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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des erstangegangenen Gerichts.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu-vor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
2Die seit etwa 15 Jahren in der Friedensbewegung u.a. für den Internationalen Versöhnungsbund e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz aktive Klägerin begehrt von der Beklagten, gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika auf den Abzug von auf dem Fliegerhorst Büchel gelagerten amerikanischen Atomwaffen hinzuwirken. Ferner soll die Beklagte alle auf die sogenannte "nukleare Teilhabe" gerichteten Handlungen innerhalb des Bundesverteidigungsministeriums, innerhalb der Bundeswehr und innerhalb der einschlägigen Stäbe der NATO einstellen.
3Sie wohnt in ..... M. ca. 3,5 Kilometer von dem 1954/1955 durch französische Streitkräfte angelegten Fliegerhorst Büchel entfernt, der Mitte August 1955 an die Bundeswehrverwaltung übergeben wurde. 1958 wurde dort das Jagdbombergeschwader 33 aufgestellt, das im Dezember 1958 offiziell der NATO unterstellt wurde. Im Fliegerhorst befinden sich zudem Staffeln der US Air Force 702 Munitions Support Squadrons (702 MUNSS).
4Unter dem 24. September 2009 wandte die Klägerin sich, vertreten durch ihren in der Internationalen Juristenvereinigung gegen Atomwaffen (IALANA) tätigen Prozessbevollmächtigten, mit ihrem Begehren an den Bundesminister der Verteidigung. Sie führte aus, auf dem Bundeswehrflugplatz Büchel lägen die letzten amerikanischen Atombomben. Sie müsse befürchten, in besonderer Weise terroristischen Angriffen ausgesetzt zu sein. Mit den "Konzeptionellen Leitlinien zur Weiterentwicklung der Bundeswehr" vom 12. Juli 1994 habe die Bundesregierung festgelegt, dass die Bundeswehr Flugstaffeln für die "nukleare Teilhabe" vorhalte. Dies sei noch im Weißbuch 2006 für die deutsche Sicherheitspolitik bekräftigt worden. Konkret würde die nukleare Teilhabe durch Piloten des Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel ausgeübt, wo Tornado-Kampfjets stationiert seien. Zwar stehe die nukleare Teilhabe von Anfang an und bis heute unter dem Vorbehalt, dass die Codes zum Scharfmachen der Waffen bis zum Einsatz in den Händen der US-Militärs verblieben. Beladung der Jets, Transport und Abwurf lägen aber in deutscher Hand.
5In einer Neufassung der "Druckschrift Einsatz Nr. 03 Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten" heiße es nun: " Insbesondere der Einsatz folgender Kampfmittel ist deutschen Soldaten bzw. Soldatinnen in bewaffneten Konflikten verboten: Antipersonenminen, atomare Waffen, biologische Waffen und chemische Waffen". Diese Dienstvorschrift, Bestandteil der Zentralen Dienstvorschrift 15/2, verbiete die nukleare Teilhabe. Es stehe, wenn das richtig sei, der erbetenen Erklärung, dass die sogenannte "nukleare Teilhabe" in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr stattfinde, nichts entgegen. Die USA verstießen durch die Überlassung der Atombomben in Büchel auch gegen Art. I des Nichtverbreitungs-Vertrages, der die Atomwaffenstaaten verpflichte, "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden mittelbar oder unmittelbar weiterzugeben." Da Deutschland kein Kernwaffenstaat sei, treffe dieses Verbot auf das Verhältnis der USA und Deutschland zu.
6Sie verweise auf das Gewaltverbot der Satzung der Vereinten Nationen, demzufolge Staaten militärische Gewalt nur in zwei Ausnahmefällen ausüben dürften, ferner auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2008 zur Bindung innerstaatlicher Behörden und Gerichte an die Regeln des Völkerrechts und zum Verbot der Führung eines Angriffskriegs. Das Gewaltverbot gelte auch für die USA. Selbstverteidigung setze eine evidente Angriffslage voraus, also einen offensichtlich unmittelbar bevorstehenden und anders nicht abwehrbaren Angriff. Die USA sähen sich aber aufgrund ihrer nationalen Sicherheitsstrategie vom September 2002 als zur "antizipatorischen Selbstverteidigung", zum Erstschlag, ermächtigt an. In der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie vom März 2006 sei dieser Grundsatz nicht aufgegeben. In der Nuclear Posture Review 2001 und 2005 hätten die USA bekräftigt, dass die Erstschlagdoktrin auch Atomwaffen einschließe. Dieser Grundsatz gelte auch für die NATO. Der Einsatz der zwanzig Atombomben in Büchel würde gegen Prinzipien des humanitären Völkerrechts verstoßen. Eine rechtswidrige Kriegsführung von deutschem Boden aus, verstoße gegen den NATO-Vertrag und die deutsche Verfassung.
7Als Bürgerin habe die Klägerin einen Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland, den Einsatz von Atombomben von deutschem Boden aus zu unterlassen. Sie verweise auf das Rechtsgutachten von Prof. Dr. B. G. -M1. vom 14. Juli 2008. Ihr Recht folge aus Art. 25 und 26 Grundgesetz (GG). Der Bürger könne vom Staat verlangen, dass von deutschem Boden ausgehende rechtswidrige Kriegsführung unterbunden werde.
8Das Bundesministerium der Verteidigung antwortete unter dem 4. November 2009: Die Bundesregierung setze sich in allen damit befassten Foren dafür ein, im multilateralen Konsens eine vollständige Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen als Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Welt zu erreichen. Sie habe mit darauf hingewirkt, dass bei den NATO-Nuklearstreitkräften in Europa seit den Spitzenzeiten des Kalten Krieges eine Verringerung um annähernd 95 Prozent erfolgt sei. Das Ziel der Bundesregierung bleibe darüber hinaus die umfassende, nachprüfbare und unumkehrbare Abrüstung im Rahmen einer verantwortungsvollen Sicherheitspolitik, die Risiken sorgfältig abwäge. Das bestätige die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode. Darin würden die von US-Präsident Obama unterbreiteten Vorschläge für weitgehende neue Abrüstungsinitiativen - einschließlich des Zieles einer nuklearwaffenfreien Welt - nachdrücklich unterstützt. Die Bundesregierung werde sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einsetzen, dass Nachfolgeabkommen zu auslaufenden Verträgen ausgehandelt und die bislang ausgebliebene Ratifizierung des Atomteststoppvertrages und des angepassten KSE-Vertrages nachgeholt würden. Es sei darüber hinaus das ausdrückliche Bestreben der Bundesregierung, sich im Zuge der Ausarbeitung des neuen strategischen Konzepts der NATO im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einzusetzen, dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen würden. Die Bundesregierung werde den engagierten Weg eines Beitrags zur nuklearen Abrüstung fortsetzen und ihre bestehenden Möglichkeiten intensiv wahrnehmen. Das Höchstmaß an Schutz und Sicherheit für die Einwohner der Bundesrepublik Deutschland werde durch infrastrukturelle, technische und organisatorische Maßnahmen und daneben auch strikte Geheimhaltung und Überwachung aller Maßnahmen durch Kontrollgremien gewährleistet.
