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Es wird festgestellt, dass das gegen den Kläger unter dem 20. November 2008 vom Jugendamt des Beklagten ausgesprochene Hausverbot rechtswidrig war.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Das Jugendamt des Beklagten veranstaltete im Jahr 2008 die Ler Aktionstage zum Kinder- und Jugendschutz. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe fand am 20. November 2008 um 19.00 Uhr eine Kooperationsveranstaltung des Fachbereichs Jugend- und Beschäftigungsförderung des Beklagten mit der Volkshochschule der Stadt L zum Thema "Erlebniswelt Rechtsextremismus – Menschenverachtung mit Unterhaltungswert" statt. Referent bei dieser Veranstaltung war Q, Journalist und Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Referent beim Verfassungsschutz NRW und Lehrbeauftragter an der Universität C. Der Eintritt für die Veranstaltung sollte kostenlos sein, eine Anmeldung beim Fachbereich Jugendhilfe des Beklagten war jedoch erforderlich.
2Der Kläger meldete sich als Teilnehmer zu der oben genannten Veranstaltung an. Er war bis vor einigen Jahren Mitglied der Republikaner und ist Mitglied des Gesprächskreises Ler Forum Freies Deutschland. Auf der Internetseite des Forums www.L-forum.de ist er als Ansprechpartner im Impressum genannt. Das Ler Forum Freies Deutschland wurde in den Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen der Jahre 1998 und 2002 erwähnt. Es wird im Verfassungsschutzbericht 2002 als Gruppierung von ca. 20 Personen beschrieben, die aus unterschiedlichen, meist rechtsextremistischen Parteien oder Organisationen stammen. Es verstehe sich als lose Formation nationalistischer Gruppen in L und seiner Nachbarschaft und stehe unter der Leitung des ehemaligen REP-Mitglieds I. In den Folgejahren wurde das Ler Forum nicht mehr im Verfassungsschutzbericht namentlich erwähnt.
3Nach einem Vermerk des Amtsleiters des Jugendamtes des Beklagten vom 21. November 2008 erschienen am Nachmittag des 20. November 2008 zwei Mitarbeiter der Polizei - Abteilung Staatsschutzes - bei der für die Veranstaltung zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes und fragten, ob sie Einsicht in die Teilnehmerliste nehmen könnten. Als Begründung führten sie an, dass sich bei derartigen Veranstaltungen erfahrungsgemäß auch bekannte NPD-Mitglieder anmelden würden um störend einzuwirken. Sie stellten fest, dass der Kläger sich zu der Veranstaltung angemeldet hatte, den sie dem engsten Kreis der NPD Ls zuordneten. In der anschließenden Beratung im Jugendamt wurde ausweislich des Vermerks angemerkt, dass es im Jahre 2005 bei einer ähnlich gelagerten Veranstaltung in der Volkshochschule schon einmal zu Störungen gekommen sei, an denen auch der Kläger beteiligt gewesen sei.
4Die Sachbearbeiterin des Beklagten schickte daraufhin an den Kläger um 15.37 Uhr eine e-mail mit folgendem Wortlaut:
5"Sehr geehrter Herr I,
6wie mir leider erst heute bekannt wurde, sind Sie Mitglied der NPD und Vorsitzender des Ler Forums. Die heutige Veranstaltung dient zur Information über Erscheinungsformen, Erkennungsmerkmale und Symbole von sogenannten ,Rechten Gruppierungen‘, die Ihnen in Ihrer Funktion hinlänglich bekannt sein werden. Als Veranstalter möchte ich verhindern, Ihnen die Möglichkeit zu geben die Veranstaltung zu stören, wie Sie dies bereits in einer Veranstaltung der VHS im Jahre 2005 bereits getan haben. Zudem möchten wir Ihnen kein Forum bieten, Ihre Ideologien in dieser Veranstaltung zu vertreten.
7Ich mache daher von meinem Hausrecht Gebrauch und verweigere Ihnen hiermit die Teilnahme an der Veranstaltung. Der Staatsschutz wurde darüber bereits informiert.
8Ich hoffe, die Nachricht erreicht Sie noch rechtzeitig."
9In der e-mail ist als Absender der Beklagte, Amt für Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung angegeben. Neben dem Kläger wurden noch zwei weitere, zu der Veranstaltung angemeldete Personen von der Teilnahme ausgeschlossen.
10Der Kläger erschien am Abend kurz vor 19.00 Uhr bei der Veranstaltung und versuchte, daran teilzunehmen. Zwischen den Parteien ist der weitere Gang der Ereignisse umstritten.
11Der Kläger behauptet, er sei von der e-mail überrascht worden und habe sich entschlossen, die Veranstaltung aufzusuchen, um den Vorgang dort nach Möglichkeit zu klären und dann vielleicht doch noch an der Veranstaltung teilzunehmen. Er sei ca. 10 Minuten vor Beginn der Veranstaltung eingetroffen und habe sich bei der Eingangskontrolle mit seinem Namen vorgestellt und seinen Teilnahmewunsch angegeben. Daraufhin sei ihm jedoch von der anwesenden Sachbearbeiterin des Beklagten unter Berufung auf das Hausrecht mitgeteilt worden, dass er daran nicht teilnehmen dürfe. Sodann habe sie ihn aufgefordert, die Örtlichkeit zu verlassen. Der Disput habe sich einige Minuten hingezogen. Der Klärungsversuch sei dann jedenfalls dadurch gescheitert, dass sich ihm zwei offensichtlich im Auftrag des Beklagten tätige Polizeibeamte in Zivil vorgestellt hätten und ihn aufgefordert hätten, das Gebäude und das gesamte Gelände der VHS zu verlassen, anderenfalls habe er mit einer Festnahme zu rechnen. Daraufhin habe er selbstverständlich das Gebäude verlassen.
