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Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2015 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 29. September 2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung von Elternbeiträgen für ihre am 10. September 2012 geborene Tochter F. , die seit dem 1. August 2013 die Kindertagesstätte U. e.V. in einem Betreuungsumfang von 45 Stunden besuchte.
3Mit Bescheid vom 29. Juni 2015 setzte die Beklagte Elternbeiträge für F. für die Zeit ab dem 1. August 2015 bei einem Betreuungsumfang von 45 Wochenstunden auf monatlich 329,00 Euro fest.
4Mit „Bescheid über die Neufestsetzung“ vom 3. September 2015 änderte die Beklagte den Elternbeitrag für F. für die Zeit ab dem 1. Oktober 2015 und setzte den Beitrag bei einem Betreuungsumfang von 45 Wochenstunden auf monatlich 466,00 Euro fest. Zur Begründung der Beitragserhöhung verwies die Beklagte auf die Änderung ihrer Satzung über die Elternbeiträge zum 1. Oktober 2015.
5Dagegen erhoben die Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. September 2015 Widerspruch und begründeten diesen mit Mängeln im Zustandekommen der Elternbeitragssatzung der Beklagten. Die Kalkulation der Elternbeiträge – soweit überhaupt eine Kalkulation vorgelegt worden sei – sei nicht nachvollziehbar. Es werde nicht zwischen Krippe, Kindertageseinrichtungen und Offener Ganztagsschule (OGS) differenziert. Es fehlten Aussagen über die Anzahl der Betreuungseinrichtungen bzw. der Tagespflegepersonen. Es fehlten Aussagen über die Zahl der betreuten Kinder in den jeweiligen Betreuungsformen. Zuwendungen des Bundes als Anteil an der Umsatzsteuer – vom Land an die Kommunen weitergeleitet – seien nicht kalkuliert. Bezüglich der Elternbeiträge werde nicht differenziert nach beitragsfreien und beitragspflichtigen Kindern, so dass nicht nachvollziehbar sei, ob der vom Gesetzgeber geforderte Höchstsatz eingehalten werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Befreiungen vom Elternbeitrag für Sozialhilfeempfänger und Eltern mit sehr geringem Einkommen als Zuwendungen der Beklagten kalkuliert werden müssten, weil es sich insoweit um Zuwendungen im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB VIII handele. Unklar bleibe zudem, ob das beitragsfreie Kindergartenjahr hinsichtlich der Kosten und Zuwendungen enthalten sei bzw. welche Anteile das beitragsfreie Kindergartenjahr in der Kalkulation habe. Weiter fehle eine Prognose für das Jahr 2015 und die folgenden Jahre. Insoweit sei die Begrenzung des Kalkulationszeitraums erforderlich. Schließlich sei der Elternbeitrag wegen einer erheblichen Überdeckung rechtswidrig. Soweit die Beklagte in der Beschlussvorlage eine Kostenbeteiligungsquote der Elternbeiträge von 19 Prozent nenne, stehe dies im Widerspruch zu den Ausführungen in der Bundestagsdrucksache 16/9299, S. 21 bis 23, wonach die Fraktionen von einem durchschnittlichen Kostenanteil der Eltern von 15 Prozent ausgingen.
6Mit Bescheid vom 29. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Satzungsgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Staffelung der Elternbeiträge habe. Für die Bestimmung der Deckungsgrenze sei die Gesamtheit der Einrichtungen maßgeblich. Im Jahr 2014 seien nur 11 Prozent der Kosten durch Elternbeiträge gedeckt worden. Die angewandte Berechnungsmethode sei in der Rechtsprechung nicht beanstandet worden.
