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Ein wahlberechtigter Bürger ist hinsichtlich eines Ratsbeschlusses, mit dem die Kommunalwahl für ungültig erklärt und eine Wiederholungswahl angeordnet wird, nicht klagebefugt.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger, ein wahlberechtigter Bürger der Stadt E. , der keinem Entscheidungsgremium der Stadt angehört, wendet sich gegen die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten, die Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt E. aus dem Jahr 2009 wiederholen zu lassen.
3Bei den Kommunalwahlen am 30. August 2009 wurde in E. der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, Herr V. , mit 45,5 % der Stimmen gewählt. Unmittelbar am Tag nach der Kommunalwahl, am 31. August 2009, berichtete der damalige Oberbürgermeister, Herr Dr. H. , in einer Pressekonferenz über die Haushaltslage der Stadt E. und gab die am selben Tag von der Stadtkämmerin angeordnete Haushaltssperre bekannt.
4Daraufhin legte die Bezirksregierung B. wegen unzulässiger Wahlbeeinflussung beim Wahlleiter der Stadt E. Einspruch gegen die Wahlen des Oberbürgermeisters der Stadt E. , des Rates und der Bezirksvertretungen ein. Zudem gingen mehr als 350 weitere Einsprüche vor allem von Bürgern der Stadt E. ein. Der Kläger erhob keinen Einspruch gegen die Wahlen.
5In seiner Sitzung vom 10. Dezember 2009 beschloss der Beklagte, den diesbezüg- lichen Einsprüchen stattzugeben, die Wahlen des Oberbürgermeisters, des Rates und der Bezirksvertretungen für ungültig zu erklären und Wiederholungswahlen für das gesamte Stadtgebiet anzuordnen.
6Mit seiner am 8. Januar 2010 erhobenen Klage hat der Kläger sich zunächst gegen die Ungültigerklärung und die Anordnung der Wiederholung aller drei Wahlen - Rat, Oberbürgermeister und Bezirksvertretungen - gewandt. Mit Schreiben von 20. Januar 2010 hat er seine Klage insoweit zurückgenommen, als diese sich gegen die betreffenden Ratsentscheidungen für den Rat der Stadt E. und die Bezirksvertretungen gerichtet hat.
7Zur Begründung seiner nunmehr nur noch auf Aufhebung des Ratsbeschlusses hinsichtlich der Oberbürgermeisterwahl gerichteten Klage trägt der Kläger vor, als wahlberechtigter Bürger der Stadt E. durch den Beschluss des Rates in eigenen Rechten betroffen zu sein. Denn seine Stimmabgabe werde durch die Entscheidung des Rates für ungültig erklärt, was eine Einschränkung seines ihm gesetzlich zustehenden Wahlrechts bedeute. Auch wenn er zuvor keinen Einspruch gegen die Feststellung des Wahlergebnisses eingelegt habe, stehe ihm ein subjektives Kontrollrecht aus § 39 Abs. 1 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen - KWahlG NRW -, gegebenenfalls analog, i. V. m. § 40 Abs. 1 KWahlG NRW zu. Er sei erst durch die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten in seinen subjektiven Kontrollrechten verletzt worden. Denn da er die Auffassung vertrete, dass die Wahl gültig gewesen sei, habe er keinen Grund gehabt, zuvor gegen die Wahl Einspruch einzulegen. Zudem schränke § 41 Abs. 1 KWahlG den Kreis der Klageberechtigten nicht ein. Insbesondere werde nicht vorausgesetzt, dass der jeweilige Kläger gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch erhoben habe.
8Seine Klage sei auch begründet, da kein Fall von Wählertäuschung vorgelegen habe.
9Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,
10den Beschluss des Beklagten vom 10. Dezember 2009 insoweit aufzuheben, als damit die Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt E. vom 30. August 2009 für ungültig erklärt und die Wiederholung der Oberbürgermeisterwahl angeordnet wird.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, da es dem Kläger an der Klagebefugnis fehle. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG richte sich der mit dem Einspruch zu verfolgende Wahlprüfungsanspruch eines Wahlberechtigten allein auf Herbeiführung eines Beschlusses des Rates nach § 40 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) KWahlG. Einen Beschluss des Rates nach § 40 Abs. 1 Buchstabe d) KWahlG, mit dem die Wahl für gültig erklärt werde, könne ein Wahlberechtigter dagegen im Wege des Einspruchs nicht erreichen. Da das Klageverfahren für den Wahlberechtigten nur die gerichtliche Fortsetzung des Einspruchsverfahrens sei, könne sein Wahlprüfungsanspruch im gerichtlichen Verfahren nicht weiter reichen als im vorgerichtlichen Einspruchsverfahren. Die Klage eines Wahlberechtigten ohne Mandat könne sich somit nur gegen einen Ratsbeschluss richten, mit dem die Wahl für gültig erklärt werde.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Gemäß § 84 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann die Kammer nach Anhörung der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
17Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, d. h. hinsichtlich der Ratswahl und der Wahlen zu den Bezirksvertretungen, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 1 VwGO einzustellen.