9In Vorbereitung der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags (NPT), dem Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea nicht angehören, fasste das Europäische Parlament am 10. März 2010 eine Entschließung, die sich auch auf die Überprüfung des Strategiekonzepts der NATO und die nukleare Teilhabe von fünf NATO-Staaten, die keine Atommächte sind (Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande und Türkei), bezog. Sie formulierte u.a. das Ziel, über die schrittweise und weltweite Abschaffung von Kernwaffen dem Ziel der nuklearen Abrüstung näher zu kommen, weist u.a. darauf hin, dass der Abzug aller taktischen Sprengköpfe in Europa einen Präzedenzfall für die weitere nukleare Abrüstung schaffen könne und nimmt u.a. die Koalitionsvereinbarung in Deutschland vom 24. Oktober 2009 zur Kenntnis, in der festgelegt ist, dass auf einen Abzug der Kernwaffen aus Deutschland hingearbeitet werden soll und zwar als Teil eines Gesamtprozesses, der zu einer kernwaffenfreien Welt führen soll. Sie begrüßt das Schreiben der Außenminister Deutschlands, der Niederlande, Belgiens, Luxemburgs und Norwegens vom 26. Februar 2010 an den Generalsekretär der NATO, in dem zu einer umfassenden Debatte innerhalb der Allianz darüber aufgerufen wird, wie die NATO dem Ziel einer Welt ohne Kernwaffen näherkommen kann.
10Die NPT mit 189 Teilnehmerstaaten endete im Mai 2010 mit einem Abschlussdokument, in dem Schritte zur nuklearen Abrüstung vereinbart wurden.
11Anlässlich des Gipfels der 28 NATO-Bündnispartner am 19./20. November 2010 wurde ein neues Strategisches Konzept verabschiedet, das sich erstmals auf das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt festlegte, aber das Prinzip der nuklearen Abschreckung, solange es Nuklearwaffen auf der Welt gibt, bestätigt ( siehe 4. Punkt der Einleitung, und Nr. 9., 17., 19., 26.).
12Am 30. Mai 2011 berichtete der Spiegel darüber, dass das Pentagon plane, Teile des US-Atomwaffenarsenals umfassend zu modernisieren, darunter auch die 10 bis 20 nach Expertenschätzung auf dem Fliegerhorst Büchel liegenden Bomben des Modells B61-4. In Rede stehe die Änderung der nuklearen Sprengladung und das Versehen der Waffen mit steuerbaren Heckflossen, damit sie gezielter eingesetzt werden könnten. Während sich in der Koalition der Außenminister für den Abzug der amerikanischen Bomben ausgesprochen habe, habe der Verteidigungsminister in seinen neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien ausdrücklich ein Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung integriert. Auf Bl. 91 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
13Am Dienstag, den 7. Juni 2011, wurden zwei russische Atombomber vom Typ Tupolew Tu-95 MS über der Nordseeküste vor dem niederländischen Friesland abgefangen. Nach Mitteilung des niederländischen Verteidigungsministeriums wurden in diesem Jahr bereits das dritte Mal russische Militärflugzeuge von Abfangjägern in der niederländischen Luftraumüberwachungszone gestellt. Die Tupolews könnten bis zu 25 Tonnen Waffen tragen. Seit 2007 habe die russische Luftwaffe ihre teils aggressiven Flüge im Bereich der NATO wieder aufgenommen, sie überquerten angeblich auch regelmäßig Norwegen und Island. Im September 2009 sei es vor Estland zu einem Zwischenfall mit Beteiligung eines zum Schutz des Baltikums eingesetzten deutschen Eurofighter gekommen. Auf den Bericht in der Rheinischen Post vom 10. Juni 2011, A5, Bl. 106 der Gerichtsakte, wird Bezug genommen.
14Die Klägerin hat bereits am 14. April 2010 Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Mit Beschluss vom 26. Mai 2010 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.
15Zur Klagebegründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre bisherigen Ausführungen. Insbesondere verweist sie erneut darauf, durch ihren Wohnsitz in unmittelbarer Nähe des Fliegerhorstes Büchel der Gefahr terroristischer Anschläge ausgesetzt zu sein.
16Büchel, wo das Bundeswehr-Jagdbombergeschwader 33 mit Tornado-Kampfjets stationiert sei, sei der letzte verbliebene Nuklearwaffenstandort in Deutschland. Das US-Militär sei dort in Form eines Betreuungsbataillions, 720th MUNSS, präsent. Es lagerten dort bis zu 20 US-Atombomben des Typs B 61, Mod. 3 oder 4, mit einer erheblichen Zerstörungskraft. Im städtischen Umfeld eingesetzt, könnten diese Tausende töten. Sie verweise auf den Artikel von Kristensen in der Zeitschrift Bulletin of the Atomic Scientists 1 / 2, 2003. Im Ernstfall könnten Piloten aus Büchel Nuklearwaffen einsetzen, wenn der US-Präsident sie freigegeben habe. Das Bundesverteidigungsministerium betone nach außen, der jeweilige Bundeswehr-Tornadopilot handele auf Beschluss und Befehl der NATO und erst, nachdem US-Soldaten nach persönlicher Weisung durch den US-Präsidenten die Waffen scharf gemacht hätten. Die nukleare Teilhabe im Sinne der "Konzeptionellen Leitlinien zur Weiterentwicklung der Bundeswehr" vom 12. Juli 1994 würde konkret durch die Piloten des Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel, das der NATO assigniert sei, ausgeübt. Auch die Beladung der Jets würde unter Beteiligung deutscher Soldaten erfolgen. In der Neufassung der Druckschrift Einsatz Nr.03 Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten" des Bundesverteidigungsministeriums heiße es: "Insbesondere der Einsatz folgender Kampfmittel ist deutschen Soldaten bzw. Soldatinnen in bewaffneten Konflikten verboten: Antipersonenminen, atomare Waffen, biologische Waffen und chemische Waffen." Dienstrechtlich klar sei damit nur der Einsatz verboten, nicht die Obhut und die Übung. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP mache zudem die Forderung nach dem Abzug der Atomwaffen in Büchel von der Beschlusslage nach Überarbeitung der NATO-Strategie abhängig. Unklar sei auch, was mit der nuklearen Teilhabe im Übrigen, insbesondere in den NATO-Stäben, sei.