7Dagegen haben die Kläger am 5. Oktober 2015 Klage erhoben. Sie wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag und führen zur Begründung u.a. ergänzend aus: Die Beklagte stütze sich auf die „Elternbeitragssatzung Kita 2015“, welche aus verschiedenen Gründen, insbesondere aber wegen der fehlenden Kalkulation, erheblicher Kostenüberdeckung durch die Gebühren und der abschreckenden Wirkung der Gebührenhöhe nichtig sei. Die Kalkulation sei nicht nachvollziehbar, so dass die Satzung gegen das Demokratieprinzip verstoße, weil eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Rates der Beklagten fehle. Die „grobe“ Kalkulation 2014 vermische die Kosten von Krippe und Kita und führe zu einer unzulässigen Quersubventionierung. Die nicht nachvollziehbare Kalkulation verschleiere die unzulässige Überdeckung der Kosten. Die von der Beklagten vorgelegte Tabelle für 2014 finde sich in keiner der Jugendhilfeausschusssitzungen als Vorlage und sei daher nicht in das Verfahren zum Beschluss der Elternbeitragssatzung 2015 eingebracht worden. Es fehle zudem an einer Prognose für den Kalkulationszeitraum, lediglich Ertragsprognosen seien ausgewiesen, allerdings ohne die zu Grunde liegende Berechnung. Alle vorgelegten Berechnungen blieben isoliert und ohne Zusammenhang zu den eigentlichen Elternbeiträgen. Jedenfalls sei eine unzulässige Quersubventionierung zwischen Krippen und Kindertageseinrichtungen zu erkennen. Die Unzulässigkeit ergebe sich insoweit, weil jeweils lediglich Einrichtungen innerhalb der unterschiedlichen Betreuungsformen, also jeweils alle Kitas und alle Krippen zusammengefasst werden dürften. Daher liege ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vor. Zudem unterlägen Elternbeiträge den Grundsätzen des kommunalen Abgabenrechts und dürften die Kosten der staatlichen Leistung nicht überschreiten. Die Kosten der Kinderbetreuung berechneten sich aus den Betriebskosten abzüglich der staatlichen Zuwendungen. Aus der bisherigen Kalkulation sei nicht ersichtlich, ob die Landeszuwendungen vollständig berücksichtigt worden seien. Zudem scheine es, dass in der Kalkulation für 2014 die Kosten für das beitragsfreie Kindergartenjahr und für die damit verbundenen Rabatte für Geschwisterkinder enthalten seien. Damit würden indirekt die Kosten des beitragsfreien Kindergartenjahres auf alle Eltern umgelegt.
8Die Kläger beantragen,
9den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2015 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 3. September 2015 und im Widerspruchsbescheid vom 29. September 2015 und trägt ergänzend wie folgt vor: Hinsichtlich des Einwands einer fehlenden Kalkulation werde Bezug genommen auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2013 zum Az. 12 A 1530/12 (Rn. 53). Die Erstattungen für das beitragsfreie Kindergartenjahr seien in der den Klägern übersandten Tabelle als Erstattung vom Land ausgewiesen. Die von den Klägern vorgenommene Unterteilung in Krippe und Kindertageseinrichtung mache das Gesetz nicht. § 19 des Kinderbildungsgesetzes regele die Förderung von Kindertageseinrichtungen durch Kindpauschalen. Welcher konkrete Bezug sich aus der Beteiligung des Bundes gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über Finanzhilfen zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder ergebe, sei nicht bekannt. Über die Weiterleitung an die Kommunen solle es zum 30. Juni 2016 einen Bericht geben. Doch auch aus der Kostenbeteiligung des Bundes ergebe sich keine Überdeckung, weil es sich insoweit lediglich um eine Anteilsfinanzierung handele. Es werde lediglich der für die Beklagte verbleibende Eigenanteil verringert.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage hat Erfolg.
16Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Elternbeiträgen ab dem 1. Oktober 2015 in Höhe von monatlich 466,00 EUR ist bereits mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig. Denn die hier maßgebliche Satzung der Beklagten über die Erhebung von Elternbeiträgen für Tageseinrichtungen für Kinder in der – für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen – ab dem 1. Oktober 2015 geltenden Fassung (Elternbeitragssatzung; im Folgenden: EBS) ist jedenfalls materiell rechtswidrig.
18Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Satzung ist § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) i.V.m. § 23 Abs. 1 Kinderbildungsgesetz (KiBiz). Nach diesen Vorschriften können für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 und 24 SGB VIII Kostenbeiträge festgesetzt werden. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII wirkt unmittelbar; einer zusätzlichen landesrechtlichen Ermächtigung für die Erhebung von Teilnahme- oder Kostenbeiträgen bedarf es nicht.
19Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Köln, Urteil vom 1. Juni 2010 – 22 K 4769/08 –, juris, Rn. 21 m.w.N.