12Der Amtsleiter schilderte in seinem Vermerk vom 21. November 2008 den Vorfall folgendermaßen: Der Kläger sei am Veranstaltungsabend in Begleitung mehrerer Personen erschienen und habe versucht, an der Veranstaltung teilzunehmen. Nachdem ihm nochmals mitgeteilt worden sei, dass er nicht an der Veranstaltung teilnehmen könne, habe er angefangen, lautstark massive Verbalattacken und Beleidigungen unter anderem gegenüber dem Fachbereich, den Mitarbeitern des Fachbereichs und den vor Ort anwesenden Polizeibeamten auszusprechen. Nachdem vor allem die zuständige Sachbearbeiterin sich sehr bedrängt und angegriffen gefühlt habe, habe er, der Amtsleiter, den Kläger und seine Begleiter gebeten, das Haus zu verlassen. Als dies nicht passiert sei, habe er, der Amtsleiter, die anwesenden Polizeibeamten um Amtshilfe gebeten. Der Aufforderung der Polizei, das Gebäude zu verlassen, seien der Kläger und seine Begleiter umgehend nachgekommen.
13In einem weitern Vermerk des Jugendamtes für das Rechtsamt vom 5. Januar 2009 wird zu dem Vorfall folgendes ausgeführt:
14"Im Jahre 2005 führte die VHS eine Veranstaltung mit einer Lesung von Torald Staud ,Moderne Nazis‘ durch. Diese wurde massiv von Herrn I und einer Reihe von Rechtsextremen gestört. In Absprache mit der VHS, Herrn Q und den Mitarbeitern des Staatsschutzes wurden die drei o.g. Personen vor der Veranstaltung darüber informiert, dass sie aufgrund der damaligen Vorfälle von der Teilnahme an der Veranstaltung ausgeschlossen würden. Trotz dieser Information erschienen die drei Personen und einige weitere offensichtlich ebenfalls zum Kader Gehörige und versuchten, an der Veranstaltung teilzunehmen. Die weiteren Personen hatten sich nicht angemeldet und wurden aus diesem Grund nicht eingelassen. Vor dem Veranstaltungsraum kam es zu lautstarken Protesten, es wurden Flugblätter verteilt und die Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendschutzes, Frau Q1, wurde massiv verbal attackiert. ,..sie sind die neue Nazigeneration, sie sind staatsfeindlich und undemokratisch, dies geht in die gleiche Richtung wie damals die Judenverfolgung, werden sie zukünftig auch Lesben und Schwule als Minderheit verfolgen ...‘ um nur einige Beispiele zu nennen. Aufgrund dieses Auftretens wurden sie von den Mitarbeitern des Staatschutzes, nach Aufforderung durch Herrn B des Hauses verwiesen."
15Der Amtsleiter informierte zu Beginn der Veranstaltung die Teilnehmer über die Geschehnisse und begründete die getroffene Entscheidung hinsichtlich des Ausschlusses. Über den Vorfall wurde in der Tagespresse berichtet. Auch verschiedene Internet-Seiten, darunter die des Ler Forums, erwähnten den Vorfall.
16Am 18. Dezember 2008 erschien der Kläger beim Jugendamt des Beklagten und wollte ein Gespräch über die Vorgehensweise am 20. November 2008 führen. Er teilte mit, dass er eine schriftliche Entschuldigung erwarte sowie die Zusicherung, dass zukünftig in L anders verfahren werde. Außerdem bat er um einen Gesprächstermin, bei dem er seine Argumente vorbringen könne. Nach einem Vermerk der Sachbearbeiterin vom 18. Dezember 2008 teilte diese dem Kläger mit, dass sie mit ihm nur in Anwesenheit ihres Vorgesetzten ein Gespräch führen werde. Der Kläger trägt dazu vor, er habe am 18. Dezember die Sachbearbeiterin des Beklagten im Büro aufgesucht, um eine Klärung des in Rede stehenden Vorgangs zu erreichen. Von Seiten der Sachbearbeiterin sei ihm jedoch jegliches Gespräch verweigert worden. Es sei ihm jedoch angeboten worden, dass man ihm einen gesonderten Besprechungstermin anbieten werde.
17Nach dem Vermerk vom 5. Januar 2009 entschied das Jugendamt, dem Kläger kein persönliches Gespräch einzuräumen, eine schriftliche Mitteilung an den Kläger darüber erfolgte nicht.
18Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Juli 2009 forderte der Kläger den Beklagten auf, bis zum 30. Juli 2009 verbindlich mitzuteilen, dass das von ihm ausgesprochene Hausverbot rechtswidrig gewesen sei, weshalb der Beklagte eine derartige Maßnahme nicht mehr gegen ihn verhängen werde, sich förmlich bei ihm zu entschuldigen und dies in geeigneter Weise, etwa durch Veröffentlichung im Amtsblatt bekannt zu machen.