17Die bisher seitens der Beklagten abgegebenen Erklärungen reichten nicht aus. Die Beklagte müsse im Sinne ihrer Anträge tätig werden. Das folge aus dem Friedensgebot des Grundgesetzes (Präambel, Art. 1, 9 Abs. 2, 24 Abs.2, 25 und 26 GG). Einschlägig sei daneben das Gewaltverbot der UN-Charta, das nach Art. 25 Abs. 1 GG als "allgemeine Regel des Völkerrechts" als Bestandteil des Bundesrechts gelte. Die NATO müsse bei ihren Handlungen die UN-Charta beachten. Das humanitäre Kriegsvölkerrecht sei zu beachten. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag habe festgestellt, dass der Einsatz von Atomwaffen "generelly illegal" sei. Nur in einer extremen Notwehrsituation werde der Einsatz "sauberer Atomwaffen" nicht ausgeschlossen. Es habe aber kein Staat Hinweise darauf gegeben, dass eine "saubere" Anwendung von Atomwaffen mit sehr kleiner Druck-, Hitze- und Strahlungswirkung überhaupt möglich sei. Solche Nuklearwaffen würden bis heute von keinem Staat vorgehalten. Das Vorhalten konventioneller Atombomben verstoße gegen das Gewaltverbot im Zusammenhang mit dem humanitären Kriegsvölkerrecht. Auf das Gutachten des IGH vom 8. Juli 1996 werde verwiesen. Die Jahrzehnte alten Atomwaffen in Büchel könnten die Vorgaben des humanitären Kriegsvölkerrechts nicht einhalten. Folglich dürften sie - jedenfalls in Deutsch-land - nicht einmal gelagert werden. Die US-Sicherheitsstrategie umfasse entgegen der UN-Charta das Recht zur antizipatorischen Selbstverteidigung. Die USA würden notfalls Präventivkriege führen. Das bedeute für Deutschland, dass von deutschem Boden aus US-Atombomben für einen "preemptive Strike" eingesetzt würden. Sie verweise auf die Nutzung der Flugplätze Ramstein und Leipzig/Halle für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak. Die Nuklearstrategie der NATO beachte die Vorgaben des Völker- und Verfassungsrechts ebenfalls nicht. Auch für sie gelte die Ersteinsatzdoktrin. Ferner basiere sie auf der Vorhaltung von Waffen, die für den vielleicht allein zulässigen Einsatzfall nicht konzipiert seien. Ein Nuklearwaffeneinsatz seitens der NATO oder der USA, der sich auf "konventionelle Atomwaffen", wie sie in Deutschland stationiert seien, stütze, sei rechtswidrig. Art. II des Nichtverbreitungs-Vertrags sehe für Deutschland als Nicht-Kernwaffenstaat die Verpflichtung vor, keine Atomwaffen anzunehmen.
18Es sei kritisch zu sehen, dass der US-Präsident bezüglich seiner die Atomwaffen betreffenden Entscheidungskompetenz auf dem Boden Deutschlands als "zwischenstaatliche Einrichtung" i.S.d. Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsgewalt ausüben könne. Die seinerzeitige Pershing II und Cruise Missiles betreffende, dies bejahende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei überwiegend auf Kritik gestoßen.
19Deutschland dürfe an Verhaltensweisen, die gegen das Völkerrecht verstießen oder die zu völkerrechtswidrigen Ergebnissen führten, nicht "bestimmend mitwirken", also sei auch die "nukleare Teilhabe" im Übrigen, also die konzeptionelle und logistische Tätigkeit im Bundesverteidigungsministerium, in den befassten militärischen Stäben der Bundeswehr und innerhalb der nuklearen Planungsgruppe der NATO, soweit es um den Einsatz von Atomwaffen gehe, rechtswidrig.
20Art. 25 Abs. 1 GG gewähre individuellen Rechtsschutz. Ebenso vermittle Art.26 Abs. 1 GG, wonach Handlungen, die das friedliche Zusammenleben stören, insbesondere die Vorbereitung der Führung eines Angriffskrieges verfassungswidrig sei, Drittschutz.
21Die Klägerin verweist insbesondere nochmals auf die Gefährdung durch einen terroristisch herbeigeführten Flugzeugabsturz.
22Nach Ende des Kalten Krieges und nach den Erklärungen der fünf Nuklearmächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA in den Vereinten Nationen aus dem Jahr 1995 gebe es keine Selbstverteidigungssituation mehr, in der Deutschland gezwungen sein könnte, Bücheler Atomwaffen anzuwenden, weil es den Fall der extremen Notwehrsituation, in der die Existenz des Staates auf dem Spiel stehe, für Deutschland nicht gebe.
23Auf Bl. 1 bis 28, 64 ff., 78 f., 107 ff., 120ff. der Gerichtsakte sowie die Beiakten 1 und 2 wird wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vortrags Bezug genommen.
24Die Klägerin beantragt,
25hilfsweise zu dem Antrag zu 2.,
28die Beklagte zu verurteilen, innerhalb der sogenannten "nuklearen Teilhabe" darauf hinzuwirken, dass die NATO-Strategie zukünftig auf den Einsatz von Atomwaffen - und insbesondere auf den Ersteinsatz von Atomwaffen - verzichtet.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie führt aus, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts könnten der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Ansatz zustehen. Die Klage sei wegen offenkundig fehlender Klagebefugnis der Klägerin unzulässig.
32Art. 25 GG enthalte selbst kein subjektives Recht. Ein subjektives Recht erwachse erst in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsnorm schütze davor, durch die öffentliche Gewalt mit einem Nachteil belastet zu werden, der seinen Ursprung und seine innere Rechtfertigung nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung finde. Die verfassungsmäßige Ordnung sei Einfallstor für die über Art. 25 GG erfassten allgemeinen Regeln des Völkerrechts.
33Der Anspruch, den die Klägerin geltend mache, sei aber nicht auf die Abwehr eines bereits eingetretenen Eingriffs in ihre Rechtsposition aus Art. 2 GG gerichtet. Weder eine gerichtliche Entscheidung noch ein sonstiges staatliches Handeln habe bereits eine konkrete Belastung der Klägerin bewirkt. Vielmehr fürchte sie für die Zukunft einen Eingriff in ihre Grundrechte und verlange darauf basierend ein Tun der Beklagten, das ihrer Ansicht nach den Eintritt des befürchteten Schadensereignisses verhindere.
34Die Klägerin begehre von der Beklagten die Wahrnehmung von Schutzpflichten in Bezug auf die "nukleare Teilhabe". Das Bundesverfassungsgericht erkenne im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch Schutzpflichten an, deren Verletzung zugleich eine Grundrechtsverletzung beinhaltete (Fall der Lagerung chemischer Waffen im Bundesgebiet, E 77, 170 (241f.). Dabei habe der Gesetzgeber einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich. Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch sei wegen dieser Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts treffe, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien. Der jeweilige Kläger müsse in einem solchen Fall schlüssig dartun, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen habe oder diese gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien.
35Diesen Vorgaben genüge die Klage eindeutig nicht.