20Die wesentlichen Vorgaben für den Satzungsgeber einer entsprechenden Satzung über die Erhebung von Elternbeiträgen ergeben sich aus § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII i.V.m. § 23 Abs. 5 KiBiz. Danach ist bei der Erhebung der Beiträge eine soziale Staffelung vorzusehen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern sowie die Betreuungszeit sind zu berücksichtigen. Innerhalb dieser Vorgaben ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers weit. Es genügt die Vermeidung von Willkür, d.h. die getroffenen Regelungen müssen auf sachgerechten und sich am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung orientierenden Erwägungen beruhen. Einschränkungen ergeben sich aus dem im Beitragsrecht allgemein geltenden Äquivalenzprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach dem Äquivalenzprinzip darf die Höhe des Beitrages nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll. Zudem darf der Satzungsgeber auch den Aspekt der Verwaltungspraktikabilität berücksichtigen.
21Vgl. VG Köln, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.
22Nach Maßgabe der rechtlichen Qualifizierung des Elternbeitrags als einer Sonderform von Abgabe steht die Bemessung der Höhe des Kostenbeitrags zwar einerseits in einem Zusammenhang mit den für die Jugendhilfeleistung beim Leistungsträger entstandenen Kosten, sie ist aber andererseits nicht bzw. nur eingeschränkt den allgemeinen abgabenrechtlichen Prinzipien der "Kostendeckung" und der "speziellen Entgeltlichkeit" unterworfen, wie sie maßgeblich das Erfordernis einer zumindest überschlägigen Kalkulation begründen.
23Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 9. Juli 2013 – 12 A 1530/12 –, juris, Rn. 43 ff.
24Für die Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren sind die einem Träger durch die (Inanspruchnahme des Angebotes der) Förderung von Kindern in seiner Tageseinrichtung entstehenden Kosten maßgeblich.
25Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. April 1997 – 5 C 6.96 –, juris, Rn. 16.
26Insoweit bedarf es jedoch einer ausreichend sachgerechten Verknüpfung zwischen den bei dem Leistungsträger anfallenden Kosten und der spezifischen Abgabe. Diese muss zudem dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleiteten Äquivalenzprinzip entsprechen, d.h. Beitragsleistung und Gegenleistung in Form der Finanzierung des Betreuungsplatzes müssen angemessen sein. Dem genügt eine einkommensbezogene Beitragsstaffelung, zu der hier § 90 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VIII i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 2 KiBiz ermächtigen - auch in Verbindung mit einer nach § 5 Abs. 2 Satz 3 KiBiz zulässigen Geschwisterermäßigung - immer schon dann, wenn auch der höchste Elternbeitrag die anteilsmäßigen rechnerischen Kosten des Leistungsträgers für die in Rede stehende Einrichtung nicht übersteigt und dabei eine Leistung betrifft, mit der der Staat - wie hier - sowohl dem Sozialstaatsgrundsatz als auch gewichtigen grundrechtlichen Schutzgeboten Rechnung trägt und die aus verfassungsrechtlichen Gründen jedem zugänglich sein muss, der auf die Leistung angewiesen ist. Dabei ist kalkulatorisch von den Durchschnittskosten für einen einzelnen Betreuungsplatz des spezifischen Jugendhilfeangebotes und nicht von den konkreten Kosten eines von einem bestimmten Kind besetzten Platzes auszugehen („anteilsmäßigen rechnerischen Kosten der Einrichtung").
27OVG NRW, Urteil vom 9. Juli 2013 – 12 A 1530/12 –, juris, Rn. 49, [Hervorhebungen durch die Kammer] unter Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. März 1998 – 1 BvR 178/97 –, juris, und das Urteil der Kammer vom 29. August 2012 – 9 K 1864/11 –, juris.
28Eine konkrete Kalkulation jedes einzelnen Betreuungsplatzes in einer Kindertageseinrichtung nach seinen spezifischen Kosten und den insoweit zur Verfügung stehenden individuellen Deckungsmitteln widerspricht der Rechtsnatur der hier erhobenen Abgabe, nach der eine gerechte Vorteilsabschöpfung lediglich unter Einsatz von Gruppenbildung, Typisierung und Generalisierung erfolgt, und ist verwaltungstechnisch auch kaum darstellbar. Auch eine "Spitzabrechnung" speziell für nur eine von mehreren in die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers fallende Betreuungsstätten ist nicht geboten. Dem Satzungsgeber kommt bei der Festlegung der Beiträge ein weiter Gestaltungsspielraum zu, in dessen Rahmen als Bezugsgröße für den durch die Beiträge erzielten Deckungsgrad eben nicht der einzelne konkrete Platz in einer bestimmten Einrichtung heranzuziehen ist, sondern die Gesamtheit der von der Beitragsregelung erfassten Einrichtung „Kindertagesstätte" mit allen ihren Standorten.
