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Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2020 geändert.
Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3. wird verworfen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragstellerin, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und die Beigeladene zu 3. jeweils zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
2Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - 29 K 3317/20 - gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 4. Juni 2020 über die Verpflichtung zur Erklärung des Einvernehmens zur Festlegung der Notfallaufnahmebereiche wiederhergestellt und gegen die Androhung der Ersatzvornahme angeordnet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei zulässig. Insbesondere sei die Antragstellerin als Adressatin eines belastenden Verwaltungsakts antragsbefugt. Es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass sie durch die in Ziffer 1 der Verfügung vom 4. Juni 2020 angeordnete Verpflichtung, ihr Einvernehmen zur Festlegung der Notfallaufnahmebereiche innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung zu erklären, bzw. durch die in Ziffer 3 angedrohte Ersatzvornahme in ihrem aus § 11 Abs. 1 Satz 2 Rettungsgesetz NRW (RettG NRW) folgenden Mitwirkungsrecht verletzt sei. Der Antrag sei auch begründet. Es könne offen bleiben, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Ziffer 1 der Verfügung formell fehlerhaft sei; jedenfalls lägen ihre materiellen Voraussetzungen nicht vor. Auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts komme es dann nicht mehr an. Auch ein offensichtlich rechtmäßiger Verwaltungsakt begründe als solcher kein besonderes Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.
3Die Antragsgegnerin habe ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht dargetan. Nur die von der Behörde selbst in der schriftlichen Begründung für die sofortige Vollziehung geltend gemachten Gründe seien zu berücksichtigen. Das von der Antragsgegnerin allein angeführte Interesse der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen und gesicherten Rettungsdienst auf der Grundlage einer wirksamen Planung der Notfallaufnahmebereiche begründe keine Eilbedürftigkeit. Die Behandlung von Notfallpatienten im Rettungsdienstbereich der Antragsgegnerin sei unbeschadet der aufschiebenden Wirkung der Klage sichergestellt. Für die Frage, in welcher konkreten Situation ein Patient im Einzelfall in welches Krankenhaus eingeliefert werden müsse, sei die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche ohne Bedeutung. Die insoweit gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RettG NRW zu treffende Entscheidung, welches Krankenhaus das geeignete im Sinne dieser Vorschrift sei, fällten Einsatzpersonal, Leitstelle, Krankenhäuser und ggf. der Patient in ständiger Abstimmung miteinander. Dabei seien alle Krankenhäuser – und damit auch die im Jahr 2017 neu hinzugekommene I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3. – gemäß § 2 Abs. 1 Krankenhausgestaltungsgesetz NRW (KHGG NRW) verpflichtet, alle Personen, die ihre Leistungen benötigen, nach Art und Schwere der Erkrankungen zu versorgen. Dementsprechend gehe die Antragsgegnerin bei Berücksichtigung der neu hinzugekommenen Klinik der Beigeladenen zu 3. auch nicht von einer Gefährdung des Rettungsdienstes aus, sondern von Optimierungspotenzialen und einer weiteren Verbesserung der Patientenversorgung bzw. schnelleren Wiederverfügbarkeit der Rettungsmittel. Eine nachträgliche Heilung der materiellen Fehlerhaftigkeit der Vollziehungsanordnung komme nicht in Betracht. Aber auch unter Berücksichtigung der im Klageverfahren von der Antragsgegnerin vorgebrachten ergänzenden Begründung ergebe sich keine abweichende rechtliche Beurteilung. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Verstreichen der aus § 12 Abs. 5 Satz 1 RettG NRW folgenden fünfjährigen Planungsfrist derzeit irgendeine Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit und die Sicherheit des Rettungsdienstes habe. Durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 der Verfügung sei auch der in Ziffer 3 angedrohten und mit Ziffer 1 untrennbar verbundenen Ersatzvornahme die rechtliche Grundlage entzogen, weshalb insoweit die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen sei.
4Die von der Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO insoweit beschränkt ist, zeigen die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf (1.). Weil diese auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, sind der angefochtene Beschluss zu ändern und der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen (2.).
51. Das Verwaltungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass die gerichtliche Bestätigung der behördlich angeordneten sofortigen Vollziehung eines – hier unterstellt – offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts ein besonderes, über die Rechtmäßigkeit hinausgehendes Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO voraussetzt.
6Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. September 1995 ‑ 2 BvR 1179/95 -, DVBl. 1995, 1297 = juris, Rn. 47, und vom 21. März 1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = juris, Rn. 19; BVerwG, Beschluss vom 5. November 2018 - 3 VR 1.18 -, DVBl. 2019, 495= juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2017 - 6 B 1117/16 -, juris, Rn. 4 f., m. w. N.
7Allerdings hat es die Anforderungen, die bei der Feststellung des besonderen Vollzugsinteresses zu beachten sind, überspannt und mit den Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vermengt.
8Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nimmt das Gericht zur Beantwortung der Frage, ob die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs wiederherzustellen ist, eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor.
9Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. März 2010- 7 VR 1.10 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 13 B 1397/17 -, juris, Rn. 5.
10Davon zu unterscheiden ist die gerichtliche Überprüfung der von der Behörde für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gewählten Begründung. Diese ist an den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu messen, wonach in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die – sei sie sprachlich oder gedanklich auch noch so unvollkommen – zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, ist keine Frage des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. August 2020- 13 B 717/20 -, StoffR 2020, 218 = juris, Rn. 30, vom 18. Dezember 2017 - 13 B 1397/17 -, juris, Rn. 3, und vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, DVBl. 2008, 1262 = juris, Rn. 2
12Die (materielle) Beurteilung, ob das private Aussetzungsinteresse gegenläufige Vollzugsinteressen überwiegt, ist neben der regelmäßig summarischen Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung vielmehr Teil der gerichtlichen Interessenabwägung im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. April 2020 - 4 B 434/19 -, juris, Rn. 8 f., m. w. N.
14Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts ist ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Zwar lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall bestimmen, wann der Rechtsschutzanspruch des Einzelnen ausnahmsweise hinter die öffentlichen Belange zurücktreten muss und wann es der Exekutive durch Art. 19 Abs. 4 GG verwehrt ist, der gerichtlichen Prüfung ihrer Maßnahmen vorzugreifen. Aus dem Zweck der Rechtsschutzgarantie und dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich aber wenigstens soviel: Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers ist um so stärker und darf um so weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken.
15Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 -, BVerfGE 35, 382 = juris, Rn. 55; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 1979 - 1 BvR 699/77 -, BVerfGE 51, 268 = juris, Rn. 53, m. w. N.
16Dabei ist das Gericht aufgrund der Eigenständigkeit seiner nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Ermessensentscheidung zur Bestimmung des öffentlichen Sofortvollzugsinteresses nicht an die von der Behörde genannten Gründe gebunden.
17Ebenso z. B. Hamb. OVG, Beschluss vom 19. Februar 2016 - 1 Bs 255/15 -, NVwZ-RR 2016, 698 = juris, Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 15. April 2014 - 7 ME 121/13 -, NdsVBl. 2014, 286 = juris, Rn. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13. März 1997 ‑ 13 S 1132/96 -, juris, Rn. 5; Külpmann, in: Finkelburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 963; a. A. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 149a.