36Bei der behaupteten langjährigen Lagerung von Atomwaffen seien bisher keinerlei Schäden oder auch nur konkrete Gefährdungen für die Bevölkerung eingetreten. Durch infrastrukturelle, technische und organisatorische Maßnahmen sowie daneben strikte Geheimhaltung und Überwachung aller Maßnahmen durch Kontrollgremien werde ein
37Höchstmaß an Schutz und Sicherheit für die Einwohner Deutschlands gewährleistet.
38Hinsichtlich der Forderung, auf die Verbündeten einzuwirken, wiederholt sie das Vorbringen des Verwaltungsverfahrens. U.a. trägt sie vor, die aktuellen Abrüstungsinitiativen einschließlich des langfristigen Ziels einer friedlichen und sicheren Welt ohne Nuklearwaffen würden unterstützt. In allen Fragen der Lagerung amerikanischer Atomwaffen und der zukünftigen Strategie eines (Nicht-)Einsatzes befinde sich die Bundesregierung mit den anderen Bündnispartnern der NATO in einem ständigen und engen Abstimmungsprozess, der das Sicherheitsbedürfnis der Staaten ebenso berücksichtige wie mögliche Gefahren für die Staatsbürger dieser Staaten. Dies sei weder gänzlich ungeeignet noch völlig unzulänglich, um in Bezug auf die nukleare Teilhabe Vorkehrungen zum Schutze der Rechtsgüter der Staatsbürger Deutschlands und somit auch der Klägerseite zu treffen.
39Deutschland sei lediglich ein souveräner Staat von vielen im NATO-Bündnis. Damit gehe einher, dass es den Verbündeten nichts verbindlich vorgeben könne. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, in Verhandlungen und Gesprächen seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen und die Entscheidungen in diese Richtung zu beeinflussen. Der Artikel "Neue NATO-Strategie" im Handelsblatt vom 6. Oktober 2010 spiegele kurz aber sehr prägnant sowohl den Einsatz der Beklagten für eine nukleare Abrüstung als auch die Interdependenzen innerhalb des Verteidigungsbündnisses wider (Bl. 60 der Gerichtsakte). Eine andere Vorgehensweise komme schlechterdings nicht in Betracht.
40Die Klägerin habe weder die Notwendigkeit eines detaillierten und sachgerechten Vortrags zu den Maßnahmen der Bundesregierung noch die weite Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung bei der Wahrnehmung der Schutzpflichten beachtet Sie erhebe eine pauschale Maximalforderung, die sich völlig außerhalb des vom Bundesverfassungsgericht klar gezogenen rechtlichen Rahmens für die Wahrnehmung von Schutzpflichten bewege. Eine Versäumnis der Bundesregierung bei der Wahrnehmung von Schutzpflichten bestehe offensichtlich nicht. Der Klägerin stehe daher offenkundig kein subjektives Recht auf die Vornahme der klageweise erstrebten Handlungen zu.
41Sie verweise zudem auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1984 (E 68, 1ff.) zur Stationierung nuklear bestückter Waffen vom Typ Pershing II und Cruise Missiles, wonach diese u.a. vom Vertrag vom 23. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland sowie der Französischen Republik (Aufenthaltsvertrag) gedeckt war. In diesem Sinne sei auch die Problematik der nuklearen Teilhabe zu bewerten.
42Darauf, ob die Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen einer nationalen Entscheidung und unabhängig von der Frage der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO sowie der Bundesminister der Verteidigung in den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien ein ausdrückliches Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung abgegeben hätten, komme es im vorliegenden Rechtsstreit deshalb nicht an. Die Bundesregierung habe einen außen- und verteidigungspolitisch weiten Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum. Bis zur Grenze offensichtlicher Willkür oder etwaiger Angriffsabsichten obliege es allein der Bundesregierung, die außen- und verteidigungspolitischen Handlungsmöglichkeiten zu bewerten und danach zu handeln. Dem Bürger komme nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes insoweit kein Anspruch zu, die Bundesregierung auf ein bestimmtes Handeln festzulegen.
43Die grundrechtliche Verantwortlichkeit der staatlichen deutschen an das Grundgesetz gebundenen öffentlichen Gewalt ende grundsätzlich dort, wo ein Vorgang in seinem wesentlichen Verlauf von einem fremden souveränen Staat nach seinem eigenen, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet werde (BVerfGE 66, 39ff., Verfassungsbeschwerde wegen Zustimmung der Bundesregierung zur Stationierung der Pershing II und Cruise Missiles aufgrund des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979). Die Aussage in den Verteidigungspolitischen Richtlinien zur nuklearen Abschreckung beziehe sich auf das NATO-Bündnis und erkenne die Bündnisverpflichtungen Deutschlands an.
44In der mündlichen Verhandlung trägt sie unter anderem vor, sie könne bezüglich der klägerischen Aussagen nichts dementieren und nichts bestätigen. Sie verweise auf die Pflicht zur strengsten Geheimhaltung insbesondere bezüglich der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO.
45Sie hat die Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 18. Mai 2011 vorgelegt und verweist insbesondere auf deren Seite 8. Dort heißt es: "Gleichzeitig bekennt sich die Allianz zu Abrüstung und Rüstungskontrolle. Sie erhält und entwickelt ein aufeinander abgestimmtes und den Risiken und Gefährdungen angemessenes Spektrum konventioneller und nuklearer Fähigkeiten einschließlich der Flugkörperabwehr. Die Nordatlantische Allianz bleibt gemäß ihres neuen Strategischen Konzepts ein nukleares Bündnis. Die Notwendigkeit zu nuklearer Abschreckung besteht fort, solange nukleare Waffen ein Mittel militärischer Auseinandersetzung sein können." Auf Seite 3 wird ausgeführt: "Die Verbreitung und Weitergabe von Massenvernichtungswaffen und die Verbesserung ihrer Trägermittel entwickeln sich zunehmend zu einer Bedrohung auch für Deutschland. Es muss verhindert werden, dass staatliche und nicht-staatliche Akteure in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen. Dafür sind eine glaubhafte Abschreckung, ein wirksames Nichtverbreitungsregime genauso wie wirksame Frühwarnungs- und Abwehrmaßnahmen zur Unterbindung von Handlungsoptionen dieser Akteure zum Schutz der Bevölkerung erforderlich." (Bl. 96 ff. der Gerichtsakte).
46Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Klägerin vorgelegten Dokumente und Schriften (Beiakten 1 und 2) Bezug genommen.
47E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
48Die Klage hat keinen Erfolg.
49Sie ist mit allen Anträgen bereits unzulässig, da hinsichtlich von Teilen des Vorbringens die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet wäre (I.), in den übrigen Teilen die Klägerin nicht klagebefugt ist (II.).
50vgl. auch BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1984 - 2 BvE 13/83 -, JURIS, Rdnr. 144 ff., insbes. 146 - 151,
52und auf deren Stäbe die Klägerin mit einem Teil des Antrags zu 2. einwirken will, unterliegt schon nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Internationale und supranationale Organisationen genießen kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität.
