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1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
3. Der Streitwert wird auf 2.000,- festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der sinngemäße Antrag,
3den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, bauaufsichtlich einschreitend auf den Antrag der Antragsteller vom 17. April 2000 die sofortige Vollziehung seiner gegenüber den Beigeladenen erlassenen Ordnungsverfügung vom 20. Februar 2000 betreffend die Beseitigung eines Baumhauses im hinteren Bereich des Grundstückes Gemarkung E. G. 8 G1. 210 (E. Straße 134 d in X. ) anzuordnen,
4ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
5Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung), daß ihnen in Ansehung des baurechtswidrigen "Baumhauses" der Beigeladenen ein entsprechender Anordnungsanspruch oder -grund zur Abwendung wesentlicher Nachteile zusteht. Im vorliegenden Fall ist zwar nach den Darstellungen der Antragsteller und dem Akteninhalt nicht auszuschließen, daß ihnen ein Rechtsanspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten des Antragsgegners gegen die Beigeladenen in Gestalt der Beseitigung des Baumhauses zusteht. Gleichwohl kommt der Erlaß der begehrten Anordnung nicht in Betracht, weil auf der Grundlage des Akteninhalts und der jüngsten Untersuchungen der Mitarbeiter des Antragsgegners kein Anordnungsgrund festgestellt werden kann (und dementsprechend auch die Versagung des Sofortvollzuges nicht ermessenswidrig erscheint). Eine Regelungsanordnung kann nur ergehen, wenn wesentliche Nachteile in Rede stehen, die selbst für einen vorübergehenden Zeitraum, nämlich bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens, den Antragstellern unzumutbar sind. Solche Nachteile sind indessen nicht glaubhaft dargelegt.
6Nach den vorgelegten Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners und der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Februar 2000 im Ergebnis rechtmäßig. Unabhängig davon, ob es sich bei dem eher an einen Wachturm erinnernden "Baumhaus" der Beigeladenen um ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 2000, GV NW vom 13. April 2000, S. 256, handelt, ist das von den Beigeladenen im hinteren Bereich ihres Grundstückes errichtete Vorhaben jedenfalls eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 BauO NW, was keinen ernsthaften Zweifeln unterliegt. Es handelt sich um eine aus dem Bauprodukt Holz hergestellte Anlage, die mit dem Erdboden verbunden ist.
7Ob es sich bei diesem "Baumhaus" noch um eine genehmigungsfreie Anlage im Sinne des § 65 Nr. 28 BauO NW handelt, erscheint im Gegensatz zur Auffassung des Antragsgegners eher zweifelhaft. Dann müßte die bauliche Anlage der Gartengestaltung oder der zweckentsprechenden Einrichtung des Gartens dienen. Was insoweit gemeint ist, hat der Gesetzgeber durch die Beispiele Bänke, Sitzgruppen und Pergolen näher erläutert. Das Bauvorhaben erinnert seiner äußeren Gestalt nach mehr an einen Aussichts- oder Wachturm als an ein Baumhaus. Allein der Umstand, daß das Bauwerk um einen Baum errichtet wurde, macht dieses noch nicht zu einem "Baumhaus". Maßgeblich für die Genehmigungsfreiheit ist, daß die bauliche Anlage im Funktionszusammenhang mit dem Garten und seiner Gestaltung stehen muß. Dies erscheint angesichts der Größe und der Ausmaße mehr als fraglich. Weder kann dem Bauwerk eine dem Garten dienende Funktion entnommen werden, noch dient es unter objektiven Gesichtspunkten der Gartengestaltung. Das "Baumhaus" ist nicht in einen Baum integriert, sondern nimmt einen wesentlichen Teil des Gartens ein. Letztlich kann die Frage der Genehmigungsfreiheit aber offenbleiben, da die Beseitigungsverfügung jedenfalls aus materiell-rechtlichen Gründen rechtmäßig ist. Das Bauvorhaben der Beigeladenen hält offensichtlich die Abstandfläche zur Grundstücksgrenze der Antragsteller nicht ein, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Werden die Abstandflächen eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen (§ 6 Abs. 10 BauO NW) - was angesichts der Größe und des Ausmaßes des "Baumhauses" ohne weiteres ersichtlich ist - nicht eingehalten, ist die zuständige Bauaufsichtsbehörde regelmäßig gehalten, einzuschreiten und den vollständigen Abriß der baulichen Anlage anzuordnen,
8vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NW), Urteil vom 13. August 1990 - 7 A 1490/88 -; Beschluß vom 1. August 1997 - 10 A 6445/97 -.
9Dies hat der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 20. Februar 2000 von den Beigeladenen gefordert.