29Vgl. OVG NRW, a. a. O., Rn. 53 m.w.N
30Soweit die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass diese Maßgaben nicht auf die Fälle der Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege anwendbar seien, weil die maßgebliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Az. 12 A 1530/12) sich ausschließlich auf die Betreuungsform Offene Ganztagsschule (OGS) beziehe, überzeugt dies nicht. Zunächst ergibt sich eine entsprechende Einschränkung nicht aus der genannten Entscheidung. Zudem ist in diesem Zusammenhang auch das in der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zitierte Bundesverfassungsgericht zu berücksichtigen, welches im Zusammenhang mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Staffelung von Kindergartengebühren ausführt, dass eine Gebührenstaffelung jedenfalls dann in Betracht komme, wenn auch die Höchstgebühr die anteilsmäßigen rechnerischen Kosten der Einrichtung nicht übersteige und eine Leistung betreffe, mit der der Staat sowohl dem Sozialstaatsgrundsatz als auch gewichtigen grundrechtlichen Schutzgeboten Rechnung trage und die aus verfassungsrechtlichen Gründen jedem zugänglich sein müsse, der auf die Leistung angewiesen sei.
31Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. März 1998 – 1 BvR 178/97 –, juris, Rn. 69 [Hervorhebung durch die Kammer].
32Dies zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht entsprechende Maßgaben ausdrücklich und gerade für die Fälle der „Kindergärten“ vorgesehen hat.
33Nach den dargelegten rechtlichen Maßgaben ist die streitbefangene Satzung jedenfalls materiell rechtswidrig, weil sie ermessensfehlerhaft zustande gekommen ist. Dies führt letztlich zur Nichtigkeit der Satzung.
34Vgl. VG Köln, Urteil vom 2. September 2016 – 19 K 335/15 –, juris, Rn. 46.
35Die streitbefangene Satzung ist nämlich nicht auf der Grundlage nachvollziehbarer Zahlen und einer darauf beruhenden notwendigen – nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls „pauschalen“ – Kalkulation erlassen worden.
36Dem Stadtrat der Beklagten als Satzungsgeber (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f) der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NRW - fehlten im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses die notwendigen Angaben zur Ermittlung der Kosten eines durchschnittlichen Betreuungsplatzes in den Kindertagesstätten. Die Beklagte hat im Rahmen der Beschlussvorlage, auf der die Satzung beruht, weder die Gesamtkosten dieses Einrichtungsangebotes dargelegt noch angegeben, auf wie viele Kinder, die dieses spezielle Angebot wahrnehmen, diese Gesamtkosten zu verteilen sind.
37Diese Parameter sind jedoch in jedem Falle erforderlich, um die Durchschnittskosten des einzelnen Betreuungsplatzes der Einrichtung als Ausgangspunkt für die weitere Kalkulation ermitteln zu können. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang zwischen den Einrichtungen „Kita“ und „Krippe“ unterscheiden wollen, geht diese Unterscheidung im Sinne des hier maßgeblichen Einrichtungsbegriffes fehl, weil die Leistungen für die Betreuung der unter dreijährigen Kinder („Krippe“) sowie der über dreijährigen Kinder („Kita“) nach dem Kinderbildungsgesetz von denselben Betreuungsstätten erbracht werden. Denn das Kinderbildungsgesetz sieht ansonsten gemischte Gruppen vor (vgl. § 19 KiBiz nebst Anlagen), was insoweit eine entsprechende Unterteilung der Einrichtung „Kindertageseinrichtung“ mit der Folge getrennter Kalkulation willkürlich erscheinen ließe.