53Vgl. VG Köln, Gerichtsbescheid vom 22. Oktober 2003 - 27 K 5731/03 -; Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010 vor § 40 Rdnr. 47.
54Das von der Klägerin in ihrer Klagebegründung umfassend beanstandete derzeitige und künftige Vorgehen der USA einschließlich ihres Präsidenten, u.a. der behauptete Verstoß gegen Art. I des Nichtverbreitungsvertrages durch Stationierung der Atomwaffen in Deutschland, deren Sicherheitsstrategie der "antizipatorischen Selbstverteidigung" und im Kriegsfall die Freigabe der Waffen, unterliegt ebenfalls eindeutig schon nicht der deutschen Gerichtsbarkeit.
55vgl. VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2000 - 7 K 95/98 -; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 42 Rdnr. 370 ff. m.w.N.,
57mangelt, was dem Ausschluss von Popular- und Interessenklagen dient.
58Unabdingbar ist die Möglichkeit, eine der deutschen öffentlichen Gewalt zurechenbare Verletzung subjektiver Rechte der Klägerin feststellen zu können und zwar im konkreten Streitfall durch Unterlassen der klageweise begehrten Einwirkungen (Klageantrag zu 1. und Hilfsantrag zu 2.) bzw. Versagen der begehrten Unterlassungen (Klageantrag zu 2.). Die Klägerin ist aber nicht möglicherweise dadurch der deutschen öffentlichen Gewalt zurechenbar in ihren eigenen Rechten verletzt, dass die Beklagte gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika nicht darauf hinwirkt, dass auf dem Fliegerhorst Büchel etwa gelagerte Atomwaffen abgezogen werden, dass innerhalb des Bundesministeriums der Verteidigung, innerhalb der Bundeswehr und innerhalb einschlägiger Stäbe der NATO auf die sogenannte "nukleare Teilhabe" gerichtete Handlungen der Beklagten eingestellt werden oder die Beklagte innerhalb der "nuklearen Teilhabe" nicht darauf hinwirkt, dass die NATO-Strategie künftig auf den Einsatz von Atomwaffen - und insbesondere auf den Ersteinsatz von Atomwaffen - verzichtet. Eine mögliche Rechtsverletzung folgt insbesondere nicht daraus, dass sie ca. 3,5 km von dem Bundeswehrflugplatz Büchel entfernt wohnt und dort nach Pressemitteilungen sowie Fachveröffentlichungen,
59vgl.z.B. Otfried Nassauer, Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit, Atomwaffenstandort Büchel, August 2007,
60die letzten auf deutschem Gebiet verbliebenen Atomwaffen lagern sollen. Die letztgenannte Annahme, zu der die Beklagte aus Gründen der Geheimhaltung keine Aussagen trifft, legt das Gericht seiner Entscheidung zugrunde.
61Der Erfolg der Klage scheitert aber sowohl daran, dass die Klägerin sich nicht auf die mögliche gerichtlich feststellbare, der deutschen öffentlichen Gewalt zurechenbare Verletzung von Rechtsvorschriften berufen kann (1.), als auch daran, dass die Rechtsvorschriften, auf die sie sich bezieht, nicht auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind und daran, dass es in ihrem Fall nicht um sie betreffende rechtserhebliche Beeinträchtigungen, sondern um im Vorfeld dieser Beeinträchtigungen angesiedelte Gefährdungen geht, die nur ausnahmsweise ausreichen können, um ein gerichtliches Verfahren zu eröffnen, zumal dann, wenn es sich nicht um Gefährdungen infolge von Tun, sondern - wie hier teilweise - infolge von Unterlassen handelt. (2.)
62Das Grundgesetz ermächtigt den Bund, Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen und sich einem System kollektiver Selbstverteidigung und gegenseitiger kollektiver Sicherheit anzuschließen, Art. 24 Abs. 2, 87 a GG, mit der Befugnis, sich mit eigenen Streitkräften an Einsätzen zu beteiligen, sofern der Bundestag den militärischen Maßnahmen die (vorherige) konstitutive Zustimmung erteilt,
64vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1999 - 2 BvE 5/99 -, Juris, insbes. Orientierungssatz 2 und Rndr. 14 ff. zur Bundeswehrbeteiligung an NATO-Operationen im Kosovo; dass., Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92 u.a. -, JURIS, Leitsätze 1 und 6 und Rdnr. 320 ff. zu AWACS-Einsätzen; dass., Urteil vom 22. November 2001 - 2 BvE 6/99 -, JURIS, insbes. Rdnr. 159, 162, 169 zum neuen strategischen Konzept der NATO von 1999; dass., Beschluss vom 4. Mai 2010 - 2 BvE 5/07 -, Rdnr. 55 ff. zu Einsätzen u.a. von Tornado-Flugzeugen, AWACS-Luftfahrzeugen, Eurofightern und Phantom-Flugzeugen anlässlich des G 8-Gipfels in Heiligendamm.
65Gemäß Art. 115 a GG entscheidet der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats über den Verteidigungsfall. Art. 80 a GG betrifft den Spannungsfall und zwar in dessen Absatz 3 auch in Bezug auf den Beschluss eines internationalen Organs im Rahmen eines Bündnisvertrages. Die seit Jahrzehnten in Deutschland und derzeit möglicherweise noch in Büchel stationierten Atomwaffen lager(te)n dort aufgrund der Verpflichtungen innerhalb des Verteidigungsbündnisses NATO, dem die Beklagte ebenfalls seit Jahrzehnten angehört,
66vgl. schon BVerfG, Urteil vom 30. Juli 1958 - 2 BvG 1/58 -, JURIS, zu Volksbefragung im Zusammenhang mit der Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen im Rahmen des Atlantischen Verteidigungsbündnisses; dass., Urteil vom 18. Dezember 1984 - 2 BvE 13/83 -, JURIS, u.a. Rdnr. 123, 170, 177 f., 182 zur Stationierung u.a. der Pershing II-Raketen; dass., Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92 u.a.-, JURIS, Rdnr. 235 ff., 290; dass., Urteil vom 22. November 2001 - 2 BvE 6/99 -, a.a.O., insbes. Rdnr. 148, 153ff., 158, 165 mit Aussagen zu Nuklearwaffen.
67In dem am 12. September 1990 unterzeichneten und bis Anfang 1991 ratifizierten Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (Zwei-plus-Vier-Vertrag), dem Staatsvertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion heißt es u.a. in Art. 2 des Vertrages, dass nach der Verfassung des vereinten Deutschlands Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar sind. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen. In Art. 3 bekräftigen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen. Sie erklären, dass auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtung halten wird. Insbesondere gelten die Rechte und Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 für das vereinte Deutschland fort. Die Stationierung von Kernwaffen wurde lediglich für Ostdeutschland ausgeschlossen, Art. 5 Abs.3. Im Übrigen wird gemäß Art. 6 das Recht des vereinten Deutschlands, Bündnisse mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten anzugehören, von diesem Vertrag nicht berührt.