18Ausgehend von diesen Maßstäben besteht vorliegend ein über die (unterstellte) Rechtmäßigkeit der Verfügung hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Es liegt darin, auf der Grundlage einer aktuellen, wirklichkeitsgetreuen Planung die vorhandenen Ressourcen der Krankenhäuser im Stadtgebiet der Antragsgegnerin für die Notfallrettung ohne Verzögerung durch ein Hauptsacheverfahren auszuschöpfen.
19Aus der in § 6 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW normierten Verpflichtung der Kreise und kreisfreien Städte als Träger des Rettungsdienstes, eine bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung einschließlich der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst sicherzustellen, leitet sich der Auftrag ab, den Rettungsdienstbedarfsplan regelmäßig fortzuschreiben, um auf der Basis des Ist-Zustandes eine Prognose für den Soll-Zustand, also die künftige Versorgung zu erarbeiten.
20Vgl. Prütting, RettG NRW, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn. 59.
21Die Antragsgegnerin legt die Notfallaufnahmebereiche im Rettungsdienstbedarfsplan fest. Den für die Notfallversorgung geeigneten Krankenhäusern wird dadurch ein räumlich bestimmtes Gebiet für die Aufnahme von Notfallpatienten zugewiesen, die sich in diesem Gebiet aufhalten.
22Vgl. Prütting, RettG NRW, 4. Aufl. 2016, § 11 Rn. 14.
23Vorliegend würden sich ohne die angeordnete sofortige Vollziehung der Verpflichtung zur Erteilung des Einvernehmens die festgelegten Notfallaufnahmebereiche bis zum Ende der Dauer der aufschiebenden Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO weiterhin aus dem Rettungsdienstbedarfsplan der Antragsgegnerin aus dem Jahr 2013, dem der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 7. April 2014 zugestimmt hat, ergeben. Dieser bildet den Ist-Zustand nicht vollständig ab. Er berücksichtigt nicht die im Jahr 2017 neu hinzugetretene I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3. und damit nicht sämtliche Krankenhäuser, die für die Notfallaufnahme im Stadtgebiet der Antragsgegnerin inzwischen in Frage kommen. Stattdessen werden die Notfallaufnahmebereiche zum einen sieben Krankenhäusern zugeteilt, die auch im Entwurf des neuen Rettungsdienstbedarfsplans vorgesehen sind. Zum anderen ist darin als weiterem Krankenhaus der C. V. ein eigener Notfallaufnahmebereich zugeschrieben worden. Im Entwurf des neuen Rettungsdienstbedarfsplans hat die Antragsgegnerin für die C. V. hingegen wegen deren enger Spezialisierung auf einen unfallchirurgischem Schwerpunkt keinen eigenen Notfallaufnahmebereich mehr definiert. Stattdessen soll nun bei geändertem Zuschnitt der Notfallaufnahmebereiche der I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3. ein eigener Notfallaufnahmebereich zugeordnet werden.
24Der Dringlichkeit des öffentlichen Vollzugsinteresses steht vorliegend nicht entgegen, dass aus Sicht des Verwaltungsgerichts und der Antragstellerin die Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes nicht gefährdet werde, wenn die Neuplanung der Notfallaufnahmebereiche nicht sofort, das heißt ohne die Durchführung des Klageverfahrens abwarten zu müssen, wirksam würde. Das öffentliche Interesse, die Notfallaufnahmebereiche unter Berücksichtigung der veränderten Krankenhauslandschaft und gestiegenen Einwohnerzahl im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ohne Aufschub durch ein Klageverfahren neu festzulegen, besteht unabhängig davon, ob im Stadtgebiet der Antragsgegnerin bislang Versorgungsengpässe in Notfällen tatsächlich aufgetreten sein sollten. Denn nicht lediglich die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes, sondern auch die mit der Neuregelung angestrebte bestmögliche Organisation unter Ausschöpfung der vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen liegt im öffentlichen Interesse.
25Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07 u. a. -, BVerfGE126, 112 = juris, Rn. 94 f., 124.
26Die Antragsgegnerin weist mit ihrer Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche für die Frage, in welches Krankenhaus ein Notfallpatient eingeliefert wird, jedenfalls nach der von ihr dargelegten Praxis durchaus bedeutsam ist. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RettG NRW hat die Notfallrettung die Aufgabe, bei Notfallpatientinnen und Notfallpatienten lebensrettende Maßnahmen am Notfallort durchzuführen, deren Transportfähigkeit herzustellen und sie unter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden mit Notarzt- oder Rettungswagen oder Luftfahrzeugen in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus zu befördern. Welches das für die weitere Versorgung geeignete Krankenhaus ist, wird durch das Rettungsgesetz NRW nicht unmittelbar vorgegeben. Vielmehr lenkt die Leitstelle die Einsätze des Rettungsdienstes, § 8 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW. Sie arbeitet (unter anderem) mit den Krankenhäusern zusammen, Satz 3 der Vorschrift.
27Vgl. LT-Drs. 11/3181, S. 46: Leitstelle als „Schaltzentrale des Rettungsdienstes“; OVG NRW, Urteil vom 10. Februar 2011 - 13 A 1305/09 -, NWVBl. 2011, 352 = juris, Rn. 59 ff.
28Um die jederzeitige Krankenhausaufnahme von Kranken und Verletzten zu gewährleisten, hat die Leitstelle gemäß § 8 Abs. 3 RettG NRW einen Nachweis über freie Behandlungskapazitäten zu führen. Dieser soll der Leitstelle die Übersicht über die Behandlungsmöglichkeiten in den Krankenhäusern geben.
29Vgl. LT-Drs. 11/3181, S. 46.
30Damit korrespondiert die in § 10 Abs. 1 Satz 1 KHGG NRW normierte Verpflichtung der Krankenhäuser, den Leitstellen des Rettungsdienstes die nach Leistungsbereichen und Leistungsgruppen gegliederten Behandlungskapazitäten zu melden.
31Die Notfallaufnahmebereiche werden bei der Verteilung der Notfallpatienten auf die Krankenhäuser nach den Darlegungen der Antragsgegnerin berücksichtigt. Nach der in ihrem Stadtgebiet geübten Praxis wird ein Notfallpatient zur klinischen Erstversorgung in das Krankenhaus transportiert, welches nach § 11 Abs. 1 RettG NRW für den betroffenen Notfallaufnahmebereich festgelegt worden ist, falls sowohl das nächstgelegene geeignete Krankenhaus als auch ein nahe gelegenes geeignetes Krankenhaus mangels Kapazitäten die Aufnahme verweigern sollten. Dabei könne es sich auch um das Krankenhaus handeln, das die Aufnahme zuerst abgelehnt hatte. Dieses müsse kraft des festgelegten Notfallaufnahmebereichs unabhängig von seiner Abmeldung die Erstversorgung gewährleisten.
32Die nach den Darlegungen der Antragsgegnerin geübte Praxis, nach welchen Kriterien Notfallpatienten auf die Krankenhäuser in ihrem Stadtgebiet verteilt werden, steht mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang.