19Der Beklagte beantwortete diese Aufforderung nicht.
20Der Kläger hat am 10. September 2009 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Klage sei zulässig, insbesondere habe er das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr und des Rehabilitierungsinteresses. Auf seine bisherigen Maßnahmen habe der Beklagte nicht reagiert.
21Das Hausverbot sei rechtswidrig gewesen, weil er als Einwohner der Stadt L einen allgemeinen Rechtsanspruch habe, im Rahmen des vorhandenen Kontingents und Platzangebots an den öffentlichen Einrichtungen sowie darin stattfindenden Veranstaltungen des Beklagten teilnehmen zu können. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass seinem Teilnahmewunsch etwa aufgrund eines zu geringen Platzangebots nicht habe entsprochen werden können. Soweit sich in der e-mail vom 20. November 2008 eine Begründung für den Ausschluss von der Veranstaltung finde, sei diese falsch. Er sei nicht Mitglied der NPD. Im Übrigen sei dies auch unbeachtlich, weil ein Ausschluss aus diesem Grund eine gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßende Diskriminierung darstelle. Er sei auch kein rechtsextremistischer Funktionär, denn er habe in keiner Partei und in keinem Verein eine Funktion inne. Weiter sei er auch nicht Gründer oder Sprecher des Ler Forums. Richtig sei, dass er vor mehreren Jahren Mitglied der Partei "Die Republikaner" gewesen sei, wobei es sich jedoch nicht um eine rechtsextremistische Partei handele.
22Ebenfalls unbeachtlich sei die Erwägung des Beklagten, dass seine – des Klägers -Teilnahme an der Veranstaltung nicht erforderlich sei, weil ihm die zu erörternde Thematik bereits bekannt sei. Dies sei allenfalls dann erheblich, wenn im Hinblick auf ein zu geringes Platzangebot Überlegungen zur Verteilung des vorhandenen Kontingents hätten angestellt werden müssen. Es habe jedoch genügend Plätze gegeben. Die Einladung zu der Veranstaltung sei ausgesprochen worden an interessierte Bürger, Eltern und Multiplikatoren. Dies treffe auf ihn zu, weil er interessiert sei, Vater von drei Kindern und aufgrund vielfältiger menschlicher Kontakte auch als sog. Multiplikator anzusehen sei.
23Schließlich sei es auch nicht zutreffend, dass er im Jahr 2005 eine Veranstaltung gestört habe. Dazu habe der Beklagte nichts vorgetragen. Es hätten auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass er beabsichtigt habe, die Veranstaltung zu stören. Zum Zeitpunkt, als er die e-mail bekommen habe, habe er sich noch gar nicht am Ort der Veranstaltung befunden. Es sei durch nichts belegt, dass von ihm im Laufe der Veranstaltung provozierendes oder auf sonstige Weise störendes Verhalten zu erwarten gewesen sei. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass er die Veranstaltung in störender Weise, etwa durch lautstarke Zwischenrufe oder ähnliches stören wollte, ließen sich nicht belegen.
24Der Kläger beantragt,
25festzustellen, dass das gegen ihn unter dem 20. November 2008 ausgesprochene Hausverbot rechtswidrig war.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Er trägt vor, er habe bei der Überprüfung der Anmeldeliste am 20. November 2008 festgestellt, dass der Kläger als rechtsextremistischer Funktionär einzustufen war und sei. Er, der Beklagte, habe umgehend versucht, den Kläger telefonisch anzuhören, es sei jedoch niemand erreicht worden. Deshalb sei dem Kläger per e-mail die Teilnahme an der Veranstaltung untersagt worden. Zwar sei es zutreffend, dass der Kläger nicht Mitglied der NPD sei, darauf komme es jedoch nicht an. Er sei Gründer und Sprecher des Ler Forums Freies Deutschland. Diese Gruppierung sei in den Verfassungsschutzberichten 1998 und 2002 unter den rechtsextremistischen Gruppierungen aufgeführt. Außerdem sei er ehemals Mitglied der rechtsextremistischen Gruppierung "Die Republikaner" gewesen.
29Der Kläger sei trotz des Hinweises in der e-mail vom 20. November 2008 mit mehreren Begleitern kurz vor Veranstaltungsbeginn am Veranstaltungsort erschienen und habe verlangt, teilnehmen zu können. Über mehrere Minuten seien die Gründe für seine beabsichtigte Nichtteilnahme diskutiert und er entsprechend angehört worden, damit endgültig habe entschieden werden können, ob er habe teilnehmen dürfen oder nicht. Er habe jedoch lautstark und aggressiv insbesondere die zuständige Sachbearbeiterin beschimpft. Wegen seines beleidigenden, aggressiven und herabwürdigenden Verhaltens sei dem Kläger im Ergebnis vom Amtsleiter untersagt worden, an der Veranstaltung teilzunehmen. Er sei vom Amtsleiter gebeten worden, den Veranstaltungsort zu verlassen. Der Kläger habe sich jedoch geweigert, weshalb der Amtsleiter die anwesenden Polizeibeamten um Amtshilfe gebeten habe.