68Die Einschätzung, welche Folgen eine nach wie vor der nuklearen Abschreckung dienende,
69vgl. auch S. 8 der Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 18. Mai 2011, Bl. 99 Rückseite der Gerichtsakte,
70aufrechterhaltene Stationierung von Atomwaffen in Bezug auf das Verhalten Dritter auslösen kann, nur darum geht es bei der klägerischen Befürchtung etwaiger terroristischer Angriffe auf Büchel und der befürchteten Folgen des etwaigen Einsatzes in einem durch einen anderen Staat ausgelösten Kriegsfall, obliegen wegen fehlender rechtlich maßgeblicher Kriterien den für Außen- und Verteidigungspolitik zuständigen Bundesorganen. Im Rahmen der Zielvorgaben des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in Art. 1 Abs. 2, 24 Abs. 2 GG Ausdruck gefunden haben, und im Rahmen des völkerrechtlich Zulässigen schließt deren verfassungsrechtliche Kompetenz die wirksame Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland ein und die pflichtgemäße politische Entscheidung und Verantwortung, welche Maßnahmen erfolgversprechend sind. Das gilt auch, sofern dabei nicht mehr abschätzbare Risikobereiche verbleiben. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, jenseits rechtlich normierter Vorgaben in diesem Bereich ihre Einschätzungen an die Stelle der Einschätzungen und Erwägungen der zuständigen politischen Organe des Bundes zu setzen. Grenze dieser Beurteilungsmacht ist nur offensichtliche Willkür.
71Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1983 - 2 BvR 1160/83, 2 BvR 1565/83, 2 BvR 1714/83 -, zur Aufstellung von Pershing II- Raketen und Marschflugkörpern im Bundesgebiet, JURIS, Leitsatz 2 und Rdnr. 42 ff., insbes. 47, 51; dass., Urteil vom 18. Dezember 1984 - 2 BvE 13/83 -, a.a.O., Leitsätze 2.3 und 3 und Rdnr.- 161, 171.
72Offensichtliche Willkür wird von der Klägerin aber weder geltend gemacht noch bestehen irgendwelche Anhaltpunkte dafür.
73Auch der genannte Rahmen des völkerrechtlich Zulässigen,
74vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1984 - 2 BvE 13/83 -, a.a.O., Rdnr. 130, 69,
75ist nicht verlassen. Klageziel ist eindeutig der politischen Lage entsprechend nicht die Verhinderung eines bevorstehenden Einsatzes von Atomwaffen und erst recht nicht deren Einsatz in einem Angriffskrieg. Vielmehr ist die Klage darauf gerichtet, mit weiteren Maßnahmen der Beklagten auf den Abzug in Büchel im Rahmen der nuklearen Abschreckung stationierter Atomwaffen und auf ein Ende dieses Konzepts der nuklearen Abschreckung hinzuwirken. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht sich noch nicht ausdrücklich im Lichte des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom 8. Juli 1996 zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Stationierung von Atomwaffen sowie der Drohung mit deren Einsatz verhalten,
76vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 1999 - 2 BvM 1/98 -, Juris,
77wohl aber konkludent zustimmend in der schon zitierten Entscheidung vom 22. November 2001, in der in Übereinstimmung mit den Zielen der Vereinten Nationen und im Rahmen des NATO-Gesamtkonzepts der umfassenden regionalen Friedenssicherung im europäischen und nordamerikanischen Raum auch die Existenz von Nuklearwaffen zugrunde gelegt wird, deren Einsatz einer Konkretisierung nach den sicherheitspolitischen Anforderungen bedürfe. Das völkerrechtliche Gewaltverbot werde erfüllt. Die Einsatzvoraussetzungen der NATO sollten ausweislich des Wortlauts des Konzepts nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht erfolgen.
78Vgl. BVerfG, a.a.O., Rdnr. 165, 169, 171 f.;
79vgl. im Übrigen früher dass., Beschluss vom 16. Dezember 1983 - 2 BvR 1160/83 u.a. -, a.a.O., Rdnr. 53 und dass., Urteil vom 18. Dezember 1984 - 2 BvE 13/83 -, a.a.O., Rdnr. 130 zur Sationierung von Pershing II und Marschflugkörpern.
80Vertrags- oder Gewohnheitsrecht verbietet die Atomwaffe als solches nicht. Auch der Internationale Gerichtshof gelangte in dem genannten aufwändigen Gutachten nicht zu dem Ergebnis, dass er auf der Basis des humanitären Völkerrechts mit hinreichender Sicherheit feststellen kann, ob die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen in einer extremen Selbstverteidigungssituation, in der das reine Überleben eines Staates auf dem Spiele stehen würde, rechtmäßig oder unrechtmäßig sein würde.
81S. 67 des Rechtsgutachtens, Beiakte 2;
82Deiseroth in: Völkerrechtliche Pflicht zur nuklearen Abrüstung? Beiakte 1, S. 13.
83Der Gerichtshof dürfe nicht das jedem Staat zustehende Überlebensrecht aus den Augen verlieren und damit das Recht auf legitime Selbstverteidigung, wenn dieses Überleben bedroht sei. Er könne nicht die so genannte Abschreckungspolitik ignorieren, der ein beträchtlicher Teil der internationalen Gemeinschaft über Jahre hinweg angehangen habe. Er könne keine endgültige Aussage über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Einsatzes von Atomwaffen durch einen Staat zur Selbstverteidigung in einer extremen Situation, in der es um sein Überleben gehe, treffen. Dabei wurde vom Internationalen Gerichtshof ausdrücklich gerade nicht auf von der Klägerin erwähnte "saubere Atombomben" abgestellt. Vielmehr sah man diese etwaige "verbesserte Atomwaffe" nicht mehr als echte "Atomwaffe" an und hat sich nicht nur zu bestimmten Arten von Atomwaffen verhalten.
84Vgl. Bedjaoui, Treu und Glauben, Völkerrecht und die Abschaffung der Atomwaffen, S. 34 unten bis 38 Mitte, 42 2. Absatz - 44, Beiakte 1.
85Im Hinblick auf die dramatischen, die weltpolitische Lage bestimmenden Konflikte sowie darauf, dass neben den fünf offiziellen Atommächten USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China, zugleich die fünf Ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen, auch Pakistan, Indien sowie der Iran Atomprogramme betreiben, inzwischen Saudi-Arabien erklärte, an eine Aufrüstung zu denken, und Nordkorea 2003 von der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages zurücktrat, das nach eigenen Angaben zwei Kernwaffen erfolgreich testete, vermag die Kammer sich dem klägerischen Ansatz, für Deutschland sei eine extreme Selbstverteidigungssituation überhaupt nicht denkbar, nicht anzuschließen.