33Vgl. auch Prütting, KHGG NRW, 3. Aufl. 2009, § 10 Rn. 2 und 6 f.
34Das Rettungsgesetz NRW legt die Bedeutung der Notfallaufnahmebereiche im Allgemeinen sowie im konkreten Rettungsfall nicht ausdrücklich fest. Die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 1 RettG NRW erschöpft sich darin, den Begriff „Notfallaufnahmebereiche“ zu erwähnen:
35„Die Träger des Rettungsdienstes arbeiten zur Aufnahme von Notfallpatientinnen und Notfallpatienten mit den Krankenhäusern zusammen.
36Sie legen im Einvernehmen mit den Krankenhäusern Notfallaufnahmebereiche fest.“
37Weitere Regelungen zu den Notfallaufnahmebereichen finden sich weder im Rettungsgesetz NRW noch in anderen Vorschriften (abgesehen von der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sowie Rettungshelferinnen und Rettungshelfer (RettAPO) vom 4. Dezember 2017 (GV. NRW. 2017 S. 919), in der mit dem Begriff „Notfallaufnahmebereich“ der Arbeitsbereich innerhalb eines Krankenhauses für die Aufnahme von Notfallpatienten gemeint ist). Allerdings ist den Gesetzesmaterialien zum Rettungsgesetz NRW zu entnehmen, dass die Regelung über die Festlegung von Notfallaufnahmebereichen aufgenommen wurde (seinerzeit in § 10 Abs. 1 RettG NRW 1974, GV. NRW. 1974 S. 1481), um sicherzustellen, dass Notfallpatienten jederzeit Krankenhausaufnahme finden würden. Aus den Bedürfnissen der Praxis heraus seien vor Schaffung des Rettungsgesetzes NRW bereits in einigen Großstädten und Kreisen Notfallaufnahmebereiche für Krankenhäuser, die zur Notfallversorgung geeignet seien, durch Absprache zwischen kommunalen Gebietskörperschaften und Krankenhausträgern festgelegt worden. Diese organisatorische Maßnahme habe sich eindeutig bewährt. Durch die Vorschrift solle deshalb bewirkt werden, dass Notfallaufnahmebereiche generell festgelegt würden. Es solle erreicht werden, dass der Bürger, der in eine medizinische Notfallsituation gerate, die Gewissheit erhalte, jederzeit unverzüglich ärztliche Versorgung – zumindest eine Erstversorgung – im Krankenhaus zu finden, und nicht mit dem Argument, die Aufnahmekapazität sei erschöpft, abgewiesen werde.
38So die Begründung zum RettG NRW 1974 in LT-Drs. 7/3154, S. 15, sowie der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge in LT-Drs. 7/3851, S. 8; wiederholt in der Begründung zum RettG NRW 1992 in LT-Drs. 11/3181, S. 50.
39Ausgehend davon kann die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche im Einzelfall Bedeutung für die Frage erlangen, in welches Krankenhaus ein Notfallpatient transportiert wird. Daran ändert nichts, dass ein Krankenhaus nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KHGG NRW ohnehin verpflichtet ist, entsprechend seiner Aufgabenstellung nach den durch Bescheid gemäß § 16 KHGG NRW getroffenen Feststellungen im Krankenhausplan alle, die seine Leistungen benötigen, nach Art und Schwere der Erkrankungen zu versorgen. Die Verpflichtung zur Versorgung gilt nach Maßgabe der durch den Feststellungsbescheid konkretisierten Aufgabenstellung des Krankenhauses. Unabhängig davon muss die Erstversorgung von Notfallpatienten vorrangig gewährleistet sein, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KHGG NRW. Wenn es aufgrund seiner Aufgabenstellung nach dem Feststellungsbescheid für die Weiterbehandlung selbst nicht in Betracht kommt, sorgt es für die Weiterleitung an ein dafür geeignetes Krankenhaus.
40Vgl. die Begründung zum KHG NRW 1987 in LT-Drs. 10/1799, S. 27; Prütting, KHGG NRW, 3. Aufl. 2009, § 2 Rn. 9.
41Ungeachtet dessen hat der Landesgesetzgeber daneben die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche durch die Träger des Rettungsdienstes im Einvernehmen mit den Krankenhäusern in das Rettungsgesetz NRW – wie dargelegt – aufgenommen und auch nach Normierung der Krankenhausleistungen und der damit verbundenen Verpflichtungen der Krankenhäuser im Krankenhausgesetz NRW 1975 (GV. NRW. 1975 S. 210) und im nachfolgenden Krankenhausgestaltungsgesetz NRW beibehalten, um sicherzustellen, dass Notfallpatienten jederzeit Krankenhausaufnahme finden. Den Notfallaufnahmebereichen kommt mithin eine organisatorische, subsidiäre Auffangfunktion bei der Zuweisung von Notfallpatienten zu. Durch ihre Festlegung wird die (Erst-)Versorgungsverpflichtung der Krankenhäuser aus § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 KHGG NRW speziell für die Notfallrettung konkretisiert. Sie bereitet die im Einzelfall von der Leitstelle zu treffende Entscheidung vor, welchem Krankenhaus ein Notfallpatient zugewiesen wird. Gerade dadurch, dass die Krankenhäuser an der Festlegung der Notfallaufnahmebereiche beteiligt werden und sie nur mit ihrem Einvernehmen erfolgen darf, folgt ihnen gegenüber eine Verbindlichkeit der festgelegten Notfallaufnahmebereiche, aus der sich nach dem Willen des Gesetzgebers eine konkrete Aufnahmeverpflichtung ableitet. Über die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KHGG NRW hinaus bieten die Notfallaufnahmebereiche somit ein konkretes Instrument, das für den eiligen Rettungsfall Planungssicherheit gewährt und Unklarheiten zwischen der Leitstelle und dem Krankenhaus über die Aufnahme von Notfallpatienten vorbeugt.
42Dies zugrunde gelegt ist die Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche auch hinreichend eilbedürftig, um die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen, wenn ein beteiligtes Krankenhaus sein Einvernehmen verweigert hat. Insofern dringt die Antragsgegnerin mit ihrem Einwand durch, dass für die Gewichtung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung nicht ausschließlich der augenblickliche Routinebetrieb maßgeblich sein könne, sondern vielmehr auch mögliche Ausnahmesituationen wie Pandemien, Naturkatastrophen oder Unfälle mit zahlreichen Verletzten („außergewöhnliche Schadensereignisse mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker“, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RettG NRW) zu berücksichtigen seien. Nicht nur, aber gerade in solchen Großschadenslagen besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die vorhandenen Ressourcen der Krankenhäuser für die Notfallrettung auf der Grundlage einer verlässlichen, verbindlichen Planung ausgeschöpft werden. Es liegt auch ohne nähere Feststellungen auf der Hand, dass die planmäßige, verbindliche Nutzung aller verfügbarer Ressourcen – und damit auch der Notfallversorgung durch die I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3. – zum Zwecke der Gesundheitsvorsorge und Gefahrenabwehr (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW) vorzugswürdig gegenüber deren Nichtberücksichtigung ist. Da die Erforderlichkeit von Notfallrettungen – insbesondere aufgrund von Bedarfsspitzen aus unvorhersehbaren Gründen – jederzeit eintreten kann,
43vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2003 ‑ 3 B 116.02 -, BeckRS 2003, 20961,
44duldet die insofern für die Praxis des Rettungsdienstes der Antragsgegnerin zumindest förderliche Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche keinen Aufschub.
45Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob die Dringlichkeit dieser Neuplanung und ihrer Umsetzung überdies der Wertung des § 12 Abs. 5 Satz 1 RettG NRW entspricht. Diese Vorschrift verlangt – unabhängig vom konkreten Bedarf – spätestens alle fünf Jahre eine Änderung des Rettungsdienstbedarfsplans. Es kann dahinstehen, ob die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin sie in den Rettungsdienstbedarfsplan aufnimmt, ebenfalls von dieser Fünf-Jahres-Frist erfasst wird oder davon unberührt bleibt, weil sie in § 11 Abs. 1 RettG NRW eine eigenständige Regelung erfahren hat.
46Da das Verwaltungsgericht seine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids allein mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Grundverfügung begründet hat, ist deren Richtigkeit damit ebenfalls durchgreifend in Zweifel gezogen.
472. Die angegriffene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Verpflichtung zur Erklärung des Einvernehmens kann mit Erfolg weder auf eine formell fehlerhafte Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung (a) noch auf hinreichende Erfolgsaussichten in der Hauptsache (b) gestützt werden. Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aufschubinteresse fällt zulasten der Antragstellerin aus (c). Schließlich ist auch nicht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angedrohte Ersatzvornahme anzuordnen (d).
48a) Die Begründung der Antragsgegnerin für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt noch den – insoweit allein maßgeblichen – formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Damit kommt es nicht darauf an, dass eine formell fehlerhafte Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ohnehin nur zur Aufhebung der Vollziehungsanordnung und nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen könnte.
49Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 - 1 DB 26.01 -, juris, Rn. 9; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 98, m. w. N.; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 1032 f.
50Indem die Antragsgegnerin in ihrer eigenständigen Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf das Interesse der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen und gesicherten Rettungsdienst „auf der Grundlage einer wirksamen Planung der Notfallaufnahmebereiche“ abstellt, lässt sie einen hinreichenden Einzelfallbezug erkennen. In der Zusammenschau mit der Begründung der Verfügung selbst wird deutlich, dass die Antragsgegnerin damit auf ihre Planung der Notfallaufnahmebereiche im vorliegenden Fall Bezug nimmt. Diese Planung habe sie der Antragstellerin am 25. Januar, 18. April und 5. September 2019 vorgestellt und mit Schreiben vom 26. November 2019 näher erläutert. Weiter führt sie an, dass die Bedarfsplanung i. S. d. § 12 Abs. 5 Satz 1 RettG NRW spätestens alle fünf Jahre erneuert werden müsse, unabhängig davon, dass es wegen der im Jahr 2017 hinzugekommenen I. N. Klinik und der damit einhergehenden Schließung der I. St. W. Klinik auch tatsächlich einer erneuten Bedarfsplanung bedürfe.
51Die Antragsgegnerin geht mithin unter Würdigung der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls davon aus, dass die in ihrem Stadtgebiet veränderte Krankenhauslandschaft eine neue Festlegung der Notfallaufnahmebereiche zügig erfordere, zumal die gesetzliche Fünfjahresfrist für die Bedarfsplanung inzwischen überschritten sei. Damit gibt sie hinreichend zu erkennen, dass sie aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Ob diese Erwägungen inhaltlich zutreffen und das Sofortvollzugsinteresse tragfähig begründen können, ist im Rahmen der Prüfung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich. Insofern ist ebenfalls unschädlich, dass die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe zugleich das Erlassinteresse an der Verfügung begründen. Denn das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können – gerade wie hier im Gefahrenabwehrrecht (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW) – durchaus zusammenfallen.
52Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Januar 2020 - 13 B 1423/19 -, juris, Rn. 7 f., m. w. N., vom 23. Oktober 2012 - 13 B 986/12 -, juris, Rn. 5, und vom 8. August 2008 - 13 B 1022/08 -, juris, Rn. 4 f., m. w. N.
53b) Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen, ist auch nicht unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage im Ergebnis richtig. Die von der Antragstellerin angefochtene Verfügung, mit der sie verpflichtet wird, ihr Einvernehmen zur Festlegung der Notfallaufnahmebereiche zu erklären, verletzt sie jedenfalls nicht in subjektiven Rechten. Die vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Antragsbefugnis der Antragstellerin herangezogene, insoweit genügende Möglichkeit einer Verletzung ihres Mitwirkungsrechts aus § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW findet auf der Ebene der Begründetheit keine Entsprechung.
54Allein der Umstand, dass die Antragstellerin Adressatin eines Verwaltungsakts ist, genügt nicht, um die Verletzung eigener subjektiver Rechte zu begründen. Nach der sog. Adressatentheorie ist der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets antrags- bzw. klagebefugt, weil zumindest eine Verletzung seiner allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 3 C 15.03 -, Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 19 = juris, Rn. 18.
56Jedoch führt auch dem Adressaten gegenüber nicht jeder Rechtsverstoß zur Rechtsverletzung, sondern ist der Aufweis einer Schutznorm prinzipiell erforderlich.
57Vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 42 Abs. 2 Rn. 70; Sennekamp, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 42 VwGO Rn. 52; Emmenegger, ebenda, § 113 VwGO Rn. 41.
58Nach der sog. Schutznormtheorie vermitteln nur solche Rechtsvorschriften subjektive Rechte, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte dienen. Ob eine Norm drittschützend in diesem Sinne ist oder allein im öffentlichen Interesse besteht, muss durch Auslegung ermittelt werden
59Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. März 2019 - 5 CN 1.18 -, NVwZ 2019, 1685 = juris, Rn. 19, und vom 26. Oktober 1995 - 3 C 27.94 -, Buchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 6= juris, Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2021 ‑ 13 A 1601/19 -, KRS 2021, 109 = juris, Rn. 83.
60Von den Fällen der Grundrechte und sonstiger verfassungsmäßiger Rechte abgesehen, bestimmt der Gesetzgeber, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat. Die mögliche Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen oder die Verletzung von Rechtssätzen, in denen der Einzelne nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, die also reine Reflexwirkungen haben, genügt nicht.
61Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. April 2009 - 1 BvR 3405/08 -, GesR 2009, 376 = juris, Rn. 6, und vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 207/87 -, BVerfGE 83, 182= juris, Rn. 44; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2021 - 13 A 1601/19 -, KRS 2021, 109 = juris, Rn. 33.