30Die Klage sei schon unzulässig, weil der Kläger nicht klagebefugt sei. Die Klagebegründung enthalte keinen konkreten Vortrag zu einer Wiederholungsgefahr. Es sei auch nicht erkennbar, warum der Kläger ein Rehabilitationsinteresse habe, von einer besonderen diskriminierenden Wirkung des Hausverbots werde man nicht sprechen können. Er sei nicht persönlich diskriminierend behandelt worden. Sein aggressives Verhalten habe vielmehr keine andere Wahl als den Ausschluss gelassen. Die Teilnehmer der Veranstaltung hätten das Verbot der Teilnahme ausdrücklich begrüßt.
31Aus den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen ergebe sich die Richtigkeit der Schlussfolgerung, dass der Kläger als bekennender Rechtsextremist einzustufen sei. Als solchem sei ihm der Zutritt zu der Veranstaltung zu versagen gewesen. Rechtsextremes Gedankengut sei nicht zu tolerieren. Verbale Angriffe, Hetztiraden und Beleidigungen des Klägers gegen die Organisatoren, wie er sie im Rahmen der unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn geführten Diskussion geäußert und unmittelbar anschließend fortgesetzt habe, seien nicht hinzunehmen oder zuzulassen. Es sei dabei nicht von Bedeutung, dass der Kläger möglicherweise kein NPD-Mitglied gewesen sei oder sei. Er stehe der NPD allerdings nahe, wie nicht zuletzt der Verlauf der Veranstaltung am 20. November 2008 gezeigt habe. Gemeinsam mit NPD-Mitgliedern habe gegen das Hausverbot eine sogenannte Spontandemonstration stattgefunden. Insoweit werde auf den Ausdruck der Internetseite der Ler NPD Bezug genommen.
32Das Hausverbot sei auch rechtmäßig. Es sei endgültig nach der Anhörung des Klägers vor Ort am 20. November 2008 gefallen. Die Richtigkeit dieser Entscheidung habe sich umgehend gezeigt, als der Kläger mit seinen Unterstützern versucht habe, in unfriedlicher Weise lautstark und rechtswidrig die Veranstaltung zu stören und zu sprengen.
33Der Kläger bestreitet, dass der Beklagte versucht habe, ihn am Tag der Veranstaltung telefonisch zu erreichen, und macht geltend, er stehe nicht im Telefonbuch, seine Telefonnummer sei dem Beklagten nicht bekannt.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage ist zulässig.
37Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, die nicht durch Gesetz einem anderen Gericht zugewiesen worden ist. Die Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten sind öffentlich-rechtlicher Natur, denn der Kläger begehrte die Teilnahme an einer Veranstaltung des Jugendamtes des Beklagten.
38Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das für die Dauer der Veranstaltung befristete Hausverbot hat sich bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG NRW).
39Die auch im Falle einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis
40Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 125 m. w. N.
41folgt daraus, dass der Kläger Adressat der Verfügung war. Ungeachtet dessen ergibt sich die Klagebefugnis aber auch aus der möglichen Verletzung der Informationsfreiheit des Klägers gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG.
42Der Kläger hat darüber hinaus ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ob sich dieses - wie der Kläger vorträgt - aus einer Wiederholungsgefahr ergibt, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls folgt ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Hausverbots aus dem mit ihm verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Informationsfreiheit, der wegen des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz auch bei - wie hier - typischerweise kurzfristiger Erledigung der gerichtlichen Kontrolle in einem Hauptsacheverfahren unterliegen muss. Außerdem sind die Besonderheiten des Versammlungsrechts zu berücksichtigen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets dann vor, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt.
43Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, S. 77 ff.
44Dies ist vorliegend der Fall, weil dem Kläger der Zugang zu und damit die Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung von vornherein verwehrt wurde.
45Darüber hinaus hat der Kläger ein objektives Rehabilitationsinteresse. Die Verweigerung der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung entfaltet diskriminierende Wirkung, da der Kläger öffentlich als potenzieller Störer eingestuft und deshalb ausgeschlossen wurde. Zudem hat der Amtsleiter des Beklagten diese Maßnahme allen anderen Teilnehmern der Veranstaltung erläutert und damit öffentlich bekannt gemacht.
46Die Klage ist nicht verfristet, da die Fortsetzungsfeststellungsklage in den Fällen, in denen sich der Verwaltungsakt vor Bestandskraft erledigt, nicht fristgebunden ist.
47BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7/98 -, NVwZ 2000, 63 (64).
48Ungeachtet dessen wäre die Klagefrist gewahrt, weil das Hausverbot nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen worden war und daher gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Klageerhebung innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig war.
49Die Klage ist auch begründet.
50Das am 20. November 2008 ausgesprochene Hausverbot ist sowohl formell als auch materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
51Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich hier daraus, dass der Kläger vor Erlass des Verbots, an der Veranstaltung am 20. November 2008 teilzunehmen, nicht angehört wurde. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird. Das ist hier nicht geschehen.