86Gemäß Art. 25 GG sind die Allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Die hier in Rede stehenden allgemeinen Regeln des Völkerrechts wirken allerdings ausschließlich zwischen den Völkerrechtssubjekten (Außenwirkung). Sie sind nicht, wie etwa das Folterverbot oder das Verbot rassistischer Diskriminierung, individualgerichtet und erzeugen damit nicht über Art. 25 Satz 2 GG einklagbare Rechte für in der Bundesrepublik Deutschland wohnende Einzelpersonen. Der subjektiv-rechtlichen Umformung entziehen sich diejenigen Regeln, die gerade Staaten als Inhaber von Hoheitsgewalt verpflichten.
88Vgl. z. Ganzen Herdegen in Maunz-Dürig, Stand Januar 2011, Art. 25 Rdnr. 48 ff., insbes. 50, m.w.N..
89Anderes folgt, auch unter Einbeziehung des Art. 2 Abs. 2 GG, nicht aus der Argumentation des Prof. Dr. B. G. -M1. in seinem Gutachten "Militärbasen und militärisch genutzte Flughäfen in Deutschland. Umfang und Modalitäten des subjektiven Rechts auf Einhaltung des Verbots der Beteiligung an Angriffskriegen", Beiakte 2. Es geht nämlich, wie schon ausgeführt, in den Klageanträgen (zutreffend) nicht um einen beabsichtigten gegebenenfalls zumindest geduldeten Angriffskrieg,
90vgl. hierzu G. -M1. , insbes. S. 42 f. des Gutachtens,
91sondern um Anträge mit dem Ziel des Hinwirkens auf das Ende einer bisherigen Lagerung von Atomwaffen in Büchel und auf Aufgabe des bisherigen Konzeptes der atomaren Abschreckung der NATO.
92Auch nach Aussage des von der Klägerin zitierten Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, erfüllen die Nuklearwaffen in Europa heute vor allem eine politisch-psychologische Funktion. Es würde nach Angaben der NATO Monate dauern, eine volle Einsatzbereitschaft atomar aufmunitionierter Jagdbomber herzustellen,
93vgl. Nassauer, US-Atomwaffen in Deutschland und Europa, Fasung von Juni 2008, Bl. 132 ff. Gerichtsakte.
94Soweit die Klägerin in ihrer Klagebegründung auf die Möglichkeit der Beteiligung deutscher Soldaten an einem Kriegseinsatz mit den in Büchel gelagerten Atomwaffen abstellt, geht es ferner eindeutig um außen- und verteidigungspolitische Angelegenheiten im Rahmen der Einbindung in die NATO, die - wie schon ausgeführt - dem subjektiven Rechtsschutz zugunsten des einzelnen Bürgers nicht unterliegen.
95Schlichtes Regierungshandeln, völkerrechtliche Regierungsakte, militärische Kommandoakte und parlamentarisches Handeln sind regelmäßig der dem Individualrechtsschutz dienenden gerichtlichen Kontrolle entzogen. Anderes gilt nur dann, wenn dieses Handeln geeignet ist, unmittelbar zu der behaupteten Rechtsgutsverletzung zu führen,
96Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 77f, 82 f, 91; Hofmann in Schmidt-Bleibtreu-Hofmann-Hopfauf (Schmidt-Bleibtreu-Klein), 11. Aufl. 2008, Art. 19 Rdnr. 75.
97Ein solches unmittelbar zur Rechtsgutverletzung führendes Handeln der Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil das zum Gegenstand der Klageanträge gemachte Verhalten in Form von Tun oder Unterlassen der Beklagten nicht unmittelbar zu die Klägerin betreffenden Rechtsgutsverletzungen führen kann.
98Gem. Art. 26 Abs. 1 GG sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, verfassungswidrig. Gemäß Absatz 2 dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Auch hierdurch werden schon subjektive, gegen die Bundesrepublik Deutschland einklagbare Rechtspositionen nicht begründet.
99Vgl. zum Ganzen VG Köln, Beschluss vom 7. Mai 1999 -19 L 1104/99 - m.w.N. zu deutscher Beteiligung an NATO-Einsatz in Jugoslawien.
100Dass die Beklagte Handlungen vornimmt, vorzunehmen gedenkt oder Unterlassungen beabsichtigt, die das friedliche Zusammenleben stören, oder dass sie gar einen Angriffskrieg beabsichtigt, behauptet die Klägerin ferner selbst nicht.
101Rückwirkungen auf die Bevölkerung bei einem völkerrechtsgemäßen Einsatz von Waffen gegen den militärischen Gegner im Verteidigungsfall sind vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfasst,
102vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1987 - 2 BvR 624/83 u.a., JURIS, Leitsatz 3.2, Rdnr. 115 zu Einsatz und Lagerung chemischer Waffen im Rahmen des NATO-Bündnisprogramms.
103Soweit die Klägerin sich auf Art. 25 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG stützt, also darauf, dass jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat und in diese Rechte nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden darf, fehlt es eindeutig an einem aktuellen Tätigwerden der Beklagten, das diese klägerischen Rechte beeinträchtigt.
104Die Klägerin beruft sich vielmehr konkret auf Beeinträchtigungen, die entstehen könnten, wenn sich die Gefahr etwaiger Angriffe von Terroristen auf Atomwaffen im Fliegerhorst Büchel realisieren sollte und damit auf die Gefahren von Handlungen Dritter, die der Beklagten gerade nicht zugerechnet werden können,
105vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1983 - 2 BvR 1160/83 u.a., -, E 66, 39 ff., Juris Rdnr. 40 ff.
106Dass derzeit oder künftig von Handlungen der Beklagten, also durch die deutsche öffentliche Gewalt, gegen sie gerichtete Beeinträchtigungen ausgehen könnten, behauptet die Klägerin selbst nicht.
107Schließlich scheiterte die Möglichkeit einer Verletzung der Klägerin in subjektiven Rechten daran, dass sie sich nur auf Rechtsgefährdungen beruft.
108Zwar können ausnahmsweise Grundrechtsgefährdungen bereits ausreichen, also Grundrechtsverletzungen gleichzusetzen sein. Das setzt aber voraus, dass sich hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit der geltend gemachten Gefahren gewisse, nicht völlig unbestimmte Annahmen treffen lassen; die wesentlichen Risikoquellen müssten einer Erforschung mit naturwissenschaftlichen Methoden - freilich bedingt und begrenzt durch den jeweiligen Erkenntnisstand und die Erkenntnisart - zugänglich sein. Im vorliegenden Fall mangelt es an verlässlichen Verfahren, mit deren Hilfe der Steigerungsgrad der Gefahren für Leib und Leben der Klägerin im Wege der richterlichen Erkenntnis ermittelt werden könnte. Denn bei den Quellen der Gefährdung handelt es sich um Entscheidungen von Terroristen zu ihren etwaigen vielfältig denkbaren Angriffszielen im Bundesgebiet oder um Entscheidungen fremder souveräner Staaten oder der NATO im Zusammenhang mit weltpolitischen Gesamtlagen und sich wandelnden politischen und militärischen Verhältnissen. Darüber lassen sich im Voraus keine gerichtlich nachprüfbaren Erkenntnisse gewinnen.