62Auch eine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung kann den durch sie Begünstigten ein subjektives öffentliches Recht einräumen. Von solcher Qualität ist eine Verfahrensvorschrift aber im Einzelfall nur dann, wenn sie nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der Verwaltungsbehörde dient, sondern dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, nämlich selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die ordnungsgemäße Beteiligung an einem (anderweitig) eingeleiteten Verwaltungsverfahren. Die Frage, ob eine solche verfahrensrechtliche Rechtsposition im Rahmen einer konkreten gesetzlichen Regelung anzunehmen ist, beantwortet sich dabei nicht nach der Art und Beschaffenheit desjenigen materiellen Rechts, auf das sich das vorgeschriebene Verwaltungsverfahren bezieht, sondern allein nach der Zielsetzung und dem Schutzzweck der Verfahrensvorschrift selbst.
63Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 -, BVerwGE 98, 339 = juris, Rn. 56, m. w. N., und vom 22. Februar 1980 - 4 C 24.77 -, DVBl. 1980, 996 = juris, Rn. 26.
64Die hier in Rede stehende Beteiligungsform des Einvernehmens beschreibt eine verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung. Sie ist abzugrenzen von anderen Beteiligungsformen wie der „Zustimmung“, des „Benehmens“ oder der „Anhörung“.
65Vgl. zusammenfassend Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 184, Fn. 552.
66Einvernehmen bedeutet seinem Wortsinn nach, letztlich nach außen nur einen gemeinsamen Willen zu bilden. Deshalb begründet das Einvernehmenserfordernis im Allgemeinen zum einen die verfahrensrechtliche Verpflichtung des Hoheitsträgers, sich mit dem so zu Beteiligenden „an einen Tisch zu setzen“, sowie zum anderen seine materielle Verpflichtung, keine Entscheidung ohne das Einverständnis des zu Beteiligenden zu treffen.
67Vgl. verallgemeinernd zum Einvernehmen der Baugenehmigungsbehörde mit der Gemeinde (nunmehr geregelt in § 36 BauGB): BVerwG, Urteil vom 19. November 1965 - 4 C 184.65 -, BVerwGE 22, 342 = juris, Rn. 23; zu § 128 Abs. 2 Satz 2 BRRG: BVerwG, Urteil vom 30. November 1978 - 2 C 6.75 -, BVerwGE 57, 98 = juris, Rn. 22; zu § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbGG a. F.: BVerwG, Urteil vom 4. November 1960 - 6 C 163.58 -, BVerwGE 11, 195 = juris, Rn. 17.
68Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt eine Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW, dass das dortige Einvernehmenserfordernis materielle Rechte der Krankenhäuser lediglich mittelbar insoweit schützt, als sie vor einer Überforderung durch einen ihnen zugeschriebenen Notfallaufnahmebereich bewahrt werden sollen. Es vermittelt hingegen keine materielle Rechtsposition, aufgrund derer ein Krankenhaus die Zuschreibung eines bestimmten Notfallaufnahmebereichs oder die Nichtberücksichtigung eines konkurrierenden Krankenhauses beanspruchen könnte.
69Die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche erfolgt ausschließlich im öffentlichen Interesse. § 6 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW stellt klar, dass es sich bei der Aufgabe der Träger des Rettungsdienstes, die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung einschließlich der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst sicherzustellen, um eine Aufgabe der Gesundheitsvorsorge und Gefahrenabwehr handelt.
70Vgl. auch LT-Drs. 11/3181, S. 33 bis 35, 44.
71Dem Träger des Rettungsdienstes kommt bei der Festlegung der Notfallaufnahmebereiche ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der sich an dieser Aufgabenerfüllung zum Schutz der Notfallpatienten auszurichten hat.
72Vgl. Lüder, in: Steegmann/Kamp, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., 44. Aktualisierung Dezember 2019, § 11 RettG Rn. 14.
73Indem durch die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche – wie oben dargelegt – die (Erst-)Versorgungsverpflichtung der Krankenhäuser aus § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 KHGG NRW speziell für die Notfallrettung konkretisiert wird, trägt sie dieser öffentlichen Aufgabe Rechnung. Auch im Übrigen formuliert das Rettungsgesetz NRW gegenüber den Krankenhäusern ausschließlich Anforderungen, um der öffentlichen Aufgabe der Gesundheitsvorsorge und Gefahrenabwehr Geltung zu verschaffen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RettG NRW wird der Rettungsdienst (unter anderem) von den Krankenhäusern unterstützt. Nach § 9 Abs. 2 RettG NRW haben die Träger des Rettungsdienstes bei dem Neu-, Um- oder Erweiterungsbau von Krankenhäusern darauf hinzuwirken, dass die Belange des Rettungsdienstes berücksichtigt werden. Nach § 11 Abs. 2 RettG NRW wirken sie darauf hin, dass geeignete Krankenhäuser eine geregelte und qualifizierte berufliche Fortbildung des Rettungsdienstpersonals durchführen (Nr. 1), Ärzte und Ärztinnen für die Notfallrettung zur Verfügung stellen (Nr. 2) und für Ereignisse nach § 7 Abs. 4 RettG NRW (Schadensereignisse mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker) notwendige Maßnahmen vorsehen (Nr. 3).
74Subjektive Rechte der Krankenhäuser, die insbesondere ihre wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen, kommen daneben im Rettungsgesetz NRW nicht vor. Anders als etwa § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG für die Aufnahme in den Krankenhausplan sieht § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW auch keine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Krankenhäusern vor.
75Vgl. zum Drittschutz insoweit: BVerfG, Beschluss vom 23. April 2009 - 1 BvR 3405/08 -, GesR 2009, 376 = juris, Rn. 9 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 -, BVerwGE 132, 64 = juris, Rn. 16 ff.; OVG NRW, Urteil vom 20. Mai 2009 - 13 A 2002/07 -, GesR 2009, 417 = juris, Rn. 52; siehe auch OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2021 - 13 A 1601/19 -, KRS 2021, 109 = juris, Rn. 83 ff.
76Dem entspricht, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten umfasst. Es sichert die Teilhabe am Wettbewerb, gewährt aber im Grundsatz keinen Schutz vor Konkurrenz. Die Wettbewerber haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere verleiht Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht das Recht, den Marktzutritt eines weiteren Konkurrenten abzuwehren. Vielmehr unterliegen die Wettbewerbsposition und damit auch der Umsatz und die Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen.
77Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 -, BVerfGE 116, 135 = juris, Rn. 60, und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. -, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 43; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 3 C 41.10 -, Buchholz 418.20 Allg. Apothekenrecht Nr. 33 = juris, Rn. 18; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2015 - 13 A 734/15 -, KRS 2016, 238 = juris, Rn. 12, und vom 17. Januar 2013 - 13 A 1197/12 -, GesR 2013, 314 = juris, Rn. 21.
78Etwas anderes folgt auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 KHGG NRW, der die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen dem Träger des Rettungsdienstes und dem Krankenhaus spiegelbildlich zu § 11 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW für die Krankenhäuser normiert. Danach sind die Krankenhäuser entsprechend ihrer Aufgabenstellung nach dem Bescheid nach § 16 KHGG NRW zur Zusammenarbeit unter anderem mit dem Rettungsdienst verpflichtet. Indem die Vorschrift den Umfang der Pflicht zur Zusammenarbeit mit dem Versorgungsauftrag des jeweiligen Krankenhauses verknüpft, richtet sie das Ziel der Zusammenarbeit auf eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung aus.
