senat darin Ausführungen betreffend eine Überschreitung der „Erheblichkeitsschwelle“ einer Gemeingebrauchsbeeinträchtigung gemacht hat, beziehen sich diese auf an den Schaltkästen angebrachte Werbung, bei der es sich nach den im dortigen vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen auf der Grundlage des Akteninhalts getroffenen Feststellungen „um Klebefolien“ gehandelt hat.
52Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2019 ‑ 11 B 1033/18 -, NVwZ-RR 2019, 502 (503) = juris, Rn. 18.
53Die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs durch allenfalls millimeterstarkes Material ist aber offensichtlich mit der durch anstehende Kundinnen und Kunden am Ausgabeschalter einhergehenden Beeinträchtigung nicht zu vergleichen.
54(b) Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass an Schaltkästen angebrachte Werbung dann einer Sondernutzungserlaubnis bedarf, wenn sie ihrerseits ‑ ohne Berücksichtigung des vom Straßenrecht nicht erfassten Schaltkastens ‑ den Gemeingebrauch anderer Straßennutzer nicht nur unerheblich beeinträchtigt,
55vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2020 ‑ 11 A 4111/19 -, NWVBl. 2020, 433 (435) = juris, Rn. 21,
56was etwa dann der Fall ist, wenn die Werbung dem Schaltkasten vorgebaut wird.
57II. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
581. Der mit dieser Klage geltend gemachte Anspruch scheitert schon daran, dass die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis grundsätzlich im Ermessen der Behörde steht,
59vgl. hierzu etwa OVG NRW, Urteil vom 7. April 2017 - 11 A 2068/14 -, NVwZ-RR 2017, 855 (857) = juris, Rn. 47,
60und nur ausnahmsweise im Falle - einer hier weder dargelegten noch gegebenen - Ermessenreduzierung auf Null besteht.
61Vgl. etwa betreffend das Bestehen eines solchen Anspruchs im Einzelfall: OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2017 - 11 A 2758/15 -, NVwZ-RR 2018, 296 (298) = juris, Rn. 20.
622. Dem in dem Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis als „Minus“ enthaltenen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Bescheidung bleibt der Erfolg ebenfalls versagt.
63a. Denn die Klägerin hat bisher (nur) einen Baugenehmigungsantrag für die Errichtung eines Ausgabeschalters bei der Beklagten gestellt und keinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den Betrieb eines solchen Schalters, auf dessen (Neu-)Bescheidung ein Anspruch bestehen könnte. In der Erklärung der Klägerin im Anhörungsschreiben vom 17. Juni 2018, „Für den Fall, dass entgegen der von uns vertretenen Auffassung Ihrerseits die Behauptung aufrecht erhalten bleibt, es werde der Gemeingebrauch überschritten und läge eine erlaubnispflichtige Sondernutzung vor, beantragen wir hiermit ausdrücklich die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis“, kann jedenfalls kein Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gesehen werden. Denn ein Antrag kann grundsätzlich nicht bedingt gestellt werden, d. h. hinsichtlich seiner Geltung und/oder seines Inhalts - wie hier - von einer Bedingung abhängig gemacht werden.
64Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 22 Rn. 58, m. w. N.
65b. Auch mit dem Ablehnungsbescheid vom 3. Juli 2019, dessen teilweise Aufhebung die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag begehrt, ist kein Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis abgelehnt worden, dessen Neubescheidung sie im hier vorliegenden Verfahren beantragen könnte. Denn der Ablehnungsbescheid betrifft allein die Ablehnung des von ihr gestellten Baugenehmigungsantrags, auch wenn die Erteilung der Baugenehmigung darin mit der Begründung versagt worden ist, es werde keine Sondernutzungserlaubnis als notwendige Grundlage für die Inbetriebnahme des Schalterverkaufs erteilt.
66c. Ergänzend weist der Senat allerdings mit Blick auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem Ablehnungsbescheid vom 3. Juli 2019 auf Folgendes hin:
67aa. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfordert eine ermessengerechte Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis Erwägungen, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Danach zählen zu den in die behördliche Ermessensausübung einzustellenden Gründen insbesondere ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrunds und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbilds, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße und auf Grund eines konkreten Gestaltungskonzepts (Vermeidung einer „Übermöblierung" des öffentlichen Straßenraums, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbilds und Ähnliches).
68Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 28. März 2019 ‑ 11 A 1166/16 -, juris, Rn. 43, und vom 7. April 2017 - 11 A 2068/14 -, NVwZ-RR 2017, 855 (857) = juris, Rn. 54.
69Diesen Anforderungen dürfte der schlichte Hinweis im Ablehnungsbescheid auf die „mit Schalterverkaufsstellen verbundenen (ordnungsrechtlichen) Auswirkungen“ nicht genügen.
70bb. Im Übrigen wäre unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung bei der Entscheidung über einen etwaigen Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis von Belang, ob die Beklagte in gleichgelagerten Fällen entsprechende Erlaubnisse erteilt hat. Insofern könnte etwa von Bedeutung sein, ob sich - wie das dem Senat von der Klägerin übersandte Fotomaterial auszuweisen scheint - in dem Eiscafé „Marco Polo“ unmittelbar neben dem klägerischen Ladenlokal ein Ausgabeschalter (mit Markise) für den Eisverkauf befindet. Wäre dies der Fall, so trüge der im Ablehnungsbescheid vom 3. Juli 2019 aufgeführte Hinweis der Beklagten auf die „Vermeidung von Präzedenzfällen“ die Ablehnung einer von der Klägerin begehrten entsprechenden Sondernutzungserlaubnis ersichtlich nicht.
71C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
72Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
73Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.