109Mittelbare Folgen des Verhaltens der deutschen öffentlichen Gewalt müssten letzterer jedenfalls zurechenbar sein. Welchen Einfluss die aufrechterhaltene Stationierung von Atomwaffen in Büchel für das Verhalten von Terroristen (und im Konflikt mit NATO-Staaten stehenden Drittstaaten) hat oder nicht hat, ist mangels rechtlich maßgebender Kriterien gerichtlich nicht feststellbar. Einschätzungen dieser Art obliegen - wie schon zu (1.) ausgeführt - den für die Außen- und Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Bundesorganen.
110BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1983 - 2 BvR 1160/83, 2 BvR 1565/83, 2 BvR 1714/83 -, a.a.O. Rdnr.43f.; dass. bzgl. Ausgestaltung der Bündnispolitik im Beschluss vom 4. Mai 2010 - 2 BvE 5/07-, a.a.O., Orientierungssatz 2 b, Rdnr. 57f..
111Hinsichtlich des Gefahrenszenarios befindet die Klägerin sich leider in der unüberschaubar großen Gesellschaft von Anwohnern und Nutzern der vielen im Bundesgebiet befindlichen gefährdeten sowie gefährlichen Unternehmen, Verkehrs- und sonstigen Einrichtungen, exponierten Bauwerke, etc., die mit existenzbedrohenden oder
112- vernichtenden Folgen Ziel terroristischer Angriffe sein könnten, die aber dennoch nicht aus diesem Grunde befugt sind, mittels Klage deren Existenz bzw. Nutzung einzuschränken, zu verändern oder zu verhindern.
113Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorträgt, es habe vor mehreren Jahren Vermutungen gegeben, dass infolge in Büchel gelagerter Atomwaffen in der Umgebung ein erhöhtes Aufkommen an Krebsfällen zu verzeichnen sei, hat sie selbst eingeräumt, dass sich diese Jahre zurückliegenden Vermutungen nie erwiesen hätten und auch derzeit keinerlei dahingehende bestätigende Erkenntnisse vorlägen. Auch insoweit scheidet also eine Möglichkeit einer Verletzung der Rechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aus.
114Die Klage richtet sich schließlich - wie schon ausgeführt - nicht primär gegen ein gefährdendes Tun der deutschen öffentlichen Gewalt, sondern wendet sich gegen das (behauptete) bisherige Unterlassen des klageweise begehrten Vorgehens (Antrag zu 1. und Hilfsantrag zu 2.), ferner richtet sie sich gegen ein Tun weit im Vorfeld etwaiger durch Dritte ausgelöster Gefahren, das die Beklagte unterlassen soll (Antrag zu 2.).
115Zwar kann es ausnahmsweise ausreichend sein, dass von staatlicher Seite Schutzmaßnahmen unterlassen werden. Der Gesetzgeber hat jedoch hier einen weiten Gestaltungsspielraum, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist. Eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten kann nur unter der Voraussetzung festgestellt werden, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet sind oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben,
116vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Februar 2010 - 2 BvR 2502/08 -, JURIS, Orientierungssatz 2 b und 2 e, Rdnr. 9 ff. zu CERN; dass., Beschluss vom 29. Oktober 1987 - 2 BvR 624/83 u.a. -, a.a.O., Leitsätze 2.1 bis 2.3, Rdnr. 101, 133 zur Stationierung chemischer Waffen im Rahmen des NATO-Bündnisprogramms; dass., Nichtannahmebeschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - zum Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, Rdnr. 37 - 39.
117Darauf beruft die Klägerin sich aber selbst - auch im Schriftsatz vom 5. Juli 2011 und in der mündlichen Verhandlung - nicht substantiiert und dafür spricht ausgehend von den Darlegungen der Beklagten und Erkenntnissen des Gerichts nichts. Insbesondere stellt auch P. O. in seiner oben zitierten Ausarbeitung von 2007 "Atomwaffenstandort Deutschland" sowie der weiteren von der Klägerin in der Sitzung zur Gerichtsakte gereichten überarbeiteten, ebenfalls bereits zitierten Fassung von 2008 mit dem Titel "US-Atomwaffen in Deutschland und Europa" besondere Sicherheitsvorkehrungen in Bezug auf den Fliegerhorst Büchel dar. Er macht Ausführungen zu gegen Feuer und bewaffnete auch terroristische Angriffe geschützte unterirdische Magazine auf europäischen Flugplätzen, die über Atomwaffen verfügen, sowie zu dort tätigen besonderen Spezialisten und zusätzlichen Wachmannschaften. 2007 sei die Modernisierung der Lagerungssysteme vorgenommen worden. Der Einsatz von Atomwaffen werde heute nur noch selten oder vielleicht gar nicht mehr trainiert. Auf Bl. 130 ff. (insbes. 132 bis 135, 143 ff.) der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Wegen der Darlegungen der Beklagten wird auf Bl. 4 unten bis 5 Mitte und 11 des Tatbestands Bezug genommen und zwar insbesondere dazu, dass sie bereits seit geraumer Zeit umfassende Maßnahmen des klageweise erstrebten Hinwirkens auf ein Ende der atomaren Bewaffnung unternimmt und darauf, dass sie Schutzkonzepte, u.a. auch solche in Form der Geheimhaltung, verfolgt und es bisher keinerlei Schädigungen oder Gefährdungen von Anwohnern gegeben habe. Auch die von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Unfallereignisse mit Atomwaffen betrafen keine im Umfeld von Büchel wohnenden Bürger.
118Die Klägerin hat schließlich auch nicht schlüssig dargelegt, dass gerade mit den klageweise begehrten Maßnahmen besserer Schutz erreicht werden könnte. Insoweit wird insbesondere auf die Ausführungen der Beklagten zu den aus der Einbindung in das NATO-Bündnis resultierenden begrenzten Handlungsspielräumen und Einflussmöglichkeiten Bezug genommen.
119Abschließend wird darauf verwiesen, dass die "Hinwirkungsanträge" der Klägerin, Antrag zu 1. und Hilfsantrag zu 2., bereits zu unbestimmt sind. Es ist völlig unklar, was genau die Klägerin von der Beklagten erwartet, durch welche konkreten Maßnahmen also die Beklagte dem Klagebegehren entsprechen würde, zumal sie in Verhandlungen bereits ständig, wie aus dem Tatbestand ersichtlich ist, auf eine internationale atomare Abrüstung hinwirkt.
120Gemäß den obigen Darlegungen kam es auf die in der mündlichen Verhandlung unter 1. bis 3. unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen für die Entscheidungsfindung nicht an.
121Ebenso wenig war aus den vorstehenden Gründen eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG angezeigt.
122Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 83 VwGO, 17 b Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) analog.
123Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).