79Vgl. Becker/Heitzig, in: Becker/Stollmann/Heitzig, KHGG NRW, Stand: August 2016, § 8 Nr. 4.1.
80Dazu zählt insbesondere eine patientenorientierte regionale Abstimmung der Leistungsstrukturen, § 8 Abs. 1 Satz 2 KHGG NRW. Der Landesgesetzgeber bezweckt mit der Pflicht zur „patientenorientierten Zusammenarbeit“ gerade, dass die Krankenhäuser und die übrigen Beteiligten am Gesundheits- und Sozialwesen Konkurrenzdenken in den Hintergrund stellen und gemeinsames Handeln zum Nutzen der Allgemeinheit fördern.
81Vgl. die Begr. zur Vorgängervorschrift § 7 KHGG NRW a. F. in LT-Drs. 14/3958, S. 42.
82Vor diesem Gesamthintergrund erschließt sich der Sinn und Zweck des Einvernehmenserfordernisses in § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW in zwei Richtungen: Zum einen wird durch die Beteiligung der Krankenhäuser gerade im Wege des Einvernehmens eine Verbindlichkeit des ihnen gegenüber festgelegten Notfallaufnahmebereichs erzeugt. Besteht zwischen einem Krankenhaus und dem Träger des Rettungsdienstes Einvernehmen, mithin völlige Willensübereinstimmung, darüber, ob ein und ggf. welcher Notfallaufnahmebereich dem Krankenhaus zugeschrieben wird, erwächst daraus nach dem Willen des Gesetzgebers die unbedingte Verpflichtung zur Erstversorgung von Notfallpatienten aus diesem Bereich. Dass aus dieser im Interesse der Allgemeinheit begründeten Verpflichtung auch wirtschaftliche Vorteile für das Krankenhaus erwachsen können, ist eine reine Reflexwirkung. Zum anderen hat das Einvernehmenserfordernis angesichts der so erzeugten Verpflichtung eine Schutzfunktion. Ohne das Einvernehmenserfordernis bestünde die Gefahr, dass Aufgaben und Belange des Krankenhauses durch einseitige Entscheidungen des Trägers des Rettungsdienstes beeinträchtigt und dem Krankenhaus ohne eigene Möglichkeit der Einflussnahme und Steuerung als sachnahem und fachkundigem Betroffenem Belastungen aufgebürdet würden, die sich wiederum nachteilig für die Notfallpatienten auswirken könnten.
83Vgl. Lüder, in: Steegmann/Kamp, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., 44. Aktualisierung Dezember 2019, § 11 RettG Rn. 8.
84Daraus folgt, dass die zu beteiligenden Krankenhäuser ihr Einvernehmen nicht aus beliebigen Gründen oder gar ohne Geltendmachung von Gründen verweigern dürfen. Das Einvernehmenserfordernis in § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW ist nicht als ein absolutes Verfahrensrecht ausgestaltet, das einer „Vetoposition“ gleichkommt.
85Anders als etwa in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Schutz der im bauaufsichtlichen Verfahren stets berührten gemeindlichen Planungshoheit: BVerwG, Beschluss vom 11. August 2008 - 4 B 25.08 -, Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 59 = juris, Rn. 6, m. w. N.; siehe zusammenfassend auch Schoch, NVwZ 2012, 777.
86Sind die Krankenhäuser am Entscheidungsprozess beteiligt worden und droht durch die beabsichtigte Festlegung der Notfallaufnahmebereiche keine Überforderung, fehlt es an beachtlichen Gründen, das Einvernehmen zu verweigern. Stattdessen sind die so beteiligten Krankenhäuser zur Erklärung des Einvernehmens verpflichtet.
87Gemessen an diesen Maßstäben war die Antragstellerin vorliegend zur Verweigerung des Einvernehmens nicht berechtigt und deshalb die Antragsgegnerin befugt, sie zur Erklärung des Einvernehmens zu verpflichten. Die Antragstellerin ist am Entscheidungsprozess intensiv beteiligt worden. In Gesprächsrunden am 25. Januar, 18. April sowie 5. September 2019 hat die Antragsgegnerin den beteiligten Krankenhausträgern ihren Entwurf zur Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche transparent vorgestellt und mit ihnen erörtert.
88Dabei hat die Antragsgegnerin auch die Einwände der Antragstellerin gewürdigt. Beachtliche Gründe für ihre Verweigerung des Einvernehmens hat die Antragstellerin jedoch nicht vorgebracht. Auf eine drohende Überforderung beruft sie sich nicht. Im Gegenteil begehrt sie die Zuweisung zumindest ihres bisherigen und somit größeren Notfallaufnahmebereichs, folglich von potenziell mehr Notfallpatienten. Unabhängig davon, ob sie damit wirtschaftliche Interessen verfolgt oder ihr Einvernehmen aus anderen Motiven verweigert, sind die von ihr geltend gemachten Gründe unbeachtlich.
89Das Vorbringen der Antragstellerin bis zur Verweigerung des Einvernehmens benennt insgesamt keinen Gesichtspunkt, der ihre im vorliegenden Zusammenhang geschützte Rechtssphäre betrifft. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass ein Bedarf für die Neuorganisation der Notfallaufnahmebereiche nicht erkennbar sei, weil der Rettungsdienst bislang voll funktionsfähig gewesen sei. Dieser werde durch die Hinzunahme der I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3. nicht wesentlich verbessert. Es bestünden vielmehr Zweifel an deren Eignung für die Notfallversorgung. Im Übrigen sei für die Frage, welchem Krankenhaus überhaupt und in welchem Umfang ein Notfallaufnahmebereich zugeschrieben werde, deren Einstufung nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die stationäre Notfallversorgung (vgl. § 136c SGB V) maßgeblich zu berücksichtigen. Die Antragstellerin argumentiert damit der Sache nach zum einen gegen die Berücksichtigung der I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3., wodurch sie aber nicht in eigenen Rechten verletzt wird. Zum anderen schwingt sie sich zur Sachwalterin öffentlicher Interessen auf. Es gibt aber keine Norm, die ihr ein derartiges „Wächteramt“ zuschreibt.
90Vgl. zu § 14 Abs. 3 Satz 1 WaStrG: BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 A 24.01 -, BVerwGE 116, 175 = juris, Rn. 65; anders z. B. für die Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 - 1 BvR 209/93 -, DVBl. 1996, 97 = juris, Rn. 14 f., m. w. N.
91Die Antragstellerin mag sich im Rahmen des Beteiligungsverfahrens mit der Sachkunde eines Krankenhausträgers einbringen. Die Notfallaufnahmebereiche legt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW aber der Träger des Rettungsdienstes im Rahmen seines Gestaltungsspielraums fest. Als Behörde unterliegt er der Sonderaufsicht nach § 16 RettG NRW und keiner Aufsicht durch die Träger der Krankenhäuser.