52Soweit der Beklagte vorträgt, er habe versucht, den Kläger vor dem Abschicken der e-mail um 15.37 Uhr am 20. November 2008 telefonisch zu erreichen, ist dem nicht zu folgen. Der Kläger hat diesen Vortrag des Beklagten substantiiert bestritten und dazu ausgeführt, er stehe nicht im Telefonbuch und seine private Telefonnummer sei nicht öffentlich zugänglich. Dem ist der Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Aus den Verwaltungsvorgängen ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Vortrag des Beklagten insoweit den Tatsachen entspricht. So ist weder ein Telefonvermerk vorhanden noch ist etwa die Telefonnummer des Klägers dort notiert. Im Übrigen genügt der erfolglose Versuch, eine Person anzurufen, nicht, die Voraussetzungen einer Anhörung zu erfüllen.
53Der weitere Vortrag des Beklagten, er habe den Kläger vor Erlass des Verbots, an der Veranstaltung teilzunehmen, angehört, indem er ihm zunächst die e-mail geschickt und ihn dann vor der Tür des Veranstaltungsraumes angehört habe, ist ebenfalls nicht mit den vorgelegten Verwaltungsvorgängen in Einklang zu bringen. Bereits der Wortlaut der e-mail lässt eine Interpretation, wonach es sich hierbei um eine Anhörung und nicht um eine Verwaltungsentscheidung gehandelt habe, nicht zu. Der Satz "Ich mache daher von meinem Hausrecht Gebrauch und verweigere Ihnen hiermit die Teilnahme an der Veranstaltung." macht deutlich, dass der Beklagte den Kläger nicht anhören wollte, sondern ihm seine Entscheidung mitteilen wollte. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aus denen sich schließen ließe, dass die e-mail womöglich nur missverständlich abgefasst wurde. So vermerkt der Amtsleiter am 21. November 2008, also unmittelbar nach dem Veranstaltungstag, am Nachmittag des 20. November 2008 sei die Entscheidung getroffen worden, dem Kläger die Teilnahme an der Veranstaltung zu untersagen, und diese Entscheidung sodann per e-mail mitgeteilt worden. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass das Verbot bereits mit der e-mail verkündet werden sollte und keine Anhörung des Klägers damit bezweckt war. Das gleiche ergibt sich auch aus dem Vermerk des Jugendamtes vom 5. Januar 2008, wonach der Kläger vor der Veranstaltung darüber informiert wurde, dass er von der Veranstaltung ausgeschlossen sei und "trotz dieser Information" dort erschienen sei. Daraus ergibt sich unzweideutig, dass nach dem Willen der Mitarbeiter des Jugendamtes die e-mail verhindern sollte, dass der Kläger bei der Vortragsveranstaltung erscheint.
54Die Anhörung ist schließlich auch nicht mit heilender Wirkung nachgeholt worden. Die an eine Heilung zu stellenden Anforderungen werden entscheidend durch die Funktion der Anhörung bestimmt. Diese besteht darin, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und die Möglichkeit zu geben, auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens dadurch Einfluss zu nehmen, dass die Behörde die Stellungnahme bei ihrer Entscheidung ernsthaft in Erwägung zieht und sich spätestens in ihrer Begründung damit auseinandersetzt. Danach kann die Anhörung ihren verfahrensrechtlichen Zweck grundsätzlich nur dann erfüllen, wenn sie vor dem Erlass des Verwaltungsaktes erfolgt. Eine nachträgliche Heilung kann folglich nur dann eintreten, wenn die Funktion der Anhörung für den Entscheidungsprozess uneingeschränkt erreicht werden kann. Das setzt voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis, sondern darüber hinaus zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken.
55Vgl. VG Berlin, Urteil vom 17. Juni 2001 – 27 A 344/00 -, NJW 2002, S. 1063 ff. m.w.N.
56Dass der Beklagte, wie er behauptet, eine derartige ergebnisoffene Anhörung vor der Veranstaltung durchgeführt hat, lässt sich anhand der Verwaltungsvorgänge nicht nachvollziehen. Vielmehr ergibt sich aus dem Vermerk des Amtsleiters vom 21. November 2008, dass dem Kläger "nochmals mitgeteilt" worden sei, dass er an der Veranstaltung nicht teilnehmen könne, als er versuchte, daran teilzunehmen. Eine ergebnisoffene Anhörung fand also nicht statt, sondern die Mitteilung erfolgte laut dem Vermerk unmittelbar auf den Versuch des Klägers. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Argumenten des Klägers oder gar eine Überprüfung der eigenen Annahmen fand damit gerade nicht statt.
57Schließlich ist die Anhörung auch nicht mit heilender Wirkung im Klageverfahren nachgeholt worden, auch wenn der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 auf § 45 Abs. 2 VwVfG verweist. Wie bereits dargelegt, kommt eine Heilung nur in einem Verwaltungsverfahren in Betracht, das geeignet ist, zu einer Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu führen. Das ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht der Fall, weil sich die Angelegenheit erledigt hat.
58Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2006 – 6 S 1508/04 -, ESVGH 56, S. 169 ff; VG Köln, Urteil vom 21. Januar 2008 – 20 K 2146/06 -, zitiert nach juris.
59Dass von einer Anhörung gemäß § 28 Abs. 2 VwVfG NRW abgesehen werden konnte oder dass die fehlende Anhörung im vorliegenden Fall unbeachtlich wäre (vgl. § 46 VwVfG NRW), ist nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
60Das gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot, an der Versammlung teilzunehmen, ist auch materiell rechtswidrig.