18Die weitergehende Klage ist unzulässig, da der Kläger nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist. Er kann nicht geltend machen, durch die Wahlprüfungsentscheidung des Beklagten in eigenen Rechten verletzt zu sein.
19Als rechtsgestaltender Verwaltungsakt,
20vgl. hierzu Kallerhof/von Lennep/Bätge/Becker/Schneider/Schnell, Handbuch zum Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen, Seite 301,
21ist der Beschluss des Beklagten zunächst nicht unmittelbar an den Kläger gerichtet und greift daher nicht in seine durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - geschützte allgemeine Handlungsfreiheit ein.
22Es kommt auch nicht die Verletzung einer Rechtsnorm in Betracht, die nach dem Willen des Gesetzgebers - zumindest auch - dem Schutz der Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist.
23§ 39 Abs. 1 KWahlG gewährt einem Wahlberechtigten nur einen Wahlprüfungsanspruch dahin, dass Wahlfehler korrigiert werden, nicht aber - wie vom Kläger begehrt -, dass eine Entscheidung des Wahlprüfungsorgans über die Ungültigkeit der Wahl aufgehoben wird. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, wonach lediglich gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch erhoben und eine Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl nach § 40 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) KWahlG herbeigeführt werden kann. Die Möglichkeiten der Beschlussfassung nach § 40 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) KWahlG betreffen ausschließlich Wahlfehler. Auf die Regelung in § 40 Abs. 1 Buchstabe d) KWahlG, wonach die Wahl für gültig zu erklären ist, wenn ein Wahlfehler nach § 40 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) KWahlG nicht festgestellt wird, nimmt § 39 Abs. 1 KWahlG ausdrücklich nicht Bezug. Mangels Regelungslücke ist daher auch für eine analoge Anwendung des § 39 Abs. 1 KWahlG kein Raum.
24§ 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG begründet keine umfassende eigenständige Klagebefugnis, sondern setzt diese vielmehr voraus. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen über die Wahlprüfung in §§ 39 bis 41 KWahlG: Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KWahlG kann gegen den Beschluss der Vertretung nach § 40 Abs. 1 KWahlG binnen eines Monats Klage erhoben werden. § 40 Abs. 1 KWahlG wiederum betrifft die Beschlussfassung der neu gewählten Vertretung über Einsprüche nach § 39 KWahlG. Wie bereits dargelegt, besteht die Möglichkeit des Einspruchs nach § 39 KWahlG aber nur hinsichtlich der Gültigkeit der Wahl. § 41 Abs. 1 KWahlG gewährt damit nur denjenigen Wahlberechtigten ein subjektives Recht, die zuvor einen Einspruch nach § 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG erhoben haben, stellt sich also für diese als gerichtliche Fortsetzung des Einspruchsverfahrens dar. Eine Popularklage ist hingegen nicht gewollt.
25So bereits Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. September 1965 - III A 650/65 -, OVGE 21, Seite 332 (333); Kallerhoff u. a., a.a.O., Seite 323.
26Durch den Beschluss des Beklagten kann der Kläger auch nicht in seinen Rechten als Wähler aus § 65 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NRW - verletzt sein. Die Grundsätze der unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl werden durch die Wahlwiederholung nicht tangiert. Ein Anspruch auf ein bestimmtes Wahlergebnis steht dem Einzelnen nicht zu. Vielmehr hat er lediglich ein Recht auf Teilhabe an der Wahl. Es steht dem Kläger aber frei, im Rahmen der Wiederholungswahl erneut sein Wahlrecht auszuüben.
27Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, findet die Kostenentscheidung ihre Rechtsgrundlage in § 155 Abs. 2 VwGO, im übrigen beruht sie auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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