92Entsprechendes gilt für ihren im gerichtlichen Verfahren vertiefend vorgetragenen Einwand, die Antragsgegnerin habe es versäumt, objektiv nachvollziehbare Planungsparameter zu definieren, anzuwenden oder jedenfalls zu dokumentieren, deren Auswirkungen und Wirksamkeit zu untersuchen und gegenüber den beteiligten Krankenhäusern transparent zu machen. Die Antragstellerin hebt konkret darauf ab, dass nicht erkennbar sei, inwieweit es durch die angestrebte Neuorganisation der Notfallaufnahmebereiche zu einer Verkürzung oder Verbesserung von Anfahrtswegen kommen solle und welche (virtuellen) Fahrversuche unter welchen Bedingungen insofern überhaupt unternommen worden seien. Außerdem sei die Geeignetheit der neu hinzugekommenen I. N. Klinik der Beigeladenen zu 3. zur Teilnahme an der Notfallversorgung nicht objektivierbar verifiziert worden. Damit wendet sie sich der Sache nach jedoch auch nur gegen die Einbeziehung der Klinik der Beigeladenen zu 3., ohne sich auf eigene schutzwürdige materielle Rechte zu berufen. Etwaige Planungsfehler der Antragsgegnerin z. B. bei der Berechnung der Anfahrtswege würden sich im Übrigen jedenfalls nicht zulasten der Antragstellerin auswirken, soweit sie im vorliegenden Zusammenhang in ihren Rechten geschützt ist.
93Vgl. insoweit zum Planfeststellungsverfahren: BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 80.79 -, BVerwGE 67, 74 = juris, Rn. 20, und Beschluss vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 -, Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 = juris, Rn. 19.
94Überdies hat die Antragstellerin aber auch nicht substantiiert dargelegt, dass die Wirtschaftlichkeit ihres Krankenhausbetriebs unter der Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche spürbar leiden und sie deswegen ihrem Versorgungsauftrag nicht mehr effektiv nachkommen könnte. Es erschließt sich auch nicht, inwiefern im Fall der Antragstellerin durch die Verkleinerung des ihr zugewiesenen Basisnotfallaufnahmebereichs um 8.240 Einwohner, das sind 8,4 % weniger im Vergleich zur bisherigen Zuschreibung, ihr durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt sein könnte. Unabhängig vom Schutzumfang dieses Rechts ist schon nicht ansatzweise dargelegt, inwiefern die Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche dazu führt, dass das Krankenhaus der Antragstellerin verändert oder geschlossen werden müsste.
95Vgl. zur Nichtaufnahme in den Krankenhausplan: BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 -, BVerfGE 82, 209 = juris, Rn. 95.
96Da die Notfallaufnahmebereiche nur subsidiär und nicht in jedem Fall der Zuweisung eines Notfallpatienten relevant werden, dürften die wirtschaftlichen Auswirkungen der streitigen Verfügung gemessen am Gesamtbetrieb eines Krankenhauses vielmehr geringfügig sein.
97Die von der Antragstellerin geltend gemachte Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch die streitige Festlegung der Notfallaufnahmebereiche ist im Übrigen ebenfalls weder näher dargelegt noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die vorliegende Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche ein wirtschaftlich gesundes Krankenhauswesen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, das Voraussetzung für die bedarfsgerechte Krankenversorgung der Bevölkerung und für sozial tragbare Krankenhauskosten ist,
98vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 ‑ 1 BvR 355/86 -, BVerfGE 82, 209 = juris, Rn. 82; BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1999 - 3 C 20.98 -, Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 9 = juris, Rn. 44,
99gefährden könnte.
100c) Vor diesem Hintergrund überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aufschubinteresse der Antragstellerin schon deshalb, weil sie im vorliegenden Zusammenhang keine schutzwürdigen Belange geltend macht, die in die Abwägung einzustellen wären.
101Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2008 ‑ 1 BvR 2466/08 -, NVwZ 2009, 240 = juris, Rn. 22; Külpmann, in: Finkelburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 976.
102d) Die aufschiebende Wirkung der Klage ist auch nicht gegen die unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids angedrohte Ersatzvornahme anzuordnen. Der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist insoweit bereits unstatthaft und damit unzulässig.
103Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist statthaft, wenn in der Hauptsache Anfechtungsklage zu erheben wäre, deren aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Gegenstand der Klage in der Hauptsache muss mithin die Aufhebung eines Verwaltungsakts sein. Daran fehlt es vorliegend. Die Antragsgegnerin hat unter Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids gegenüber der Antragstellerin die Ersatzvornahme der Aufsichtsbehörde in Form der Erteilung des Einvernehmens zur Festlegung der Notfallaufnahmebereiche gemäß dem als Anlage beigefügten Entwurf angedroht, falls die Antragstellerin der unter Ziffer 1 des Bescheids ausgesprochenen Verpflichtung nicht fristgemäß nachkommt. Diese Androhung der Ersatzvornahme stellt keinen Verwaltungsakt dar, weil sie im aufsichtsrechtlichen Verfahren ergeht.
104§ 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW sieht keine Regelung für den Fall vor, dass – wie hier – kein Einvernehmen zur Festlegung der Notfallaufnahmebereiche erzielt wird. In anderen Fallkonstellationen hingegen, in denen Einvernehmen zu erzielen bzw. anzustreben ist, bestimmt das Rettungsgesetz NRW, dass die Bezirksregierung die notwendigen Festlegungen trifft, wenn eine Einigung nicht zustande kommt. Dies gilt gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 RettG NRW für das interkommunale Beteiligungsverfahren bei der Aufstellung der Bedarfspläne sowie gemäß 12 Abs. 4 Satz 3 RettG NRW hinsichtlich der kostenbildenden Qualitätsmerkmale des Bedarfsplans gegenüber den Verbänden der Krankenkassen und dem Landesverband (West) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Eine analoge Heranziehung dieser Vorschriften scheidet mangels Regelungslücke aus, weil auf aufsichtsrechtliche Vorschriften zurückgegriffen werden kann.
105Nach § 11 Abs. 1 KHGG NRW unterliegen insbesondere Krankenhäuser der Rechtsaufsicht. § 16 RettG NRW regelt demgegenüber die hier nicht einschlägige Sonderaufsicht über den Träger des Rettungsdienstes.
106Vgl. Prütting, RettG NRW, 4. Aufl. 2016, § 16 Rn. 1 ff.; Lüder, in: Steegmann/Kamp, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., 44. Aktualisierung Dezember 2019, § 16 RettG Rn. 1 f., 54.
107Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 KHGG NRW erstreckt sich die Aufsicht über die Träger der Krankenhäuser auf die Beachtung der für sie geltenden Vorschriften. Die zuständige Aufsichtsbehörde kann bei einem Verstoß gegen diese Vorschriften oder gegen eine auf Grund dieser Vorschriften erlassene Anordnung die erforderlichen Maßnahmen treffen, § 11 Abs. 2 Satz 2 KHGG NRW. Die Aufsicht wird von den Kreisen bzw. kreisfreien Städten als untere Aufsichtsbehörden ausgeübt, § 11 Abs. 4 KHGG NRW, die zugleich untere Gesundheitsbehörden sind, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 ÖGDG NRW.