61Der Beklagte hat in der e-mail vom 20. November 2008 ausgeführt, er mache von seinem Hausrecht Gebrauch und untersage dem Kläger die Teilnahme an der Versammlung. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Verbots der Teilnahme aufgrund des Hausrechts lagen indes nicht vor.
62Das Hausrecht des Beklagten war im vorliegenden Fall durch das Versammlungsgesetz eingeschränkt. Bei der Veranstaltung am 20. November 2008 handelt es sich um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG. Eine Versammlung in diesem Sinne ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 Bvr 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 -, BVerfGE 104, S. 92 ff.
64Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Vortragsveranstaltung diente dazu, auf die öffentliche Willensbildung Einfluss zu nehmen und die Teilnehmer über die Vorgehensweisen rechter politischer Gruppierungen zu informieren. Insoweit sollten die Teilnehmer auch befähigt werden, die Äußerungen rechter politischer Gruppierungen zu erkennen und ihnen gegebenenfalls entgegenzutreten.
65Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger am 20. November 2008 die Teilnahme an der Veranstaltung zu verbieten, findet im Versammlungsgesetz – VersG - keine Grundlage, insbesondere kann sie nicht auf § 6 Abs. 1 VersG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift können bestimmte Personen oder Personenkreise in der Einladung von der Teilnahme an einer Versammlung ausgeschlossen werden. Als Einladung ist im vorliegenden Fall der vom Beklagten herausgegebene Prospekt zu den Ler Aktionstagen zum Kinder- und Jugendschutz zu sehen, in dem auch die Veranstaltung vom 20. November 2008 beworben wurde. Danach richtet sich die Einladung an "Interessierte BürgerInnen, Eltern und MultiplikatorInnen". Ein Ausschluss der Vertreter bestimmter politischer Meinungen ist darin nicht erklärt. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Ausschluss konkludent erfolgte bzw. erfolgen sollte. Da der Beklagte – wenn auch in anderem Zusammenhang - geltend macht, insoweit bereits über Erfahrungen verfügt zu haben, wie die Berufung auf die Veranstaltung aus dem Jahre 2005 zeigt, wäre es für ihn auch ohne weiteres möglich gewesen, einen entsprechenden Ausschluss bereits in der Einladung zu veröffentlichen.
66Ein Ausschluss des Klägers ist auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 VersG auch nicht durch eine nachträgliche Modifizierung der ursprünglichen Einladung seitens des Beklagten erfolgt. Eine derartige Modifizierung der Einladung setzt voraus, dass diese Modifikation in gleicher Weise veröffentlicht wird wie die ursprüngliche Einladung.
67Vgl. Dietel/Ginzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 15. Aufl, Rdnr. 5
68Der Beklagte hat jedoch keine Modifikation seiner Einladung etwa in einem Flyer veröffentlicht, sondern lediglich dem Kläger und zwei anderen Angemeldeten mitgeteilt, sie könnten an der Veranstaltung nicht teilnehmen.
69Der Beklagte kann den Ausschluss des Klägers von der Veranstaltung auch nicht mit § 11 Abs. 1 VersG begründen. Nach dieser Vorschrift kann der Leiter einer Versammlung Teilnehmer, welche die Ordnung der laufenden Versammlung gröblich stören, von der Versammlung ausschließen. Es kann hier dahinstehen, ob der Beklagte als Versammlungsleiter in diesem Sinne anzusehen ist oder ob er Q mit dieser Aufgabe betraut hatte, denn die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 VersG lagen nicht vor. Dem Kläger ist bereits von vornherein die Teilnahme verweigert worden. Der Beklagte hat sich auch nicht darauf berufen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Klägers nach dem Versammlungsgesetz vorlagen. Abgesehen davon wäre der Ausschluss, der im Ermessen des Versammlungsleiters steht, auch ermessensfehlerhaft, da der Beklagte bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die in der e-mail genannten Fakten – z. B. die NPD-Mitgliedschaft des Klägers – von unzutreffenden Voraussetzungen ausging.
70Es kann hier offenbleiben, ob sich der Beklagte im Hinblick auf die Regelungen des Versammlungsgesetzes zusätzlich noch auf das allgemeine Hausrecht berufen konnte, als er den Kläger von der Versammlung am 20. November 2008 ausschloss,
71Vgl. VG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 20 K 3250/08 -, www.nrwe.de
72die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach dem Hausrecht lagen nicht vor.
73Dabei muss hier nicht entschieden werden, ob sich eine spezialgesetzliche Grundlage für das Hausrecht bereits aus § 62 i.V.m. § 41 Abs. 3 GO NRW ergibt, wonach der Oberbürgermeister die Verwaltung leitet und ihm die laufende Verwaltung obliegt. Denn eine besondere gesetzliche Grundlage ist insoweit nicht erforderlich. Das gewohnheitsrechtlich anerkannte Hausrecht des Beklagten in seiner Funktion als Veranstalter der Vortragsveranstaltung vom 20. November 2008 beinhaltet nämlich die Befugnis, in einem räumlich abgetrennten Herrschaftsbereich über Zutritt und Verweilen von Personen zu bestimmen, um die widmungsgemäße Tätigkeit in einer öffentlichen Einrichtung gegen Störungen durch Unberechtigte zu schützen. Die Kompetenz des Hausrechtsinhabers, über Zutritt und Verweildauer in einem räumlich geschützten Herrschaftsbereich zu entscheiden, stellt sich als ein notwendiger Annex zu der dem Hausrechtsinhaber zustehenden Sachbefugnis dar, da ein solches Bestimmungsrecht zwingende Voraussetzung zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung ist. Dies schließt die Entscheidungsbefugnis über den Ausschluss einer Person vom Verweilen in ihren Räumen ein, wenn diese die sachgemäße Aufgabenerfüllung der Behörde ernsthaft gefährdet oder stört.
74Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 1994 – 22 A 2478/93 -, DÖV 1995, 515; Urteil vom 26. April 1990 – 15 A 460/88 – NVwZ-RR 1991, 35; VG Karlsruhe, Urteil vom 21. Februar 2008 6 K 3221/06 -; VG Gießen, Urteil vom 25. Juli 2003 – 8 E 2112/03 – m.w.N.
75Das Hausrecht umfasst das Recht, zur Wahrung der Zweckbestimmung in einer öffentlichen Einrichtung und insbesondere zur Abwehr von Störungen des Dienstbetriebes über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtung zu bestimmen. Der Ausspruch eines Hausverbotes hat dabei präventiven Charakter, indem er darauf abzielt, zukünftige Gefährdungen oder Störungen der behördlichen Veranstaltung zu vermeiden. Hinsichtlich der prognostischen Bewertung, ob und in welchem Grade eine Gefahr für den ordnungsgemäßen Ablauf der Vortragsveranstaltung vorlag, muss - wie allgemein im Ordnungsrecht - darauf zurückgegriffen werden, ob eine Sachlage oder ein Verhalten nach verständiger, auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhender Beurteilung in näherer Zeit bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens den Eintritt eines Schadens für das geschützte Rechtsgut erwarten lässt
76VG Düsseldorf, Urteil vom 22. April 2009 – 18 K 3166/08 -; VG Gießen, Urteil vom 25. Juli 2003 8 E 2112/03 -; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdnr. 87.
77Derartige Umstände hat der Beklagte zur Begründung seines Teilnahmeverbotes nicht aufgeführt.
78Der Beklagte stützt seine Entscheidung zum einen darauf, dass der Kläger Mitglied der NPD und Vorsitzender des Ler Forums sei. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob sich allein daraus, dass jemand Mitglied der NPD und Vorsitzender des Ler Forums ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schließen lässt, dass er die vom Beklagten geplante Vortragsveranstaltung stören wird. Der Kläger hat die Annahmen des Beklagten, er sei NPD-Mitglied und Vorsitzender des Ler Forums, in der Klageschrift und noch einmal explizit in seinem Schriftsatz vom 17. Mai 2010 bestritten, ohne dass der Beklagte auf dieses Bestreiten geantwortet und Nachweise für seine Behauptungen vorgelegt hätte. Soweit es sich um die Mitgliedschaft in der NPD handelt, hat der Beklagte bereits im Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 zugestanden, sich insoweit geirrt zu haben. Soweit es darum geht, ob der Kläger Vorsitzender des Ler Forums ist, lassen sich weder den Verwaltungsvorgängen noch dem Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 Nachweise entnehmen. Der vom Beklagten vorgelegte Verfassungsschutzbericht für das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2002 lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger im November 2008 "Vorsitzender" des Ler Forums war. Zwar ist in dem Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2002 ausgeführt, dass sich der Kreis unter der Leitung des Klägers trifft, eine formelle Vorsitzendenfunktion wird darin allerdings nicht beschrieben. Außerdem kann sich in den sechs Jahren seit der Erstellung des Verfassungsschutzberichts auch die Rolle des Klägers in dieser Gruppierung geändert haben, weshalb dem Vortrag des Klägers, er habe keinerlei Funktion, weder in einer Partei noch in einem Verein, inne und er sei auch nicht Gründer oder Sprecher des Ler Forums, durch einen entsprechend substantiierten Vortrag und Beweisantritt prozessual hätte begegnet werden müssen. Das hat der Beklagte jedoch nicht getan. Soweit der Beklagte sein Verbot mit der Erwägung begründet, die Veranstaltung diene der Information über Erscheinungsformen, Erkennungsmerkmale und Symbole von sogenannten "rechten Gruppierungen", die dem Kläger in seiner Funktion hinreichend bekannt sein werden, ist nicht nachvollziehbar, wie sich daraus die Schlussfolgerung ableiten lässt, der Kläger werde die Veranstaltung stören. Dazu hat der Beklagte auch in der Klageerwiderung keine Ausführungen gemacht.