38In der Beschlussvorlage der hier streitigen Satzung fehlt jedenfalls die Angabe zur Anzahl der betreuten Kinder im Bereich der Kindertagespflege und der Kindertageseinrichtungen. Stattdessen lässt sich lediglich die Gesamtzahl aller in den drei Betreuungsformen betreuten Kinder finden. Nur mit der vorgenannten fehlenden Angabe der Anzahl der betreuten Kinder in dem Einrichtungsangebot „Kindertagesstätte“ wäre eine Berechnung der Kosten eines einzelnen Platzes sowie der öffentlichen Leistungen für einen Platz möglich gewesen. Die Beklagte hat in den Unterlagen zum Satzungsentwurf ausgeführt:
39„Von den insgesamt 7.605 Kindern, die derzeit in den drei Betreuungssystemen betreut werden, sind aktuell 4.738 Kinder aufgrund diverser Tatbestände (geringes Einkommen, Sozialleistungsbezieher, letztes beitragsfreies Kindergartenjahr und Geschwisterkindregelung) vom Beitrag befreit. Dies entspricht einer Befreiungsquote von 62 %. Hierin enthalten sind 1.531 Geschwisterkinder.“ (S. 5 der Öffentlichen Beschlussvorlage vom 3. März 2015).
40Wie viele Kinder in den einzelnen Einrichtungen (Kindertagesstätte, Tagespflege, OGS) aber konkret betreut werden, lässt sich hieraus nicht ablesen.
41Selbst unter Zugrundelegung der sich aus der dem Satzungsvorgang vorgehefteten Tabelle „Gesamtübersicht städtischer Haushalt 2014 für das Produkt Kindertageseinrichtungen“ ergebenden Zahlen lassen sich keine Rückschlüsse auf die Kosten eines einzelnen Kita- oder Tagespflege-Platzes oder den Umfang der öffentlichen Leistungen für einen einzelnen Betreuungsplatz ziehen. Denn diese Tabelle nennt allein den Gesamtaufwand (Personal- und Sachkosten 2014) für die Einrichtung (39.449.506 Euro). Mangels Zahlen über die konkret in der Einrichtung („Produkt“) „Kindertagesstätte“ betreuten Kinder ist auch aus der Tabelle der Durchschnittsaufwand pro Platz nicht ersichtlich.
42Ganz unabhängig davon könnten die Zahlenangaben aus der erwähnten Tabelle, selbst wenn sie ausreichendes Zahlenmaterial geliefert hätten, das Fehlen entsprechender Zahlen im Satzungsbeschlussvorgang nicht ausgleichen, weil die Tabelle nicht zu diesem Vorgang gehörte. Die Beklagtenvertreter haben im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Zahlen der Tabelle 2014 dem Stadtrat der Beklagten tatsächlich nicht vorgelegen haben.
43Damit der Satzungsgeber sein Ermessen fehlerfrei hätte ausüben können, hätten zumindest die vorgenannten Angaben aus den dem Satzungsvorgang zugehörigen Unterlagen ablesbar gewesen sein müssen. Denn es kommt maßgeblich darauf an, dass dem satzungsgebenden Organ im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über die Satzung eine ordnungsgemäße Kalkulation vorgelegen hat.
44Vgl. im Zusammenhang mit einer Gebührenkalkulation: Sächsisches OVG, Urteil vom 27. März 2001 – 5 D 291/99 –, juris, Rn. 38; VG Regensburg, Urteil vom 21. Januar 2002 – RO 13 K 99.2178 –, juris, Rn. 27; a.A: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 10. Dezember 1982 – 23 N 81 A.1479 –, juris.
45Dies war wie oben festgestellt nicht der Fall. Die für eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der streitbefangenen Satzung notwendigen Angaben lagen dem Stadtrat der Beklagten nicht vor.
46Eine – von einer vorgängigen Kalkulation unabhängige – nachträgliche objektive Überprüfung des Anteils der Kostendeckung der Elternbeiträge kommt nicht in Betracht. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Richtigkeit der Beitragssätze durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Befragung von Zeugen zu ermitteln. Vielmehr ist es – wie bereits dargelegt – Sache des Satzungsgebers, substantiiert in Frage gestellte Beitragssätze durch eine nachvollziehbare Globalkalkulation zu rechtfertigen. Dieser Obliegenheit kann er nicht durch eine pauschale Behauptung der Richtigkeit der Beitragssätze und/oder der Investitionskosten genügen. Die Aufklärungspflicht des Gerichts findet auch hier die Grenze in den Mitwirkungspflichten der Beteiligten.
47VG Augsburg, Urteil vom 12. Juli 2011 ‑ Au 1 K 11.606 ‑, juris, Rn. 22 m.w.N.