10Die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung allein rechtfertigt aber noch nicht, ihre sofortige Vollziehung anzuordnen. Das Gesetz verlangt in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes ein besonderes öffentliches Interesse, daß das vom Gesetz vorgegebene Interesse an der Erhaltung des Suspensiveffekts eines Widerspruchs (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) überwiegt. Dazu reicht regelmäßig das Interesse, das den Erlaß des Verwaltungsakts als solchen rechtfertigt, nicht aus. Vielmehr muß das die sofortige Vollziehung rechtfertigende Interesse gerade darauf gerichtet sein, daß die von der Behörde getroffene Maßnahme bereits vor Abschluß des Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache umgesetzt wird,
11vgl. OVG NW, Beschluß vom 24. November 1988 - 7 B 2677/88 - in: Eildienst STNW 1989, 285; Beschluß vom 12. Januar 1998 - 10 B 3025/97 -; Beschluß vom 21. Oktober 1999 - 7 B 1771/99 -.
12Für Ordnungsverfügungen, die die Beseitigung von Bausubstanz fordern, ist anerkannt, daß angesichts der gewichtigen Auswirkungen eines solchen Eingriffs das Interesse des Ordnungspflichtigen an der Erhaltung des Suspensiveffekts regelmäßig das öffentliche Interesse an der Sofortigkeit der Beseitigung der Bausubstanz oder der baulichen Anlage überwiegt. Das hinter dieser Bewertung stehende Gebot effektiven Rechtsschutzes muß nur insoweit zurücktreten, als es um die Abwendung schwerwiegender, konkreter Gefahren geht. Ein derartiger gewichtiger Gefahrentatbestand, der es rechtfertigen könnte, auch eine Maßnahme sofort zu vollziehen, die mit weitgehenden, nicht oder nur schwer rückgängig zu machenden Schäden für den Ordnungspflichtigen verbunden ist, kann in dem Umstand, daß ein Bauwerk oder eine bauliche Anlage formell und/oder materiell illegal ist, in der Regel nicht erblickt werden,
13vgl. OVG NW, Beschluß vom 24. November, aaO.; Beschluß vom 13. September 1990 - 7 B 2151/90 -; Beschluß vom 13. März 1992 - 7 B 653/92 -; Beschluß vom 6. Juni 1994 - 7 B 1083/94 -; Beschluß vom 23. Januar 1997 - 7 B 3154/96 -; Beschluß vom 12. Januar 1998, aaO.; Beschluß vom 21. Oktober 1999, aaO.
14Eine schwerwiegende, konkrete Gefahr für das Grundstück der Antragsteller geht von dem Bauwerk der Beigeladenen nicht aus. Aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ergibt sich, daß die Mitarbeiter des Antragsgegners das Bauwerk wiederholt - nicht zuletzt auf Anregungen der Antragsteller - auf dessen statischen Zustand hin untersucht haben. Eine fehlende Standsicherheit (vgl. § 15 BauO NW) oder eine akute Einsturzgefahr konnte dabei aber nicht festgestellt werden. Soweit von Antragstellerseite auf gewisse Schwindrisse im Holz der baulichen Anlage hingewiesen wurde, handelt es sich um Folgen der Austrocknung, die auf die Standsicherheit keinen nennenswerten Einfluß haben. Angesichts dieser Feststellungen muß es beim oben genannten Grundsatz verbleiben.
15Ausnahmsweise kann die Beseitigung einer formell und materiell rechtswidrigen baulichen Anlage durch sofort vollziehbare Beseitigungsanordnung auch dann in Betracht kommen, wenn die bauliche Anlage ohne Substanzvernichtung oder erhebliche Schädigung der Bausubstanz demontiert werden kann,
16OVG NW, Beschluß vom 25. April 1996 - 7 B 650/96,
17oder wenn von der illegalen Baulichkeit ein erheblicher Nachahmungseffekt und damit eine negative Vorbildwirkung ausgeht,
18OVG NW, Beschluß vom 28. August 1995 - 11 B 1957/95 - in: NVwZ-RR 1996, S. 192; Beschluß vom 13. September 1996 - 11 B 1083/96 - in: NWVBl. 1997, 106 ff.
19Die Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es erscheint offensichtlich ausgeschlossen, daß das steitgegenständliche Objekt aufgrund seiner Größe und seines Ausmaßes Nachahmer finden wird. Darüber hinaus ist von den Antragstellern auch nicht glaubhaft dargelegt worden, daß eine Demontage ohne Substanzverlust möglich ist. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich vielmehr, daß die bauliche Anlage mittels Fundamente im Boden verankert und durch eine Zange an dem vorhandenen Baum befestigt ist. Zudem erweist sich das "Baumhaus" nach den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbildern als solide bauliche Anlage, so daß Zweifel bestehen, ob nach einer sofortigen Demontage ein Wiederaufbau nach Abschluß des Hauptsacheverfahrens ohne Beschädigung des Sachsubstanz ohne weiteres möglich wäre. Eine ausnahmsweise Anordnung des Sofortvollzuges scheidet demnach aus.
20Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO.
21Die Entscheidung über den Streitwert ergeht auf der Grundlage von §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes. Das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller im hier vorliegenden Nachbarstreit bewertet die Kammer mit 4.000,- DM, der infolge der Vorläufigkeit des Verfahren um die Hälfte zu reduzieren war.
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