108Vgl. Stollmann, in: Becker/Stollmann/Heitzig, KHGG NRW, Stand: Juli 2019, § 11 Nr. 5; Prütting, KHGG NRW, 3. Aufl. 2009, § 11 Rn. 20.
109Zu den möglichen erforderlichen Maßnahmen der Rechtsaufsicht zählt die Ersatzvornahme.
110Vgl. Stollmann, in: Becker/Stollmann/Heitzig, KHGG NRW, Stand: Juli 2019, § 11 Nr. 1; Prütting, KHGG NRW, 3. Aufl. 2009, § 11 Rn. 9; siehe zur Kommunalaufsicht: BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1992 ‑ 7 B 149.91 -, NWVBl. 1993, 48 = juris, Rn. 5.
111Sie umfasst die Befugnis der Aufsichtsbehörde, ein verweigertes Einvernehmen zu ersetzen.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 1965 - 4 C 184.65 -, BVerwGE 22, 342 = juris, Rn. 25, 28, zur Ersetzung des Einvernehmens im bauaufsichtlichen Verfahren vor Einfügung des § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB zum 1. August 1998; vertiefend Horn, NVwZ 2002, 406.
113Die aufsichtsrechtliche Ersatzvornahme erlaubt, alle Handlungen des Beaufsichtigten durch die Aufsichtsbehörde durchzuführen oder durchführen zu lassen, auch wenn sie – wie hier etwa die Erklärung des Einvernehmens – nicht vertretbar sind. Die verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften finden daneben keine Anwendung.
114Vgl. zur Kommunalaufsicht: OVG NRW, Beschlüsse vom 22. August 2007 - 15 B 1328/07 -, NWVBl. 2008, 69 = juris, Rn. 11, und vom 28. Mai 2010 ‑ 15 A 2760/09 -, NWVBl. 2011, 104 = juris, Rn. 11 ff., 15.
115Ausgehend davon stellt die hier ausgesprochene Androhung der Ersatzvornahme keinen notwendigen Zwischenschritt im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens dar, dem Verwaltungsaktsqualität zukäme.
116Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1988 ‑ 4 C 16.85 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 157 = juris, Rn. 9 ff.
117Sie entspricht vielmehr einer Ankündigung, einen Verwaltungsakt – die Ersetzung des Einvernehmens im Wege der Ersatzvornahme – erlassen zu wollen. Als solcher fehlt ihr jedenfalls die Regelungswirkung eines Verwaltungsakts. Das Interesse des Betroffenen richtet sich in Fällen dieser Art tatsächlich auch nicht auf die Aufhebung der Ankündigung, sondern darauf, dass das Angekündigte unterbleibt.
118Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Juli 1984 - 3 C 12.83 -, BVerwGE 69, 374 = juris, Rn. 26, und vom 7. Mai 1971 - 4 C 5.70 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 41 = juris, Rn. 11; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 27. November 2009 - 1 L 1700/09 -, juris, Rn. 52, und vom 17. August 2007 - 1 L 1316/07 -, juris, Rn. 42; von Alemann/Scheffczyk, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 51. Edition, Stand: 1. April 2021, § 35 Rn. 172.
119Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die angedrohte Ersatzvornahme geht deshalb ins Leere und ist somit unzulässig.
120II. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3. ist unzulässig. Ihr fehlt es an der Beschwerdebefugnis.
121Das Rechtsmittel eines Beigeladenen ist nur zulässig, wenn er durch die angefochtene Entscheidung materiell beschwert wird, d. h. wenn die für ihn ungünstige Rechtsauffassung des Gerichts zu einer Beeinträchtigung seiner eigenen subjektiven Rechte führen kann.
122Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 = juris, Rn. 171, vom 30. Mai 1984 ‑ 4 C 58.81 -, BVerwGE 69, 256 = juris, Rn. 24, und vom 21. August 1981 - 4 C 17.78 -, NVwZ 1982, 115 = juris, Rn. 9 f.; OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - 7 B 2769/96 -, juris, Rn. 2.
123Daran fehlt es. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen bzw. anzuordnen, kann zu keiner Beeinträchtigung eigener subjektiver Rechte der Beigeladenen zu 3. führen. Infolge der erstinstanzlichen Entscheidung kann die Neufestlegung der Notfallaufnahmebereiche, durch die der Beigeladenen zu 3. erstmals ein eigener Notfallaufnahmebereich zugeschrieben wird, zwar noch nicht umgesetzt werden. Da die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche – wie dargelegt – jedoch ausschließlich im öffentlichen Interesse zur Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung und Gefahrenabwehr erfolgt, werden durch die eingetretene Verzögerung auch nur diese öffentlichen Interessen und keine Rechte der Beigeladenen zu 3. beeinträchtigt. Die infolge der Verzögerung gleichwohl entstehende faktische Benachteiligung der Beigeladenen zu 3. bedeutet lediglich einen Reflex der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Daran vermag allein der Umstand nichts zu ändern, dass umgekehrt die Antragstellerin ebenfalls nicht in subjektiven Rechten verletzt ist und deshalb die aufschiebende Wirkung ihrer Klage nicht beanspruchen kann.
124Nichts anderes folgt aus einem von ihr geltend gemachten Schutz beim (Markt-)Zugang zur Teilnahme an der Notfallaufnahmebereichsplanung, der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergebe.
125Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ 8 C 5.12 -, Buchholz 451.65 Börsenrecht Nr. 7 = juris, Rn. 40, m. w. N., und vom 25. September 2008- 3 C 35.07 -, BVerwGE 132, 64 = juris, Rn. 30 f.
126Vorliegend geht es nicht um den Zugang der Beigeladenen zu 3. zu einem Markt. Es gibt keinen eigenen Markt der Notfallaufnahmebereiche. Der Markt, an dem die Beigeladene zu 3. bereits teilnimmt, ist derjenige der Krankenhäuser. Ob einem Krankenhaus ein eigener Notfallaufnahmebereich zugeschrieben wird, ist – wie ausgeführt – rechtlich nicht der Zuschreibung von Wettbewerbspositionen, sondern allein dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt. Unabhängig davon ist die Beigeladene zu 3. auch dadurch hinreichend in den von ihr geltend gemachten Rechten geschützt, dass die übrigen beteiligten Krankenhäuser nicht berechtigt sind, ihr Einvernehmen zur Festlegung der Notfallaufnahmebereiche allein wegen der Berücksichtigung der Beigeladenen zu 3. zu verweigern.
127Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren der Antragstellerin vollumfänglich aufzuerlegen, weil sie nach Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts unterlegen ist. Im Beschwerdeverfahren war die Beigeladene zu 3. als unterlegene Rechtsmittelführerin an den Verfahrenskosten hälftig zu beteiligen, auch wenn ihre Antragstellung keine Mehrkosten verursacht hat.
128Vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 154 Rn. 73.
129Im Übrigen sind die Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig, weil sie keine Sachanträge gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben.
130Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG heranzuziehen. Dieser ist wegen der Vorläufigkeit der erstrebten Entscheidung um die Hälfte zu reduzieren.
131Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).