48Die Beklagte wäre – wie gezeigt – gehalten gewesen, in der Beschlussvorlage zum Entwurf der Beitragssatzung die Kosten des einzelnen Betreuungsplatzes in der Einrichtung „Kindertagesstätte“ darzulegen. Nur auf dieser Basis hätten die öffentlichen Leistungen und die projektierten Elternbeiträge ermessensfehlerfrei in Relation gesetzt und die einzelnen Beitragsstufen ermessensfehlerfrei festgesetzt werden können.
49Die Erklärung der Beklagten, dass sie entsprechende Angaben zu der Zahl der betreuten Kinder nicht liefern könne, weil die unterschiedlichen Betreuungszahlen zu berücksichtigen seien, überzeugt nicht. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Betreuungszeit, mithin der einzelne Kindergartenplatz, wie zuvor festgestellt, nicht maßgeblich ist. Ferner ist nicht ersichtlich, warum nicht die Zahl sämtlicher betreuter Kinder ermittelt werden konnte, weil für diese schließlich Elternbeiträge erhoben oder zumindest geprüft wurden. Die Erklärung, dass nur die städtischen Kosten angegeben werden könnten, weil die Beklagte über die Kosten der anderen Träger keinen Überblick habe, ist nicht nachvollziehbar, weil die nachträglich erstellte Tabelle – angeblich – bereits den Gesamtaufwand für alle Kindertageseinrichtungen (Personal- und Sachkosten) aufweist. Auch in diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte die entsprechenden Angaben und damit die Gesamtkosten und letztlich die Durchschnittskosten für einen Betreuungsplatz nicht ermitteln können sollte.
50Der Einwand der Beklagten, dass der weite Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers in den Fällen der Erhebung von Elternbeiträgen zu berücksichtigen sei, so dass keine Kalkulation erforderlich sei, wenn die Erträge aus den Elternbeiträgen lediglich bis zu 19 % der Kosten deckten, führt zu keinem anderen Ergebnis.
51Vgl. dazu: VG Münster, Urteil vom 14. Dezember 2009 – 3 K 2220/08 –, juris, Rn. 28; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2009 – 24 K 5153/08 –, juris; VG Köln, Urteil vom 1. Juni 2010 – 22 K 4769/08 –, juris, Rn. 35, die jeweils bei einer Deckungsquote von bis zu 19 % die in der jeweiligen Satzung vorgesehene Beitragshöhe nicht beanstanden.
52Denn für die Feststellung, dass eine Quote von 19 % der Gesamtkosten durch die neu festgesetzten Elternbeiträge noch unterschritten wird, sind ebenfalls zunächst die Gesamtkosten des Angebotes an Kindertageseinrichtungen zu ermitteln.
53Vgl. VG Münster, Urteil vom 14. Dezember 2009 – 3 K 2220/08 –, juris, Rn. 28; VG Köln, Urteil vom 1. Juni 2010 – 22 K 4769/08 –, juris, Rn. 35.
54Dies war hier nicht der Fall, weil sich entsprechende Zahlen für eine Prognose der Gesamtkosten für das Jahr 2015 wie oben bereits festgestellt nicht aus den Satzungsunterlagen ergeben. Sollte die Beklagte insoweit auf die Tabelle aus 2014 Bezug nehmen, bleibt diese jedenfalls deshalb aus der Betrachtung, weil sie nicht Bestandteil der Satzungsunterlagen war.
55Nach alledem ist festzustellen, dass der Beschlussfassung über die Satzung keine auf den eingangs dargelegten, unverzichtbaren Basiszahlen betreffend Gesamtkosten und Kinderzahl basierende Prognose für das hier maßgebliche Jahr 2015 zu Grunde gelegen hat.
56Ob darüber hinaus im Hinblick auf die notwendige Differenzierung der Kalkulation hinsichtlich der einzelnen Betreuungsangebote ein weiterer Ermessensfehler vorliegt, weil die Beklagte – soweit ersichtlich – keine getrennte Kalkulation der Elternbeiträge für die Betreuungsform „Kindertageseinrichtung“ und für die Betreuungsform „Kindertagespflege“ vorgenommen hat, kann offen bleiben.
57Offen bleiben kann auch die Frage, ob die Kalkulation für die OGS – unzulässigerweise – ebenfalls mit in die Kalkulation für Tageseinrichtung und Tagespflege eingeflossen ist.
58Vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 9. Juli 2013 – 12 A 1530/12 –, juris, Rn. 53 und 76 m.w.N.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
60Die Kammer sieht von einer Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 VwGO ab, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.