79Als Grund für die Annahme, der Kläger könnte die Veranstaltung am 20. November 2008 stören, könnte allenfalls die Angabe des Beklagten dienen, der Kläger habe bereits einmal eine ähnliche Informationsveranstaltung der VHS gestört. Der Beklagte hat in dem angefochtenen Verbot allerdings weder dargelegt, welche Veranstaltung er meint noch worin die Störung bestanden haben soll. Auch ist er dem Bestreiten des Klägers im Klageverfahren nicht entgegengetreten. Er hat in der Klageerwiderung weder konkret dargelegt, worin die Störung des Klägers bestanden hat noch hat er insoweit Nachweise vorgelegt. Lediglich dem Vermerk des Jugendamtes vom 5. Januar 2009 ist zu entnehmen, dass sich der Beklagte insoweit wohl auf eine Veranstaltung der VHS mit einer Lesung von Torald Staud zum Thema "Moderne Nazis" bezieht. Allerdings ergibt sich auch aus diesem Vermerk nicht, worin die dem Kläger vorgeworfenen Störungshandlungen bestanden.
80Schließlich lässt sich auch aus der Erwägung, dem Kläger solle kein Forum geboten werden, seine Ideologien in der Veranstaltung zu vertreten, kein Grund für die Annahme herleiten, der Vortrag von Q bei der VHS solle gestört werden. Dass der Kläger möglicherweise anderer Meinung war und ist als Q und dies in der Veranstaltung kundtun könnte, stellt keine Gefahr im Sinne des Polizeirechts und damit auch keinen hinreichenden Grund für einen Ausschluss des Klägers dar. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger unter dem Schutz des Grundrechts aus Art. 8 GG stand. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt dabei nicht nur solche Teilnehmer vor staatlichen Eingriffen, die die Ziele der Versammlung oder die dort vertretenen Meinungen billigen, sondern kommt ebenso denjenigen zu Gute, die ihnen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung zum Ausdruck bringen wollen.
81Vgl. BverfG, Beschluss vom 11. Juni 1991 – 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, S. 203
82Der Beklagte hat sich insoweit mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit in keiner Weise auseinandergesetzt.
83Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung ausführt, der Kläger sei aufgrund seines vor dem Veranstaltungsraum gezeigten "beleidigenden, aggressiven und herabwürdigenden" Verhaltens von der Veranstaltung ausgeschlossen worden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist, wie bereits oben dargelegt, der Kläger bereits mit der e-mail ausgeschlossen worden, auf sein Verhalten am Veranstaltungsort kam es offensichtlich gar nicht an. Zum anderen hat der Beklagte den Ausschluss auch nicht später ergänzend darauf gestützt. Eine entsprechende Verfügung hat der Beklagte weder in dem Vermerk des Amtsleiters vom 21. November 2008 festgehalten noch hat er sie schriftlich bestätigt, als der Kläger dies verlangte (vgl. § 37 Abs. 2 VwVfG NW).
84Der Beklagte hat die Begründung des Hausverbots auch nicht zulässigerweise in der Klageerwiderung auf das Verhalten des Klägers vor der Tür des Veranstaltungsraumes stützen können. Dabei ist schon fraglich, ob das Verhalten des Klägers insoweit ausreicht, den Ausschluss zu rechtfertigen. Den Wortlaut von Äußerungen des Klägers, die einen Ausschluss von der Veranstaltung rechtfertigen könnten, hat der Beklagte nicht aufgeführt. Der Beklagte hat das Verhalten des Klägers insoweit als beleidigend und aggressiv gewertet, ohne dies mit einem konkreten Tatsachenvortrag, der einer Beweiserhebung zugänglich, wäre, zu untermauern. Außerdem tauscht der Beklagte mit der Klageerwiderung die Begründung für das ausgesprochene Hausverbot auch vollständig aus. Während er sich in der e-mail noch auf das Verhalten des Klägers bei einer Veranstaltung im Jahre 2005 und die Mitgliedschaft in der NPD bzw. den Vorsitz des Ler Forums bezieht, greift er zur Begründung nunmehr auf das Verhalten des Klägers vor der Tür des Veranstaltungsraumes zurück. Ein derartiger Austausch der Begründung ist jedoch auch im Hinblick auf § 114 Satz 2 VwGO unzulässig,
85Vgl Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Rdnr. 50 zu § 114 VwGO
86Das gleiche gilt für den Vortrag, der Kläger stehe der NPD nahe. Es stellt einen Unterschied dar, ob jemand ein Mitglied einer Partei ist oder mit ihr sympathisiert. Auf die Frage, ob eine Gruppe von Menschen, die gegen ein gegen sie ausgesprochenes Hausverbot demonstriert, damit auch notwendigerweise andere Überzeugungen teilen muss, kommt es daher hier nicht an.
87Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung vorträgt, aus allgemein zugänglichen Quellen ergebe sich die Richtigkeit der Schlussfolgerung, dass der Kläger als bekennender Rechtsextremist einzustufen sei und ihm als solchem der Zutritt zu der Veranstaltung zu versagen gewesen sei, führt dies auch vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen, dass nämlich rechtsextremes Gedankengut nicht zu tolerieren sei, nicht zum Ziel. Politische Erwägungen können die juristische Subsumtion und Argumentation nicht ersetzen. Fakten, die das Hausverbot begründen konnten, hat der Beklagte aber nicht vorgelegt. Dabei muss noch einmal betont werden, dass die spätere Reaktion des Klägers auf das Hausverbot nicht geeignet ist, dieses nachträglich zu rechtfertigen, so dass sich das Gericht nicht mit der Frage auseinandersetzen musste, ob dieses Verhalten eventuell ein Hausverbot gerechtfertigt hätte.
88Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.